Freitag, 29. September 2017

Vogelberingung auf Jomfruland - Teil 2

Schon am ersten Tag auf Jomfruland begriff ich, dass es technisch nicht sonderlich schwer ist, einem Vogel einen Fußring umzuschnallen. Aber um ihn überhaupt beringen zu dürfen, muss man genau wissen, was für einen Vogel man da vor sich hat. Nicht nur muss man sich 100% sicher sein, welche Art man in der Hand hält, nein, man sollte wenn möglich auch sagen können, ob es sich um ein erwachsenes Tier handelt oder um einen Jungvogel, um ein Männchen oder ein Weibchen. In meinen zwei Wochen auf der Vogelwarte habe ich so einiges gelernt, aber mal Hand auf's Herz: Vogelberingung ist was für absolute Nerds. Das meine ich keineswegs despektierlich, denn: man muss sich verdammt gut auskennen, um alle europäischen Vogelarten voneinander unterscheiden zu können! Klar, manche sind einfach zu bestimmen: Spechte zum Beispiel. Auf dem folgenden Bild halte ich einen Schwarzspecht in den Händen: Ich hatte keine Ahnung, dass sie so groß werden! Dieser Vogel hier ist ein Altvogel (Jungtiere haben dunkle Augen, keine gelben), genauergesagt ein Weibchen (nur der Hinterkopf ist rot: bei Männchen ist die gesamte Krone rot, von der Stirn zum Nacken...).



Andere Vogelarten unterscheiden sich nur durch die Form einzelner Federn: Zilpzalp und Fitis sehen so komplett gleich aus, dass man sich die sechste Handschwingenfeder angucken muss, um sie zu identifizieren. Da die Küken beim Verlassen des Nestes schon komplett ausgewachsen sind, kann man sie bei einigen Arten nur am Zustand ihrer gerade neu gewachsenen, frischen Federn von erwachsenen Tieren unterscheiden. Bei wieder anderen Arten ohne Geschlechtsdimorphismus muss man die Flügellänge messen, um Männchen und Weibchen auseinanderzuhalten. Zum Glück gibt es dafür sehr detaillierte Bestimmungsbücher und hatte ich Ola immer nahebei, der mir alles erklärte. Und wenn man an einem Morgen mal eben 80 Vögel der gleichen Art fängt, lernt man diese Unterschiede dann doch ziemlich schnell.

Flügel vermessen bei einer jungen, männlichen Mönchsgrasmücke

Wenn nicht zu viele Vögel in die Netze geflogen waren und wir folglich nicht zu sehr unter Zeitdruck standen, haben Ola und ich auch die Länge der Flügel vermessen, also vom Schulterknochen bis zur längsten Handschwingenfeder. Auf Lista wurden die Piepmätze auch noch gewogen, und schauten sie sich die Kondition der Tiere an, also ob am Bauch viel Fett zu sehen war, oder nicht. All diese Daten werden akribisch in Listen eingetragen und diese dann später digitalisiert ans Museum Stavanger geschickt - womit sie dann weltweit zugänglich sind.

Ein Waldbaumläufer bekommt den kleinsten Ring, den wir hatten: so dünn, dass ich ihn
ohne Probleme mit den Fingern ums Bein biegen konnte. Eigentlich soll man auch da die
Zange nutzen, aber ich habe so mehr Gefühl - und bekomme ihn genauso rund gebogen! :)

So aufgeregt die Vögel im Netz und unter der Beringen auch sind, so schnell finden sie wieder zur Normalität zurück. Gefahren begegnen ihnen überall im Leben: Marder, Katzen, Raubvögel, Autos und Windräder lassen sie immer wieder nur knapp mit dem Leben davonkommen. Sich zu erschrecken, das sind sie also irgendwie gewohnt, und deshalb erholen sie sich schnell wieder von der kurzen Fangepisode. Die meisten machten sich mit einem empörten 'Pieps' auf den Weg, wenn ich die Hand öffnete, einige blieben sogar noch ein wenig sitzen! Ganz so schlimm kann's also nicht gewesen sein...

Ein Fitis, der nach seiner Beringung noch gute 30 Sekunden lang auf meiner Hand herumhüpfte...



