Samstag, 11. Oktober 2014

Holuhraun: Wer darf den Ausbruch besuchen?

Heute kam ein interessanter Artikel im Fréttablaðið zum Thema "Wer darf Vulkanausbruch besuchen?"
Ströng skilyrði fyrir leyfi á gosstöðvarnar

Hier meine (grobe) Übersetzung.



Strenge Regeln für eine Reisegenehmigung zum Vulkanausbruch

"Wir kennen nur ein paar Beispiele davon, dass jemand ins Ausbruchsgebiet gereist ist, ohne die Anforderungen des Zivilschutzes zu erfüllen. Wir reden von drei bis vier Fällen, die jetzt untersucht werden", antwortet Svavar Pálsson, der Amtsrichter (Sýslumaðurinn) von Húsavik. Wie schon berichtet wurde, landete ein Hubschrauberpilot von Reykjavík Helicopters mit der Milliardärin Goga Ashkenazi direkt neben der Lava, ohne dass der Pilot eine Erlaubnis dazu besaß. Der Zivilschutz glaubt, dass sie sich damit in große Gefahr begeben haben. Dieses Ereignis hat die Frage aufgeworfen, wer eigentlich die Genehmigung erhält, ins Gebiet zu gelangen.

In einer Zusammenfassung, die das Amtsgericht Húsavik (Sýslumaðurinn á Húsavík) für Fréttablaðið erstellt hat, wird berichtet, dass der Katastrophenschutz (Almannavarnadeild ríkislögreglustjóra - Teil der Bundespolizei) im Frühjahr 2010 zum Ausbruch des Eyjafjallajökull besondere Pässe erstellt hat, um Journalisten die Reise in geschlossene Gebiete zu ermöglichen. Diese Pässe gelten immer noch. Seit dem Jahr 2010 wurden 232 dieser Pässe ausgestellt; davon gingen über 100 Stück an die staatliche Rundfunkanstalt (Ríkisútvarpið), wegen seiner besonderen Rolle im Katastrophenfall. Die Vergabe dieser Pässe wurde am 11 September gestoppt und durch eine eine befristete Erlaubnis ersetzt, gestempelt und unterschrieben von einem Vertreter der Bundespolizei (Ríkislögreglustjóri). Seitdem wurden 40 befristete Genehmigungen an Journalisten erteilt. Die Individuen, welche in diesen Genehmigungen aufgelistet sind (Journalisten, Fahrer, Guides und Hubschrauberpiloten), beträgt insgesamt 125. Darunter 72 Isländer und 53 ausländische Staatsangehörige.

Svavar sagt, dass diese befristete Genehmigung nur dann ausgegeben wird, wenn ein Antrag des Medienunternehmens vorliegt, welches besagt, dass es die Verantwortung für seine Mitarbeiter übernimmt. Auch alle Freiberufler, welche eine Genehmigung beantragen, müssen eine Bestätigung erbringen, dass sie im Auftrag eines Medienunternehmens unterwegs sind und journalistisches Material produzieren.

Die Bundespolizei (Ríkislögreglustjóri) arbeitet nun an einer Neubewertung der momentan gültigen Regeln, in Hinblick auf den Zutritt zum Eruptionsgebiet.

Donnerstag, 9. Oktober 2014

A Song of Ice and Fire


All my pictures are copyrighted with All Rights Reserved.
Contact me at info@arctic-dreams.com regarding publication requests.



Der Zivilschutz und die isländischen Medien verbreiten eigentlich seit Beginn des Ausbruchs totale Panik, was giftige Gase angeht. Ja, es stimmt, dieser Vulkan stößt eine Menge Gase aus, die dem Menschen in zu hoher Dosis schaden können. Und ja, wenn es total windstill wäre, dann würden sich diejenigen Gase, die schwerer sind als Luft, in Tälern und Mulden nahe der Ausbruchsstelle sammeln, und dann könnte man dort an CO2 oder CO ersticken. Es ist auch wahr, dass zu viel SO2 die Lunge verätzt, und dass es generell gesünder ist, all diese Gase nicht in zu hoher Konzentration einzuatmen.

