Mittwoch, 30. Dezember 2009

Sami vs Norweger

Es ist viel geschehen seitdem ich mich das letzte Mal meldete: daher wird dies ein sehr langer Bericht werden. Für alle, die keine Lust auf lange Reden haben: mir gehts gut und ich wünsche allen, dass ihr euch schnell an die neue Jahrezahl gewöhnen werdet. Ab jetzt werden die Tage wieder länger!


Kurz vor Weihnachten haben wir alle Hunde ins 100km entfernte Soulovuopmi gefahren. Die meisten Ortsnamen hier oben sind samisch, also die Sprache der sogenannten Ureinwohner, welche zu den uralischen Sprachen gehört und mit dem Finnischen und Ungarischen verwandt ist. Die Sami als "Ureinwohner" zu bezeichnen ist in meinen Augen aber totaler Unsinn, da sie vermutlich bloß 500 Jahre früher als die Wikinger in Norwegen ankamen. Die heute immer noch spürbare Rivalität von europäischen und uralisch-stämmigen Menschen (sprich: Norweger und Sami) halte ich daher für typisch engstirnig menschlich: beide Völker sind nun unwiderruflich in Norwegen und sollten endlich einmal Frieden schließen! Aber es wäre ja mal etwas ganz neues, wenn Menschen konfliktfrei mit ihresgleichen, geschweige denn mit ihrer Umwelt leben könnten!

Na ja, auf jeden Fall sind wir dort in Suolovuopmi 48 Stunden lang im Schichtdienst Hunde gefahren: alle 6 Stunden brachen wir zu 5-7 Stunden langen Trainingstouren auf. Insgesamt 240km fuhren wir in den zwei Tagen und zwei Nächten, die wir so gut wie ohne Schlaf auf der Vidda verbrachten. Wir trafen uns mit Harald Tunheim, einem Freund und Musherkollegen von Arne, der Lehrer an einer Folkehøgskole ist und neun Schüler mit im Gepäck hatte. Alle zusammen stellten wir ein Rennen nach: vor allem für die Junghunde war dies eine Herausforderung.

Das interessante Training wurde von einem sehr seltsamen Ereignis überschattet. An einem Weg, der täglich von 15-20 Hundegespannen frequentiert wird, hatte ein Sami-Rentierhirte ein paar Rentiere angeleint und weitere 100 Stück mit seinen Hunden zusammengetrieben. Das war schon mal ziemlich idiotisch - jeder weiß, dass dies die Hauptverkehrsader für Hundeschlitten und Schneemobile zwischen Gargia und Soulovuopmi ist. Ein Konflikt war vorprogrammiert!


Quelle: www.nordlys.no

Wir hatten unsere insgesamt 76 Hunde nur 500m unterhalb seines provisorischen Rentierscheides angeleint und vor die Schlitten gespannt und waren nicht zu überhören gewesen. Er muss gewusst haben, dass wir da waren und hätte einfach kurz vorbeikommen und bescheid sagen können. So aber wussten wir von nichts und standen mit 10 Hundegespannen plötzlich mitten in einer Rentierherde. Die Hunde wurden rasend, hatten natürlich nichts anderes im Sinn, als sich in den Rentieren zu verbeißen. Was für ein Chaos! Die freilaufenden Rentiere verschwanden alle in den Wald, da kehrte bald Ruhe ein: aber da waren immer noch die sechs Rentiere, die am Zaun angebunden waren.


Quelle: www.nordlys.no

Wir halfen uns gegenseitig, versuchten, die Hunde an den Rentieren vorbeizuführen, und das klappte auch: bis zum letzten, der an ihnen vorbeifuhr. Sandras Leithunde schnappten nach einem angebundenen Ren - und da stach der Sami kurzerhand mit seinem Messer auf die Hunde ein. Für uns alle ist das komplett unverständlich: man hätte sie einfach nur am Halsband zurückziehen müssen oder einmal kurz zutreten, dann hätten sie sofort das Ren losgelassen. Statt dessen stach er heftig und oft mit seinem Messer auf die Hunde ein und verletzte sie stark. Welch ein Mensch muss das sein, der mit einem Messer auf Lebewesen losgeht, wenn es erstens Alternativen gibt und er zweitens selber tagtäglich mit Tieren zu tun hat?

Quelle: www.nordlys.no

Da wir einen Journalisten dabei hatten, der Bilder für den Finnmarksløpet machen wollte, kam die ganze Geschichte sofort in die Medien und löste eine große Diskussion in Norwegen aus. Wie schon erwähnt gibt es viele Reibereien zwischen Norwegern und Sami, und ganz besonders zwischen Rentierhaltung und Hundesport. Die Sami halten Huskies für blutrünstige Wölfe, die sowohl Sami als auch Rentiere töten wollen, und fast alle Nicht-Sami halten Rentiere für ziemlich dumme Viecher, von denen es viel zu viele gibt. Es hilft nicht, dass der norwegische Staat den Sami immer alle Rechte zuweist und ständig Ausnahmen für die Rentierhirten vergibt. Die Deutschen haben aufgrund des Nationalsozialismus Komplexe, was Patriotismus angeht - bei den Norwegern ist das ähnlich bei allem, was mit Sami zu tun hat. Früher wurden die Sami unterdrückt, ihre Sprache verboten, ihnen Weideland einfach abgenommen, Menschen alternativlos in Städte umgesiedelt. Diese Schuld sitzt der Regierung im Nacken und zwingt sie dazu, immer alle Augen zuzudrücken und "alles wieder gutmachen" zu wollen. Daran wäre nichts auszusetzen, würden nicht wenige Sami leider vieles schamlos ausnutzen und sich ständig selbst bedauern. Dazu kommt, dass die Rentierhirten extrem materialistisch geworden sind und ihre Viecher als wandelnde Geldscheine ansehen - und Geld einfordern, wo immer sie können.

Wurde ein Rentier angefahren, weil es in ein Auto lief, so darf der Autofahrer zahlen. Wurde eines verletzt oder getötet, weil ein Hund es verfolgte, darf der Hund vom Sami erschossen werden (so er nicht an der Leine ist), und der Besitzer muss unglaubwürdig hohe Summe zahlen. Und das Absurdeste: es gibt wirklich nicht mehr viele Raubtiere hier oben, aber jährlich werden (in ganz Norwegen) angeblich 48.000 Rentiere von Luchsen, Wölfen und Vielfraßen getötet und den Sami erstattet. Rentiere sind nämlich die einzigen Nutztiere, bei denen ihre Besitzer keinen Beweis über die Todesart erbringen müssen. Alle anderen müssen beweisen, dass es ein wildes Raubtier war, um ihre verschwundenen oder gerissenen Tiere erstattet zu bekommen - was besonders den Bauern ungerechtfertig erscheint. Diese Bevorzugung der Sami, kombiniert mit einem schamlos Ausnutzen von deren Seite aus, schürt die Wut unter den Nicht-Sami, welche dann wiederum die Sami provozieren, die sich ewig in der Verliererrolle sehen und auf ihrem Recht als Ureinwohner pochen. Dieser egoistische, starrköpfige Kampf wird nirgendwo deutlicher, als im wachsenden Konflikt aus dem immer beliebter werdenden Hundesport und der Rentierzucht - und dieser sinnlosen Messerattacke kurz vor Weihnachten. Wenn da nicht bald mal ein Dialog begonnen wird, dann war dieser Vorfall garantiert nicht der letzte seiner Art!


Ich selber sehe die Rentierhaltung aus den Augen eines kritischen Naturschützers und bin der Meinung, dass die Sami viel mehr Rentiere halten, als es der Vegetation hier gut tut. Offiziell hat die norwegische Regierung Quoten vergeben: pro Kommune darf nur eine gewisse Anzahl Rentiere weiden, um Bodenerrosion und Konflikte zu minimieren. So die Theorie. Die Praxis ist aber so, dass die Sami sich einen Dreck um Auflagen scheren und so viele Rentiere halten, wie sie es wollen: schließlich bilden diese ihr Einkommen und sind die Sami in den vergangenen Jahrzehnten extrem geldgeil geworden. Entschuldigt die Wortwahl, aber das trifft es ziemlich genau.
Ein Beispiel: hier bei uns sind 4800 Rentiere erlaubt, es sind aber ca. 15.000 Rentiere da. Schätzungsweise 3000 Tiere wurden allein bei uns im Tal zusammengetrieben - wenn man das für den Bezirk hochrechnet, kommt man ziemlich genau auf die 15.000 Rentiere, von denen die Rede ist. Genau wissen das aber nur die Sami, welche aber (wohl nicht ohne Grund) niemals über die Anzahl ihrer Tiere reden.

Die Folge der vielen Rentiere ist eine akute Überweidung besonders der höher gelegenen Gegenden. Bäume in Wäldern sind total verbissen, die Vidda und andere Berggegenden steigender Bodenerrosion ausgesetzt. Wohin man im Sommer auch geht: immer wieder sieht man regelrechte Autobahnen aus Rentierpfaden und stark frequentierten Quad-Tracks.


Es wäre ja nicht so, dass die Hirten aus dem "Naturvolk" der Sami reiten oder zu Fuß gehen würden, oh nein: sie fahren mit den schweren, spritfressenden Quads entlang, wo immer und so oft sie wollen. Naturschutz? Unbekannt in Norwegen, und erst recht unbekannt bei den Sami, die sich immer noch als "Naturvolk" titulieren. Ich wollte die Sami wirklich mögen, als ich nach Norwegen kam: doch leider waren alle direkten und indirekten Begegnungen mit ihnen und ihrer Lebensweise von der negativsten Sorte. Ich denke man merkt, dass ich gar nicht mehr gut auf Sami-Rentierhirten anzusprechen bin!

Viel gravierender als die offensichtlichen Auswirkungen der Überweidung ist aber die Tatsache, dass oberhalb der Baumgrenze kaum großwüchsige Flechten- und Moosarten anzutreffen sind. Gemessen mit der Vegetation, die ich aus Island kenne, ist hier wirklich alles kahlgefressen und sieht man erschreckend viele kleine Stellen von Errosion. Zwei, drei Jahrzehnte wird die Vidda noch mitmachen: wenn sich aber bis dahin nichts ändert, werden die Norweger und Sami mit starker Bodenerrosion und Verwüstung zu kämpfen haben. Doch diese Gefahr speisen die meisten Leute verächtlich als Unsinn ab - in etwa so, wie viele Fischer bestreiten, dass die Meere fast leer gefischt sind. Es ist immer wieder dieselbe Geschichte, ganz egal wohin man blickt: Menschen sind willentlich blind. Traurig aber wahr.


