Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt – wieder einmal hat sich dieses Sprichwort mehr als bewahrheitet.
Eigentlich wollte ich diesen Winter nach Island reisen, um im winterlichen Landmannalaugar als Hüttenwart zu arbeiten. Einerseits ist es landschaftlich dort unglaublich schön, und andererseits liegt da Schnee. Im Gegensatz zu Mitteleuropa hat Island in den vergangenen zwei Jahren nämlich kaum Schnee abgekommen: die Berge sind zwar leicht gepudert, aber Wintersport kann man an den wenigsten Orten betreiben. Daher der Plan, in Landmannalaugar zu arbeiten: dort würde ich mich mit meinen bis dahin neu angeschafften Backcountry-Skiern anfreunden können. Denn obwohl ich so viel Zeit in Skandinavien verbracht habe, sind mir Ski ziemlich fremd!
Nach einem Skiurlaub in Österreich bekam ich jedoch so starke Rückenschmerzen dass ich zum Orthopäden ging und dieser mir einen leicht deformierten Lendenwirbel und daraus resultierende Bandscheibenprobleme offenbarte. Mehr noch: er sagte ziemlich deutlich dass ich mein bisheriges Leben so nicht weiterführen dürfe. Schwere Rucksäcke tragen und fernab der Zivilisation durch den Schnee tollen sei nicht mehr drin, wenn ich keinen Bandscheibenvorfall riskieren wolle.
Halleluja, was für eine Nachricht... Das musste ich erst einmal verdauen.
Seitdem übe ich mich mittelmäßig erfolgreich darin, mit meinem schmerzenden Rücken klarzukommen. Noch hängt der drohende Bandscheibenvorfall wie ein Damoklesschwert über mir. Daher sind alle Abenteuerpläne vorerst dahin – leider allerdings auch all meine bevorzugten Arbeitsmöglichkeiten. Nach Island bin ich trotzdem gereist: wo ich meinen Rücken auskuriere, ist diesem ja völlig egal!
Seit Mitte Februar bin ich nun also wieder auf der Vulkaninsel - und schmiede neue Pläne. Es ist zugegebenermaßen ziemlich blöd, meine ganzen schönen Abenteuerpläne um mindestens ein Jahr zu vertagen, aber es gibt dennoch genug zu tun!
Unmittelbar nachdem ich von meinem Wirbelsäulenschaden erfuhr, wurde ich gefragt, ob ich nicht Interesse hätte, ein Buch über Island zu schreiben. Die Anfrage hätte zu keinem besseren Zeitpunkt kommen können! Das Buch wird beim Bruckmann-Verlag erscheinen und eine Mischung aus Bildband und Reiseführer werden, das auf der Frankfurter Buchmesse im Herbst 2011 vorgestellt werden soll. Olaf Krüger liefert den Hauptteil der Bilder, ich werde fotografisch allerdings auch nicht ganz untätig sein und schreibe wie gesagt alle Texte des 160 Seiten starkens Bandes. Die Zeit dazu habe ich dank meines Rückens ja jetzt!
Es hat also alles auch seine guten Seiten...
Parallel dazu habe ich mir spontan Arbeit als Übersetzer gesucht (Englisch / Isländisch / Deutsch) und mache außerdem einen Fernkurs bei der isländischen Umweltbehörde, um danach offiziell anerkannter "Ranger" zu sein. Zur Not könnte ich dann in den Touri-Infos der Nationalparks arbeiten, das geht auch mit kaputtem Rücken. Denn nur vom Schreiben kann man nicht leben, das wird in etwa so schlecht bezahlt, wie Fotografie...
Nach einigem Hin und Her habe ich sehr kurzfristig ein Zimmer in Grundarfjörður gemietet, einem kleinen Fischerdorf an der Nordseite der Halbinsel Snæfellsnes, etwa zweieinhalb Autostunden (177km) von Reykjavík entfernt. Hier bin ich mitten in der Natur und kann mir die sehr fotogene Umgebung erwandern. Als am Wochenende starkes Polarlicht vorhergesagt wurde, durchwachte ich zwei komplette Nächte unter dem sternklaren Himmel. Man, was habe ich das vermisst!
Ich war allerdings nicht der einzige Fotograf, der am Kikjufell auf Aurora wartete: ein Isländer sowie zwei Profifotografen aus Norwegen harrten bis tief in die Nacht hier aus. Da sich allerdings stundenlang keine Nordlichter am hellen Himmel sehen ließen, kam ich mit den beiden Norwegern ins Gespräch, die mich genauso schnell erkannten, wie ich sie: Orsolya und Erlend Haarberg machen ganz hervorragende Bilder und arbeiten gerade an einem Bildband über Island. Als um 4 Uhr Nachts allerdings immer noch kein grüner Schimmer am Himmel zu erkennen war, gingen alle schlafen: die Haarbergs in ihrem kleinen Wohnmobil, der Isländer in seinem Auto, das die ganze Nacht mit angeschaltetem Licht und laufenden Motor direkt neben unserem Hauptfotomotiv stand. Traurig, diese Ignoranz und das fehlende Umweltbewusstsein dieses Großstädters, wirklich traurig.
Da ich Bärenhunger verspürte und die Ruhe der Nacht genoss, blieb ich noch wach und kochte mir im blendenden Schein des Vollmonds eine Nudelsuppe. Und dann, plötzlich, waren die Nordlichter da. Und was für welche!
Das erste Mal seit Jahren sah ich wieder rotes Nordlicht, das filigran und schnell hoch oben am Zenit tanzte. Ich habe mittlerweile schon so oft Nordlichter gesehen, aber dieses Mal war wieder mal ganz besonders: der Vollmond beleuchtete die Landschaft taghell, die Dämmerung setzte bereits ein, und dennoch puslsierte kurzzeitig sehr starke Aurora über den Zenit.
Solche Erlebnisse sind es, die mich an Skandinavien binden. Die Natur hier oben ist einfach nur unglaublich!