Was aber verschwiegen wird, ist, dass dieses Risiko sehr berechenbar ist. Dieser Vulkan liegt direkt am Vatnajökull (Gletscher = kalte Luft = ständiger Fallwind) und es ist Herbst, sprich: hier weht immer Wind. Der wirbelt Gase und Luft durcheinander hindert sie daran, "Blasen" am Erdboden zu bilden, in denen Lebewesen Schaden nehmen könnten. Wenn man sich also auf der Luvseite des Ausbruchs aufhält und nicht gerade in diese Eruptionswolke hineinläuft, um sich dort absichtlich seine Lungen mit CO / CO2 / SO2 vollzupumpen, dann braucht der normal-gesunde Mensch keinerlei Angst zu haben. Und kann sich der Lava ohne Probleme nähern - ganz ohne Gasmaske.

Von daher gilt, wie immer, dass man einfach seinen gesunden Menschenverstand nutzen muss und den Naturgewalten gegenüber aufmerksam sein sollte. Von wo kommt der Wind, ändern sich die Wolken, schlagen eine andere Richtung ein? Man sollte sich einfach nicht zu weit vom Auto entfernen und außerdem die Gasmasken griffbereit haben, für den Fall der Fälle, dass man etwas Komisches riecht, sich unwohl fühlt oder die Augen zu brennen beginnen.

Die Lava kroch über den Gæsavatnaleið: eine Fahrspur vom vorherigen Tag war so gerade noch sichtbar...

Seit dem Nachmittag des 26. September waren wir nun bei der Eruption in Holuhraun, und das Wetter wurde beständig besser. Der Wind verebbte, im Westen klarte es auf, die untergehende Sonne brach durch und beschien die Eruptionswolke, die watteweich über dem Krater stand.


Besagter Krater hat schon einen Namen: Baugur heißt er und liegt ganz im Süden des Lavafeldes. Es ist eine längliche Spalte, in der Lavafontänen brodelten. Es war uns nicht möglich, realistisch zu schätzen, wie weit dieser Krater von uns entfernt war (600-1000m?), wie hoch seine Ränder aufragten (knappe 100m?) oder gar wie hoch die Fontänen in den Himmel spritzten (bis zu 150m?). Das war aber ehrlich gesagt auch nicht so wichtig. Ich konnte eh kaum etwas anderes tun, als Staunen, und nebenbei erstaunlich viele Fotos machen.


Das Licht änderte sich jetzt im Minutentakt; je dunkler es wurde, desto prägnanter sah man das Glühen der Lava. Ab und an hörte man den Krater; es klang wie ein auf- und abschwellender Wasserfall. Oder wie ein Herzschlag: ich stand hier am Puls der Erde.
Hier schlug das Herz Islands.



Zäh und langsam wie Schlamm wurde das glühende Gestein in die Luft geschleudert, fiel ab und an außen an den Seiten herab und glühte dort noch etwa 20 Sekunden nach.

Es gab so viel zu sehen, so viele Detail zu entdecken, so viel zu staunen - die Zeit verging nicht einfach nur schnell, nein, sie raste. Und war doch ewig lang, gefüllt voller Wunder... Da war zum Beispiel das Aha-Erlebnis, dass plötzlich auch der Himmel abseits des Kraters glühte: im Lavafeld selber befindet sich ein Fluss aus geschmolzenem Basalt, den man von uns aus zwar nicht sehen konnte, der aber die Wolken von unten anstrahlte. Über diesem Lava-Fluss bildeten sich Windhosen, kurzlebig und filigran.


Je dunkler es wurde, desto unglaublicher wurden die Ansichten und Fotomotive. Ich habe mir sowas bisher nicht einmal ansatzweise vorstellen können! Das Tageslicht schwand, und plötzlich war da Licht von unten. Licht, das bei ganz genauem Hinsehen an- und abschwoll, wie ein Pulsschlag: sei es durch plötzliche starke Eruptionen im Krater, oder im Kleinen, außen an den aktiven Lavaströmen.

copyright Kerstin Langenberger. No usage allowed, unless communicated with me.

