Montag, 31. Mai 2010

Im Asche-Smog

Im Nachhinein erscheint es wirklich geradezu hinterhältig vom Eyjafjallajökull: über einen Monat lang blieb die Þórsmörk von Asche verschont. Aber dann, vier Tage bevor der Vulkan seine Aktivität vorerst einstellte, regnete es Asche vom Himmel, und das nicht zu knapp. Davon berichtete ich ja vor einer Woche. Selbst in Landmannalaugar liegen nun ein paar Millimeter Asche, und spätestens ab der Emstrur-Wüste ist alles grau. Asche, wohin man nur schaut - alles ist schwarz (bei Nässe) bzw. grau (bei Trockenheit)! In den grünen, vegetationsreichen Tälern nördlich des Gletschers hatte sich die nasse Asche wie Zement um alles gelegt und die Vegetation regelrecht unter sich begraben. Die Birken bogen sich teilweise unter der Last der Asche - es war alles irgendwie nicht real!

Die Vegetation hat sich extrem schnell erholt: der Wind hat die Bäume von der Asche befreit, und die Pflanzen sprießen nun in der Wärme des Frühjahr rasant. Vermutlich auch wegen des Düngeeffektes der Asche: auf jeden Fall sehen die Wälder hier nun wieder grün aus, überzogen allerdings von einem grauen Ascheschleier.

Der Vulkan ist seit dem 24. Mai zur Ruhe gekommen, aber offiziell nicht inaktiv. Es baut sich wohl wieder Druck im Erdinneren auf: die Wissenschaftler sind sich jedenfalls einig, dass es zu einem weiteren Ausbruch kommen wird. Es brodelt noch immer im Krater, ab und an gibt es kleine Ascheexplosionen, die vom Umland aber nicht gesehen werden können. Wir sehen lediglich eher unscheinbare, schneeweiße Wolken aus dem schwarzen Gletscher aufsteigen.


Asche ist seit meinem letzten Blogeintrag keiner mehr gefallen - aber in der Luft ist sie dennoch. In den frühen Morgenstunden, wenn die Luft noch feucht ist, ist die Sicht meist gut, fast normal, genau wie in den Stunden nach einem Regenschauer. Dann sieht die grau-schwarze Landschaft faszinierend aus: die Gletscher pechschwarz bis auf die Spalten, die Berge grau-braun, und irgendwo wirbelt immer eine Aschestaubwolke herum.


Sobald die Asche trocknet, wird sie vom Winde verweht: erst in kleinen Windhosen und Staubfahnen, später dann in bodennahen Wolken, und wenn es dann ein paar Tage lang trocken war, so wie momentan, steht die Luft vor Asche. Die Feinstaubbelastung im Umland des Vulkans ist jenseits aller empfohlenen Richtwerte, Südisland läuft gerade mit Staubmasken umher und hält sich, wenn es so extrem ist wie heute, so wenig im Freien auf, wie irgend möglich. Akute Gesundheitsgefahr besteht für gesunde Menschen angeblich nicht, und aus dem Auto heraus ist das alles auch ein Erlebnis - aber gesund kann dennoch nicht sein, diese winzigen, scharfkantigen Aschepartikel einzuatmen. Nun ja, ich kann es nicht ändern, denn ich werde noch mindestens eine Woche hier bleiben. Böse bin ich deswegen überhaupt nicht, im Gegenteil: noch nie habe ich als Hüttenwart so wenig gearbeitet, wie in den vergangenen zwei Wochen! Helga und ich nehmen es gelassen: es ist ja ohnehin niemand da, warum also Eile walten lassen? Nach zwei Wochen haben wir die Hütten in Langidalur so weit von Asche befreien können, dass wir nun eigentlich Touristen empfangen könnten. Eigentlich. Denn die Touristen und Schaulustigen bleiben immer noch aus, da die Straße weiterhin geschlossen gehalten wird. Warum, wissen wir nicht genau, aber der Räumdienst war mittlerweile da und hat die Straße wieder zugänglich gemacht. Eigentlich müsste der Verkehr in den nächsten Tagen wieder freigegeben werden - zumindest so lange, wie der Vulkan ruht!

Blick vom Valahnjúkur Richtung Osten zum (schwarzen) Gletscher Mýrdalsjökull:
die roten Dächer im kleinen grünen Tal gehören zu unserer frisch geputzten Hütte!


Ob dann aber jemand kommen wird, und wenn, in welchem Maße, weiß niemand. Es herrscht gerade stundenweise ein solcher Asche-Smog, dass man teilweise keine 50 Meter weit sehen kann und sich allein deshalb schon kaum jemand freiwillig herwagt.

Ein paar Verrückte gibt es allerdings immer: zwei Zeltgäste durften wir schon begrüßen. Zum einen ein Deutscher, der über die Fljótshlið nach Emstrur und dann zu uns wanderte, um den Pass nach Skógar zu überqueren. Er war wegen des Vulkans hergekommen und fand die Asche super: genau wie auch der zwei Tage nach ihm eintreffende Franzose, der dieselbe Tour in umgekehrte Richtung durchzog. Theoretisch könnte man jetzt auch schon nach Landmannalaugar wandern: es liegt kein Schnee mehr; die Verhältnisse sind jetzt schon so, wie normalerweise Ende Juni. Das liegt zum einen an einem schneearmen Winter und zum anderen am abnormal warmen Maimonat. Das einzige Problem ist die Asche: und die ist momentan wirklich unangenehm. Am besten kann man das mit Bildern vermitteln: darum will ich an dieser Stelle auch mit dem Schreiben aufhören und die Bilder sprechen lassen.
Bis auf irgendwann mal wieder!

