Mittwoch, 8. Oktober 2014

Holuhraun: ein Traum wird wahr

Ursprüngliches Post-Datum: 30.09.2014
Als sich die Anzeichen für einen Ausbruch des Bárðarbunga vor über einem Monat häuften, hat der isländische Zivilschutz reagiert und die Gegend großräumig gesperrt. Das wurde für viele spätestens dann zum Ärgernis, als vor genau einem Monat die Eruption bei Holuhraun begann: eine solche Freiheitsbegrenzung ist man in Island nicht gewohnt! Die Polizei war mit mindestens zwei Jeeps vor Ort, die Bergrettung mit mindestens einem Monsterjeep, und wenn das Wetter es zuließ, rückte sogar der Helikopter aus, um alle abzufangen, die sich trotzdem in die Sperrzone gewagt hatten. Es wurden viele Geldstrafen verhängt und Leute dem Gebiet verwiesen: dieser Vulkanausbruch wurde (und wird auch immer noch!) besser bewacht, als so manches Gefängnis.

Quelle: www.vegagerdin.is






Warum aber das ganze Theater? Der Vulkanausbruch ist momentan relativ harmlos, wenn man von einer teilweise enormen Gasproduktion einmal absieht. Die wird von den Medien meiner Meinung nach allerdings zu groß aufgetragen: wenn Wind weht, kann man sich selbst direkt am Vulkan problemlos außerhalb der Wolke aufhalten; und in der Wolke helfen Gasmasken, die man definitiv dabeihaben sollte. Der eigentliche Grund für die Vollsperrung ist aber, dass man weiterhin einen Ausbruch im Hauptkrater des Bárðarbunga fürchtet. Er liegt mitten im Gletscher Vatnajökull und hat in der Vergangenheit mehrmals riesige Fluten produziert. Da man immer vom schlimmsten Fall ausgeht, will man in der Lage sein, die ganze unzugängliche Gegend schnell zu evakuieren: das ginge natürlich nicht, wenn sich 100-500 Jeeps die Hochlandwege entlangschlängeln und jeder das macht, was ihm gerade passt.

Wenn diese Eruption jetzt für jeden unzugänglich wäre, dann würde das wohl auch von so gut wie allen akzeptiert werden. Das Problem hier ist aber, dass gerade in der Anfangszeit sehr viele Menschen dort waren, die definitiv weder Wissenschaftler noch Presse waren, sondern die einfach die richtigen Leute kannten: Vitamin B eben. Überall tauchten Trophäenfotos auf: Selbstportraits von übergewichtigen Ehepaaren unmittelbar vor den 70m hohen Lavafontänen, Facebookprofilbilder in Siegerpose, Protzfotos von mittelalten Herren in ihren Jeeps oder gar Quads, die eindeutig off-road vor der Lava umherfuhren. Sowas stieß nicht nur bei mir auf Unverständnis. Ziemlich bald war mir klar, dass ich nur auf einem Weg zum Vulkan kommen würde: nämlich indem ich mich ganz offiziell als Fotojournalist um eine Sondergenehmigung bemühte.

Die ganze Sache ins Rollen zu bringen, war ein Vollzeitjob - was auch daran lag, dass ich viele verschiedene Leute kontaktieren musste, um im Endeffekt nur wenige konkrete Antworten zu erhalten. Braucht man eine Genehmigung pro Auto, oder pro Person? (Pro Person, und alle Teilnehmer müssen bei der Registrierung statistisch erfasst werden). Kann man nun bei der Drekihütte übernachten, oder nicht? (Ja und Nein, zwei verschiedene Antworten). Muss man ein Schwefelmessgerät mitnehmen, und wenn ja, wo bekomme ich sowas? (Nein, muss man nicht, aber Gasmasken schon, und die waren ausverkauft. Letztenendes konnte ich doch genügend für alle organisieren, inklusive der richtigen Filter gegen Schwefeldioxid).

Für Isländer gelten andere Regeln als für Ausländer: letztere müssen einen Guide dabeihaben. Den musste ich ja auch noch finden und parallel eine Hochlandtour mit Jeep organisieren - etwas, das ich noch nie gemacht habe, weil ich meine eigenen Beine definitiv vier Rädern gegenüber bevorzuge...

Nachdem es tagelang nicht voran ging, hatte ich unerwartet schnell plötzlich die Genehmigung in den Händen - ein Meilenstein! Zwei Tage später war es dann soweit.