Was diesem Erlebnis die Krone aufsetzte, war die Tatsache, dass wir vier gänzlich alleine an diesem Vulkan standen. Niemand außer uns war an dem Tag angereist; wer eine Genehmigung hatte, der ließ sich wohl von der Wettervorhersage abschrecken. Der starke Wind sorgte außerdem dafür, dass Flugzeuge und Helikopter am Boden bleiben mussten: eine einzige Cessna flog Nachmittags zwei, dreimal über den Ausbruch, bevor sie wieder verschwand. Auch die acht Meteorologen hatten wir nur zweimal gesehen, als sie mit ihren beiden Jeeps genau an der Kante des Lavastroms entlangfuhren, vermutlich mit eingeschaltetem GPS-Gerät, um die neuen Umrisslinien des Lavafeldes aufzuzeichnen.

Seit ich dort gewesen bin, sehe ich die Berichte und Bilder über diese Eruption mit gänzlich anderen Augen. Jetzt verstehe ich, wie groß dieser Ausbruch wirklich ist. Ein Lavafeld von 10km Länge. Ein Krater, der alle paar Sekunden eine Schwimmbadladung Magma ausspuckt. Ein Fluss glühenden Gesteins, mehrere Meter breit und tief, der sich in einem Canyon nach Nord-Osten bewegt. Das Lavafeld wird täglich um ein bis zwei Quadratkilometer größer, hat nach einem guten Monat schon über 50 Quadratkilometer Land unter sich begraben - das sind Ausmaße, die man sich kaum vorstellen kann!
 

Die Nacht kam, und mit ihr die Wolken. Der Wind nahm stetig zu, bis er in starken Böen über das Land peitschte. Und dann begann es zu schneien.
Die Nacht ist mittlerweile wieder länger als der Tag, und da man von der Eruption nun ohnehin kaum noch etwas sah, schliefen wir ein paar Stunden. Als wir uns in der Morgendämmerung müde aufrafften, da sah die Welt so aus:


Über Nacht hatte es zehn Zentimeter geschneit; der starke Wind trieb den Schnee in Wehen zusammen. Wir sahen zwar den Krater in der Ferne durch die Wolken lugen, aber wir wollten eigentlich bald zur Drekihütte zurückkehren, denn auch der Wind hatte sich verändert. Er blies die Vulkangase jetzt in unsere Richtung: noch ein paar Grad weiter in Richtung Nordwesten, und wir würden die berühmt-berüchtigte Schwefeldioxidluft schnuppern... Also begnügten wir uns damit, den glühenden Teil des Lavafeldes am Gæsavatnaleið zu besuchen. Da angekommen, vergaßen wir mal wieder alle Sorgen, denn schon wieder war der Anblick einfach nur UNGLAUBLICH.


Direkt an der Kante war der Schnee geschmolzen und köchelte vor sich hin. Dennoch blieb der Schnee teilweise erstaunlich lange auf der Lava liegen, wurde von ihr berührt und schmolz mit enormer Verzögerung. Einerseits mag das am Wind gelegen haben, der immer wieder neuen Schnee vor die Lava gepackt hat. Andererseits scheint Lava selbst in heißem Zustand ein extrem schlechter Wärmeleiter zu sein.


Immer wieder musste ich mich in Gedanken zwicken, so unglaublich war dieses Erlebnis.
Lava und Schnee, Feuer und Eis - gegensätzlicher können Elemente gar nicht sein. Dazu der heulende Wind, der den Schnee prasselnd über das Land jagte und die vom Lavafeld aufsteigenden Dampfschwaden einfach davonriss.

Die Lava ließ sich von dem Wetter und dem Schnee überhaupt nicht beeindrucken: langsam schob sie sich immer weiter nach Westen. Der Schnee seinerseits war so nass und so kompakt, dass er eine zusammenhängende Schicht von 8-10cm Dicke bildete - und von der Lava in Schollen aufgetürmt wurde. Statt den Schnee direkt zu schmelzen, verhielt sich die Lava wie ein Gletscher, der eine Endmoräne vor sich herschiebt. Erstaunlich!