Als Vergleich: oben sieht man Húsadalur vor drei Wochen,
und unten in etwa derselbe Blickwinkel fünf Tage nach dem Ascheregen.


Asche-Sturm im Sonnenschein:
der Aufenthalt draußen ist sehr unangenehm, aber die Sicht aus dem Fenster faszinierend!


Langidalur, 30.05.10, 18:53 Uhr. Wie ihr seht, sieht man nicht viel...

Zeitweise ist es dann wieder sehr schön: vom Valahnjúkur hatte man
ein paar Stunden später eine fantastische Aussicht auf die aschegepeitschte Landschaft

Freitag, 21. Mai 2010

Berufsbezeichnung: Dachfeger



Am 19. Mai bin ich endlich wieder zurück in die Þórsmörk gekehrt - diesmal aber hochoffiziell und zur Ausnahme auch nicht alleine! Wie im Herbst 2008, so arbeite ich nun wieder in Langidalur, der Hütte des Ferðafélag Íslands (kurz FÍ), des isländischen Wandervereines für den ich schon mehrere Sommer gearbeitet habe. Zusammen mit Helga, einer fest beim FÍ angestellten, sehr lieben Isländerin Mitte Fünfzig, soll ich mich um die Öffnung der Hütte kümmern. Helga fährt normalerweise immer mit ihrem eigenen Jeep an ihre Arbeitsplätze, hat diesen aber diesmal in Reykjavík gelassen. Zitat ihrerseits: "Wir kommen immer aus der Þórsmörk, zur Not auch mit dem Hubschrauber. Mein Auto aber könnte hier wochenlang feststecken - das will ich nicht riskieren!"
Also wurde kurzerhand Broddi engagiert um uns ins Sperrgebiet des Vulkans zu bringen. Broddi, Mitte Dreißig, schweigsam und autoverliebt, ist nicht nur Hüttenwart, sondern auch ein typisch isländischer Handwerker: der gelernte Elektriker macht alles, kann alles, und was er nicht kann, das improvisiert er trotzdem.

Die Fahrt über sahen wir kaum etwas: es regnete in Südisland, und laut Vorhersage soll das auch eine Woche so bleiben. Einen Monat lang haben hier in Island Nord- und Ostwinde vorgeherrscht, jetzt aber weht seit drei Tagen Südwind: die Aschewolke wird also momentan gen Norden gedrückt. Die Þórsmörk liegt nordöstlich des Vulkankraters, also momentan genau im Schatten der Aschewolke. Dass uns also kein normales Regenwetter erwarten würde, war uns schon klar. Was wir dann aber erlebten, hat sich vermutlich keiner von uns ausmalen können!

Als wir in Hvolsvöllur einen Hänger abholten und Gasflaschen darauf luden, wurden meine Hände und Kleidung schon dreckig. Schwarze Asche lag wie feiner Lavasand auf dem Hänger und im Gras: nicht viel, aber genug, um aus direkter Nähe wahrgenommen zu werden. Die Weiterfahrt zum Seljalandsfoss war normal: dank der tiefliegenden Regenwolken sah nichts so aus, als sei ein aktiver Vulkan in direkter Nähe. Allerdings führte der Markarfljót sehr viel sehr braunes Wasser. Je näher wir der Þórsmörk kamen, desto brauner wurden die Bäche und Flüsse. Das Wetter war durchwachsen: mal waren die Wolken dichter, mal aufgelockerter: aber von der Aschewolke sah man nichts. Jedoch lag mehr und mehr Asche auf dem Weg, und als wir direkt gegenüber vom Þórólfsfell waren, sah man kaum mehr Pflanzen: diese waren unter einer schätzungsweise 4cm dicken Ascheschicht einfach verschwunden bzw. zugeklebt. Ebenso verhielt es sich mit Steinen und sonstigem kleineren Relief: wie eine Schneedecke, so hatte sich Asche auf alles gelegt.

Die Straße in die Þórsmörk ist offiziell noch immer gesperrt, inoffiziell aber schon von vielen befahren worden. Mittlerweile ist diese Mischung aus Schlamm und Lehm, welche die Vulkanfluten mit sich brachten, so weit getrocknet, dass man mit Autos problemlos über den Fluss fahren kann, der sein Wasser aus der Gletscherzunge Gigjökull bezieht. Der Fluss hat keinen vernünftigen Namen: bis vor einem Monat furtete man unterhalb eines Gletschersees, deshalb sprach man immer von 'lónið', 'der Lagune'. Den See gibt es ja seit dem Vulkanausbruch nicht mehr, der Fluss wird vermutlich trotzdem weiterhin so genannt werden: 'Die Lagune'.
Erst nachdem wir den Gletscherfluss 'Lónið' gefurtet hatten, sahen wir die Aschewolke. Bzw wir sahen sie nicht, aber sehr wohl ihren Schatten. Über dem Vulkan scheint irgendwie immer die Sonne: selbst bei Regen ist dort eine Wolkenlücke, durch die auch an diesem Tag die Sonne brach. Theatralischer hätte unser Eintritt in die Aschewolke nicht ablaufen können: Sonnenlicht leuchtete den Eingang in die Þórsmörk aus, dahinter jedoch lag das Land im Schatten der schwarzen Wolke.