Das "Team Vulkan" bestand ursprünglich aus fünf Personen. Ich bin nicht reich und sehe es nicht ein, viel Geld und/oder Ressourcen für solch egoistisch-begründete Aktionen auszugeben, also musste improvisiert werden. Meine in Island lebende Freundin Arianne kannte einen Guide, der unbedingt zum Vulkan wollte: ich brauchte ihn und er brauchte mich. Er brachte den Jeep, Arianne kam als Fahrerin mit, und dann war ich mit zwei Deutschen in Kontakt, Christiane und Jens, die wie ich über einen Presseausweis verfügten und Berichte schreiben bzw. fotografieren wollten. Wenn der ganze Aufwand schon betrieben wurde und ein ganzer Jeep ins Hochland rollte, dann wollte ich so vielen wie möglich dieses tolle Erlebnis ermöglichen. Christiane sagte letztenendes leider ab, also waren wir doch nur zu viert, als wir am 26. September starteten, einem Freitag Morgen. Wir fuhren ins Ungewisse: die Wettervorhersage war schlecht, und am Tag zuvor war das gesamte Gebiet evakuiert worden, weil die Wolke genau über Dreki wehte und die Schwefeldioxidwerte zu hoch waren.




Die Anfahrt ins gesperrte Gebiet ist nur über eine einzige Piste erlaubt: bei Krepputunga südlich von Möðrudalur steht mitten im Hochland der Kontrollpunkt, bei dem sich alle ein- und austragen müssen. Jeweils zwei Bergretter (Freiwillige aus dem ganzen Land) sitzen dort jeweils 24 Stunden lang und passen auf, dass alle authorisiert sind, die hineinfahren. Sie haben einen kleinen Generator - und die einzige Kaffeemaschine weit und breit. Deswegen kommt die Streife der Polizei mindestens einmal täglich vorbei, um sich ihre Tasse Kaffee abzuholen. In Island geht bekanntlich gar nichts ohne das schwarze Gesöff!

Von den leicht gelangweilten Bergrettern erfuhren wir
, dass wir die einzigen Nichtwissenschaftler waren, die seit der gestrigen Evakuierung nach Askja fuhren. Viel Betrieb erwarteten sie nicht - nicht bei der schlechten Wettervorhersage! Aber immerhin war das Gebiet wieder offen und befanden sich etwa 15 Leute vor Ort: Wissenschaftler, Polizisten und ein Ranger.

 
Die Dreki-Hütte bei Askja ist momentan ausschließlich Wissenschaftlern vorbehalten. Zwei weitere Hütten sind verschlossen, in einer vierten (der kleinsten) ist die Polizei stationiert. Die Wissenschaftler wollen nicht von Medienfritzen belästigt werden: in meiner Genehmigung steht sogar schwarz auf weiß, dass man sie bloß nicht bei ihrer Arbeit stören soll.

Dankbarerweise durften wir uns dennoch für eine Stunde in der Haupthütte aufhalten und trafen dort auf acht dieser geheimnisvollen, heiligen "Wissenschaftler". Meiner Meinung nach waren es eindeutig Vulkantouristen:
Die vier älteren Ehepaare waren im Namen des Meteorologischen Instituts Islands unterwegs, um irgendwelche Messungen durchzuführen - und sich den Vulkan anzugucken, klar. Da der Wind aber so stark war, dass Sand und Bimssteine durch die Gegend flogen und die Sicht teilweise auf unter 100m begrenzte, warteten wir erstmal alle zusammen auf Wetterbesserung.




Nachmittags ließ der Wind endlich nach, und konnten wir die letzten Kilometer Richtung Süden zurücklegen. Und als wir dann den Dyngjuvatn passierten, war es endlich soweit: da lag sie vor uns, die Eruption in Holuhraun!

Bei der Drekihütte stationiert war auch ein Ranger, der sofort zu uns kam, um uns eine Detailkarte in die Hand zu drücken und uns die Regeln zu erklären. Er sagte uns, dass wir entlang der Lavakante auch offroad fahren dürften. Es handele sich hier "nur um Sand", da würde man keinen Schaden anrichten. Ich dachte erst, ich höre nicht recht, denn genau das sind doch die Argumente all jener, die überall abseits der Pisten ihre Kreise ziehen, illegal und um großen Ärgernis aller Naturfreunde!
Aber weiter sprach der Ranger: Die Verhältnisse wäre gerade ideal: die Ebene sei komplett trocken (dort fließt im Sommer ein Bach), und Lava war ohnehin gerade dabei, eine der Pisten (die Gæsavatnaleið) unter sich zu begraben. Daher wsei es uns während der Eruption ausnahmsweise erlaubt, innerhalb der sandigen Ebene die Wege zu verlassen, um zum Krater fahren zu können. 