Weihnachten habe ich Kreise meiner Gastfamilie verbracht - ruhig, wenig unspektakulär und wohltuend wenig weihnachtlich. Von dem Weihnachtswahnsinn der Städte, von Kitschmusikberieselung, Konsumrausch und Dezemberstress habe ich bei meinen Hunden wenig mitbekommen. So müsste Weihnachten immer sein!

Ohne Geschenke kam ich dennoch nicht davon: die Karlstrøms statteten mich komplett mit wollener Unterwäsche, einer dicken Wollhose und Wollfäustlingen aus - gerade rechtzeitig zur richtig kalten Jahreszeit. Momentan liegen die Temperaturen auch tagsüber bei fast -20°C. Weht dann noch Wind, ist man bereits nach wenigen Augenblicken ein Eiszapfen. Meine isländische Winterkleidung (Synthetik-Zeugs) reicht da weder vorne noch hinten aus: hier muss auf Tierprodukte zurückgegriffen werden. Ein bis zwei Lagen Wollunterwäsche, Innenstiefel aus Filz, Daunenjacke und eine Kapuze gesäumt von möglichst Polarfuchspelz - das ist die beste Ausrüstung, die man sich für niedrige Temperaturen und Wind zulegen kann. Fell, das die Kapuze umrundet, dient übrigens als Windbrecher. Man kann sich noch so viele Sturmmasken, Buffs oder Schals vors Gesicht binden: sobald Wind weht, handelt man sich ab -15°C schnell Erfrierungen ein. Hat man jedoch einen Pelz, der das Gesicht umrundet, kommt der kalte Wind gar nicht erst zum Gesicht durch - ein Unterschied wie Tag und Nacht! Allerdings will ich dafür keinen seltenen Polarfuchs töten und erst Recht keine Pelztierfarmen unterstützen. Ich denke mal, dass ich von irgendwo auch einen gebrauchten Pelzbesatz bekommen kann!

Noch etwas lustiges in dem Zusammenhang: ich habe, einfach mal zum Spaß, ein Foto zu einem Fotowettbewerb des zweiten norwegischen Fernsehsenders eingesandt, bei dem man jede Woche Outdoorkleidung im Wert von 650€ gewinnen kann. Drei Tage vor Weihnachten erhielt ich die Nachricht, dass ich doch tatsächlich gewonnen habe: und das mit einem Bild, das ich nur mal so zum Spaß machte und das auch noch eine Montage darstellt:

Jetzt kann ich mich für 650€ bei Bergans mit Winterkleidung eindecken - das hätte ich so oder so im neuen Jahr getan, von daher kommt mir der Gewinn besonders gelegen! Ich danke TV2 Norge! :-)

So, und dann will ich euch einen guten Rutsch ins neue Jahr wünschen und mich mit diesem letzten Blogeintrag aus dem Jahr 2009 verabschieden. Bis bald!

Donnerstag, 10. Dezember 2009

Nacht auf der Vidda

Vorgestern erfuhr ich, dass Ben und Jon mit ihren Hunden für eine Nacht hinauf in die Berge fahren wollten, um das momentan sehr gute Wetter auszunutzen. Als ich das hörte, gab es für mich kein Zweifeln: da wollte ich mit! Nach einigem Hin und Her wurde der geplante Männerabend dann zum ersten offiziellen Ausflug des spontan gegründeten Langfjordbotn'er Fotoklubs umfunktioniert.

So verabredeten wir uns am Dienstag (den 08.Dezember) für fünf Uhr Nachmittags und verbrachte ich den Vormittag mit dem Packen aller Utensilien. Es ist erstaunlich, wie viel Zeug man mit sich herumschleppt, wenn man mit acht Huskies bei -10°C zelten gehen will! Als ich endlich alles im Schlitten untergebracht hatte, war dieser randvoll beladen und erschreckend schwer. Mit etwas Verspätung zogen wir dann in die pechschwarze Nacht los: Jon mit zwölf Hunden, Ben mit zehn und ich mit acht.

Es war mein sechster Ausflug auf dem Hundeschlitten. Am Tag meiner ersten, ereignisreichen Fahrt bei Alta hatte es hier im Tal gerade so viel geschneit, dass wir seitdem mit Ach und Krach Schlitten fahren können. Aus der ca. 30cm tiefen Schneedecke ragen noch viele Steine und Baumstümpfe, was weder für den Schlitten noch für uns wirklich gut ist, aber da keiner von uns länger Quad fahren will, wird das in Kauf genommen. Schlittenfahren macht aber auch einen Heidenspaß! Schön ist vor allem, dass es von Tag zu Tag besser klappt. Balance, Lenken, das Koordinieren von Gewicht und Bremsen bei den Abfahrten - alles wird flüssiger, ich fahre von Mal zu Mal sicherer und schneller. Deshalb machte ich mir auch gar keine Gedanken darüber, mit acht Hunden und einem voll beladenen Schlitten im Dunkeln eine technisch recht anspruchsvolle Tour zu wagen. Ich wollte einfach nur raus aus dem Tal und fotografieren!

Wir fuhren etwa vier Stunden lang durch die Nacht: erst das Tal hinauf, durch den Wald über die Baumgrenze hinaus bis aufs ca. 500m hohe Hochplateau. Dort oben befindet sich eine hügelige Landschaft kleiner Berge und eine Menge zugefrorener Seen, über die es sich prima fahren lässt. Am Rande eines dieser Seen übernachteten wir: die Hunde draußen, wir Menschen in Bens großem Tunnelzelt.

Nachdem die Hunde alle versorgt worden waren und auch wir zu Abend gegessen hatten, zog ich los, um Nordlichter zu fotografieren. Jon und Ben waren irritiert, meinten, die paar grünen Streifen am Nachthimmel wären viel zu unspektakulär um davon Fotos zu machen. Aber es schien sie dann doch zu wurmen, dass ich losgezogen war, denn nach einer Viertelstunde gesellten sie sich zu mir auf den kleinen Hügel hinter unserem Lager und holten sich Tipps zur Nordlichtfotografie. Den beiden war nicht klar gewesen, wie intensiv selbst das schwächste Nordlicht von Digitalkameras abgebildet wird, und sie waren schließlich genauso zufrieden wie ich mit den Resultaten.

Ben überraschte mich dann mit einem Bild: er stand genau hinter mir, als die Nordlichter am stärksten waren, und baute mich mit ins Bild ein. Tolle Idee, tolles Foto!


Die Nacht im Zelt war kurz und kalt: Trotz eines Rentierfells als Unterlage und zwei warmen Schlafsäcken weckte mich die Kälte, kurz bevor Jons Handy klingelte. Ich war dann auch die Erste, die den Schlafsack gegen den Schneeanzug eintauschte und hinaus in den Frost trat. Und da sah ich etwas ziemlich komisches: blaues Polarlicht!

Am Osthorizont stand ein konturloses, aber deutlich erkennenbares, türkisfarbenes Licht. Ich stand Kopf und steckte mit meiner Begeisterung auch Jon und Ben an: denn ich hatte keine Ahnung, was ich da sah! Polarlicht konnte es nicht sein, da es viel zu hell, zu seltsam gefärbt und vor allem viel zu unbeweglich war. Diese blaue Wolke stand sage und schreibe 40 Minuten am Himmel - fast unverändert in ihrer Form.

Erst als ich wieder zurück auf Parken Gård war und im Internet recherchieren konnte, erfuhr ich, dass ich eine Viertelstunde zu spät aufgestanden war. Dann nämlich hätte ich ein rotierendes Licht gesehen, dass eine blaue Wolke ausstieß und dann eine riesige Spirale an den Himmel zeichnete. Es handelte sich um den fehlgeschlagenen Teststart einer Langstreckenrakete namens Bulava. Diese war von einem russischen Atom-U-Boot in den Himmel geschossen worden und wäre wohl von niemanden bemerkt worden, hätte sie nicht außerplanmäßig ihre Tankladung in die Atmosphäre gepustet, während sie von ihren kaputten Triebwerken in einer großen Spirale nach oben geleitet wurde. Das Spiral-Spektakel habe ich leider verpasst, aber das in der Luft verteilte Benzin (bzw. mit was auch immer eine Rakete angetrieben wird) leuchtete in den ersten Sonnenstrahlen türkis. Es war so hoch in der Atmosphäre, dass ganz Nordskandinavien es sah - ihr könnt euch wohl denken, dass dieser (von den Russen erst dementierte) fehlgeschlagene Raketentest das Hauptgesprächsthema war und von den Medien als UFO und neue Nordlichtvariante deklariert wurde!

Spektakuläre Bilder gibt es hier zu sehen: Lysfenomen over Nord-Norge

Um zehn Uhr hatten wir die Hunde und uns selber gefüttert, unser Lager abgebrochen und alles wieder in den Schlitten verstaut. Wir fuhren noch ein paar Kilometer weiter gen Süden, bevor wir umdrehten und uns auf den Weg zurück ins Tal machten.

In der Weite der Finnmarksvidda schien die Polarnacht gar nicht mehr dunkel zu sein! Der Schnee hellte alles auf, der Mond ersetzte die Sonne. Da es keine hohen Berge gab, die den hellen Südhorizont verdeckten, schien der Tag doppelt so lang zu sein, wie unten in Langfjordbotn. Kaiserwetter und die irrsinnig schönen blau-violetten Farbstimmungen des indirekten Sonnenlichtes machten die Rückfahrt zu einem Traum, an dem ich euch wenigstens anhand einiger Bilder teilhaben lassen möchte.

Samstag, 5. Dezember 2009

Von Pulverschnee und Bruchlandungen

Vor einer knappen Woche begann es endlich zu schneien. Anderthalb Tage lang rieselte feinster Pulverschnee vom Himmel und verwandelte die Welt in ein Wintermärchen! Innerhalb weniger Stunden klarte der Himmel auf und fielen die Temperaturen von knapp unter dem Gefrierpunkt auf -17°C. Die Hunde drehten völlig durch: bellten ohne Unterbrechung, wollten los von ihren Ketten, drängten sich mir regelrecht auf, um ja als erstes ihr Geschirr angelegt zu bekommen. Leider reichten die 20cm Schnee nicht aus, um Schlitten zu fahren und musste das Quad noch einmal herhalten: das war allerdings sowohl den Hunden als auch mir egal. Wir wollten nur raus in den Schnee!

Unter dem ohrenbetäubenden Gebell der zurückbleibenden Hunde rasten die 14 Huskys mit mir durch die weiße Welt, die langsam immer heller wurde. Der Vollmond stand hoch am Himmel, der Südhorizont schimmerte rosafarben, der Himmel über mir war sattblau. Der Schnee brachte Helligkeit in das Dämmerlicht der Polarnacht, und vor allem aber ließ er mein Fotografenherz höher schlagen. Die feinen, kleinen Schneekristalle waren überall liegen geblieben: auch und vor allem auf den Zweigen der Bäume, die aussahen, als seien sie wattiert. Im hellen Licht des Vollmondes glitzerte alles wie mit Diamanten überzogen: so etwas unglaublich Schönes habe ich lange nicht mehr gesehen!