  
Damit die Vögel die Beringungsaktion möglichst gut überstehen, gilt es einige Regeln zu beachten. So fängt man beispielsweise nie im Regen, weil die Tiere völlig chaotisch in den Netzen hängen und ihr Gefieder dann nicht wasserdicht ist, woraufhin sie schnell an Unterkühlung sterben könnten. Vögel sind relativ temperaturanfällig: man muss immer auf die Außentemperatur achten und die Beutel beispielsweise nie im direkten Sonnenlicht hängen lassen, denn dann überhitzen sie. Beim Hantieren eines Vogels ist es wichtig, ihn nie an nur einem Bein festzuhalten, sondern immer an beiden, und außerdem so körpernah wie möglich, damit sie sich nichts ausrenken können, wenn sie einen Fluchtversuch starten. Beachtet man all dies, und das wurde sowohl auf Jomfruland und auch auf Lista vorbildlich getan, dann lassen sich Unfälle auf's absolut Unvermeidliche reduzieren.




Trotz allem überlebt schätzungsweise einer von 100 Vögeln die Fangaktion nicht oder wird verletzt - meist dann, wenn er versucht, dem Netz zu entkommen. Je kleiner der Vogel, desto empfindlicher scheint sein Kreislauf zu sein: so sah ich einen Vogel sterben, drei Minuten nachdem er ins Netz geflogen war, und das scheinbar ohne Grund, als habe er einen plötzlichen Herzinfarkt erlitten. Ola hat die Theorie, dass diese Tiere vielleicht ohnehin einen Herzschaden haben. Klar, beweisen kann das keiner. Fakt ist aber: wenn wir sie nach 15-75 Minuten wieder in die Freiheit entlassen, sind die meisten Vögel 'nur' stinksauer, ansonsten scheint es ihnen aber gut zu gehen.

Eine junge männliche Mönnchsgrasmücke

      
Da Jomfruland ein beliebtes Naherholungsziel für die Südnorweger ist, sind dort gerade am Wochenende eine Menge Leute unterwegs. Wir fangen die Vögel sichtbar für alle, weshalb wir oft interessierte Beobachter um uns herum hatten. Nicht wenige Kinder blieben stundenlang bei uns, etwa um uns beim Tragen der Beutel zu helfen oder den ein oder anderen Vogel in die Freiheit zu entlassen. Ola hat erstaunlichen pädagogischen Feinsinn bewiesen und sich als hervorragender Lehrer und Inspiration entpuppt - mir gegenüber genau wie allen Gästen. Bei besonderen Fängen, wie etwa einem Schwarzspecht, Sperber und Ziegenmelker, haben wir die gesamte Umgebung zusammengetrommelt: über Whatsapp sind sogar Bewohner der Insel zu uns gekommen, 'nur' um dabeizusein, wenn wir die dann schon beringten Vögel in die Freiheit entlassen haben. Wie viele Zoos und Tiergärten, so versuchen auch Vogelwarten diesen schwierigen Spagat zwischen Umweltpädagogik, wissenschaftlichem Nutzen, Naturschutz und der Sorge um das Wohl des Tieres. Wir haben interessante Diskussionen geführt, etwa zu der Frage, ob der Vogelfang jetzt notwendig und/oder gut ist. So kritisch ich das auch sehe, besonders wenn ich dann wieder meinen (zwei-) täglichen Todesfall in den Händen hielt, so interessant, aufschlussreich und inspirierend war die direkte Arbeit mit den Dinosauriernachfahren.

Ein Ziegenmelker. Dieser total coole, nachtaktive Vogel heißt auch auf Latein so seltsam: "Caprilmulgus" heißt die Gattung, capra = Ziege; mulgere = melken. Plinius der Ältere hat in seiner Naturgeschichte fälschlicherweise berichtet, die Art würde nächtlich an den Eutern von Ziegen saugen. Das ist natürlich totaler Blödsinn - aber der Name hat sich bis heute gehalten.


  
Laut Ola wird übrigens nur ein Prozent der beringten Vögel woanders wieder gefangen, bzw. von Leuten, welche die Funde weiterleiten. Der illegale Fang von Singvögeln im Mittelmeerraum, bei dem die kleinen Kerle zu Hunderttausenden in den Kochtopf wandern, hat viele Arten stark in Mitleidenschaft gezogen, dazu kommen dann noch Klimawandel und Habitatzerstörung durch Menschen. Wichtiger als die Ringfunde sind daher die Daten, welche die Beringer allein durch ihre Listen sammeln: also wie viele Vögel welcher Art in diesem oder jenen Monat in die Netze geflogen sind. So kann man Trends beobachten und dann eventuell eine Art komplett unter Schutz stellen, was immer mal wieder national geschieht.

