Donnerstag, 9. Oktober 2014

A Song of Ice and Fire


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Der Zivilschutz und die isländischen Medien verbreiten eigentlich seit Beginn des Ausbruchs totale Panik, was giftige Gase angeht. Ja, es stimmt, dieser Vulkan stößt eine Menge Gase aus, die dem Menschen in zu hoher Dosis schaden können. Und ja, wenn es total windstill wäre, dann würden sich diejenigen Gase, die schwerer sind als Luft, in Tälern und Mulden nahe der Ausbruchsstelle sammeln, und dann könnte man dort an CO2 oder CO ersticken. Es ist auch wahr, dass zu viel SO2 die Lunge verätzt, und dass es generell gesünder ist, all diese Gase nicht in zu hoher Konzentration einzuatmen.

Was aber verschwiegen wird, ist, dass dieses Risiko sehr berechenbar ist. Dieser Vulkan liegt direkt am Vatnajökull (Gletscher = kalte Luft = ständiger Fallwind) und es ist Herbst, sprich: hier weht immer Wind. Der wirbelt Gase und Luft durcheinander hindert sie daran, "Blasen" am Erdboden zu bilden, in denen Lebewesen Schaden nehmen könnten. Wenn man sich also auf der Luvseite des Ausbruchs aufhält und nicht gerade in diese Eruptionswolke hineinläuft, um sich dort absichtlich seine Lungen mit CO / CO2 / SO2 vollzupumpen, dann braucht der normal-gesunde Mensch keinerlei Angst zu haben. Und kann sich der Lava ohne Probleme nähern - ganz ohne Gasmaske.

Von daher gilt, wie immer, dass man einfach seinen gesunden Menschenverstand nutzen muss und den Naturgewalten gegenüber aufmerksam sein sollte. Von wo kommt der Wind, ändern sich die Wolken, schlagen eine andere Richtung ein? Man sollte sich einfach nicht zu weit vom Auto entfernen und außerdem die Gasmasken griffbereit haben, für den Fall der Fälle, dass man etwas Komisches riecht, sich unwohl fühlt oder die Augen zu brennen beginnen.

Die Lava kroch über den Gæsavatnaleið: eine Fahrspur vom vorherigen Tag war so gerade noch sichtbar...

Seit dem Nachmittag des 26. September waren wir nun bei der Eruption in Holuhraun, und das Wetter wurde beständig besser. Der Wind verebbte, im Westen klarte es auf, die untergehende Sonne brach durch und beschien die Eruptionswolke, die watteweich über dem Krater stand.


Besagter Krater hat schon einen Namen: Baugur heißt er und liegt ganz im Süden des Lavafeldes. Es ist eine längliche Spalte, in der Lavafontänen brodelten. Es war uns nicht möglich, realistisch zu schätzen, wie weit dieser Krater von uns entfernt war (600-1000m?), wie hoch seine Ränder aufragten (knappe 100m?) oder gar wie hoch die Fontänen in den Himmel spritzten (bis zu 150m?). Das war aber ehrlich gesagt auch nicht so wichtig. Ich konnte eh kaum etwas anderes tun, als Staunen, und nebenbei erstaunlich viele Fotos machen.


Das Licht änderte sich jetzt im Minutentakt; je dunkler es wurde, desto prägnanter sah man das Glühen der Lava. Ab und an hörte man den Krater; es klang wie ein auf- und abschwellender Wasserfall. Oder wie ein Herzschlag: ich stand hier am Puls der Erde.
Hier schlug das Herz Islands.



Zäh und langsam wie Schlamm wurde das glühende Gestein in die Luft geschleudert, fiel ab und an außen an den Seiten herab und glühte dort noch etwa 20 Sekunden nach.

Es gab so viel zu sehen, so viele Detail zu entdecken, so viel zu staunen - die Zeit verging nicht einfach nur schnell, nein, sie raste. Und war doch ewig lang, gefüllt voller Wunder... Da war zum Beispiel das Aha-Erlebnis, dass plötzlich auch der Himmel abseits des Kraters glühte: im Lavafeld selber befindet sich ein Fluss aus geschmolzenem Basalt, den man von uns aus zwar nicht sehen konnte, der aber die Wolken von unten anstrahlte. Über diesem Lava-Fluss bildeten sich Windhosen, kurzlebig und filigran.


Je dunkler es wurde, desto unglaublicher wurden die Ansichten und Fotomotive. Ich habe mir sowas bisher nicht einmal ansatzweise vorstellen können! Das Tageslicht schwand, und plötzlich war da Licht von unten. Licht, das bei ganz genauem Hinsehen an- und abschwoll, wie ein Pulsschlag: sei es durch plötzliche starke Eruptionen im Krater, oder im Kleinen, außen an den aktiven Lavaströmen.

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Was diesem Erlebnis die Krone aufsetzte, war die Tatsache, dass wir vier gänzlich alleine an diesem Vulkan standen. Niemand außer uns war an dem Tag angereist; wer eine Genehmigung hatte, der ließ sich wohl von der Wettervorhersage abschrecken. Der starke Wind sorgte außerdem dafür, dass Flugzeuge und Helikopter am Boden bleiben mussten: eine einzige Cessna flog Nachmittags zwei, dreimal über den Ausbruch, bevor sie wieder verschwand. Auch die acht Meteorologen hatten wir nur zweimal gesehen, als sie mit ihren beiden Jeeps genau an der Kante des Lavastroms entlangfuhren, vermutlich mit eingeschaltetem GPS-Gerät, um die neuen Umrisslinien des Lavafeldes aufzuzeichnen.

