Samstag, 22. November 2014

Frühling in der Antarktis

Der Ausbruch in Holuhraun hält unvermindert an: jetzt, Ende November 2014, erstreckt sich das ständig anwachsende Lavafeld über 72 Quadratkilometer. Die bisher ausgetretene Lava hat eine Masse von über einem Kubikkilometer! Wie schwer die wohl sein mag...? 
Auf jeden Fall zählt dieser Vulkanausbruch mittlerweile zu den größten der letzten zweihundert Jahre - und zwar auf internationaler Ebene! 1991 brach der Pinatubo auf den Philippinen aus:
5 km3 Magma spie er aus. Im gleichen Jahr gab es eine Eruption des Cerro Hudson in Chile:
2 km3 Lava stark. Kilauea auf Hawai ist seit 1983 ununterbrochen aktiv und hat in der Zeit 4 km3 Lava ausgespuckt: unser aktiver isländischer Vulkan schaffte 1 km3 in zweieinhalb Monaten, das gibt vielleicht ein Gefühl für die beachtliche Größe des Ausbruchs! Das ständig wachsende Lavafeld wird übrigens vermehrt als "Nornahraun" bezeichnet. Holuhraun ist ja eigentlich der Name des alten Lavafeldes, in dem sich der neue Ausbruch ereignete. Also sucht man nach einem eigenständigen Namen für diesen neuen Vulkan. Ein Wissenschaftler hat "Nornahraun" vorgeschlagen, weil dort "Nornahár" gefunden wurde, zu deutsch "Pele-Haar". Pele-Haar entsteht, wenn basaltische Magma beim Austreten in der Lava-Fontäne/Explosion von starkem Wind erfasst wird, und während des Abkühlens in die Länge gezogen wird. Es entstehen Fasern aus Vulkan-Glas, die wie Haare aussehen: genauer gesagt wie die Haare der hawaiianischen Vulkangöttin Pele. Die Isländer kannten Pele nicht und nannten es Nornahár, Hexenhaar. Und weil dieses Hexenhaar auch beim jetzigen Ausbruch gefunden, kam man auf den Namen "Hexenlava", Nornahraun.

Ihr merkt: in Gedanken bin ich immer noch beim Vulkanausbruch, und das, obwohl ich wieder am anderen Ende der Welt bin. Seit Mitte Oktober arbeite ich nämlich wieder auf dem Expeditionsschiff MS Expedition, das während unserer Wintermonate die Antarktis bereist. Ich bin wieder als "Mädchen für alles" mit von der Partie: als Guide, Zodiacfahrer, Lecturer, Artist in Residence und Fotograf - nie zuvor habe ich so viele Dinge auf einmal gemacht, es ist wunderbar! Genauso klasse ist auch, dass ich die Antarktis im Frühling erleben darf. Der Winter hat den kalten Kontinent noch fest im Griff: Oktober und November auf der antarktischen Halbinsel sind wie Januar und Februar in Island, bloß mit 18 Stunden Helligkeit. Die Temperaturen liegen knapp unter dem Gefrierpunkt, aber durch den ständig wehenden Wind ist es selbst tagsüber dann oft unter -10°C. Beinahe täglich fegen Stürme über die Halbinsel und die Drakepassage hinweg; die Winde sind extrem!


Ende Oktober bis Anfang November kehren die Langschwanzpinguine zurück an Land. Sie haben den Winter im Meer verbracht und besiedeln nun die Kolonien, in denen sie selbst geschlüpft sind. So früh im Jahr liegt allerdings noch so viel Schnee, dass es für die Pinguine oft sehr schwer ist, überhaupt aus dem Wasser zu kommen! Die Schneewehen schieben sich ins Meer hinein und ragen dort wie Klippen aus dem Wasser, sodass die kleinen Vögel teilweise bis zu drei Meter hoch aus dem Wasser springen müssen, um überhaupt an Land zu kommen.