Der große Brachvogel gilt als eine der Arten, die vom Klimawandel besonders betroffen sein wird.
Man geht davon aus, dass sein Verbreitungsgebiet bis zum Ende des 21. Jahrhunderts
um mehr als vierzig Prozent schrumpfen und sich weiter nach Norden verschieben wird.




 
Im Endeffekt liefert die Vogelwarte Jomfruland einen kleinen aber wichtigen Beitrag beim Sammeln internationaler, wissenschaftlicher Informationen. Ohne die Station wäre das Gebiet wohl nicht zum Nationalpark erkoren geworden, gäbe es hier keinen aktiven Vogelschutz, keine Nerzjagd, keine Biotoperhaltung und keine Zusammenarbeit mit Schulen und Kindergärten. Es sind die Bemühungen von Freiwilligen, die solch kleine Außenposten des Naturschutzes möglich machen. Vogelbegeisterte aus einem Einzugsgebiet von ca. zwei Autostunden kommen hierher, um Ola in den Ferien sowie an den Wochenenden zu helfen. Ich alleine habe in meinen zwei Wochen dort etwa zwei Kilometer Strand gesäubert, 799 Singvögel beringt und Ola dabei unterstützt, Stadtmenschen verschiedenen Alters unsere Arbeit vorzustellen, sprich: ihnen zum wahrscheinlich ersten Mal im Leben einen Vogel aus direkter Nähe zu zeigen.

Bürokraten (Entscheidungsträger des Umweltministeriums) mit Sperber.

Mein Fazit dieser zwei intensiven Wochen: Vogelberingung ist wahnsinnig interessant, und ja, sie ist notwendig und wichtig, wenn sie nach wissenschaftlichen Standards durchgeführt wird. Diese Beschaffung von Basisdaten ist die einzige Möglichkeit, Informationen über den momentanen Status einer Population zu gewinnen und letztlich zu erfahren, was genau wir tun könn(t)en, um den allgegenwärtigen Negativtrends irgendwie entgegenzuwirken. Ich bin total froh, einen ersten Einblick in diese Arbeit gewonnen zu haben und bin mir sicher, dass dies nicht mein letzter Besuch auf Jomfruland war. Wer weiß: vielleicht bin ich nächsten Spätsommer/Herbst dann wieder da?!
:-)

Montag, 25. September 2017

Vogelberingung auf Jomfruland

Wer mich kennt, der weiß, dass ich kein Fan von zu viel Routine bin. Vertrautheit und Erfahrung im Job und generell im Leben sind super, aber zu viel Gewohnheit wird auf die Dauer langweilig - nun ja, mir zumindest. Von daher probiere ich alle paar Jahre mal wieder etwas gänzlich anderes aus - so wie in den vergangenen drei Wochen. Da habe ich nämlich auf einer Vogelwarte mitgeholfen:
der Jomfruland Fuglestasjon.

Jomfruland ist eine kleine Insel im Skagerrak, die dem norwegischen Bezirk Telemark vorgelagert ist. Sie ist 4,5 km vom Festland entfernt, etwa 7,5 km lang und durchschnittlich einen Kilometer breit - und landschaftlich ziemlich abwechslungsreich. Es ist der letzte Rest einer alten Gletschermoräne: ein Schutthaufen, den der Eispanzer der letzten Eiszeit am Gletscherrand zurückgelassen hat und der jetzt als lange, dünne Insel aus dem Meer ragt. Wie ganz Südskandinavien handelt es sich hier hauptsächlich um Kulturlandschaft: es gibt vier aktive Bauernhöfe, über 160 Ferienhütten und noch 80 feste Bewohner, sowie eine Menge Kühe und Schafe. Die Tiere laufen frei umher 
und weiden so ziemlich überall: auch im (Eichen-)Wald und an der Küste. Diese Beweidung hält das Unterholz zurück und hat sehr interessante und unterschiedliche Biotope geschaffen, was Jomfruland zu einem idealen Zwischenstopp für viele verschiedene Zugvögel macht. Und genau deswegen gibt es hier eine Vogelwarte, in der ein Festangestellter und viele Freiwillige damit beschäftigt sind, die Vogelzüge zu überwachen.