Ich bin noch immer völlig geplättet von all den Eindrücken, die in den wenigen Stunden auf mich eingestürmt sind - den anderen ging es da nicht anders, denke ich. Eine effusive, hawaiische Eruption sehen zu wollen und davon zu träumen ist eine Sache, aber nichts kann einen auf das vorbereiten, was man letztendlich erlebt. Diese unglaublichen Gegensätze! Diese erstaunliche Lebendigkeit des glühenden Gesteins, das fast etwas Organisches aufweist: beinahe, als stände man einem riesigen Lebewesen gegenüber.

Am Vormittag kehrten wir zur Drekihütte zurück und erkundigten uns nach der Wettervorhersage. Unsere Genehmigung war noch für einen Tag gültig, aber als für den Abend Sturm mit viel Niederschlag angekündigt wurde, beschlossen wir einstimmig, zur Ringstraße zurückzufahren. Nach der vergangenen Nacht waren wir ohnehin alle geplättet und schwammen auf einem Hoch der Emotionen.

Nach einer Fahrt durch eine schwarz-weiße Welt aus abstrakten Mustern und Formen meldeten wir uns bei der Bergrettung ab und waren am Abend dann wieder in der Zivilisation. Im Kopf war und bin ich aber weiterhin noch am Vulkan... Dieses Erlebnis lässt einen so schnell nicht mehr los!

So, das war's fürs Erste vom Vulkan in Holuhraun und diesem unglaublich spannenden Islandaufenthalt! Ich kann irgendwie noch gar nicht glauben, dass ich das alles tatsächlich erleben durfte. Es ist, als wäre ein Teil von mir dort geblieben und käme erst allmählich wieder zurück... Was für ein riesiges Privileg dieser Besuch doch gewesen war!

Island werde ich jetzt verlassen und mich auf den Weg Richtung Süden machen: ich darf eine weitere Saison in der Antarktis verbringen und freue mich sehr darauf! Wann ich wieder etwas schreiben werde, weiß ich nicht - mal schauen, was Zeit und meine Internetverbindung mir ermöglichen werden!

Viele Grüße aus Island - und euch einen schönen Herbst! :-)

Mittwoch, 8. Oktober 2014

Holuhraun: ein Traum wird wahr

Ursprüngliches Post-Datum: 30.09.2014
Als sich die Anzeichen für einen Ausbruch des Bárðarbunga vor über einem Monat häuften, hat der isländische Zivilschutz reagiert und die Gegend großräumig gesperrt. Das wurde für viele spätestens dann zum Ärgernis, als vor genau einem Monat die Eruption bei Holuhraun begann: eine solche Freiheitsbegrenzung ist man in Island nicht gewohnt! Die Polizei war mit mindestens zwei Jeeps vor Ort, die Bergrettung mit mindestens einem Monsterjeep, und wenn das Wetter es zuließ, rückte sogar der Helikopter aus, um alle abzufangen, die sich trotzdem in die Sperrzone gewagt hatten. Es wurden viele Geldstrafen verhängt und Leute dem Gebiet verwiesen: dieser Vulkanausbruch wurde (und wird auch immer noch!) besser bewacht, als so manches Gefängnis.

Quelle: www.vegagerdin.is






Warum aber das ganze Theater? Der Vulkanausbruch ist momentan relativ harmlos, wenn man von einer teilweise enormen Gasproduktion einmal absieht. Die wird von den Medien meiner Meinung nach allerdings zu groß aufgetragen: wenn Wind weht, kann man sich selbst direkt am Vulkan problemlos außerhalb der Wolke aufhalten; und in der Wolke helfen Gasmasken, die man definitiv dabeihaben sollte. Der eigentliche Grund für die Vollsperrung ist aber, dass man weiterhin einen Ausbruch im Hauptkrater des Bárðarbunga fürchtet. Er liegt mitten im Gletscher Vatnajökull und hat in der Vergangenheit mehrmals riesige Fluten produziert. Da man immer vom schlimmsten Fall ausgeht, will man in der Lage sein, die ganze unzugängliche Gegend schnell zu evakuieren: das ginge natürlich nicht, wenn sich 100-500 Jeeps die Hochlandwege entlangschlängeln und jeder das macht, was ihm gerade passt.