Nur ein paar hundert Meter weiter offenbarte sich uns dann dieses Bild:


Als ich aus dem Auto sprang und dieses Foto machte, fielen bereits die ersten Aschekörner. Wie kleine Hagelkörner perlten sie vom Himmel: bis zu 2mm dicke, schwarze Sandkörnchen. Nicht viele, nicht schmerzhaft, aber deutlich sicht- und spürbar waren sie. Schnell rettete ich die Kamera ins Auto und machten wir uns auf die Weiterfahrt. Binni war am Vortag schon nach Húsadalur zurückgekehrt und lud uns über Funk auf einen Kaffee ein: also fuhren wir zuerst dorthin. Und auf den letzten Metern begann es dann, Asche zu regnen: pechschwarze Regentropfen schlugen auf die Windschutzscheibe und machten diese innerhalb von Sekunden undurchsichtig. Zum Glück waren wir da aber schon bei Binni angekommen und eilten uns in sein Hüttenwarthaus zur Lagebesprechung.

Húsadalur sah aus, wie in einem Weltuntergangsfilm. Wo vor einer Woche noch ein gerade ergrünender Campingplatz gelegen hatte, erstreckte sich ein schwarzes Sandfeld. Die braunen Häuser hatten eigentlich weiße Fensterrahmen: die waren allerdings genauso schwarz, wie die Umgebung. Selbst die Büsche und Bäume waren schwarz: diese Mischung aus Asche und Regen haftete an allem wie Zement. Selbst auf den 10 Metern, die ich vom Auto ins Hüttenwarthaus zurücklegen musste, wurde ich schwarz: hunderte winziger Ascheregentropfen zeichneten meine Kleidung, meine Hände und mein Gesicht.

Während wir die Zukunft schwarz malten, nahm der Ascheregen zu, und als wir wieder ins Auto stiegen, konnte man die Fenster kaum noch von der Karrosserie unterscheiden. Binni spritzte uns mit einem Schlauch ab, als wir starteten, aber das half nur 500m lang - danach war die Scheibe wieder schwarz. Den folgenden Kilometer konnte Broddi mithilfe von viel Scheibenputzwasser sich ein Sichtfenster freihalten - dann aber kam nichts mehr aus den Düsen heraus: das Wasser war alle. Die Scheibenwischer verteilen die feine Asche bloß wie ein perfekter, undurchsichtiger grauer Matschfilm: wir waren blind.


Broddi fuhr von da an im Schritttempo und steckte den Kopf aus dem offenen Seitenfenster hinaus, um sehen zu können. Zweimal hielten wir an Bächen an und füllten Flaschen mit dem braunen Wasser, das wir auf die Windschutzscheibe spritzten: so hatten wir ein paar hundert Meter lang Sicht, bevor Broddi wieder seinen Kopf aus dem Seitenfenster hielt und uns über den nach dem Winter kaum vorhandenen Weg aus teilweise medizinballgroßen Steinen steuerte.

Als wir Langidalur sahen, war das Staunen groß. Eigentlich haben die moosgrünen Hütten dunkelrote Dächer - doch durch den Ascheregen sieht man davon nichts mehr und wirkt alles wie ein Geisterdorf. Hier lagen bei unserer Ankunft etwa 1.5cm Asche: genug, um alles schwarz einzufärben und die Büsche wie abgebrannte Skelette aussehen zu lassen. Nur das Gras der Wiesen ist schon so gewachsen, dass es aus der Asche herausragt und grellgrün leuchtet. Verrückt!


Wir verbrachten den Nachmittag damit, das Wasser anzuschließen, die Dieselöfen anzufeuern und, in einer Ascheregenpause, das Auto auszuladen. Ich selber war immer mal wieder ein paar Minuten lang verschwunden, um entweder mit der in Plastik eingepackten Kamera ein paar Fotos zu machen, oder aber um Ascheproben zu sammeln. Erst nachdem ich eine Weile draußen gewesen war, stellte ich fest, dass Asche nicht gleich Asche ist. Diese Erkenntnis kam mir, als es auf meiner Schirmmütze klackte und etwas gut Sichtbares zu Boden fiel. Verwundert bückte ich mich und hob einen daumennagelgroßen Lavastein vom Boden auf. Erst dann widmete ich der Asche einen genaueren Blick und stellte fest: was da vom Himmel kam, war unterschiedlichster Größe! Da waren Aschepartikel so fein wie Mehl, da gab es solche in Sand- und Hagelkorngröße, und eben auch Brocken von bis zu 2cm Länge!

Die schwarze Lava/Asche wird grau, sobald sie trocknet...

Diese großen Aschebrocken, Bimsstein, sind sehr dünn, porös und luftig: sie schwimmen auf Wasser, sind also offensichtlich leicht genug, um in der gestern bis zu 5km hohen Wolke mitgetragen zu werden und hier, 10km vom Krater entfernt, erst wieder zu Boden zu fallen.