All dies habe ich über's Internet ausfinding gemacht, und einfach einmal angefragt, ob sie auch Leute wie mich willkommen heißen, also Nichtornithologen, die mit Federvieh bisher relativ wenig zu tun gehabt haben. Die Antwort war ziemlich eindeutig: jede helfende Hand zähle, und übernachten könne ich in der kleinen Hütte auf einem Schlafdachboden. Da außerdem eine ebenfalls in Südnorwegen liegende Vogelwarte namens
Lista fuglestasjon einen "Einsteigerkurs in Vogelberingung" angeboten hat, habe ich nicht mehr lange gezögert und zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Ich bin erst mit Bahn und Fähre nach Lista gereist und habe dort ein Wochenende lang gelernt, was es beim Beringen von Vögeln zu beachten gilt. Dann bin ich per Anhalter 4 Stunden lang nach Osten gefahren und für genau zwei Wochen in die kleine, gemütliche Station im Norden von Jomfruland eingezogen.


Warum ausgerechnet Südnorwegen, mag man fragen? Nun, das war ganz einfach: In Nordnorwegen gibt es leider keine bemannten Vogelwarten, in denen ich hätte helfen können. Und Norwegen sollte es deswegen sein, um meine "schlechteste" aktive Fremdsprache aufzupolieren. Dazu kam, dass Jomfruland der neueste Nationalpark Norwegens ist und ich neugierig auf diese Region war. Wer mehr über die Insel wissen möchte, dem kann ich ans Herz legen, diesen 12-minütigen Film anzuschauen. Er ist auf norwegisch, aber mit deutschen Untertiteln: 

Jomfruland nasjonalpark mp4 
 
Jomfruland ist aufgrund seiner Küstenlage ideal geeignet, um Vogelzüge zu beobachten. Man muss wissen, dass die wenigsten Vögel große Wasserflächen mögen und sie deshalb, wann immer möglich, in direkter Küstennähe fliegen. Nun liegt Jomfruland nahe der Meerenge nach Dänemark, und die ist für viele Singvögel schon zu groß: und so kommt es, dass es hier zwei Zugouten gibt. Da sind einmal die Unterschrockenen, welche einfach von Norwegen über's Meer nach Dänemark fliegen, und da sind diejenigen, die lieber einen Umweg in Kauf nehmen und tatsächlich die gesamte Küste des Skagerrak entlangfliegen, um über Schweden nach Süden zu kommen. In der Praxis bedeutet dies, dass die Vögel über Jomfruland in zwei Richtungen ziehen: die Eiligen fliegen direkt nach Süden, die Wasserscheuen nach Norden (um erst in Schweden nach Süden abzubiegen). Und genau diese Doppelroute macht Jomfruland zum idealen Vogelbeobachtungsstandort.



Jomfruland fuglestasjon hat einen einzigen Festangestellten: das ist Ola, ein totaler Vogel-Nerd. Wir waren meistens nur zu zweit dort, bloß am Wochenende bekamen wir Besuch von je einem weiteren Freiwilligen aus der Region.

Unsere Tage begannen vor Sonnenaufgang (also um 5:30 Uhr) und endeten oft erst um Mitternacht. Was wir die ganze Zeit taten? Zugvögel bestimmen und zählen, sowie Vögel fangen und beringen. Das große Ziel ist es, in Zusammenarbeit mit anderen europäischen Vogelwarten und Vogelbegeisterten einen Überblick zu gewinnen, wie viele Vögel es von jeder Art so ungefähr geben mag. Klar, es gibt gute Jahre und schlechte, aber wenn man die Zahlen vergleicht, besonders längerfristig, bekommt man eine sehr gute Idee davon, wie es um die einzelnen Arten bestellt ist. 



Gerade die größeren Vögel wie Stare, Gänse und Kormorane lassen sich wunderbar am Flug erkennen und zählen - die braucht man also nicht wirklich fangen. Bei den kleinen Piepmätzen aber wird es schwierig. Viele ziehen einzeln oder in nur kleinen Gruppen, und im Flug sehen die alle gleich aus. Deshalb führen Lista und Jomfuland einen sogenannten 'standartisierten Vogelfang' durch: seit 1999 werden von Februar bis November jeden Morgen an immer der gleichen Stelle Netze aufgespannt, von Sonnenaufgang bis fünf Stunden später. Diese sehen aus wie übergroße Badmintonnetze mit mehreren Taschen und einer Maschengröße von etwa zwei Zentimetern. Die meist niedrigfliegenden Singvögel sehen diese Netze nicht, fliegen hinein und verfangen sich mit ihren Krallen - und dann kommen sie alleine nicht wieder heraus.