Am nächsten Tag beim Mittagessen erwähnte Arne, dass sich Ben und Jon bei ihm gemeldet hätten. Ben (und seine Freundin Kati, Deutsche) sowie Jon (und seine Frau Pam, Engländer) sind ehemalige Handler von Arne und Marianne, die sich im Tal niedergelassen haben und nun ihre eigenen je 10 Huskys trainieren. Sie hatten in Erfahrung gebracht, dass östlich von Alta genug Schnee gefallen war, um Schlitten zu fahren. Nach kurzer Diskussion beschlossen meine Chefs, dass Arne und ich uns Ben und Jon anschließen würden, um am nächsten Tag (dem ersten Dezember) um 6 Uhr früh gen Norden zu fahren.
Der Abend stand ganz im Schatten der Vorbereitungen für den nächsten Tag. Hundefutter musste eingeteilt und eingepackt werden, die Schlitten für den ersten Gebrauch der Saison vorbereitet und aufs Autodach gepackt werden. Ein paar Stunden Schlaf, dann klingelte der Wecker: vor der Abfahrt mussten die Hunde getränkt und versorgt, die letzten wichtigen Dinge verstaut und schließlich die Huskys in den Transportwagen verfrachtet werden. Dies ist ein umgebauter Pickup, der auf der Ladefläche 12 Hundetransportboxen besitzt, in die jeweils zwei Hunde hinein passen. Die ausgewählten 24 Hunde waren schnell im Auto untergebracht: dann ging es los.

Nach eineinhalb Stunden Fahrt wir in Gargia angekommen. Arne, der von Natur aus ein sehr wortkarger Mensch ist, nahm mich kurz beiseite und zeigte mir den Schlitten. Auf den zwei nach hinten hinaus verlängerten Kufen steht man, hält sich mit beiden Händen an dem Bügelgriff des Schlittenrahmens fest und hat zwei Möglichkeiten, um zu bremsen. Zum einen gibt es eine Metallbremse, die zwischen den Kufen liegt und die man mit einem Tritt in den Schnee rammt, sodass sich zwei metallene Haken in den Boden bohren und die Fahrt bremsen. Zum anderen kann man eine an zwei Seilen befestigte Gummimatte zwischen den Kufen einfach mitschleifen lassen und sich darauf stellen: auch damit verlangsamt man die Fahrt. Das erklärte mir Arne in zwei kurzen Sätzen, und sagte dann noch: "Nie den Schlitten loslassen. Und wenn wir gleich starten, bremse, was das Zeug hält."
Das ist Arne, wie er leibt und lebt. Er sagt nur das wichtigste. Und das ist dann aber meistens auch wirklich wichtig!

Wir schirrten die Hunde vor die Schlitten. Arne nahm seine 14 besten Huskys, ich bekam den Rest. Wenn die Tiere vor den Schlitten gespannt werden, bleibt einem nicht viel Zeit: sobald sie eingeschirrt sind, beginnen sie, sich mit aller Macht in die Leinen zu werfen, zu bellen und zu jaulen. Arne sah sich kurz zu mir um, sah, dass meine zehn Hunde alle angeschirrt waren und ich auf dem Schlitten stand. Dann löste er das Seil, das den Schlitten an einen Laternenpfahl befestigt hatte, und schoss los. Auch ich gab meinen Schlitten frei - und kam mir vor als würde ich an einem Bungeeseil nach Vorne gerissen werden. Wenn zehn Huskys zum ersten Mal seit Monaten vor einem Schlitten gespannt sind und auch noch ein Gespann vor ihnen rennen haben, das sie unbedingt einholen wollen, dann galoppieren sie, als würde es um ihr Leben gehen. Nun verstand ich Arnes Ratschlag, zu bremsen!


Hundeschlitten zu fahren, ist mit nichts wirklich zu vergleichen, das ich bisher schon gemacht habe. Man steht auf einem irgendwie zerbrechlich wirkenden Holzschlitten, gezogen von zehn wild galoppierenden Hunden, welche partout nicht stoppen wollen. Bremsen kann man nur, wenn man genügend Schnee unter der Bremse hat: trifft diese auf Eis oder Stein, bewirkt sie nämlich gar nichts oder aber bringt einen zu Fall. Der Schlitten selber ist kaum steuerbar: die Hunde ziehen ihn, wohin sie gerade laufen, und in Kurven ist man komplett der Fliehkraft ausgesetzt. Man steht auf den beiden dünnen Kufen und hat eigentlich nur sein Körpergewicht, um den Schlitten im Gleichgewicht zu halten. Und das ist nicht unbedingt einfach für jemanden, der so etwas noch nie im Leben gemacht hat!

Beweisfoto meiner Debüt-Fahrt: die vermummte Silhouettengestalt auf dem Schlitten bin ich!

Sorgen um den Weg brauchte ich mir immerhin keine zu machen: Arne fuhr mir immer voran (weshalb er auch das obige Bild machen konnte), und meine Hunde wollten nichts anderes, als dem Rest des Rudels zu folgen. Das Wetter war gut: auflockernde Bewölkung, nur ein paar Grad unter Null, gute Sicht. So konnte ich mich voll und ganz darauf konzentrieren, den Schlitten in der Senkrechte zu halten. Das war kein Problem wenn der Schnee glatt und eben war: dann ließ ich mich einfach nur von den Hunden ziehen und genoss die Fahrt, machte sogar ein paar erste Fotos. War der Untergrund dagegen nicht eben (leider die Regel), musste ich auf einem oder zwei Kufen balancieren, mich in Kurven der Fliehkraft entgegenstemmen oder den Schlitten herumreißen, um ihn vorm Kippen zu bewahren. All das lernte ich unterwegs - denn Arne hatte natürlich nichts gesagt. Ein paar Male verlor ich beinahe das Gleichgewicht und blieb irgendwie auf dem Schlitten drauf: bis Arne sich verfuhr. Er wählte einen falschen Abzweig und fuhr an einem eisigen Überhang oberhalb eines Flusses entlang. Er, einer des besten Musher Norwegens, hatte keine Probleme: aber ich gleich mehrere, die alle fast gleichzeitig geschahen. Im Nachhinein reime ich mir aber Folgendes zusammen.

Es begann damit, dass ich schwer auf der Bremsmatte stand, im Versuch, die schnelle Fahrt irgendwie zu verlangsamen. Leider verfing sich die Matte daraufhin in einem Stein. Der Aufprall riss den Schlitten zurück und zerbrach den Rahmen genau an der Stelle, wo die Bremsmatte mit dem Gestell verbunden war. Der Ruck brachte mich aus dem Gleichgewicht: ausgerechnet mitten in der Kurve, als ich mein Gewicht eigentlich zum Hang verlagern musste. Ich versuchte, mich am Schlitten festzuhalten, riss diesen daraufhin um und purzelte dann mitsamt des Schlittens einen Abhang zu einem zugefrorenen Fluss hinunter. Die Hunde zogen den auf der Seite liegenden Schlitten so lange mit, bis dieser sich in einem Drahtseil verfing, das aus einem mir nicht ersichtlichen Grunde irgendwo aus dem Eisschnee ragte. Ich kletterte in der Zeit den Hang wieder empor und versuchte dann, den auf der Seite liegenden Schlitten aufzurichten. Dabei stand ich auf der Seite des Abhangs: der falschen Seite, wie ich herausfand. Sobald die Hunde nämlich spüren, dass der Schlitten ihrem Ziehen nachgibt, rasen sie wieder los. Und von unten auf einen wegflitzenden Schlitten aufzuspringen, wenn dieser noch auf der Seite liegt, war mir bei alle Mühe nicht möglich.

Arne war stehen geblieben, konnte aber den Schneeanker nirgendwo setzen und daher seinen Schlitten nicht verlassen: hätte er das getan, wären ihm seine Hunde weggerannt. So aber konnte er immerhin meine Hunde stoppen, als sie ihn erreichten, woraufhin ich dann den Schlitten wieder aufrichten und den Schaden begutachten konnte. Die Bremsmatte knüpften wir provisorisch wieder fest, aber der Schlitten hatte durch den Bruch ein gutes Stück Stabilität eingebüßt.
Böse schien Arne jedenfalls nicht zu sein: schließlich war das alles nicht mein Fehler gewesen, sondern Schuld dieses blöden Steines, in dem meine Bremsmatte sich verfangen hatte.

Wir setzen den Weg dennoch unbeirrt fort: drei Stunden lang fuhren wir dem immer heller werdenden Südhorizont entgegen über die schneebedeckte, baumlose Hochebene der Finnmarksvidda. Dort machten wir eine lange Pause, fütterten die Hunde und fuhren danach wieder zurück. Während des Ausfluges sollten wir auf erstaunlich viele andere Hundegespanne treffen. Parallel mit uns beiden waren auch Ben und Jon mit jeweils 10 Hunden eingetroffen. Eine weitere Musherin namens Trine gesellte sich für zwei Stunden zu uns, sodass wir eine Zeitlang in einem Tross von fünf Gespannen unterwegs waren. Aus der Gegenrichtung kam uns ein guter Freund Arnes entgegen, der Lehrer an einer Folkehøgskole (einer dieser Spaß-Unis) war und mit sieben Schülern und insgesamt 50 Hunden durch die Gegend fuhr. Fünf andere, einzeln und in Paaren reisende Musher waren auch noch unterwegs: insgesamt zählte ich (inklusive Arne und mir) 18 Schlitten, die von 155 Hunden gezogen wurden. Und das zur Mittagszeit an einem Wochentag: als wir zu Feierabendzeit wieder zurückfuhren, kamen uns noch drei weitere Hundeautos (mit Schlitten aufm Dach) entgegen, die ihr Training noch vor sich hatten.
Diese Norweger...

Für mich war dieser Tag ein einziger Kampf ums Gleichgewicht. Mehrmals schlug es mich in Kurven aus der Bahn und verlor ich die Kufen unter den Füßen. Dann hieß es nur, sich mit aller Kraft am Schlitten festzuhalten (hinter dem man dann Comicreif herschleift), und dann irgendwie wieder mit den Füßen auf den Schlitten zu kommen. Wenn man dabei nicht auch noch den Schlitten umwirft, klappt das auch...