Sehr interessant! Das erklärte dann auch die relativ vielen Bilder von Fahrzeugen abseits der Piste, die ich im Internet bereits gesehen hatte, und warum die Medien noch keine große Sache aus diesem eigentlich verbotenen und verpönten Off-road-Fahren gemacht hatten.

Nach meiner ersten Skepsis muss ich sagen, dass wir nach dem Sturm tatsächlich keinerlei Fahrspuren mehr sahen. Die "Wege" waren nur durch die regelmäßig aufgestellten Pfosten erkennbar. Die Reifen sanken aufgrund der Trockenheit und Kälte auch nicht ein, und die Spuren, die hinterlassen wurden, werden vom nächsten stärkeren Wind zur Unkenntlichkeit verweht. Dort, wo wir tiefe Spuren hinterlassen hätten (in der Nähe von Wasser oder in der alten Holuhraun) standen neue Absperrungen, die ganz klar machten, dass dass "Offroad Fahren" hier ein Ende hatte. Die Wissenschaftler dürfen zwar tun und lassen, was sie wollen, aber immerhin die Medien versuchen sie, unter Kontrolle zu halten und eventuelle Schäden zu begrenzen...




Der nördliche Teil der fast 10km langen Lavazunge war soweit erkaltet, dass er nicht mehr glühte; die Hitze aber war deutlich sichtbar. Ich war so dermaßen von den Socken dass ich gar nicht wusste, wo ich zuerst hinschauen und was ich zuerst denken sollte... Dass ich hier stehen würde, war noch bis vor wenigen Tagen ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Und jetzt, plötzlich, stand ich zum ersten Mal vor einem aktiven Pahoehoe-Lava Ausbruch. Toll!

Ein paar Kilometer weiter südlich war es dann soweit: orange glühendes Gestein kroch langsam über den windgepeitschten Sand. Es war ein unglaublicher Anblick: sowas hätte ich mir nicht zu Träumen gewagt!  
 
Es erstaunte mich, wie weit man sich der Lava nähern konnte. Trotz Rückenwindes war die Hitze schon aus 10 Metern Entfernung zu spüren; die Lava heizte die Luft wie eine gigantischer Ofen angenehm auf. Aber erst einen halben Meter von der Lava entfernt wurde es unangenehm heiß - das hätte ich auch nicht gedacht!

Mich interessierte jetzt vor allem, wie Lava wirklich ist. Sie leuchtete tatsächlich so neon-orange, wie man es auf den Fotos immer sieht. Die hellen Partien, die auf Fotos gelb ausschauen, sind eigentlich dunkel-neon-orange. Die Lava war, selbst wenn sie glühte, schon so weit abgekühlt, dass man Kristalle sah: es war keine glatte Flüssigkeit, sondern wirkte fast schuppig. Sie bewegte sich sehr langsam vorwärts; teilweise so langsam, dass man es gar nicht wahrnahm. Immer mal wieder qoll es mal hier, mal da hervor; manchmal eine Badewannenladung voll, selten eine halbe LKW-Ladung. Und alles schön gemächlich...



Mal war die Lavazunge flach und quoll relativ flüssige Lava von der Konsistenz eines zähen Brotteiges irgendwo hervor, mal war die Lavazunge 3-5 Meter hoch und rutschte scheppernd in schon erkalteten Brocken nach Vorne hin ab.

Das Gestein machte alle möglichen Geräusche. Es knisterte und bruzzelte wie Fett in der Pfanne, zischte wie ein Dampfkochtopf, plätscherte manchmal wie Wasser. Wenn die Lavawand so steil geworden war, dass sie abrutschte, dann klirrte es wie Glasscherben oder wie die Aufräumarbeiten nach einem Polterabend. 


Es roch … heiß. Ich erinnere mich noch gut, wie ich dachte: „So riecht also Hitze!“ Ein irre abstrakter Geruch. Heiß, definitiv heiß!
Übrigens: Schwefel roch ich niemals. Wenn überhaupt, dann roch die Lava abgestanden, staubig, eben das Gegenteil von 'frisch'. Es war höchst interessant!


1 Kommentar:

  1. Hallo Kerstin,

    herzlichen Glückwunsch, da ist ja wirklich ein Traum wahr geworden! Freue mich auf weitere Berichte und Fotos!!
    Herzliche Grüße
    Martin

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