Genau deswegen habe ich mir, genau wie auch schon im vergangenen Jahr, dieses Frühjahr frei genommen. Ich hätte ohne Probleme Arbeit finden können, entweder in Island oder auf besagten Schiffen, die jetzt über die britischen Inseln und die norwegische Küste über Bjørnøya nach Svalbard fahren. Aber nein: ich will Zeit für mich haben. Zeit zum Sein, Zeit zum Denken, Zeit zum Erledigen von vielen, kleinen Dingen, die sonst auf der Strecke bleiben.
Am Ende des kleinen 'östlichen Borgarfjörður' liegt das Dorf Bakkagerði. Die 100 Einwohner arbeiten entweder mit Fisch (es gibt hier eine kleine Fischfabrik und einen etwas außerhalb liegenden Hafen mit ein paar ganz kleinen, privaten Fischkuttern) oder in der Landwirtschaft. Und ich denke einige arbeiten auch irgendwie selbständig am Computer, und natürlich im Tourismus (es gibt hier 3 Übernachtungsmöglichkeiten sowie einen Campingplatz).
Viele Isländer bezeichnen den Fjord und seine umliegenden Berge als den schönsten Teil Islands. Das wundert mich nicht, denn Isländer lieben bekanntlich das Liebliche. Und hier ist es lieblich! Es ist sehr grün, die aus den Grasflächen und Heiden herausragenden Berge sind 'nur' bis in den Frühsommer hinein schneebedeckt, danach leuchten sie in allen Rhyolitfarben. Zwischen den markanten Berggipfeln gibt es viele relativ niedrige Pässe, über die man in die angrenzenden, unbewohnten kleinen Fjorde und Buchten wandern kann, die aber auch alle mit Jeeps über Bergpfade erreichbar sind. Das ist perfekt für Isländer, die sehr ungern schwere Rucksäcke tragen und stattdessen ein Auto vorschicken, das ihnen auch Alkohol und Lammkeule zur Hütte bringt. Folglich gilt das Gebiet als Wanderparadies, und jeder, der mal hier gewesen ist, schwärmt davon.
Ich bin jetzt drei Wochen hier, und ja, ich muss sagen, ich mag diese Gegend auch. Sie ist mir fast zu lieblich - ich mag es ja eher rau und wild; dementsprechend begeistert war ich über einen unerwarteten Wintereinbruch Anfang Mai. Das Gras fing gerade an zu sprießen, die Zugvögel begannen zu brüten: und dann kamen die deutschen Eisheiligen bis nach Island. Es schneite zwei Tage lang und lagen 10cm Schnee. Ich fand's klasse!
Jetzt reicht's aber auch mit dem Winter: es ist schön, dass es wieder grün wird. Langsam verstehe ich, was diese Gegend so attraktiv macht: die Farben, die Weite, die wunderschönen markanten Berggipfel, die nur wenigen menschlichen Störfaktoren. Ich habe hier ja jetzt 'nur' in der direkten Umgebung der Ortschaft fotografiert: gerne würde ich einmal im Sommer herkommen und die Gegend jenseits der Berge erkunden! Selbst wenn sie grün und lieblich ist... ;-)
In den vergangenen drei Wochen habe ich wenig Zeit draußen verbracht. Das lag einerseits am Wetter, das relativ bescheiden war, vor allem aber an einer sehr hartnäckigen Bronchitis, die mich immer nur stundenweise und sehr warm verpackt aus dem Haus gelassen hat. In den letzten Tagen aber ging es mir wieder so gut, dass ich mich endlich wieder länger und weiter von Bakkagerði entfernen konnte. So hatte ich mir das vorgestellt!
Dyrfjöll (1136m), die 'Türberge' mit der 'Tür' (856m). Und nem Bach. |
Und ja, der Sommer kommt: wie immer verzögert im Norden Islands, wir sind hier etwa 2-3 Wochen später dran als das jetzt schon grüne Südisland, aber die Pflanzen lassen sich nicht beirren. Das Gras sprießt und die ersten Blüten öffnen sich! Da lasse sogar ich mich zu einem Blümchenfoto bewegen.
Als ich Anfang Mai herkam, wusste nicht viel von diesem Fjord: und war dementsprechend überrascht, als ich hörte, dass es hier eine Papageitaucherkolonie gibt. Die putzigen Vögel kamen bereits im April und sind jetzt, Mitte Mai, schon mit der Brut beschäftigt. Einige Spätzünder oder Sauberkeitsfanatiker beschäftigen sich aber immer noch mit dem Putzen der Bruthöhle - Papageitaucher sind reinliche Tiere!
Sie sind sogar so reinlich, dass sie ihren bis zu zwei Meter (normalerweise aber um ein Meter) langen Bruttunnel in "Wohnzimmer" und "Toilette" unterteilen.
Wie kann man sich das vorstellen? Die Vögel brüten in einem Tunnel in der Grasnarbe, den sie mit Schnabel und Krallen graben. Das tun sie aber nicht jedes Jahr aufs Neue, sondern sie nutzen den gleichen Bau wie im Vorjahr, verteidigen ihn auch hartnäckig gegen Konkurrenten. Deshalb sind die Paare auch weitestgehend monogam: aber nicht, weil sie sich gegenseitig erkennen, sondern weil sie zur gleichen Bruthöhle wie im Vorjahr zurückkehren. Wenn sich einer im Nest verirrt, hat er 'nen neuen Partner, sozusagen...
Jedes Jahr bessern die Paare den Tunnel aus, säubern ihn und polstern das Nest im etwas vergrößerten Tunnelende mit Gras und Federn. Dann wird sich abgewechselt mir dem Bebrüten des einen Eis und später dem Warmhalten und Füttern des Kükens. Die Eltern koten draußen, das Küken aber kommt erst aus dem Tunnel, wenn es flügge ist, und das ist erst im August/September der Fall. Bis dahin besteht die Welt für das Küken nur aus "Nest" und "Klo". Je älter das Küken ist, desto länger läuft es zum Klo (also desto näher am Ausgang wird geschissen). Riechen tut es da überall gleich, aber immerhin bleibt das Küken sauber - und seine Federn auch, und das ist das wichtigste.
Jetzt aber genug von dieser Scheißangelegenheit - statt dessen noch ein Bild, das ich bei meinem bisher einzigen Besuch der Kolonie machen durfte.
Viel Spaß - und bis bald!