Sonntag, 21. Januar 2018

Hochsaison im Museum Grytviken

Das Museum in Grytviken gehört offiziell der Regierung Südgeorgiens, betrieben wird es aber vom South Georgia Heritage Trust (SGHT), jener kleinen schottischen NGO, für die ich gerade arbeite. Dieser „Font für das Erbe Südgeorgiens“ kümmert sich als einzige Organisation überhaupt um Natur- und Kulturschutzprojekte auf der Insel. Das Museum ist wirklich erstaunlich gut und groß für einen so abgeschieden Ort: die meisten Gäste staunen über das, was der SGHT hier aufgebaut hat.


Die Themen des Museums sind antarktische Expeditionen und Entdecker, die Natur- und Kulturgeschichte Südgeorgiens, aber vor allem der Walfang: Grytviken ist eines der größten der fünf Walfang-Dörfer hier auf der Insel, in dem bis in die 1960er Jahre bis zu 450 Menschen lebten.
Das mag überraschend sein für alle, die Grytviken heute das erste Mal besuchen und die wenigen Gebäude zählen, die dort stehen: zwei Arbeitshallen, eine Arbeiter-Wohn-Barakke, die erstaunlich große norwegische Kirche und ein paar kleinere Gebäude in direkter Umgebung der Villa des Managers, in der sich nun das Museum befindet. Dass sich hier einmal ein komplettes Dorf mit Kino, Krankenhaus und Schweinestall befand, erkennt man nur bei genauerem Hinsehen, denn die meisten Gebäude sind inzwischen komplett zerfallen und abgerissen worden.

Grytviken - Quelle: Wikipedia
By BluesyPete [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Grund für diesen Kahlschlag war, dass die Gebäude damals alle mit Asbest gebaut worden waren, was bedeutet, dass ihr Besuch heute gefährlich für die menschliche Gesundheit ist. Die anderen ehemaligen Siedlungen auf Südgeorgien sind tabu für Besucher: es gibt dort eine Sperrzone von 200 Metern. Grytviken aber beschloss man, für Besucher zugänglich zu machen, weshalb die am besten erhaltensten Häuser saniert wurden - alle anderen wurden abgerissen. Die Maschinerie der Walfang-Industrie, die einmal von Hauswänden umgeben war, rostet heute im Freien vor sich hin: große Tanks und riesige Öfen, Motoren, Winden und Sägen, Dampfkocher und bizarre Rohre formen ein faszinierend-künstlerisches Labyrinth aus Rost und Verfall, das so irgendwie gar nicht hineinpasst in dieses Bild dieses heutigen Tierparadieses.



Da der Kreuzfahrttourismus weltweit wächst, kommen auch mehr und mehr Menschen nach Südgeorgien. Das ist gut für die Regierung des kleinen britischen Überseeterritoriums, die pro Kopf eine nicht unerhebliche Pauschale veranschlägt, und auch für den SGHT, der deswegen mehr Kunden im Shop und mehr potentielle Geldgeber für zukünftige Naturschutz-, Archäologie- und Sanierungsprojekte gewinnt. Für die Natur ist es (vom CO2-Ausstoß der Schiffe mal abgesehen) vermutlich derzeit kein großes Problem, denn die Schiffe haben sich so gut wie alle der Organisation IAATO angeschlossen, welche den Tourismus von sich aus stark reguliert. So dürfen an fast allen Landestellen in der (Sub-)Antarktis nur 100 Besucher gleichzeitig an Land, weshalb selbst große Schiffe maximal 199 Gäste an Bord haben. Diese werden in Gruppen eingeteilt und zu unterschiedlichen Zeitpunkten an Land gelassen: Gruppen A und B für die ersten zwei Stunden des Landgangs, und dann wird getauscht mit den Gruppen C und D. So wird sichergestellt, dass jeweils maximal 100 Gäste an Land sind.