Die anderen, so erfuhr ich hinterher, grinsten sich ob meiner Bruchlandungen ihren Teil. Die erste Schlittenfahrt sähe selten anders aus, wurde mir gesagt, ganz besonders, wenn man direkt zehn Hunde vorm Schlitten hat. Jon und Ben behaupteten, niemanden zu kennen, der mit zehn Hunden debütiert hätte. Normal seien fünf oder sechs - jedenfalls nicht zehn.
Was auch immer Arne sich dabei dachte, als er mir zehn Hunde gab: ich find's lustig und freue mich einfach nur darüber, endlich einmal auf einem Hundeschlitten gestanden zu haben!

Samstag, 28. November 2009

Kleidung aus Hanf

Wer zu viel Zeit hat, dem kann ich ans Herz legen, sich folgenden Film online anzuschauen: In kleinen Schritten die Welt retten, Teil 1
Es ist die Sendung "Quarks und Co." (45min, WDR), die sehr interessanten Themen nachforscht und uns an einigen Beispielen aufzeigt, wie wir als Konsumenten relativ einfach einen sehr wichtigen Beitrag zum Naturschutz beitragen bzw. die Zukunft dieser Welt sichern können. Es gibt noch zwei weitere Teile, die unter dem oben genannten Film verlinkt sind bzw. noch ausgestrahlt werden.

Begleitend dazu will ich ein Thema hier kurz ansprechen.
Auf der Suche nach einer Freizeithose, die ich mit einem halbwegs guten ökologischen Gewissen kaufen kann, bin ich auf das Material Hanf gestoßen.

Die Fasern dieser Pflanze (als Zuchtpflanze längst ihrer narkotisierenden Eigenschaften beraubt) sind mindestens genauso gut wie Baumwolle und schlagen diese in allen ökologischen Gesichtspunkten um Längen! Baumwollanbau ist extrem unökologisch, da dafür wahnwitzige Mengen an Wasser verbraucht werden, und das ausgerechnet in Ländern, in denen ohnehin Wassermangel herrscht. Außerdem kommen extreme Mengen an Pestiziden zum Einsatz, die nach Einschätzung der WHO jährlich 10.000 Arbeiter auf Baumwollplantagen das Leben kosten. Biobaumwolle versucht, Wasser- und Pestizidverbrauch zu minimieren, kann jedoch nicht mit Hanf mithalten. Diese zu unrecht total in Verruf gekommene Pflanze ist unempfindlich gegen Insekten und gegen Krankheiten resistent, so dass man keinerlei Pestizide benötigt. Außerdem wächst Hanf so schnell, dass auch Herbizide gegen Unkraut völlig unnötig sind.
Vom Tragekomfort soll Hanfkleidung wesentlich angenehmer sein, als Baumwolle - den Eindruck habe ich zumindest bei meiner Recherche im Internet gewonnen. Die Hanffaser weist dieselbe mikroelektrische Spannung auf wie die menschliche Haut und ist daher ganz besonders für Menschen mit empfindlicher Haut geeignet. Sprich: sie kratzt überhaupt nicht. Dazu kommt, dass sie ähnliche Eigenschaften wie Seide hat, was den Tragekomfort angeht: Kleidung aus Hanf hält die Haut trocken und ist daher im Sommer immer angenehm kühl und im Winter sehr warm - viel wärmer als Baumwolle, die Nässe nur ganz langsam wieder abgibt.

Hanfhaus (www.hanfhaus.de) produziert und vermarktet Hanfkleidung: allen voran Jeans und Hemden, die sich nicht sichtbar von Baumwoll-Kleidung unterscheiden. Zusätzlich zu einem kompletten Bio-Anbau aller eingesetzten Stoffe wird umweltverträgliche Färbung garantiert sowie gute Arbeitsbedingungen für die Arbeiter in China. Hanfhaus verspricht damit in jeglicher Hinsicht das Gegenteil von dem, was man normalerweise im Handel bezieht. Darum an dieser Stelle meine Bitte an euch: wenn ihr das nächste Mal Jeans, T-Shirts, Hemden, Schals und Mützen braucht, schaut euch doch bitte zuerst das leider sehr kleine Sortiment von Hanfhaus an, bzw. fragt im Handel nach ökologischer Baumwoll- und Hanfkleidung! Die Umwelt wird es euch danken!

Donnerstag, 26. November 2009

Es wird immer dunkler

Wider Erwarten ist immer noch kein Schnee gefallen. Seit dem ersten, heftigen Schneeschauer Anfang Oktober gab es so gut wie keine Niederschläge mehr. Die Bäche führen kaum mehr Wasser, flächendeckender Schnee liegt erst ab 700m Höhe. Ein November ohne Schneefall, das hat es in der Erinnerung der älteren Talbewohner nicht oft gegeben. Für mich ist es ein untrügliches Zeichen des Klimawandels, wenn Ende November so weit in Norden noch kein richtiger Schnee liegt!

Zwei unserer Leithunde: Kimberley und Tyv. Aufgenommen am 20.November um 13:24

Zu meinem großen Erstaunen beginne ich die Auswirkungen der Polarnacht bereits jetzt zu spüren. Direktes Sonnenlicht habe ich schon lange keines mehr gesehen: Mittags herrscht jetzt in etwa das Licht, wie an einem verregneten Abend in Deutschland. Keine starken Kontraste, keine großen Helligkeitsunterschiede. In den vier Stunden, die man noch "Tag" nennen kann, ist es hell genug, um alles zu sehen - ist es allerdings bewölkt, muss man schon die Außenbeleuchtung anmachen. Mich macht das zwar nicht depressiv (wie vermutet) und auch nicht hungrig (wie in Island), aber dafür ungeheuer müde. Morgens komme ich kaum aus dem Bett und um 17 Uhr könnte ich oft im Stehen einschlafen. Leider werde ich danach wieder wacher: um 22Uhr, wenn ich schlafen will, bin ich quietschfidel. Ich habe momentan extreme Einschlafschwierigkeiten und schlafe selten länger als sechs Stunden am Stück. Was im Sommer mein normales Schlafpensum, reicht jetzt im Winter (bei körperlicher Arbeit in niedrigen Temperaturen) gerade so aus, um mich gut funktionieren zu lassen. Chronische Kopfschmerzen und eine hohes Level an Grundmüdigkeit sind die Folge. Verrückt, wirklich!

Ausblick aus meinem Fenster: Originaldatei direkt aus der Kamera

Ausblick aus meinem Fenster: meine bearbeitete Version des Bildes,
die dem erlebten Eindruck so nahe kommt, wie möglich

Wie die Bilder zeigen, habe ich das absolute Privileg, Nordlichter direkt aus meiner kleinen Hundehütte beobachten zu können. Ich liege zwar viel lieber auf einem Rentierfell draußen auf dem Feld, besonders wenn die Nordlichter sich über den ganzen Zenit spannen, aber der Ausblick aus dem Fenster hat es auch in sich! Es ist zumindest das erste Mal im Leben, dass ich barfuß und im Schlafanzug Polarlichter fotografiert habe: aus der warmen Hütte heraus, durch die Fensterscheibe hindurch. Ein absolutes Privileg!

Vor knapp zwei Wochen fiel mir erstaunt auf, dass Weihnachten nicht mehr fern ist. Da ich dieses Jahr in Norwegen bleiben werde, brauche ich ein Geschenk für die Familie Karlstrøm. Meine Marmelade esse ich selber, eingefrorene Pfifferlinge sind sicherlich auch nicht so der Renner unter dem Weihnachtsbaum, weshalb ich (wer hätte es gedacht?) jetzt wieder einen Kalender produziere. Allerdings nur ein einziges Exemplar, eben für meine Chefs: gefüllt mit Hundebildern.
Weil mir dafür noch ein Foto fehlte, schnappte ich mir den Lieblingshund der Familie und schleppte ihn zu nächtlichen Fotoshootings. In der ersten Nacht war an Fotografie nicht zu denken: der Hund verstand nicht, was ich von ihm wollte, und fand es todlangweilig, 30 Sekunden am Stück stillzusitzen. Das übten wir beim zweiten Mal, da blieb er immerhin mal sitzen und lief nicht weg. Und beim dritten Mal, vor genau zwei Nächten, funktionierte alles. Er hatte verstanden, dass es nur dann eine Belohnung gab, wenn er auf der Stelle sitzen blieb, ich hatte die richtige Belichtung herausgefunden, und der Himmel war nicht länger nur sternenklar, sondern auch von Nordlichtern erfüllt. So entstand dieses Bild, welches allerdings ein Composing ist, also ein aus zwei Bildern zusammengesetztes Foto: das schönste Nordlicht und der am wenigsten verwackelte Hund kombiniert.

Alles außer dem Hund stammt aus einer 20-sekündigen Belichtung bei ISO 1600. Danach fokussierte ich auf den Hund und belichtete 4 Sekunden bei ISO 3200, wobei ich mit meiner Kopflampe für ganz leichte Beleuchtung sorgte. In Photoshop habe ich dann die Hundesilhouette der Langzeitbelichtung mit dem scharfen Hund der kurzen Belichtung ausgetauscht: dies ist die ärgste Bildmanipulation, die ich mir bisher habe zuschulden kommen lassen. Was man nicht alles tut für ein Weihnachtsgeschenk...

Genau an dem Abend, an dem das Hundebild entstand, gab es eine Stunde lang wieder sehr, sehr aktive Nordlichter zu sehen, die sich in mehreren Bändern über den Himmel spannten. So gelang es mir zum ersten Mal, Nordlichter über der Farm zu fotografieren. Parken Gård bei Nacht: auch ein Bild für den Kalender. Die unbeleuchtete Hütte im Vordergrund ist meine kleine Bleibe!

Samstag, 21. November 2009

Fluorkohlenwasserstoffe

Link: The naked truth about f-gases

Jede Unterschrift zählt: bitte nehmt euch die fünf Minuten Zeit, die Petition unter dem oben verlinkten Video zu unterzeichnen. Es geht darum, die teilnehmenden Länder am Klimagipfel in Kopenhagen dazu aufzufordern, dieses Thema zu besprechen und endlich zu handeln. Fluorkohlenwasserstoffe zählen zu den stärksten Treibhausgasen, die wir kennen, und werden bisher völlig ignoriert. Das muss sich ändern!

Donnerstag, 19. November 2009

Olderbakkfjell

Viel ist zu tun dieser Tage: seit die Karlstrøms aus dem Urlaub zurück sind, wurde die Trainingszeit der Hunde verdoppelt und kurven wir zusammen nun über 6 Stunden über die eisglatten Felder. Wir wünschen uns alle sehnlichst den Schnee herbei! Einerseits, um endlich das knatternde Quad gegen einen Schlitten und die Felder gegen die Bergwelt einzutauschen, andererseits, um mehr Helligkeit in die immer dunkler werdende Polarnacht zu bringen. Noch geht die Sonne auf, noch sind zumindest die Bergspitzen eine halbe Stunde lang in rötliches Licht getaucht. Aber auch der indirekte Sonnenschein wird ab kommender Woche passé sein!