Wenn diese Eruption jetzt für jeden unzugänglich wäre, dann würde das wohl auch von so gut wie allen akzeptiert werden. Das Problem hier ist aber, dass gerade in der Anfangszeit sehr viele Menschen dort waren, die definitiv weder Wissenschaftler noch Presse waren, sondern die einfach die richtigen Leute kannten: Vitamin B eben. Überall tauchten Trophäenfotos auf: Selbstportraits von übergewichtigen Ehepaaren unmittelbar vor den 70m hohen Lavafontänen, Facebookprofilbilder in Siegerpose, Protzfotos von mittelalten Herren in ihren Jeeps oder gar Quads, die eindeutig off-road vor der Lava umherfuhren. Sowas stieß nicht nur bei mir auf Unverständnis. Ziemlich bald war mir klar, dass ich nur auf einem Weg zum Vulkan kommen würde: nämlich indem ich mich ganz offiziell als Fotojournalist um eine Sondergenehmigung bemühte.

Die ganze Sache ins Rollen zu bringen, war ein Vollzeitjob - was auch daran lag, dass ich viele verschiedene Leute kontaktieren musste, um im Endeffekt nur wenige konkrete Antworten zu erhalten. Braucht man eine Genehmigung pro Auto, oder pro Person? (Pro Person, und alle Teilnehmer müssen bei der Registrierung statistisch erfasst werden). Kann man nun bei der Drekihütte übernachten, oder nicht? (Ja und Nein, zwei verschiedene Antworten). Muss man ein Schwefelmessgerät mitnehmen, und wenn ja, wo bekomme ich sowas? (Nein, muss man nicht, aber Gasmasken schon, und die waren ausverkauft. Letztenendes konnte ich doch genügend für alle organisieren, inklusive der richtigen Filter gegen Schwefeldioxid).

Für Isländer gelten andere Regeln als für Ausländer: letztere müssen einen Guide dabeihaben. Den musste ich ja auch noch finden und parallel eine Hochlandtour mit Jeep organisieren - etwas, das ich noch nie gemacht habe, weil ich meine eigenen Beine definitiv vier Rädern gegenüber bevorzuge...

Nachdem es tagelang nicht voran ging, hatte ich unerwartet schnell plötzlich die Genehmigung in den Händen - ein Meilenstein! Zwei Tage später war es dann soweit.

Das "Team Vulkan" bestand ursprünglich aus fünf Personen. Ich bin nicht reich und sehe es nicht ein, viel Geld und/oder Ressourcen für solch egoistisch-begründete Aktionen auszugeben, also musste improvisiert werden. Meine in Island lebende Freundin Arianne kannte einen Guide, der unbedingt zum Vulkan wollte: ich brauchte ihn und er brauchte mich. Er brachte den Jeep, Arianne kam als Fahrerin mit, und dann war ich mit zwei Deutschen in Kontakt, Christiane und Jens, die wie ich über einen Presseausweis verfügten und Berichte schreiben bzw. fotografieren wollten. Wenn der ganze Aufwand schon betrieben wurde und ein ganzer Jeep ins Hochland rollte, dann wollte ich so vielen wie möglich dieses tolle Erlebnis ermöglichen. Christiane sagte letztenendes leider ab, also waren wir doch nur zu viert, als wir am 26. September starteten, einem Freitag Morgen. Wir fuhren ins Ungewisse: die Wettervorhersage war schlecht, und am Tag zuvor war das gesamte Gebiet evakuiert worden, weil die Wolke genau über Dreki wehte und die Schwefeldioxidwerte zu hoch waren.