Broddi verließ uns noch am selben Abend, allerdings nicht ohne sein Scheibenputzwasser aufgefüllt und das Auto gewaschen zu haben. Er war spürbar froh, dem Ascheregen entrinnen zu können! Helga wäre glaube ich am liebsten mit ihm gefahren, ich allerdings will um alles in der Welt hierbleiben - hallo, das ist superspannend, warum sollte ich ins langweilige Reykjavík zurückgehren wollen?!?

Welche Arbeit Helga und ich in den vergangenen Tagen gemacht haben (und in den kommenden noch tun werden), dürfte ich glaube ich relativ klar sein: wir sagten der Asche den Kampf an!


Am wichtigsten ist es erst einmal, die Wellblechdächer der Hütten von der schwarzen Schicht zu befreien, und das im Notfall wieder und wieder. Die Asche ist säurehaltig und greift Metall an: deshalb die Eile, das Zeug von den Dächern zu bekommen.

Nach dem ersten Arbeitstag: das Toilettenhaus sieht wieder fast so aus, wie es aussehen soll!

Obwohl, Eile ist zuviel gesagt: wir schaffen maximal etwa ein Gebäude am Tag, das Ganze ist viel mehr Arbeit, als angenommen. Wenn wir einen starken Wasserstrahl hätten, könnte man die 2cm dicke Ascheschicht einfach von den Dächern spülen - aber leider können wir nicht genügend Wasserdruck aufbauen und müssen das Zeug daher von den Dächern kehren. Durch den Regen klebt die Asche aber wie Lehm an allem fest, und die teilweise sehr steilen Dächer sind noch dazu sehr schwer zu begehen. Aber es hilft nichts: das Zeug muss runter, auch wenn wir vermutlich wieder von Vorne anfangen können, wenn wir es in ein paar Tagen geschafft haben sollten. Solange der Vulkan noch aktiv ist, ist dies einer der sinnlosesten Jobs, den ich je ausgeführt habe - aber auch einer der ungewöhnlichsten!

Ich muss ganz ehrlich zugeben dass ich nicht übel Lust habe, mich in dieser Aufmachung
mal auf einer Modenschau sehen zu lassen! Die Kombination aus viel zu großer Wathose,
extrem modischer Aschebrille und dem momentan unheimlich praktischen Cowboy-Wanderhut
ist so schräg, dass ich es mir gut auf einem Laufsteg vorstellen könnte! ;-)


Ja, und dies ist der Stand der Dinge: Helga schaufelt Dachrrinnen frei und spritzt die Asche von den Hauswänden, während ich im selbstgebastelten Klettergurt an irgendwelchen Knotenkombinationen und hoffentlich nicht reißenden Seilen über die Dächer rutsche und diese bekehre. Nun bin ich auch mal Dachfeger gewesen - auch wieder so eine Tätigkeit von der ich bis vor einer Woche noch gar nicht wusste, dass es sie gibt!


Zum Glück scheint sich der Ausbruch heute wieder in eine Lava-Eruption verwandelt zu haben: die Aschewolke ist seit heute Nachmittag wieder sehr schmal und fast weiß. Damit haben wir zumindest in der kommenden Woche wieder Ruhe und müssen nicht mit mehr Ascheregen rechnen - vorerst zumindest nicht. Allerdings wird es sicherlich lustig werden, wenn die Asche trocknet und vom Wind durch die Luft getragen wird. Die feinste Asche liegt bei Trockenheit wie Zement in der Luft, kratzt in den Lungen und brennt in den Augen - gesund kann das nicht sein! Aber ändern können wir es auch nicht, und noch finde ich das ganze ziemlich spannend! Langweilig ist mir nicht, soviel steht fest!


So, und damit habe ich alles gesagt, was es zu berichten gibt. Internet habe ich in Langidalur übrigens keines: um diesen Blogeintrag online stellen zu können bin ich nach Húsadalur gewandert, das eine halbe Stunde Fußweg auf der anderen Seite des Berges liegt. Binni und Ragnheiður hat es noch schlimmer erwischt, als uns: sie haben viel mehr Häuser zu putzen. Zum Glück haben sie jetzt ein Team von Freiwilligen hier, das ihnen bei den Aufräumarbeiten hilft. Freiwillige werden übrigens momentan im ganzen Vulkangebiet gesucht: Also wenn einer von euch zu viel Zeit hat und aschegeplagten Isländern beim Dächerputzen helfen will, so werdet ihr hier mit offenen Armen empfangen! Solange dieser Vulkan aktiv bleibt, werden in den Niederschlagsgebieten jeden Tag Freiwillige gesucht, um Dächer zu putzen, Dachrinnen freizuräumen und Aschematsche wegzuschaufeln!

Die Lichtstimmungen in bzw. unter der Aschewolke sind
besonders zu Sonnenuntergang ziemlich unglaublich!

Sonntag, 16. Mai 2010

Vulkanentzugssyndrom

Wieder zurück in Reykjavík hatte ich nun die Zeit, die vielen, vielen Bilder zu sichten, die ich in den vergangenen Wochen machen durfte. Unglaubliche Fotos, wirklich - noch vor drei Wochen hielt ich es für unmöglich, dass ich mal so etwas sehen darf, geschweige denn fotografieren. Daher will ich an dieser Stelle nachfolgend auch eigentlich nur weitere Fotos zeigen!