Vor zwei Tagen (am 17. November) erreichte der Meteorstrom der Leoniden sein Maximum, was ich als Anlass nahm, mich einmal in Sternschnuppenfotografie zu üben. Über einen Zeitraum von eineinhalb Stunden machte ich fast jede Minute ein Foto und konnte so tatsächlich einige der Meteore abbilden. Dieses Bild hier ist allerdings eine Montage! Das Hauptbild ist der gesamte Hintergrund inklusive des hellsten Meteors. Die fünf anderen habe ich aus fünf anderen Bilder in dieses hineinkopiert. Kein Meisterwerk, aber es juckte mich in den Fingern, sie einmal alle in einem Bild anschauen zu können!

Gestern bekam ich dann spontan frei und beschloss, an diesem sehr kurzen Tag mal endlich wieder etwas zu unternehmen. Also radelte ich mit dem Fahrrad 45 Minuten die Straße entlang bis fast hinunter zum Meer und dann wieder 150 Höhenmeter hinauf (ächz...) und bestieg dann im abnehmenden Tageslicht einen 819m hohen Berg.

Ausblick auf dem Weg nach oben: 12:39 Uhr, Blickrichtung Süden.

13:23 Uhr: Blickrichtung Westen
Um 14:37 Uhr war ich oben angekommen: das obige Bild nahm ich vom Gipfel des Laslettind auf. Der Westen war noch hell, im Osten ließen sich die ersten Sterne blicken. Es war schön, aber ich war enttäuscht weil ich nicht auf die andere Seite blicken konnte. Dort befand sich ein weiterer Berg, den man über einen verschneiten, breiten Grat erreichen konnte. Also machte ich mich daran, auch diesen zu erklimmen. Zum Glück war der etwa ein Meter tiefe Schnee dort oben an der Ostseite des Hanges gefroren, sodass ich relativ gut voran kam.

Um 15:30 hatte ich auch den nächsten Gipfel erreicht: Olderbakktind hieß er, 900m hoch. Und wie erhofft konnte ich in den nächsten Fjord sehen! Die Dämmerung war fortgeschritten: die Blaue Stunde (meine liebste fotografische Tageszeit) tauchte alles in silbrig-blaues Licht. Nur der Westhorizont glühte in intensivsten Gelb- und Rottönen. Wunderbare Farben waren das!


Ein Panorama des Ausblicks, den ich von der Nordseite des Olderbakkfjell hatte. Zu sehen sind Westen und Norden bzw. der komplette Jøkelfjord. Rechts in der Ferne kann man den einzigen Gletscher Europas ausmachen, der direkt ins Meer kalbt - nun ja, Eisbrockenweise zumindest. Viel ist nicht mehr übrig von der ehemals mächtigen Gletscherzunge!

Eine knappe Stunde später waren die Sterne überall sichtbar und entstand folgendes Panorama, das ich von der anderen Seite des 900m hohen Berges machte. Es ist aus 8 Bildern zusammengesetzt, die je 30 Sekunden belichtet wurden. Das Panorama vom Jøkelfjord (das blaue: 5 Bilder, 10 Sekunden belichtet) entstand auf der Nordseite und zeigt Westen und Norden, dieses Panorama entstand auf der Südeite des Berges und zeigt Osten und Süden. Verbunden werden die beiden Panoramen durch den Gletscher, den man auf dem blauen Pano rechts und auf dem Nachtpanorama links in der Ferne sehen kann. Habe mir mal den Spaß gemacht, das Abgebildete einzuzeichnen!


Nach diesen Bildern trat ich den Rückweg an. Es war wirkich sehr kalt dort oben und ich müde und hungrig. Der Weg nach unten wurde unterhalb der Schneegrenze etwas problematisch, da ich die Gegend nicht kannte und es (Neumond sei Dank) stockduster war. Mithilfe meine Stirnlampe und der wenigen Autos, die das Tal unter mir ab und an querten (und mir zeigten, wo die Staße lag an der ich mein Fahrrad abgestellt hatte), kam ich so um 18:30 Uhr wohlbehalten unten an. Die anschließende Fahrradfahrt hätte ich mir aber ehrlich gesagt am liebsten gespart! Bergab rollte ich ob der Glätte nur im Schritttempo, und danach ging es eine Dreiviertelstunde lang bergauf über den niedrigen Pass hinunter zum Langfjord, nach Parken Gård. Nun, so kann ich wenigstens sagen, mich mal wieder etwas bewegt zu haben! :-)

So, das war es wieder aus dem immer dunkler werdenden Norden. Ich melde mich wieder sobald ich etwas zu berichten habe... Bis dahin alles Gute an euch alle!

Freitag, 13. November 2009

Aktuelle Bilder

Ein Schnappschuss von einigen der immer größer und schneller werdenden kleinen Ungetüme, mit denen ich fast täglich spazieren gehe. Aufgenommen zur Mittagszeit in der momentan maximalen Helligkeit - zumindest bei gutem Wetter! Bei Bewölkung wird es jetzt schon nicht mehr richtig hell!

Die Sonne habe ich seit zwei Wochen nicht mehr gesehen und werde es bis Ende Januar wohl auch nicht mehr tun können, es sei denn es würde mich innerhalb der nächsten Woche noch einmal an die Küste oder hinauf an die Berge verschlagen. Die Polarnacht steht unmittelbar bevor, das ist richtig aufregend!

Eine halbe Stunde später aufgenommen: Endspurt zurück nach Parken Gård. Die Welpen wissen, dass sie dann Futter bekommen, daher die Eile...
Auch dies die maximale Helligkeit um die Mittagszeit. Der Hund an der Leine ist übrigens der Spitz der Familie, den ich von allen Hunden am wenigsten leiden kann, weil er (chronisch gelangweilt, armes Vieh, wirklich!) nichts anderes tut, als zu kläffen. Und auf mich hören tut er schonmal gar nicht, daher lasse ich ihn auch nicht frei laufen.


Zum Schluss eine spontane Idee, die ich bei Gelegenheit besser umsetzen möchte: ein Nordlicht-Panorama, zusammengesetzt aus vier Bildern, aufgenommen im Abstand von 30 Sekunden (Belichtungszeit 25 Sekunden bei ISO 1600). Aufgenommen am Fluss hinterm Haus (etwa 1km entfernt) um 18Uhr abends. Hier habe ich mich, wie immer, um realitätsgetreue Darstellung bemüht: so in etwa war der erlebte Eindruck meiner an die Dunkelheit angepassten Augen.

An alle die Interesse an Details haben: die Milchstraße ist links im Bild, darin zu sehen das Sternbild des Schwans sowie der Wega im Sternbild der Leier (der hellste Stern direkt über dem Gipfel des linken Berges). Die hellen Sterne über dem anderen Berg gehören zum Großen Wagen im Großen Bären. Und eine Sternschnuppe verirrte sich auch ins Foto!

Freitag, 6. November 2009

Kerstin ohne Internet

Seit einer knappen Woche bin ich ohne Internet, und dieser Zustand wird vermutlich eine weitere Woche andauern. Daher will ich mich kurz aus dem Hause von Arnes Bruder Tore melden.

Die Familie Karlstrøm befindet sich seit 10 Tagen im Urlaub in Spanien und wird erst Mitte nächster Woche wiederkehren. Dadurch dass ich wieder Alleinverantwortlich für einen ganzen Bauernhof bin, ist mein Arbeitssoll dieser Tage wieder enorm. Viel Zeit, dem fehlenden Internet nachzutrauern, habe ich ohnehin nicht.

An die morgendlichen drei Stunden im Kuhstall schließt sich ein schnelles Frühstück, daran das einstündige Füttern der Hunde und Aufkratzen ihrer Hinterlassenschaften (ist ja alles gefroren dieser Tage).
Habe ich noch etwas Zeit und Lust, gehe ich dann mit den Welpen spazieren. Bzw. eigentlich gehe ich mit zwei Hunden an der Leine in den Wald und hoffe, dass mir die Welpen folgen, was sie normalerweise tun. Diese unkontrollierbaren kleinen Ungetüme, 10 Stück an der Zahl, fliegen regelrecht durch den Wald, da ist es unmöglich, alle im Blick zu behalten. Noch dazu kommt die Schwierigkeit, dass zwei der jüngsten immer direkt um mich herum hüpfen und ich auch noch aufpassen muss, nicht auf sie zu treten. Was umso schwieriger wird, wenn es wie momentan sehr glatt ist und man auch noch zwei Hunde an der Leine hat, die einen in zwei Richtungen gleichzeitig ziehen und sich gernerell immer um irgendwelche Bäume wickeln. Oh man...

Aber ich bin eigentlich nur froh, dass alle Welpen noch leben und wieder munter sind. Vor einer Woche dachte ich nämlich, dass die jüngsten, zwei Monate alten Hunde sterben würden. Es begann damit, dass einer blutigen Durchfall hatte und gleichzeitig alles erbrach, was er zu sich nahm. Das griff dann auf die anderen über. Drei Welpen wurden so schlapp, dass ich dachte, sie sterben, einer war zumindest nahe dran. Der Tierarzt vermutete einen hochansteckenden, aggressiven Virus (Parvovirus, für alle denen das etwas sagt), sodass ich die Welpen alle in Quarantäne stecken musste, was eine Heidenarbeit war. Den Durchfall-Welpen musste ich dann täglich 20 Spritzen mit Flüssigkeit unter die Haut setzen, um den Flüssigkeitsverlust auszugleichen. Zum Glück ging es danach aufwärts mit ihrer Gesundheit, sodass sie mittlerweile wieder normal fressen und quietschfidel durch den Wald tollen können!

Um die Mittagszeit schirre ich die ersten 12 Hunde vors Quad, um dann zwei Stunden lang die Felder abzufahren. Dies ist momentan aber leider nicht ganz risikofrei. Seit dem Eisregen vor einer Woche ist alles furchtbar glatt. Die Temperaturen liegen seitdem tagsüber zwischen 0 und +3°C, nachts geht es unter den Gefrierpunkt: das bedeutet, dass das Eis jeden Tag aufs neue wieder rutschig wird. Auf den Feldern kann man den glatten Stellen ausweichen, aber auf den Wegen wird es regelrecht gefährlich, sobald Gefälle ins Spiel kommt. So wie vorgestern, als ich mich mit dem Quad überschlug. Glück und ein schneller Absprung verhinderten, dass das 400kg schwere Gefährt auf mir landete. Mithilfe der Hunde konnte ich es wieder auf die Beine bringen - und fahre seitdem besonders vorsichtig. Das hat mir heute aber auch nicht geholfen, als ich wieder abrutschte und diesmal einen Baum rammte - langsam ist's nicht mehr lustig! Da heute Nacht die Temperaturen vermutlich über 0°C bleiben werden, setze ich das Training morgen aus. Mein Leben will ich nicht aufs Spiel setzen!