Die Anfahrt ins gesperrte Gebiet ist nur über eine einzige Piste erlaubt: bei Krepputunga südlich von Möðrudalur steht mitten im Hochland der Kontrollpunkt, bei dem sich alle ein- und austragen müssen. Jeweils zwei Bergretter (Freiwillige aus dem ganzen Land) sitzen dort jeweils 24 Stunden lang und passen auf, dass alle authorisiert sind, die hineinfahren. Sie haben einen kleinen Generator - und die einzige Kaffeemaschine weit und breit. Deswegen kommt die Streife der Polizei mindestens einmal täglich vorbei, um sich ihre Tasse Kaffee abzuholen. In Island geht bekanntlich gar nichts ohne das schwarze Gesöff!

Von den leicht gelangweilten Bergrettern erfuhren wir
, dass wir die einzigen Nichtwissenschaftler waren, die seit der gestrigen Evakuierung nach Askja fuhren. Viel Betrieb erwarteten sie nicht - nicht bei der schlechten Wettervorhersage! Aber immerhin war das Gebiet wieder offen und befanden sich etwa 15 Leute vor Ort: Wissenschaftler, Polizisten und ein Ranger.

 
Die Dreki-Hütte bei Askja ist momentan ausschließlich Wissenschaftlern vorbehalten. Zwei weitere Hütten sind verschlossen, in einer vierten (der kleinsten) ist die Polizei stationiert. Die Wissenschaftler wollen nicht von Medienfritzen belästigt werden: in meiner Genehmigung steht sogar schwarz auf weiß, dass man sie bloß nicht bei ihrer Arbeit stören soll.

Dankbarerweise durften wir uns dennoch für eine Stunde in der Haupthütte aufhalten und trafen dort auf acht dieser geheimnisvollen, heiligen "Wissenschaftler". Meiner Meinung nach waren es eindeutig Vulkantouristen:
Die vier älteren Ehepaare waren im Namen des Meteorologischen Instituts Islands unterwegs, um irgendwelche Messungen durchzuführen - und sich den Vulkan anzugucken, klar. Da der Wind aber so stark war, dass Sand und Bimssteine durch die Gegend flogen und die Sicht teilweise auf unter 100m begrenzte, warteten wir erstmal alle zusammen auf Wetterbesserung.




Nachmittags ließ der Wind endlich nach, und konnten wir die letzten Kilometer Richtung Süden zurücklegen. Und als wir dann den Dyngjuvatn passierten, war es endlich soweit: da lag sie vor uns, die Eruption in Holuhraun!

Bei der Drekihütte stationiert war auch ein Ranger, der sofort zu uns kam, um uns eine Detailkarte in die Hand zu drücken und uns die Regeln zu erklären. Er sagte uns, dass wir entlang der Lavakante auch offroad fahren dürften. Es handele sich hier "nur um Sand", da würde man keinen Schaden anrichten. Ich dachte erst, ich höre nicht recht, denn genau das sind doch die Argumente all jener, die überall abseits der Pisten ihre Kreise ziehen, illegal und um großen Ärgernis aller Naturfreunde!
Aber weiter sprach der Ranger: Die Verhältnisse wäre gerade ideal: die Ebene sei komplett trocken (dort fließt im Sommer ein Bach), und Lava war ohnehin gerade dabei, eine der Pisten (die Gæsavatnaleið) unter sich zu begraben. Daher wsei es uns während der Eruption ausnahmsweise erlaubt, innerhalb der sandigen Ebene die Wege zu verlassen, um zum Krater fahren zu können. 

Sehr interessant! Das erklärte dann auch die relativ vielen Bilder von Fahrzeugen abseits der Piste, die ich im Internet bereits gesehen hatte, und warum die Medien noch keine große Sache aus diesem eigentlich verbotenen und verpönten Off-road-Fahren gemacht hatten.