Was für ein Erlebnis, fliegende Pinguine zu sehen! Sie sausen wie Torpedos durchs Wasser und haben so viel Schwung, dass sie wie Trampolinspringer durch die Luft fliegen. Allerdings brauchen viele mehrere Anläufe, bevor ihnen der Landgang gelingt: Bruchlandungen mit Platsch ins Meer und Sprünge voll in die Schneewände hinein sind keine Seltenheit.

Ankunft bei Cuverville Island - Eselspinguine auf dem Weg zur Kolonie

Die Pinguine kommen alle zur gleichen Zeit an und watscheln dann unermüdlich zu ihren Brutgebieten, teilweise über einen Kilometer weit, weil sie keinen näheren Ausstieg aus dem Wasser gefunden haben. Es ist erstaunlich, alle Pinguine in eine Richtung laufen zu sehen: normalerweise wuseln sie emsig wild durcheinander. In den ersten beiden Wochen aber marschieren sie zu Tausenden von der Küste zu den Kolonien. Das ist der Marsch der Pinguine!

Hier auf der antarktischen Halbinsel brüten drei verschiedene Pinguinarten: die Eselspinguine, Zügelpinguine und Adelies. Jede dieser Arten unterscheidet sich stark von einander: sie rufen total anders, sie verhalten sich anders, und sie balzen anders. So früh in der Saison sieht man überall Paare, die immer und immer wieder ihre Paarbindung durch bestimmte Verhaltensmuster bestätigen. Die Eselspinguine verbeugen sich voreinander: sie neigen die Köpfe gleichzeitig fast bis zum Boden hinab und zischen dabei ganz leise.


Was man auf den Fotos nicht sieht, ist, wie schwierig es teilweise ist, die Kolonien zu erreichen. Nicht etwa, weil sie auf schwierigem Terrain liegen, sondern weil  die schon erwähnten starken Winde das Meer aufwühlen. Schwell und Wellen brechen sich teilweise meterhoch an den Küsten. Südgeorgien (eine subantarktische Insel isoliert mitten im Südatlantik) ist besonders für extrem schwierige Anlandungen bekannt, aber die Antarktis hat sich mir im vergangenen Monat bisher genauso präsentiert. Es ist extrem anspruchsvoll, ein Gummiboot an einer Küste zu landen, an der sich ein Meter hohe Wellen brechen: alle müssen als Team zusammenarbeiten. Der Zodiakfahrer muss rückwärts auf einer Welle reiten und genau im richtigen Moment den Motor ausschalten und hochfahren, damit der nicht beschädigt und das Strandteam nicht vom Propeller geschreddert wird.

Hecklandung bei Salisbury Plain in Südgeorgien.
Wie ihr seht, ist der Bug des Zodiaks nach oben gewölbt und verhindert, dass die Wellen ins Boot kommen.
Würde man, wie normal, mit dem Bug voran anlanden, könnten die Wellen über das Heck direkt ins Boot schwappen. Außerdem könnte man dann nicht so schnell wieder durchstarten, wie bei einer Hecklandung.


Vier Leute fangen das Boot und versuchen es, so ruhig hoch wie möglich auf den Strand zu ziehen, während sie teils bis zur Brust von den Wellen umtost werden. Zwei weitere Leute helfen den Passagieren beim schnellen Aussteigen zwischen den Wellen. Das Zodiak wird währenddessen von Wellen bombardiert: man muss versuchen, den Strand wieder verlassen zu haben, bevor der nächste große Brecher kommt, und davon gibt es ja alle paar Minuten 1-3 Stück. Die ganze Aktion ist nicht ohne Risiko, aber mit einem eingespielten Team und fitten Gästen geht das ganz gut. Und es ist, gerade in Südgeorgien und an windigen Tagen an ausgesetzten Stränden/Buchten in der Antarktis, die einzige Möglichkeit, Land zu betreten.