Wettertechnisch war seit dem Eisregen sehr trocken und ist wirklich angenehm! Mich fasziniert aber vor allem die nahende Polarnacht. Die Sonne erreicht den Talboden schon nicht mehr, selbst mittags sind die Wolken orange angestrahlt und leuchten die Berge rötlich. Um 14 Uhr geht die Sonne unter, um 16 Uhr ist stockfinstere Nacht. Na ja, nicht wahr, ist ja Vollmond momentan, aber es ist dennoch Nacht. Die zweite Trainingsfahrt findet also (zumindest wenn ich Zeit und Lust habe) im Lichte des Vollmondes und der Quad-Scheinwerfer statt.

Aurora gab es seit ein paar Tagen trotz oft sternklarer Nächte keine mehr zu sehen: nur in der Nacht vor dem Eisregen ließ sich ein schwaches Nordlicht am Nordhorizont blicken. Das versuchte ich dann aber direkt fotografisch umzusetzen!

Samstag, 24. Oktober 2009

Endlich Nordlichter!

Ich glaube, ich bin endlich angekommen in meinem neuen Dasein als Doghandler. Nun, nach drei Monaten vollgestopft mit neuen, spannenden Herausforderungen, schleicht sich der Alltag ein - und damit unvermeidlicherweise auch die negativen Seiten dieses Lebensabschnittes. Woran ich schwer zu kauen habe, auch wenn ich mir dessen eigentlich bewusst war, ist die Tatsache, dass ich wieder ganz unten in der Hierarchie angekommen bin. Wie in jedem neuen Job muss man sich den Anforderungen der Chefs beinahe willenlos fügen und sich deren Vertrauen langsam erarbeiten. Gerade Bauern haben ganz spezifische Vorstellungen davon, wie Dinge zu sein haben, wohl auch, weil die Verantwortung für die Tiere schwer wiegt. Und wie immer wird auf dem Lande mit Lob viel eher gespart, als mit Kritik - was ziemlich deprimierend sein kann, wenn man sich 12 Stunden am Tag abrackert und dann doch kaum Reaktionen erntet.

Bei meiner Arbeit auf den isländischen Bauernhöfen war das nicht anders, ich hatte das nur verdrängt gehabt. Ich bin diejenige, die am wenigsten zu sagen hat und deren Wünsche hinter allen anstehen - ich bin der Arbeiter, der neue, unerfahrene Handlanger, der eher für die unliebsamsten Arbeiten eingespannt wird. Beispiele gibt es viele. Wenn die Sonne scheint hilft mir Marianne nur zu gerne beim Trainieren der Hunde, dann sind wir (mit dem reinen Training) zusammen nach zweieinhalb Stunden fertig. Aber wenn es regnet, muss ich generell zweimal mit den Hunden raus und fühle mich dann, nach 5 Stunden fast bewegungslosen Sitzen auf dem Quad, eher wie ein Eisblock als wie ein Warmblüter.
Und ratet einmal, wer auf der Farm zurückbleibt, wenn die Familie mit den besten Hunden auf Trainingsfahrten oder gar Trainingswochenenden in die Umgebung aufbricht?
Ich natürlich.

Jetzt war sogar schon die Rede davon, dass jemand auf die zurückgebliebenen Hunde aufpassen muss wenn Arne und Marianne zum Finnmarksløpet fahren, dem 1000km langen Hundeschlittenrennen quer durch das nördlichste Norwegen, das für alle der Höhepunkt des Jahres ist. Aber da reicht es mir - ich trainiere doch nicht die Hunde tagein, tagaus für dieses Rennen um dann nicht mit dabeisein zu dürfen! Nein, das werde ich mich nicht gefallen lassen! Aber bevor ich da einen Streit anzettele, warte ich lieber noch etwas. Denn der Finnmarksløpet ist erst Mitte März und bis dahin kann noch ganz viel geschehen. Es ärgert mich allerdings extrem, dass meine Chefs die Dreistigkeit besitzen, mich von diesem Rennen ausschließen zu wollen, die ich hier täglich zuverlässig rund um die Uhr ihre Hunde betreue und viel mehr Kontakt zu ihren Tieren habe, als sie selber.


Eine ganz andere Sache hat mich auch sehr enttäuscht, nämlich das Wetter hier in Langfjordbotn. Das Tal ist nicht ohne Grund berühmt für seinen Schneereichtum: wenn irgendwo die Wolken hängen, dann hier. In den Fjorden und Tälern ringsumher mag die Sonne scheinen, aber hier ist es eigentlich andauernd bewölkt. Dabei ist reine Bewölkung noch gutes Wetter, allerdings auch sehr unbefriedigend für einen Nordlichtsüchtigen, wie mich, der noch dazu Autofahren verweigert und daher auch nicht dem Wetter entfliehen kann.

Jetzt aber, zwei Tage bevor Arne und Marianne mal wieder in Urlaub fahren (diesmal zwei Wochen nach Spanien), hatte ich endlich einmal Glück mit dem Wetter und Nordlicht an meinen zwei freien Tagen!


Donnerstag Nacht war eine besondere Nacht! Abends verschwand die Bewölkung gänzlich und gab den Blick auf den Himmel frei, der zwischen 21 Uhr und 2 Uhr beinahe ununterbrochen von Nordlichtern überzogen war! In allen Himmelsrichtungen wanderten graue und grüne Lichtvorhänge über den Himmel, mal statisch, mal hochaktiv. Es war absolut faszinierend so direkt unter dem Polarlichtoval zu stehen - wohin man blickte sah man nur Nordlicht! Dies eröffnete mir ein total unerwartetes Problem: nämlich die Frage, wie man diese riesigen Dimensionen fotografieren soll. In Island hält sich Polarlicht oft horizontnah - wie aber macht man gute Fotos von etwas so großem, dass sich am Himmelszenit befindet?
Eine Frage, mit der ich mich diesen Winter vermutlich noch öfters beschäftigen werde!


Zu den riesigen Nordlichtbögen gesellte sich etwas, das ich leider nicht fotografieren konnte: die Orioniden. Diese sind ein Meteorstrom, der vom Haleyschen Kometen stammt und in der dritten Oktoberwoche generell für viele Sternschnuppensichtungen sorgt. Unter dem Lichtspiel der Nordlichter auch noch teils sehr helle Meteore beobachten zu können, war etwas wirklich ganz Besonderes!


Nach diesem wunderbaren Erlebnis beschloss ich dann, in der darauffolgenden Nacht noch einmal zum Kobbivatnet zu wandern, dem See im Hochtal, den ich ja schon bei Regen und Schnee kennengelernt hatte. Die Kombination von See und Bergen reizte mich: wenn ich Glück hatte würde sich vielleicht ein stärkeres Nordlicht im See spiegeln!

Da die Sonne mittlerweile vor vier Uhr untergeht (bzw. drei Uhr, heute Nacht ist ja auch in Norwegen Zeitumstellung) ist es um 18 Uhr dunkel genug für Nordlichter und war ich um 19:30 Uhr oben am See. Der war zu meinem leichten Verdruss zwar zugefroren (was ich mir ja eigentlich hätte denken können!), allerdings würde auch das weiße Eis einen interessanten Vordergrund hergeben.

Wenn es denn Polarlichter gegeben hätte! Die ersten zwei Stunden war der sternklare Himmel tiefschwarz und verbrachte ich meine Zeit mit dem Suchen von Sternbildern, was mir immer wieder Spaß macht, schließlich vergisst man über den Sommer viele der kleinen Sternbilder gerne. Dennoch habe ich es auf 21 Sternbilder gebracht, ohne Bestimmungsbuch - unnützes Wissen trägt der Mensch mit sich herum, ich sags euch...

Um 22 Uhr war es dann aber vorbei mit dem Sternezählen - dann nämlich lenkte mich sehnlich erwartetes Nordlicht vom Frieren ab! In der Dunkelheit der mondlosen Nacht jenseits der Zivilisationslichter konnte meine Kamera ihre Stärken ausspielen: was die Nikon D700 an Sternen wahrnehmen kann wenn man sie richtig bedient, ist wirklich nur erstaunlich!


Gut zwei Stunden lang herrschte relativ starke Nordlichtaktivität, dessen Farbe bis ins starke Grün und leichte Gelb überging. Die Rottöne, die die Kamera oft wahrnimmt wenn das Grün stark ausgeprägt ist, sind fürs menschliche Auge allerdings unsichtbar.

Erst kurz vor Mitternacht kam mir der Gedanke, dass am Ausfluss des Sees vielleicht offenes Wasser zu finden sei, weshalb ich fotografierend zum Talende wanderte. Ich konnte mein Glück kaum fassen, dass dem tatsächlich so war: die paar Meter des Sees, aus denen der Bach sein Wasser zieht und daher Strömung verursacht, hatte sich kein Eis bilden können. Die Aurora war in der Zwischenzeit genau an den Ort gewandert, wo ich sie haben wollte und spiegelte sich im glatten Wasser wieder. Es war schöner, als ich es mir in meinen kühnsten Träumen zu hoffen gewagt hätte, einfach nur fantastisch!

Die Kamera dicht über den Wasserspiegel abzusenken (und mich gleich mit) war zwar ein nasses und kaltes Unterfangen (wir hatten etwa -6°C), aber das war nebensächlich. Fünfzehn Fotos konnte ich von diesem Motiv machen, dann verschwand das Nordlicht und war ich so durchgefroren, dass ich mich bewegen musste und den anderhalbstündigen Rückweg antrat.

Um zwei Uhr Nachts war ich dann wieder zurück auf Parken Gård, verbrachte aber die folgenden zwei Stunden noch damit, die Fotos des Abends zu sichten und zu bearbeiten - schließlich konnte ich am nächsten Morgen ausschlafen. Selten war ich dabei so gut gelaunt, wie es gestern der Fall war! Die Mühe, die mehreren Stunden Marsch und das Frieren hatten sich wieder einmal ausgezahlt: genau solche Motive sind es, die mich immer wieder zu solchen durchwachten Nächten anspornen. Denn Fotos wie diese machen auch Polarlichtjäger wahrlich nicht alle Tage!