Nach meiner ersten Skepsis muss ich sagen, dass wir nach dem Sturm tatsächlich keinerlei Fahrspuren mehr sahen. Die "Wege" waren nur durch die regelmäßig aufgestellten Pfosten erkennbar. Die Reifen sanken aufgrund der Trockenheit und Kälte auch nicht ein, und die Spuren, die hinterlassen wurden, werden vom nächsten stärkeren Wind zur Unkenntlichkeit verweht. Dort, wo wir tiefe Spuren hinterlassen hätten (in der Nähe von Wasser oder in der alten Holuhraun) standen neue Absperrungen, die ganz klar machten, dass dass "Offroad Fahren" hier ein Ende hatte. Die Wissenschaftler dürfen zwar tun und lassen, was sie wollen, aber immerhin die Medien versuchen sie, unter Kontrolle zu halten und eventuelle Schäden zu begrenzen...




Der nördliche Teil der fast 10km langen Lavazunge war soweit erkaltet, dass er nicht mehr glühte; die Hitze aber war deutlich sichtbar. Ich war so dermaßen von den Socken dass ich gar nicht wusste, wo ich zuerst hinschauen und was ich zuerst denken sollte... Dass ich hier stehen würde, war noch bis vor wenigen Tagen ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Und jetzt, plötzlich, stand ich zum ersten Mal vor einem aktiven Pahoehoe-Lava Ausbruch. Toll!

Ein paar Kilometer weiter südlich war es dann soweit: orange glühendes Gestein kroch langsam über den windgepeitschten Sand. Es war ein unglaublicher Anblick: sowas hätte ich mir nicht zu Träumen gewagt!  
 
Es erstaunte mich, wie weit man sich der Lava nähern konnte. Trotz Rückenwindes war die Hitze schon aus 10 Metern Entfernung zu spüren; die Lava heizte die Luft wie eine gigantischer Ofen angenehm auf. Aber erst einen halben Meter von der Lava entfernt wurde es unangenehm heiß - das hätte ich auch nicht gedacht!

Mich interessierte jetzt vor allem, wie Lava wirklich ist. Sie leuchtete tatsächlich so neon-orange, wie man es auf den Fotos immer sieht. Die hellen Partien, die auf Fotos gelb ausschauen, sind eigentlich dunkel-neon-orange. Die Lava war, selbst wenn sie glühte, schon so weit abgekühlt, dass man Kristalle sah: es war keine glatte Flüssigkeit, sondern wirkte fast schuppig. Sie bewegte sich sehr langsam vorwärts; teilweise so langsam, dass man es gar nicht wahrnahm. Immer mal wieder qoll es mal hier, mal da hervor; manchmal eine Badewannenladung voll, selten eine halbe LKW-Ladung. Und alles schön gemächlich...



Mal war die Lavazunge flach und quoll relativ flüssige Lava von der Konsistenz eines zähen Brotteiges irgendwo hervor, mal war die Lavazunge 3-5 Meter hoch und rutschte scheppernd in schon erkalteten Brocken nach Vorne hin ab.

Das Gestein machte alle möglichen Geräusche. Es knisterte und bruzzelte wie Fett in der Pfanne, zischte wie ein Dampfkochtopf, plätscherte manchmal wie Wasser. Wenn die Lavawand so steil geworden war, dass sie abrutschte, dann klirrte es wie Glasscherben oder wie die Aufräumarbeiten nach einem Polterabend. 


Es roch … heiß. Ich erinnere mich noch gut, wie ich dachte: „So riecht also Hitze!“ Ein irre abstrakter Geruch. Heiß, definitiv heiß!
Übrigens: Schwefel roch ich niemals. Wenn überhaupt, dann roch die Lava abgestanden, staubig, eben das Gegenteil von 'frisch'. Es war höchst interessant!


Donnerstag, 2. Oktober 2014

... kurze Sendepause ...

Einige von euch werden schon mitbekommen haben, dass ich einen Blogeintrag online stehen hatte, der jetzt verschwunden ist. Das hat einen einfachen Grund: den Vulkanausbruch und sehr hoch schlagende Emotionen.