Vorher allerdings noch ein paar Infos, da ich mal wieder nicht weiß, wann ich das nächste Mal Internetzugang habe. Der Vulkan nimmt gerade eher an Aktivität zu, als ab, und die Windrichtung hat in der letzten Woche auch der Þórsmörk Ascheregen gebracht. Deshalb werde ich am Dienstag in offizieller Mission nach Langidalur geschickt, also in die Hütte des FÍ in der Þórsmörk. Wie cool ist das denn: am Vulkan leben und dafür auch noch bezahlt werden! Da verdränge ich gerne jegliche potentielle Gefahr und freue mich auf viele kleine spürbare Erdbeben, Donnergrummeln das einen in den Schlaf begleitet, Lavafontänen und Aschewolken, um mein bereits spürbares Vulkanentzugssyndrom zu bekämpfen!

Ich bin dort allerdings nicht zum Fotografieren, sondern soll nach dem Rechten sehen, alles sauber machen und für die Touristen vorbereiten. Wie lange ich dort bleiben soll weiß ich nicht, ich vermute bloß für ein paar Tage: noch ist das Tal Sperrzone, noch kommen keine Touristen. Das wird aber sehr bald der Fall sein, denn: sobald die Straße nach Landmannalaugar freigegeben wird, werden die ersten Wanderer über den Laugavegur in die Þórsmörk wandern, Vulkan hin oder her! Man kommt zu Fuß nicht aus der Þórsmörk heraus: entweder versperren einem unpassierbare Flüsse den Weg, oder ein frisches, noch warmes Lavafeld, oder aber der Ascheregen des momentanen Ausbruchs. Undda man die Menschen kaum vier Tage zurück nach Landmannalaugar wandern lassen kann, sind alle Hüttenbetreiber zuversichtlich, dass das Tal auch dann geöffnet wird, wenn der Eyjafjallajökull weiter Asche spuckt. Der Straßendienst muss im Laufe der kommenden zwei Wochen die Straße reparieren und zumindest eine Fußgängerbrücke über den Vulkanfluss errichten - es bleibt ihnen keine andere Wahl, denn wie gesagt: sobald die Straße nach Landmannalaugar eröffnet wird, beginnen die Wanderer den Laugavegur zu wandern und kommen dann unweigerlich in die Þórsmörk. Und das wird bald geschehen, da das Hochland schon jetzt weitestgehend schneefrei ist!

So, und jetzt noch ein paar Bilder!


Ich hoffe, dass ihr anhand dieser Bilder ein wenig erahnen könnt, weshalb mich dieser Vulkan so begeistert! Diese Erlebnisse sind wie eine Droge - ich bin regelrecht 'high' dieser Tage, kann einfach nicht genug bekommen!

Und ganz zum Schluss noch ein Experiment: ich mache seit ein paar Monaten ab und an Zeitrafferfilme. Im Falle des Vulkanausbruchs habe ich mich auch daran versucht und möchte euch das nicht vorenthalten! Ich habe jede Sekunde ein Bild gemacht und das zu einem Film zusammengebastelt, der leider viel zu groß ist um ihn hier ganz zu zeigen. Daher nur ein Ausschnitt, aber dann auch gleich mit der spektakulärsten Szene. Wie es der Zufall so wollte, gab es genau nach einer sensationell schönen Eruption einen der ganz selten gewordenen Blitze. Damit man den im Zeitraffer aber überhaupt sieht, habe ich diesen einen Blitz in zwei weitere Bilder hineinkopiert, also etwas geschummelt (bei 15 Fotos pro Sekunde geht so ein Blitz in einem Film sonst einfach unter...)
Also: ein Zeitraffer, der etwa zweieinhalb Minuten Vulkanausbruch abdeckt. Viel Spaß und bis auf bald!

Freitag, 14. Mai 2010

Back to boring safety

Genau einen Monat nach Beginn des Ausbruchs des "Vulkans mit dem unaussprechlichen Namen" befinde ich mich nun wieder in Reykjavík und erkläre meine Vulkanfotojagd hiermit (vorerst) für beendet. Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal sagen würde, aber: so langsam wird es langweilig! Zum einen, weil die Nächte nicht mehr dunkel genug werden, um das Leuchten der Lava so intensiv zu sehen, und zum anderen, weil mir gerade in den letzten zwei Wochen so ziemlich alle Fotos gelungen sind, die ich machen wollte bzw. die von meiner Position aus möglich waren. Ich blicke wirklich auf eine ganz fantastische Zeit zurück!


Unmittelbar nach meinem letzten Blogeintrag gab es eine Erdbebenserie direkt unter dem Vulkan: neue Magma strömte aus der Tiefe nach und gab dem Ausbruch neue Kraft. In den Tagen zuvor hatte die Explosivität des Vulkans nachgelassen und strömte statt Asche vermehrt Lava Richtung Þórsmörk. Die neu nachströmende Magma änderte das wieder: statt Lava wird nun wieder Asche in die Luft gepustet. Für die armen Bauern südlich des Gletschers bedeutet das anhaltenden Ascheregen. Für mich auf der Nordseite des Eyjafjallajökull bedeutete das: der Lavastrom brach sich nicht durch das Eis und ergoss sich nicht in das Tal, über dem ich begierig genau darauf wartete.
Damn it!