Montag, 12. Oktober 2009

Wintereinbruch

Viel gibt es nicht zu berichten, daher halte ich mich auch kurz. Vor gut einer Woche gab es einen Wintereinbruch, der bis heute anhält: statt in Matsch und Schlamm trainieren wir mit dem Quad nun auf steinhart gefrorenem Boden, der von einem halben Meter Schnee bedeckt ist. Wo vor zwei Wochen noch belaubte Bäume die Welt in Farbe tauchten, ragen nun kahle Äste aus tiefem Schnee hervor - dieser heftige Wintereinbruch hat mich wirklich überrascht! Zumal es von allen hieß, der erste richtige Schnee würde hier im Tal nicht vor November fallen - nun ja, jetzt jedenfalls ist Winter!

Die Sonne geht mittlerweile um 17Uhr unter, um 18 Uhr ist es stockdunkel. Darum kam ich gestern auch zu spät oberhalb der Schneegrenze an: der dort über einen Meter tiefe Schnee hatte mir einen Strich durch die Rechnung gemacht, noch bei interessantem Licht oben anzukommen. Von daher: ein Dokubild der normalen Wetterlage und dem aktuellen Landschaftsbild hier in Langfjordbotn. Parken Gård befindet sich ziemlich genau in Bildmitte.

Das Training ist nun Alltag geworden; 24 Hunde trainiere ich täglich in 12er-Gruppen und fahre auf mittlerweile je 2 Stunden dauernden Touren um die mir nun sehr gut bekannten Felder. Fotos davon habe ich keine mehr machen können, da ich nun alleine trainiere - Arne und Marianne waren gerade eine Woche in Herbstferien hier in Norwegen und verabschieden sich in 10 Tagen auf einen zweiwöchigen Familienurlaub nach Spanien. Nie zuvor habe ich eine Bauernfamilie erlebt, die so oft verreist - und so wenig Skrupel kennt, seine Kinder außerhalb der Schulferien aus dem Unterricht zu nehmen! Da die Schule aber insgesamt nur 17 Kinder betreut (die von drei Lehrern unterrichtet werden), ist ein Nachholen des Unterrichtsstoffes für Mina und Isak vermutlich nicht schwer...

Noch ein Bild von gestern, diesmal mit einem typisch norwegischen Mastberg:
egal wo man steht, immer sieht man einen Mast auf irgendeiner Bergspitze stehen...

Vor einer Woche, genau zum Vollmond, schneite es zum ersten Mal. Danach herrschte für zwei Tage ganz fantastisches Wetter, und so ließ ich es mir nicht nehmen, noch in der Abenddämmerung zum See Koppivatnet aufzusteigen. Die ersten zwanzig Minuten konnte ich mit dem Fahrrad der Hauptstraße folgen, dann ging es eine gute Stunde hinauf auf das 200m über dem Meeresspiegel gelegene Hochtal. Dorthin hatte ich ja meine erste Regentour unternommen und lockte mich der Gedanke, eine Vollmondnacht im Schnee zu fotografieren, bevor der See zufror. Es war taghell und der Schnee dort oben "nur" einen halben Meter tief. Warm eingemummelt im Schneeanzug ließ es sich bei den Minusgraden dort gut bis Mitternacht aushalten, und ich konnte einige schöne Bilder machen - Fotos, die teilweise aussehen, als seien sie tagsüber gemacht worden. Der Mond war nämlich so gleißend hell, dass der Himmel blau war und nur die kräftigsten Sterne zu sehen waren - so etwas hatte ich bis dato noch nicht erlebt!

In der Dämmerung warf der Himmel noch einen blauen Schatten auf den Schnee...

... aber als es dann richtig dunkel war, brachten Langzeitbelichtungen die erstaunlichsten Kontraste zum Vorschein. Am Westhorizont, der noch ganz leicht von der Dämmerung erhellt ist, glaube ich auf diesem Bild sogar, eine ganz schwache Aurora zu erkennen - grünes Licht, das die Kamera wahrnahm, meine Augen aber nicht.

Und damit will ich dann auch wieder Schluss machen - bis ich wieder etwas zu berichten oder zu zeigen habe!

Montag, 5. Oktober 2009

Das Ende des Herbstes

Müde und ziemlich verfroren bin ich wieder zurückgekehrt vom angekündigten Fotoausflug. Ein sehr, sehr nasser Ausflug, ganz wie es die Wettervorhersage prognostizierte! Aber fange ich besser mal von Vorne an...

Es begann alles mit der Nachricht, dass ich an meinem ersten freien Tag nach Alta reisen musste, um irgendein blödes Formular persönlich abzuholen - eines von vielen Formularen, die ich ausfüllen muss, um hier in Norwegen Arbeitserlaubnis und Registrierungsnummer zu erhalten. Was Bürokratie angeht, ist Norwegen mindestens genauso penibel und kompliziert, wie Deutschland. Zwei Monate versuche ich nun schon, hier endlich offiziell anzukommen, und seit zwei Monaten ist es ein ständiges Spiel mit den Behörden. Zwei bis drei Monate brauchen sie, um mir eine simple Nummer zuzuschreiben, deren erste sechs Zahlen mein Geburtsdatum ist. Ohne diese persönliche Registrierungsnummer geht hier in Norwegen aber nichts: kein Konto kann man eröffnen, sich kein Internet-Abo zulegen, ja sich nicht einmal eine SIM-card fürs Handy holen. Und Lohn habe ich deshalb auch noch nicht ausgezahlt bekommen. Daher musste ich also am Montag ins 70km entfernte Alta fahren, eine Stadt aus hässlichen Plattenbauten, und eine vorläufige Ersatznummer beantragen - nur um vor Ort festzustellen, dass mir ein Formular fehlte und ich sozusagen umsonst hingefahren war. Dazu fällt mir wirklich nur noch eines ein: Youtube-Video Link

Besonders ärgerlich war die Tatsache, dass dieser verschwendete Tag in der Stadt der einzige Tag ohne Regen war. Auf der Rückfahrt und Weiterfahrt ins (von Langfjordbotn) 30km entfernte Øksfjord war der Busfahrer so lieb, einmal ganz kurz für mich anzuhalten, damit ich wenigstens ein einziges Sonnenuntergangsfoto machen konnte.


Und als ich dann mit der Fähre zum nächsten Fjord übergesetzt war, begann es zu regnen. Der LKW-Fahrer, von dem ich die letzten 15km nach Nuvsvåg mitgenommen wurde, setzte mich an einem kleinen Gästehaus aus, in dem ich die Nacht verbrachte. Mittlerweile ist es nämlich um 19Uhr schon stockdunkel, besonders wenn es regnet - sich dann noch in unbekannter Umgebung einen Zeltplatz zu suchen, muss nun wirklich nicht sein.

Der folgende Tag, Dienstag, war ein typischer Herbsttag. Der September war der nasseste Herbstmonat seit Jahrzehnten, es hat eigentlich nur geregnet - wieso sollte es also im Urlaub anders sein? Dabei durfte ich an dem Tag noch "gutes" Regenwetter erleben: alle zehn Minuten gab es Regenpausen, und ein paar Mal brach sogar die Sonne durch. Also versuchte ich, das beste aus der Situation zu machen, und fotografierte, was immer sich fotografieren ließ. Dank der Schlechtwetterprognose hatte ich mich gut vorbereitet: zusätzlich zu meiner normalen Winterausrüstung hatte ich zwei Paar Ersatzsocken, eine knallorange Garnitur wasserdichter (!) Seemannskleidung, mehrere Plastiktüten für die Kamera und sogar einen Regenschirm dabei. Letzteren nutzte ich nicht für mich, sondern für die Kamera, um nicht immer mit Plastiktüten hantieren zu müssen. Und unter Einsatz all dieser Utensilien gelangen mir tatsächlich ein paar Bilder - mittelmäßig gute zumindest. Wirklich zufrieden bin ich nicht. Na ja.


Die zweite Nacht verbrachte ich in meinem Zelt - zum einen, weil ich mitten im Fotogeschehen übernachten wollte (zwecks Polarlicht - die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt!) und zum anderen, weil ich einfach nicht das Geld habe, um teure Pensionen zu bezahlen. Norwegen ist ja gerade frisch zum Land mit dem höchsten Lebensstandard der Welt gekürt worden - verschwiegen wurde dabei, dass es für Nichtnorweger auch das teuerste Land der Welt sein dürfte. Ich dachte, aus Island schon einiges an Preisen gewöhnt zu sein - aber hier wird alles noch mal getrumpft. Das liegt auch daran, dass man so gut wie nirgends einfache und daher günstige Übernachtungen findet. Die Norweger wollen es luxuriös: wer keinen Luxus haben will, der zeltet. Also hat man eigentlich nur die Wahl zwischen der kostenlosen Übernachtung im Zelt oder einem Bungalow mit Sauna und Fernsehen. Die spinnen, die Norweger...

An der Stelle muss ich allerdings noch schnell einwerfen, dass Islands dritter Platz in der UN-Liste der "höchsten Lebensstandarte der Welt" nicht mehr aktuell sein kann. Die Daten des Berichtes stammen von 2007 - also von vor der Krise. Die Isländer haben in den vergangenen zwei Jahren einiges an Lebensqualität einbußen müssen - jetzt hat nicht mehr jeder seinen eigenen Superjeep und kann auch nicht mehr jede Familie zweimal im Jahr nach Spanien fliegen. Gut so, sage ich - aber auf Platz drei der Liste der höchsten Lebensstandarte der Welt kann die Insel daher nicht mehr liegen!

Aber zurück nach Nuvsvåg - zurück in den Regen!
Zelten bei Schmuddelwetter gestaltet sich immer komplizierter, als bei Schönwetter - ganz besonders dann, wenn man in einer Landschaft unterwegs ist, die einem einzigen Moor gleicht. Seit über einen Monat regnet es hier in Nordnorwegen beinahe täglich - mit dem Ergebnis, dass sich Wege in Bäche gewandelt haben und Trockenwiesen zu Seenflächen geworden sind. Ein trockenes Plätzchen zum Zelten findet sich allerdings immer irgendwo, meist an Schrägen gelegen, sodass ich mittlerweile Schrägschlafspezialist geworden bin. Auch hat sich bei mir eine gewisse Regenroutine eingestellt - angefangen mit Rekordzeiten beim Zeltaufbau, über eine zentimetergenaue Einteilung von einem Nass- und einen Trockenteil im Zelt, bishin zu der Fähigkeit, dass ich am Regenprasseln erkennen kann, wann eine Wind- und damit meist verbundene Regenflaute naht. Die Natur lehrt einen schon lustige Dinge...