Das größte Schiff der Saison: die "Seabourne Quest" mit 450 Passagieren

Bisher funktioniert das hervorragend, und es sind keine negativen Auswirkungen auf das Verhalten der Tiere oder die Vegetation zu beobachten. Ich vermute also, dass durch diese strikten Regeln dem Wachstum des Tourismus hier enge Grenzen gesetzt sind, die vermutlich in nicht allzu weiter Ferne erreicht werden. Denn hier in Südgeorgien haben wir alle Hände voll zu tun: wir sind jetzt, in der Hochsaison, kurzzeitig zu siebt im Museum. Für 1-3 Monate bekam unser Kernteam Unterstützung von Pat (Sarahs Mann, der den Rest der Saison für andere Projekte unterwegs ist), Theo (ein junger Maler der hier eine Art Praktikum macht und in den kommenden Monaten ausschließlich Gemälde von hier anfertigen will) sowie Dani, welche sich um die Spenden für den SGHT gekümmert hat.

Mitarbeiter-Rekord in der besucherstärksten Saison 2017/18.
V.l.n.r.: Pat, Sarah, Dani, eine Statue von Sir Ernest Shackleton, Charlotte, Vickie, Theo und ich.

Alle drei werden uns nächste Woche verlassen: dann ist das "Kernteam" vom Anfang wieder auf sich alleine gestellt. Unsere Direktorin Sarah und die Museumskuratorin Charlotte kümmern sich um die Gäste und geben draußen Führungen zum Thema Walfang und Shackleton, wogegen Vickie und ich für den Shop verantwortlich sind und Hilfe von den anderen bekommen, wenn sie nicht anderweitig beschäftigt sind. Sowohl Sarah, Vickie als auch ich gehen außerdem an Bord der Schiffe und halten "Fundraising talks" - also einen Kurzvortrag darüber, was unsere Organisation so tut und warum man uns unbedingt unterstützen sollte (ein eigener Blog darüber ist in Planung).

Die Invasion der (meist) Rotjacken beginnt immer am Friedhof bei Shackletons Grab.
Von da aus geht's dann im Gänsemarsch zum Museum...

Weihnachten war die bisher stressigste Woche: neun Tage lang kam jeden Tag mindestens ein Schiff und gab es unglaublich viel zu tun. Die Kirche wurde geschmückt, wir haben Weihnachtsbaumanhänger für den Shop hergestellt (wir machen hier Dinge aus Kunstharz, wie Magneten oder kleine Skulpturen...), und dann die vielen Weihnachtsfeiern: eine der Station KEP, eine von uns, und dann hatte jedes Schiff auch eine, meist in der Kirche...


Weihnachtsstimmung kam bei all dem Trubel nie wirklich auf, was aber auch dem Sommerwetter zu verdanken war. Gut, Hochsommer ist hier wie ein lauer Winter im Rheinland (mit Temperaturen von meist 5-10°C), aber die Tage sind lang, es ist grün und die Tiere sind in solchen Massen vorhanden, wie es nur im Sommer der Fall ist. Dazu kommt die "typische" Weihnachtstradition der Südhalbkugel: man trifft sich hier am ersten Weihnachtsfeiertag draußen zu einem Grillfest. Und das ist etwas, das ich so partout gar nicht mit diesem Fest verbinde!


Die Bevölkerung Südgeorgiens befindet sich nun, im Hochsommer, auf ihrem Höchststand: allein hier in King Edward Cove sind wir teilweise bis zu 35 Personen, dazu kommen nochmal 9 auf Bird Island. Es sind jetzt Wissenschaftler für ihre Sommerprojekte da und ein großes Team vom SGHT, dass sich um die letzte Phase des Rattenprojektes kümmert - also 'ne Menge Leute und dementsprechend viel Trubel. Einsam und langweilig ist's hier definitiv nicht, ganz egal wie entlegen diese Insel auch sein mag! :-)