Nun, immerhin hatte ich daraufhin Zeit, mich auch einmal anderen Ansichten zu widmen. Hier zum Beispiel sieht man mein Zuhause der letzten zwei Wochen: das Jugendherbergs-Hüttendorf Húsadalur, bei dem ich täglich nachmittags und regentäglich ganztags als freiwilliger Hilfshüttenwart und ebenso freiwilliger Essensvernichter half. Viel an planmäßiger Arbeit war nicht zu tun, weil sich wegen des Ausbruchs kaum einer in die Þórsmörk verirrt. Darum war ich hauptsächlich mit Gartenarbeiten beschäftigt, was aber wirklich nicht langweilig war im Schatten der grummelnden, grauen Aschewolke!


Toll war auch der Schneehahn, der mich nach einer Woche auf der Endmoräne des Gilsjökull als Teil des Berges zu akzeptieren schien - ganz nach dem Motto: der Vulkan befördert schon lustige Steine zutage... Er kam jeden Abend vorbei, um nach dem rechten zu sehen, brachte sogar zweimal sein Weibchen mit, das mir allerdings in keiner Weise über den Weg traute und ihn beschimpfte, dass er sich mir so furchtlos näherte. Ihn aber störte das Gehabe seiner Dame gar nicht: er fand mich offensichtlich interessant genug, um täglich ein paar Minuten bei mir zu verbringen, und ließ mich schlussendlich bis auf zwei Meter an sich heran. Habituation aus dem Lehrbuch - ich jedenfalls habe mich sehr über diese Bekanntschaft gefreut!


Ich hörte in den Medien, dass die neue Magma aus sehr großer Tiefe entspringt. Das sind schlechte Neuigkeiten für die Isländer, denn: würde die Magma wie vermutet einer mehr oder weniger abgeschotteten Magmablase entstammen, dann würde dem Vulkan früher oder später der Zunder ausgehen. Besteht aber eine direkte Verbindung zum Erdinneren, dann sind dem Ausbruch keine Grenzen gesetzt: so wie es momentan ausschaut, könnte dieser Berg monatelang in dem Maße Asche in die Luft schleudern! Genauso gut könnte der Ausbruch auch morgen einfach aufhören: niemand weiß es, selbst die Vulkanologen können eigentlich nichts weiter machen, als momentane Trends zu liefern und mögliche Entwicklungen aufzuzählen.

Die Veränderungen seit der zweiten Phase des Ausbruchs waren jedenfalls groß. Wie auf dem folgenden Bild zu sehen hörte die Lava auf zu fließen, was sich in einer extrem verminderten weißen Rauchwolke zeigte und darin, dass der bisher sehr stark Wasser führende Fluss im Tal so gut wie trocken war: die Lava verdampfte weder Eis noch schmolz sie dieses. Statt dessen kann man nun den Lavastrom als schwarzes Zickzackmuster im oberen Teil des Gletschers erkennen. Die schwarze Lavakruste bricht immer mal wieder zeitweise auf und glüht dann stellenweise: aus der Ferne sieht man das zwar nur als kleine, glühende Punkte, aber man sieht es!


Die gravierendste Änderung war allerdings die Höhe der Lavafontänen. Ich habe bis heute noch keine offizielle Höhenangabe erhalten, aber ich selber würde mal die Zahl von 800-1000m in den Raum werfen: so weit wurde die Lava meiner Einschätzung nach aus dem 1600m hohen Gletscher geworfen wenn die Eruptionen am stärksten waren. Der Anblick in den drei sternklaren Nächten seit Beginn der zweiten Phase war einfach nur atemberaubend! Zu schade dass die Nächte kaum noch dunkel genug werden, um das rote Glühen so deutlich sehen zu können!

Natürliches Feuerwerk: Iso 2000, Belichtungszeit: 1 Sekunde bei Blende 2.8

An der Stelle will ich einmal auf die Farben der Bilder eingehen. Glühende Lava ist zwar unglaublich farbig, allerdings verstärken Langzeitbelichtungen dies noch. Ist ja eigentlich ganz logisch: Je länger belichtet wird, desto mehr Helligkeit und auch Farbe wird festgehalten und desto bunter werden Fotos. Jetzt kennt ihr einen der Gründe, warum ich so gerne im Zwielicht fotografiere! ;-)
So habe ich zum Beispiel nur ganz selten wirklich gelbe Lava gesehen: auf Fotos jedoch ist Gelb deshalb eine so häufige Farbe, weil viel länger belichtet wird und die Lava deshalb heller erscheint.

Iso 1600, Belichtungszeit 1/5 Sekunde bei Blende 2.8

Das obige Doku-Bild ist bei höheren Isozahlen sehr kurz belichtet und gibt die Farben und auch die Lavabrocken so wieder, wie meine Augen sie gesehen haben. Allerdings war es da noch nicht ganz so dunkel wie bei den anderen Vergleichsbildern: man sieht sofort, dass Farben und Kontraste schwächer sind. Was ein wenig mehr Dunkelheit und ein wenig längere Belichtung nicht alles ausmacht!
Man könnte dieses obige Bild mit einer kurzen Belichtung einer Wasserfontäne vergleichen, in der man die Tropfen sieht. Lava-Langzeitbelichtungen dagegen werden genau wie fließendes Wasser weichgezeichnet: die Brocken bzw. Tropfen werden als Striche oder Haare dargestellt, und die Wolken verschwimmen zu unscharfen, grauen Watteflächen.