Seit ich dort gewesen bin, sehe ich die Berichte und Bilder über diese Eruption mit gänzlich anderen Augen. Jetzt verstehe ich, wie groß dieser Ausbruch wirklich ist. Ein Lavafeld von 10km Länge. Ein Krater, der alle paar Sekunden eine Schwimmbadladung Magma ausspuckt. Ein Fluss glühenden Gesteins, mehrere Meter breit und tief, der sich in einem Canyon nach Nord-Osten bewegt. Das Lavafeld wird täglich um ein bis zwei Quadratkilometer größer, hat nach einem guten Monat schon über 50 Quadratkilometer Land unter sich begraben - das sind Ausmaße, die man sich kaum vorstellen kann!
 

Die Nacht kam, und mit ihr die Wolken. Der Wind nahm stetig zu, bis er in starken Böen über das Land peitschte. Und dann begann es zu schneien.
Die Nacht ist mittlerweile wieder länger als der Tag, und da man von der Eruption nun ohnehin kaum noch etwas sah, schliefen wir ein paar Stunden. Als wir uns in der Morgendämmerung müde aufrafften, da sah die Welt so aus:


Über Nacht hatte es zehn Zentimeter geschneit; der starke Wind trieb den Schnee in Wehen zusammen. Wir sahen zwar den Krater in der Ferne durch die Wolken lugen, aber wir wollten eigentlich bald zur Drekihütte zurückkehren, denn auch der Wind hatte sich verändert. Er blies die Vulkangase jetzt in unsere Richtung: noch ein paar Grad weiter in Richtung Nordwesten, und wir würden die berühmt-berüchtigte Schwefeldioxidluft schnuppern... Also begnügten wir uns damit, den glühenden Teil des Lavafeldes am Gæsavatnaleið zu besuchen. Da angekommen, vergaßen wir mal wieder alle Sorgen, denn schon wieder war der Anblick einfach nur UNGLAUBLICH.


Direkt an der Kante war der Schnee geschmolzen und köchelte vor sich hin. Dennoch blieb der Schnee teilweise erstaunlich lange auf der Lava liegen, wurde von ihr berührt und schmolz mit enormer Verzögerung. Einerseits mag das am Wind gelegen haben, der immer wieder neuen Schnee vor die Lava gepackt hat. Andererseits scheint Lava selbst in heißem Zustand ein extrem schlechter Wärmeleiter zu sein.


Immer wieder musste ich mich in Gedanken zwicken, so unglaublich war dieses Erlebnis.
Lava und Schnee, Feuer und Eis - gegensätzlicher können Elemente gar nicht sein. Dazu der heulende Wind, der den Schnee prasselnd über das Land jagte und die vom Lavafeld aufsteigenden Dampfschwaden einfach davonriss.

Die Lava ließ sich von dem Wetter und dem Schnee überhaupt nicht beeindrucken: langsam schob sie sich immer weiter nach Westen. Der Schnee seinerseits war so nass und so kompakt, dass er eine zusammenhängende Schicht von 8-10cm Dicke bildete - und von der Lava in Schollen aufgetürmt wurde. Statt den Schnee direkt zu schmelzen, verhielt sich die Lava wie ein Gletscher, der eine Endmoräne vor sich herschiebt. Erstaunlich!







Ich bin noch immer völlig geplättet von all den Eindrücken, die in den wenigen Stunden auf mich eingestürmt sind - den anderen ging es da nicht anders, denke ich. Eine effusive, hawaiische Eruption sehen zu wollen und davon zu träumen ist eine Sache, aber nichts kann einen auf das vorbereiten, was man letztendlich erlebt. Diese unglaublichen Gegensätze! Diese erstaunliche Lebendigkeit des glühenden Gesteins, das fast etwas Organisches aufweist: beinahe, als stände man einem riesigen Lebewesen gegenüber.

Am Vormittag kehrten wir zur Drekihütte zurück und erkundigten uns nach der Wettervorhersage. Unsere Genehmigung war noch für einen Tag gültig, aber als für den Abend Sturm mit viel Niederschlag angekündigt wurde, beschlossen wir einstimmig, zur Ringstraße zurückzufahren. Nach der vergangenen Nacht waren wir ohnehin alle geplättet und schwammen auf einem Hoch der Emotionen.

Nach einer Fahrt durch eine schwarz-weiße Welt aus abstrakten Mustern und Formen meldeten wir uns bei der Bergrettung ab und waren am Abend dann wieder in der Zivilisation. Im Kopf war und bin ich aber weiterhin noch am Vulkan... Dieses Erlebnis lässt einen so schnell nicht mehr los!

So, das war's fürs Erste vom Vulkan in Holuhraun und diesem unglaublich spannenden Islandaufenthalt! Ich kann irgendwie noch gar nicht glauben, dass ich das alles tatsächlich erleben durfte. Es ist, als wäre ein Teil von mir dort geblieben und käme erst allmählich wieder zurück... Was für ein riesiges Privileg dieser Besuch doch gewesen war!

Island werde ich jetzt verlassen und mich auf den Weg Richtung Süden machen: ich darf eine weitere Saison in der Antarktis verbringen und freue mich sehr darauf! Wann ich wieder etwas schreiben werde, weiß ich nicht - mal schauen, was Zeit und meine Internetverbindung mir ermöglichen werden!

Viele Grüße aus Island - und euch einen schönen Herbst! :-)

2 Kommentare:

  1. Einfach nur WOW !!!

    Vielen Dank für die atemberaubenden Bilder !!!

    Viele Grüße

    Andy

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    1. Vielen Dank für deine Rückmeldung, Andy!
      Das freut mich sehr! :-)
      LG - Kerstin

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