Der Vulkanausbruch bei Holuhraun ist seit Beginn der Eruption ein Sperrgebiet: man fürchtet einen Ausbruch im Hauptkrater des Bárðarbunga und eine Flutwelle, welche genau die Gegend treffen würde, in der sich der momentan harmlose Lavaausbruch befindet. Um einen Massenandrang wie beim Fimmvörðuháls zu verhindern, werden nur Leute mit einer Sondergenehmigung hineingelassen: und das sind meist Ausländer. Und das wiederum verärgert viele Isländer, denen verboten wird, das Gebiet zu sehen.

Nur um klar zu stellen: Ich finde es nicht in Ordnung, dass dieser Vulkanausbruch einerseits für alle geschlossen ist, aber trotzdem 'besonderen' Menschen der Zutritt gewährt wird. Entweder alle oder keiner, alles andere ist unfair. Es gäbe da so viele Alternativen: zum Beispiel könnten sie nur eine bestimmte Anzahl Fahrzeuge ins Gebiet lassen, damit die Gegend schnell evakuiert werden kann. Oder sie könnten die Sondergenehmigungen im Losverfahren für Isländer zulassen: dann würden im Laufe der Wochen viele Menschen den Vulkanausbruch sehen können, ohne dass der Zivilschutz die Kontrolle verliert.

Aber es läuft eben anders. Und die einzige Chance, den Ausbruch aus der Nähe zu sehen, ist, dieses Spiel mitzuspielen - ob es einem gefällt, oder nicht. Ich habe das Glück, Fotojournalist zu sein, und darum habe ich mich um eine Sondergenehmigung bemüht - und sie nach viel Stress und Arbeit auch erhalten. Vergangenes Wochenende war ich dann am Vulkan, und es hat jegliche Vorstellungen weit übertroffen. Dazu werde ich später mehr erzählen.

Am Tag meiner Rückkehr schickte ich drei kleine, schlecht aufgelöste Bilder ans Geologische Institut Islands, ohne weitere Hintergedanken, einfach nur, um ihnen die veränderte Situation vor Ort zu zeigen: es hatte nämlich zum ersten Mal geschneit. Ohne Rücksprache mit mir wurden besagte Bilder schon eine halbe Stunde später auf deren Facebookseite gesetzt - mit meinem Namen und Link zu meiner Facebookseite, immerhin - aber korrekt war das nicht! Plötzlich nutzten auch die staatliche Rundfunkanstalt und die Universität Islands meine Bilder im Netz und auf Twitter. Ich wäre fast zornig geworden, wären nicht die Klickzahlen auf meine Homepage in unbekannte Höhen gestiegen und hätte ich nicht innerhalb von drei Stunden sechs Nutzungsanfragen aus der ganzen Welt erhalten. Zu behaupten, dass ich von der Resonanz überrascht wurde, wäre eine Untertreibung gewesen...

Und so kommt es, dass einige meiner Bilder in den nächsten Tagen an verschiedenen Stellen auftauchen werden: beginnend mit der Titelseite von Islands größter Tageszeitung.


Damit wusste Island, dass ich vor Ort gewesen war - und begannen die Anfeindungen. Nach über einem Monat Reiseverbot ist der Frust bei vielen Isländern unerträglich geworden: mein Bild brachte das Fass für einige zum Überkochen. 
Ich kann es nachvollziehen, denn auch ich finde diese ganze Situation unfair. Allerdings finde ich es nicht korrekt, dass diese Leute jetzt ausgerechnet mich anfeinden, von all den Hunderten, die schon vor Ort waren. Außerdem gehe ich davon aus, dass sie jederzeit mit mir tauschen würden, um dann das gleiche zu tun, weswegen sie mich verdammen.

Mich berührt das Ganze aber nur wenig: ich sehe es als Kritik am System. Um nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen, habe ich jetzt vorsichtshalber die beiden Blogeinträge vom Netz genommen und will einfach ein paar Tage warten, bis sich die Gemüter beruhigen. Ich kann an der Situation nichts ändern: ich bin lediglich umso dankbarer, dass ich den Ausbruch erleben durfte. Ganz offiziell - ob es einigen nun passt, oder nicht.

Von daher: in ein bis zwei Wochen gibt es die Bilder hier zu sehen. Bis dahin wünsche ich euch eine gute Zeit - auf bald!