Iso 800, Belichtungszeit: 6 Sekunden auf Blende 5.6

Auf der Rückreise heute wurde ich von Hvolsvöllur aus von einem deutschen Kameramann mitgenommen, mit dem ich mich über genau diese Problematik unterhielt. Fernsehkameras machen 25 Bilder pro Sekunde und stellen Dinge daher ziemlich genauso dar, wie unser Auge es sieht: das bedeutet aber auch, dass sie kapitulieren müssen, wenn es zu dunkel wird. Und genau dann wird es für mich als Landschaftsfotograf ja erst interessant! Und es ist nun einmal so, dass Lavafontänen erst dann richtig zu glühen beginnen, wenn es dunkel ist. Da in dem Falle ohnehin nur Langzeitbelichtungen möglich sind, kann ich beim momentanen Stand der Technik halt nur mit langen Belichtungszeiten dienen - und freue mich am Bonus der intensiven Farbgebung! ;-)


Dienstag, 4. Mai 2010

Faszination Eyjafjallajökull

Die vergangene Woche war absurd, wirklich total verrückt! Ich wundere mich selbst immer wieder, was für seltsame Dinge ich immer wieder erlebe...


Es begann alles damit, dass ich an zwei Regentagen nach Reykjavík fuhr, um mich dort um eine Sommerarbeit zu kümmern. Im Büro des FÍ (dem Wanderverein, der die Hütten auf dem Laugavegur betreut) traf ich Helga, welche über Ostern Hüttenwart in der Þórsmörk war. Sie erzählte mir, dass die Þórsmörk zwar gesperrtes Gebiet sei (weswegen auch die dortige Hütte des FÍ leersteht), aber dass die Hüttenwarte in Húsadalur eine Ausnahmegenehmigung bekommen hätten, weil sie dort am Renovieren seien. Dreimal dürft ihr raten mit wem ich sofort Kontakt aufnahm!

Am 28. April stand ich dann am Wegesende in der Fljótshlið, dort, wo die Vulkanfotos meines letzten Blogeintrages aufgenommen wurden. Es ist der Punkt, zu dem alle Schaulustigen und Hobbyfotografen fahren, um Bilder vom Vulkanausbruch zu machen: etwa 10km Luftlinie vom Krater entfernt mit direkter Sicht auf die Gletscherzunge Gigjökull, unter der das Schmelzwasser der Eruption austritt. Von dort aus kann man im Sommer weiter ins Hochland hineinfahren, jetzt steht da jedoch eine Straßensperre, weil die Wege aufgrund der Frühjahrsschmelze noch geschlossen sind. Die Hüttenwarte Binni und Ragnheiður jedoch, ein lustiges Paar Anfang Sechzig, fuhren mit ihren beiden Jeeps frech durch die Absperrung hindurch und stopften meinen vollgepackten Wanderrucksack, Kameratasche, Stativ und mich in die letzten freien Ecken der Jeeps, die voll mit Baumaterialien und IKEA-Möbeln beladen waren. Und dann führte uns die Fahrt noch ein paar Kilometer lang quer durch das Flusstal hinüber zum Hüttendorf Húsadalur. Es ist die westlichste der drei Hütten in der Þórsmörk (und praktischerweise auch die, welche dem Vulkan am nächsten liegt), welche vor einem Jahr von der Jugendherbergs-Bewegung aufgekauft und gerade renoviert wurde: ein großer Komplex von über 15 Gebäuden, der 170 Leute beherrbergen kann und auch noch über einen großen Campingplatz verfügt.

Zwischen dem Ende der Straße und dieser Hütte liegen zwei Flüsse, Gilsá und Markarfljót mit Namen, die momentan sehr viel Wasser führen und die allermeisten Superjeepfahrer abschrecken. Der Markarfljót ist sogar dermaßen gefährlich und berüchtigt, dass er im Sommer eigentlich nie gefurtet wird: jetzt aber, da der Vulkanausbruch die Straße in die Þórsmörk in eine Sackgasse verwandelt hat, ist dieser Fluss der einzige Weg dorthin. Und Binni hatte keinerlei Skrupel, die Flussarme zu furten, da sie seiner Meinung nach an diesem Tag kaum Wasser führten.


Sp kam ich also vor genau einer Woche in die Þórsmörk und helfe dort seitdem (je nach Wetterlage) entweder den beiden ein wenig bei der Arbeit, oder aber ich mache die Nächte am Fuße der Gletscherzunge durch und fotografiere den Vulkan, von dem ich weiterhin nicht genug bekommen kann. Dieser lebende Berg ist unbeschreiblich: ein schrecklich-schönes Biest. Ich bin von diesen unkontrollierbaren Urgewalten gleichermaßen fasziniert wie abgestoßen: dieser Berg ist lebensgefährlich und eigentlich sollte ich mich so weit wie möglich von ihm fernhalten. Und doch zieht es mich in jeder freien Minute direkt an den Gletscherrand, um dieses Zusammenspiel aus Zerstörung und Schöpfung zu beobachten, das das eigene Leben in winzige Maßstäbe zurecht rückt und uns Menschen aufzeigt, wie nichtig und hilflos wir eigentlich sind.