Besagter Wind hat die bisherigen Antarktislandungen für mich so richtig interessant gemacht! Ständig Sturm, ständig Windverwehungen - es war ein Traum! Die Pinguine hat das Wetter überhaupt nicht gestört. Selbst im stärksten Sturm fochten sie Meinungsverschiedenheiten mit Flügelschlägen untereinander aus, jagten sich quer durch die Kolonien und balzten wie die Wilden. Und selbst in der schlimmsten Winddrift war es den Vögeln scheinbar völlig egal, von welcher Seite sie vom fliegenden Schnee bombardiert wurden...




Und damit will ich mich vorerst wieder verabschieden. Ich melde mich wieder - irgendwann, in ein paar Wochen vermutlich...
Liebe Grüße aus Ushuaia!

Samstag, 11. Oktober 2014

Holuhraun: Wer darf den Ausbruch besuchen?

Heute kam ein interessanter Artikel im Fréttablaðið zum Thema "Wer darf Vulkanausbruch besuchen?"
Ströng skilyrði fyrir leyfi á gosstöðvarnar

Hier meine (grobe) Übersetzung.



Strenge Regeln für eine Reisegenehmigung zum Vulkanausbruch

"Wir kennen nur ein paar Beispiele davon, dass jemand ins Ausbruchsgebiet gereist ist, ohne die Anforderungen des Zivilschutzes zu erfüllen. Wir reden von drei bis vier Fällen, die jetzt untersucht werden", antwortet Svavar Pálsson, der Amtsrichter (Sýslumaðurinn) von Húsavik. Wie schon berichtet wurde, landete ein Hubschrauberpilot von Reykjavík Helicopters mit der Milliardärin Goga Ashkenazi direkt neben der Lava, ohne dass der Pilot eine Erlaubnis dazu besaß. Der Zivilschutz glaubt, dass sie sich damit in große Gefahr begeben haben. Dieses Ereignis hat die Frage aufgeworfen, wer eigentlich die Genehmigung erhält, ins Gebiet zu gelangen.

In einer Zusammenfassung, die das Amtsgericht Húsavik (Sýslumaðurinn á Húsavík) für Fréttablaðið erstellt hat, wird berichtet, dass der Katastrophenschutz (Almannavarnadeild ríkislögreglustjóra - Teil der Bundespolizei) im Frühjahr 2010 zum Ausbruch des Eyjafjallajökull besondere Pässe erstellt hat, um Journalisten die Reise in geschlossene Gebiete zu ermöglichen. Diese Pässe gelten immer noch. Seit dem Jahr 2010 wurden 232 dieser Pässe ausgestellt; davon gingen über 100 Stück an die staatliche Rundfunkanstalt (Ríkisútvarpið), wegen seiner besonderen Rolle im Katastrophenfall. Die Vergabe dieser Pässe wurde am 11 September gestoppt und durch eine eine befristete Erlaubnis ersetzt, gestempelt und unterschrieben von einem Vertreter der Bundespolizei (Ríkislögreglustjóri). Seitdem wurden 40 befristete Genehmigungen an Journalisten erteilt. Die Individuen, welche in diesen Genehmigungen aufgelistet sind (Journalisten, Fahrer, Guides und Hubschrauberpiloten), beträgt insgesamt 125. Darunter 72 Isländer und 53 ausländische Staatsangehörige.

Svavar sagt, dass diese befristete Genehmigung nur dann ausgegeben wird, wenn ein Antrag des Medienunternehmens vorliegt, welches besagt, dass es die Verantwortung für seine Mitarbeiter übernimmt. Auch alle Freiberufler, welche eine Genehmigung beantragen, müssen eine Bestätigung erbringen, dass sie im Auftrag eines Medienunternehmens unterwegs sind und journalistisches Material produzieren.