Ich muss bei allem Humor aber schon zugeben, dass es für einen Wanderer und Fotografen sehr deprimierend ist, wenn es tagein, tagaus nur regnet. Schlimm ist es vor allem dann, wenn man fotogene Landschaft um sich herum hat und auch Nordlichter sehen könnte, wenn da die vermaledeiten Regenwolken nicht wären! Ich glaube, dass es eine Mischung aus Trotz, Verzweiflung und akuter Langeweile war, die mich um 22Uhr Nachts auf die Idee brachte, im Schneeregen und totaler Dunkelheit den 300m hohen Hügel neben meinem Zelt zu erklimmen und auf ein Wolkenloch zu hoffen. Nachdem ich den Weg durch ein richtiges Moor gefunden hatte (bei dem der schwabbelige Boden unter mir wegbrach und ich mit einem Bein bis zum Knie im Schlamm stand), und dann mithilfe einiger Birken einen fast senkrechten Felshang erklimmen konnte, stand ich im Schneetreiben auf dem Berg und blickte auf die Ortschafts Nuvsvåg hinab. Von der Landschaft und eventuellen Nordlichtern sah man allerdings gar nichts.


Im Windschatten eines Felsens wartete ich eine gute halbe Stunde lang - dann riss der Himmel tatsächlich auf und ließ sich sogar ein sehr, sehr schwaches Nordlicht am Himmel blicken. Man, war ich froh!
Gut 20 Minuten konnte ich fotografieren - dann zog es komplett zu und begann es zu schneien. Auf dem Weg nach unten (den ich diesmal problemloser überwand, weil ich ja diesmal wusste, was mir blühte) stand ich nur noch vor der Herausforderung, mein Zelt wiederzufinden. Aber auch das war, nachdem ich endlich den richtigen Baum auf dem richtigen Felsen gefunden hatte, kein Problem.


Das war eigentlich auch die Geschichte, die ich mit Bildern ausschmücken kann - denn dann regnete und schneite es drei Tage lang ununterbrochen. Außerdem war ich zu nass und mir daher zu kalt, um noch weiter energetisch durch den Schneeregen zu stapfen. Ziemlich gefrustet brach ich am dritten Tag mein Zelt ab und trampte mit zwei Autos und einer Fähre zurück nach Parken Gård. Seitdem hat mich die Arbeit wieder - mit dem Unterschied, dass nun Winter ist. Wo vor einer Woche noch Wälder gelber Bäume standen, ragen nun kahle Äste aus einem halben Meter Schnee in die Höhe. Heute Nacht sollen die Temperaturen auf -9°C fallen. Ich bin ja einmal gespannt! Fakt ist nur: ab sofort werden die Berge acht Monate lang mit Schnee bedeckt sein und vermutlich ebenso lange Nachtfrost herrschen. Ab sofort ist Winter.
Willkommen nördlich des Polarkreises! :-)

Sonntag, 27. September 2009

Kurze Pause

Von Montag bis Freitag bin ich im Nachbarfjord wandern, werde mich also frühestens am Wochenende wieder hier melden. Wettertechnisch soll es sehr nass und sehr stürmisch werden - nun, mal sehen, warm und sonnig wäre zwar schön, um diese Jahreszeit aber unwahrscheinlich. Ich hoffe dennoch, dass ich mich mit ein paar ansehnlichen Impressionen aus dem herbstlichen Nordnorwegen zurückmelden kann!
Eine einigermaßen große Wolkenlücke zwischen zwei Regenschauern würde mir schon reichen - und wenn sich dann auch noch ein Nordlicht blicken lässt, so wie gestern im Sturm der alle Bäume entlaubte, dann lasse ich mich auch gerne vier Tage lang zuregnen!

Mittwoch, 23. September 2009

Indian summer


Da ich momentan absolut keine Zeit für lange Blogeinträge habe, will ich mich diesmal auf visuelle Impressionen beschränken. Nur so viel sei gesagt: Der Herbst hat seinen Höhepunkt erreicht, auch wettermäßig. Ich verbringe trotz vielem Regens jede freie Minute im Wald beim Sammeln von Beeren, Pilzen oder mit Fotografieren. Viel Freizeit bleibt mir aber nicht: die Arbeit mit den Hunden nimmt täglich etwa fünf Stunden in Anspruch, da ich jetzt täglich zwei Zwölfergespanne gassi fahre: wir sind bei 12km angelangt. Ansonsten arbeite ich etwa vier Tage die Woche auf dem Bauernhof, was dann in 10-12 Stundentagen ausartet, Pausen exklusive. Die körperliche Arbeit macht müde, ich schlafe mehr und habe daher weder Zeit noch Kraft, nachts auf Polarlichtjagd zu gehen. Mittlerweile ist es 12 Stunden lang dunkel, der Winter naht in großen Schritten.

Doch genug dazu, ich muss ins Bett. Nachfolgend ein paar aktuelle Impression von Hunden und Landschaft. Die Farbenpracht der Wälder kann ich nur immer wieder bestaunen - ich habe so etwas noch nie in dem Maße gesehen! Es ist, als habe jemand einen Malkasten über der Landschaft ausgeschüttet! Grüne, gelbe und orangefarbene Baumkronen, leuchtend rote Beeren, Pilze und Heidelbeerblätter, papierweiße Birkenstämme und pechschwarze Steine, knallgelbe Pfifferlinge, neongrünes Moos und neongelbe Farne - dazu die absonderlichsten Blau- und Grautöne am Herbsthimmel. Wenn ich die Bilder sehe, die meine digitale Kamera ausspuckt, denke ich oft, dass das alles doch nicht real sein - doch die Farben sind hier wirklich so knallig und intensiv. Es ist einfach nur erstaunlich!

Dienstag, 15. September 2009

Herbst am Langfjord

Heute kam ich von einem kurzen Ausflug zurück - meinem ersten seit ich hier auf Parken Gård bin. Ich wollte einmal die nähere Umgebung kennenlernen, also diejenige, welche man nicht "mal eben" an einem Nachmittag erkundet.

Also packte ich Zelt, Schlafsack und Regenkleidung, wanderte am Montag die E6 gen Westen herab und schlug mich dann gen Norden "in die Büsche". Mein Ziel: der See "Koppivatnet", gelegen in einem moorigen Hochtal.

Mein Wanderrevier der vergangenen zwei Tage: vom Fjord aus ging es die Straße hinunter und dann irgendwo am Berg querfeldein zu den beiden Seen hinauf.

Genau zwischen den beiden Seen schlug ich mein Zelt auf - eigentlich genau rechtzeitig vor dem ersten heftigen Regenschauer. Ich hatte mal wieder typisches Mischwetter erwischt: von allem gab es etwas, wobei Regen und Nieselregen allerdings dominierten. Und das gerade am ersten Tag nicht zu knapp!

Hier sieht man wunderbar die Wettersituation der sich herbstlich verfärbenden Fjell-Landschaft:
im Hintergrund kündigt sich der nächste heftige Regenschauer an.

Anfangs machte mir der Regen wie immer Spaß - zumindest solange mir noch warm war und ich genügend trockene Tücher zum Putzen des Objektivs hatte. Das interessante an Regenfotografie ist ja, dass man den Regen gerade bei Langzeitbelichtungen nicht sieht und man Fotos machen kann, die überhaupt nicht nach Regen aussehen. Um so lustiger wäre es einmal, wenn mich jemand dabei fotografieren würde, wie ich mit Plastiktüten und Putztüchern bewaffnet die wind- und regenflauen Momente abwarte und der Nässe den Kampf ansage...


Als sich der feine Niesel dann aber in stetigen Regen wandelte und der Wind tüchtig auffrischte, welcher die Tropfen waagerecht durch die Luft peitschte und die Wolken ins Tal drückte, schwand mir die Freude am Fotografieren.

Irgendwo im Nebel-Regen waren noch Berge zu erkennen... Zumindest andeutungsweise!

Aber nicht nur ich war es, die im Nebel kaum mehr etwas sah - auch die vielen Rentiere (ohnehin recht taube und blinde Zeitgenossen, scheint mir) waren so angeödet vom Wetter, dass sie mich erstaunlich nahe an sich heranließen, bevor sie erhobenen Stummelschwanzes und laut grunzend davontrabten. Es sind schon lustige Viecher, diese Rentiere...


Als ich dieses Foto machte, war ich bereits 5 Stunden im Regen unterwegs und hatte der Wind die Nässe durch jede Pore meiner Jacke gedrückt. Auch durch die Nähte meiner Regenhose tropfte das Wasser von oben in meine ohnehin gefluteten Schuhe hinein - Norwegen ist ein einziges, großes Moor, scheint mir, da bleiben Wanderschuhe auch bei gutem Wetter keinen Kilometer lang trocken. Jetzt aber hatte ich nicht einmal mehr genug trockenes Textil am Leib, um meine Brille zu putzen und waren meine Füße und Finger längst gefühllos vor Kälte. Spätestens dann war für mich der Zeitpunkt gekommen, wie ein Rohspatz auf dieses Sch...wetter zu fluchen und mich auf den Weg zurück ins Zelt zu machen.
Welch eine Wohltat, wenn dann im trockenen Zelt eine warme Mahlzeit (Nudeln, was sonst, geht am schnellsten), Kleidung zum Wechseln und ein warmer Schlafsack auf einen warten!


Am nächsten Morgen wollte ich erst gar nicht aus dem Zelt. Alles war nass: Socken, Schuhe, Hose, und am schlimmsten ist es, wenn die Jacke noch genauso nass und kalt ist, wie man sie ausgezogen hat - besonders wenn es draußen windig-klamm und noch dazu dunkel ist. Dennoch brach ich um 5 Uhr morgens vom Zelt aus auf: es regnete nicht, und wenn ich nur zwei Tage frei hatte, konnte ich nicht einfach faul im Zelt liegen bleiben!


Dementsprechend froh und überrascht war ich, als sich trotz der Bewölkung interessante Lichtstimmungen ergaben. In der "blauen Stunde" vor Sonnenaufgang gelang mir das obige Bild (mein Lieblingsbild des Ausfluges), und kurz nach Sonnenaufgang gab es sogar für einen kurzen Moment ein paar intensive Sonnenstrahlen auf einem Berghang im Westen!


Leider zog sich der Himmel danach wieder zu, sodass ich mein Zelt zusammenpackte und dem Hochmoor den Rücken kehrte. Es zog mich in den Wald hinein, dessen Bäume sich momentan gelb und orange färben. Ach was, nicht nur die Bäume, alles wird momentan bunt: Beeren, Pflanzen, Farne, Pilze, alles leuchtet in den wildesten Farben! Man soll es nicht glauben, aber durch diese Fülle an Farben wird es richtig schwierig, gute Fotos machen!


Daher begann ich auch schnell, mit der Kamera zu "malen". Ich weiß, es ist nicht jedermanns Sache, aber ich mag diese abstakte Art der Fotografie, die sehr an Gemälde erinnert. Die Technik, die dahintersteht, ist selten einfach: es handelt sich schlichtweg um bewusstes Verwackeln des Motivs. Hier zwei Beispiele, beide am heutigen Nachmittag aufgenommen.