War ich in den ersten Nächten noch begierig darauf, die Lavafontänen zu fotografieren, so warte ich jetzt auf das Erscheinen des Lavastromes. Dieser wälzt sich nämlich wie ein gigantischer, 100m breiter Schneidbrenner durch die Gletscherzunge und wird irgendwann unten austreten und als glühende Lava zu sehen sein - zumindest hoffe ich das!


Bisher wird die Lava vom Eis zurückgehalten und sieht man wenig mehr, als eine gigantische weiße Wolke, die einem immer länger werdenden Canyon im Eis entspringt und ab und zu von unten rosa-rot angeleuchtet wird.


Es entsteht dabei auch viel Wasser, SEHR viel Wasser, das sich teilweise in riesigen Wasserfällen aus dem Gletscher ergießt und den Fluss weiter unten zum Kochen bringt - was ich hier erleben darf, ist wirklich nicht in Worte zu fassen. Und auf Fotos kann man die Größenverhältnisse kaum zeigen! Auf dem folgenden Bild wären Menschen nur als winzige Striche zu erkennen, so riesig ist die Schlucht. Ich vermute mal, dass das Bild locker 70 Höhenmeter abdeckt: allein der große Felsen, über dem sich der braune Wasserfall ausbreitet, dürfte 50m hoch sein. Und der dreckige Eisblock untendrunter etwa so groß wie ein Reisebus, wenn nicht sogar größer...


Gestern standen wir auf der Gletschermoräne und sahen hinab ins Tal, das komplett in Dampf gehüllt war und kochte - und ich meine es genau so wie ich schreibe. 20km weiter flussabwärts wurde eine Wassertemperatur von 17°C gemessen - und da hatten sich bereits Gilsá, Markarfljót und mehrere Bäche hinzugemischt. Diese Größenverhältnisse und Naturgewalten sind einfach nur gigantisch!


Der Vulkan selber ist sehr unterschiedlich aktiv: mal hört man nur ab und an ein ganz leises Grollen und sieht nur eine kleine, unscheinbare Wolke aus dem Gletscher aufsteigen - und mal donnert und bebt er, als würde die Welt untergehen, und stößt wieder irrsinnige Mengen an pechschwarzer Asche aus. Heute erreichte die Wolke mal wieder sechs Kilometer Höhe und wehte gen Skandinavien. Würde mich nicht wundern, wenn infolge dessen bald wieder Flughäfen geschlossen werden müssten!

Ein aktuelles Bild vom heutigen Morgen: der Nebel verzog sich und
gab den Blick frei auf den Gletscher bzw. die riesige Aschewolke.
Grauverlauffilter halfen mir dabei, die starken Kontraste irgendwie im Bild zu vereinen


Hier in Húsadalur sind wir drei direkt am Geschehen - so nah, wie sonst keiner. Kaum jemand verirrt sich hierher - zum einen, weil die Flüsse so viel Wasser führen, und zum anderen, weil kaum einer weiß, dass hier eigentlich keine Sperrzone ist. Ich denke, es hat damit zu tun, dass beim kleinen Ausbruch auf dem Fimmvörðuháls viel zu viele Menschen an viel zu vielen Orten waren. Polizei und Bergrettung hatten weder Kontrolle über das Chaos noch Möglichkeiten, die Menschenmassen zu evakuieren, falls etwas passiert wäre - den Fehler wollen sie nicht noch einmal begehen und halten die Gegend daher diesmal großflächig abgesperrt. Inoffiziell bin ich legal hier, offiziell ist hier Sperrzone - wie auch immer, auf jeden Fall darf ich hier sein und dieses Spektakel aus nächster Nähe exklusiv erleben! All die anderen Hobbyfotografen und Presse sind viel weiter weg, als ich - es ist verrückt! :-)

Der aktuelle Ausbruch und seine beiden Wolken.
Schwarz ist die Aschewolke, die dem Krater entstammt,
weiß die Wasserdampfwolke, die de Lavastrom im schmelzenden Eis anzeigt


So, und dann will ich mal wieder Schluss machen: ab morgen soll ein paar Tage lang gutes Wetter herrschen und werde ich vermutlich mehrere Nächte am Vulkan durchmachen und auf die Lava warten. Hoffentlich kommt sie bald! Je länger der Vulkan aktiv bleibt (der Beginn dieses großen Ausbruchs liegt schon drei Wochen zurück), desto wahrscheinlicher scheint es mir, dass ihm bald die Magma ausgehen wird. Ich selber werde vermutlich bis zum Wochenende hierbleiben: zum einen, weil ich dann meinen Job im Büro des FÍ in Rvk antreten will/muss, zum anderen, weil dann die Nächte ohnehin nicht mehr dunkel genug werden, um die Lava leuchten zu sehen. Bis dahin werde ich aber hoffentlich noch ein paar Tage und Nächte lang diesen Vulkan beobachten und fotografieren dürfen: ein Privileg sondergleichen, von dem ich jede Sekunde genieße und mir das Ende weit, weit weg wünsche.