Die Bundespolizei (Ríkislögreglustjóri) arbeitet nun an einer Neubewertung der momentan gültigen Regeln, in Hinblick auf den Zutritt zum Eruptionsgebiet.

Donnerstag, 9. Oktober 2014

A Song of Ice and Fire


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Der Zivilschutz und die isländischen Medien verbreiten eigentlich seit Beginn des Ausbruchs totale Panik, was giftige Gase angeht. Ja, es stimmt, dieser Vulkan stößt eine Menge Gase aus, die dem Menschen in zu hoher Dosis schaden können. Und ja, wenn es total windstill wäre, dann würden sich diejenigen Gase, die schwerer sind als Luft, in Tälern und Mulden nahe der Ausbruchsstelle sammeln, und dann könnte man dort an CO2 oder CO ersticken. Es ist auch wahr, dass zu viel SO2 die Lunge verätzt, und dass es generell gesünder ist, all diese Gase nicht in zu hoher Konzentration einzuatmen.

Was aber verschwiegen wird, ist, dass dieses Risiko sehr berechenbar ist. Dieser Vulkan liegt direkt am Vatnajökull (Gletscher = kalte Luft = ständiger Fallwind) und es ist Herbst, sprich: hier weht immer Wind. Der wirbelt Gase und Luft durcheinander hindert sie daran, "Blasen" am Erdboden zu bilden, in denen Lebewesen Schaden nehmen könnten. Wenn man sich also auf der Luvseite des Ausbruchs aufhält und nicht gerade in diese Eruptionswolke hineinläuft, um sich dort absichtlich seine Lungen mit CO / CO2 / SO2 vollzupumpen, dann braucht der normal-gesunde Mensch keinerlei Angst zu haben. Und kann sich der Lava ohne Probleme nähern - ganz ohne Gasmaske.

Von daher gilt, wie immer, dass man einfach seinen gesunden Menschenverstand nutzen muss und den Naturgewalten gegenüber aufmerksam sein sollte. Von wo kommt der Wind, ändern sich die Wolken, schlagen eine andere Richtung ein? Man sollte sich einfach nicht zu weit vom Auto entfernen und außerdem die Gasmasken griffbereit haben, für den Fall der Fälle, dass man etwas Komisches riecht, sich unwohl fühlt oder die Augen zu brennen beginnen.

Die Lava kroch über den Gæsavatnaleið: eine Fahrspur vom vorherigen Tag war so gerade noch sichtbar...

Seit dem Nachmittag des 26. September waren wir nun bei der Eruption in Holuhraun, und das Wetter wurde beständig besser. Der Wind verebbte, im Westen klarte es auf, die untergehende Sonne brach durch und beschien die Eruptionswolke, die watteweich über dem Krater stand.


Besagter Krater hat schon einen Namen: Baugur heißt er und liegt ganz im Süden des Lavafeldes. Es ist eine längliche Spalte, in der Lavafontänen brodelten. Es war uns nicht möglich, realistisch zu schätzen, wie weit dieser Krater von uns entfernt war (600-1000m?), wie hoch seine Ränder aufragten (knappe 100m?) oder gar wie hoch die Fontänen in den Himmel spritzten (bis zu 150m?). Das war aber ehrlich gesagt auch nicht so wichtig. Ich konnte eh kaum etwas anderes tun, als Staunen, und nebenbei erstaunlich viele Fotos machen.


Das Licht änderte sich jetzt im Minutentakt; je dunkler es wurde, desto prägnanter sah man das Glühen der Lava. Ab und an hörte man den Krater; es klang wie ein auf- und abschwellender Wasserfall. Oder wie ein Herzschlag: ich stand hier am Puls der Erde.
Hier schlug das Herz Islands.



Zäh und langsam wie Schlamm wurde das glühende Gestein in die Luft geschleudert, fiel ab und an außen an den Seiten herab und glühte dort noch etwa 20 Sekunden nach.