Ola und ich kontrollierten die Netze mindestens einmal pro Stunde. Erst einmal sammelten wir die Vögel aus den Netzen heraus, vorsichtig aber zügig, und brachten sie in kleinen Stoffbeuteln unter. Es ist ein bekanntes Phänomen, dass Vögel ruhiger werden, wenn sie nichts mehr sehen: genau deswegen tragen beispielsweise Jagdfalken diese komischen Hauben.

Ein junges, weibliches Wintergoldhähnchen
Ola befreit eine Kohlmeise











   
Im Beutel können sich die Vögel nicht verletzen, weil alles weich ist, zudem verhalten sie sich ruhiger und sind trocken und warm untergebracht. Mit immer mehr Beuteln in der Hand sind wir alle Netze abgegangen, 10 Stück insgesamt, und haben dann unsere Beutelsammlung zu dem Ort gebracht, wo wir in aller Ruhe beringen konnten: einem Aussichtsturm mit Blick auf den Skagerrak.




Einen Vogel zu beringen ist an sich nicht schwer - man braucht lediglich einen Vogel, einen Ring, eine Zange und 30 Sekunden Zeit, um es mal ganz salopp auszudrücken. Jeder Vogelart ist eine bestimmte Ringgröße zugeordnet - die einzuhalten ist wichtig, damit die Vögel davon so wenig belästigt werden, wie möglich. Jedes Land gibt seine Ringe kontrolliert heraus, und zwar nur an jene Leute, die eine Beringungslizenz haben. Um die zu bekommen, muss man Tausende von Vögeln beringt haben: so einfach das ganze technisch auch sein mag, so ist es doch Erfahrung, die am allerwichtigsten ist für fundierte Vogelbestimmung und das Wohlergehen des Tieres. Im Endeffekt heißt das also: im Namen der Wissenschaft dürfen Vögel nur von Profis gefangen und beringt werden. Und diese strikte Regel ist auch gut so!

Ola mit einem Sperber

Jeder Ring ist einzigartig, wie ein Auto-Nummernschild oder ein Geldschein: darauf eingestanzt ist eine Kombination aus Buchstaben und Zahlen, sowie der Name der herausgebenden Instanz (in unserem Fall: Stavanger Museum, Norwegen). So kann man schon auf den ersten Blick erkennen, in welchem Land das Tier beringt wurde und wen man kontaktieren muss, um Informationen darüber zu erhalten.

Eine weibliche Mönchsgrasmücke wird beringt

Die Ringe sind total leicht: sie bestehen aus Aluminium, bzw. für größere, kräftigere Vögel aus Stahl, und werden schon vorgebogen angeliefert. Man braucht jetzt nur noch eine Zange mit eingestanzten Löchern, mit deren Hilfe man den Ring um's Vogelbein herum schließt. Das geht schnell und für den Vogel schmerz- und gefahrlos vonstatten. Vom Herausholen aus dem Sack bis zum Freilassen vergehen normalerweise keine zwei Minuten, oft nur eine Minute. Dennoch: die Vögel mögen die ganze Aktion überhaupt nicht. Sie sind plötzlich kurzzeitig gefangen von einem riesigen Wesen, dessen Absicht sie nicht kennen. Die meisten Singvögel ergeben sich ihrem Schicksal und erstarren - einige aber sind kleine Kämpfer, die alles tun, um der Situation zu entkommen.

Ein junger, männlicher Jungspecht, protestierend

Ganz besonders garstig haben sich Blaumeisen und Stare gezeigt, sowie alles ab Buntspechtgröße: da wird mit den Krallen gekratzt und den Schnäbeln gehackt, dass man teilweise blutet. Ich denke, ich würde ähnlich reagieren wenn ich in der Hand eines Riesen enden würde, der mir mit einer Monsterzange eine Manschette um den Unterschenkel knipsen will. Da heißt es als Beringer: Zähne zusammenbeißen und zügig arbeiten. Je schneller der Ring am Vogelfuß, desto eher kann man die Hand aufmachen und den Vogel wieder in die Freiheit entlassen, wo er hingehört!

Eine empörte Blaumeise unmittelbar vor dem Freilassen