Es gab so viel zu sehen, so viele Detail zu entdecken, so viel zu staunen - die Zeit verging nicht einfach nur schnell, nein, sie raste. Und war doch ewig lang, gefüllt voller Wunder... Da war zum Beispiel das Aha-Erlebnis, dass plötzlich auch der Himmel abseits des Kraters glühte: im Lavafeld selber befindet sich ein Fluss aus geschmolzenem Basalt, den man von uns aus zwar nicht sehen konnte, der aber die Wolken von unten anstrahlte. Über diesem Lava-Fluss bildeten sich Windhosen, kurzlebig und filigran.


Je dunkler es wurde, desto unglaublicher wurden die Ansichten und Fotomotive. Ich habe mir sowas bisher nicht einmal ansatzweise vorstellen können! Das Tageslicht schwand, und plötzlich war da Licht von unten. Licht, das bei ganz genauem Hinsehen an- und abschwoll, wie ein Pulsschlag: sei es durch plötzliche starke Eruptionen im Krater, oder im Kleinen, außen an den aktiven Lavaströmen.

copyright Kerstin Langenberger. No usage allowed, unless communicated with me.

Was diesem Erlebnis die Krone aufsetzte, war die Tatsache, dass wir vier gänzlich alleine an diesem Vulkan standen. Niemand außer uns war an dem Tag angereist; wer eine Genehmigung hatte, der ließ sich wohl von der Wettervorhersage abschrecken. Der starke Wind sorgte außerdem dafür, dass Flugzeuge und Helikopter am Boden bleiben mussten: eine einzige Cessna flog Nachmittags zwei, dreimal über den Ausbruch, bevor sie wieder verschwand. Auch die acht Meteorologen hatten wir nur zweimal gesehen, als sie mit ihren beiden Jeeps genau an der Kante des Lavastroms entlangfuhren, vermutlich mit eingeschaltetem GPS-Gerät, um die neuen Umrisslinien des Lavafeldes aufzuzeichnen.

Seit ich dort gewesen bin, sehe ich die Berichte und Bilder über diese Eruption mit gänzlich anderen Augen. Jetzt verstehe ich, wie groß dieser Ausbruch wirklich ist. Ein Lavafeld von 10km Länge. Ein Krater, der alle paar Sekunden eine Schwimmbadladung Magma ausspuckt. Ein Fluss glühenden Gesteins, mehrere Meter breit und tief, der sich in einem Canyon nach Nord-Osten bewegt. Das Lavafeld wird täglich um ein bis zwei Quadratkilometer größer, hat nach einem guten Monat schon über 50 Quadratkilometer Land unter sich begraben - das sind Ausmaße, die man sich kaum vorstellen kann!
 

Die Nacht kam, und mit ihr die Wolken. Der Wind nahm stetig zu, bis er in starken Böen über das Land peitschte. Und dann begann es zu schneien.
Die Nacht ist mittlerweile wieder länger als der Tag, und da man von der Eruption nun ohnehin kaum noch etwas sah, schliefen wir ein paar Stunden. Als wir uns in der Morgendämmerung müde aufrafften, da sah die Welt so aus:


Über Nacht hatte es zehn Zentimeter geschneit; der starke Wind trieb den Schnee in Wehen zusammen. Wir sahen zwar den Krater in der Ferne durch die Wolken lugen, aber wir wollten eigentlich bald zur Drekihütte zurückkehren, denn auch der Wind hatte sich verändert. Er blies die Vulkangase jetzt in unsere Richtung: noch ein paar Grad weiter in Richtung Nordwesten, und wir würden die berühmt-berüchtigte Schwefeldioxidluft schnuppern... Also begnügten wir uns damit, den glühenden Teil des Lavafeldes am Gæsavatnaleið zu besuchen. Da angekommen, vergaßen wir mal wieder alle Sorgen, denn schon wieder war der Anblick einfach nur UNGLAUBLICH.


Direkt an der Kante war der Schnee geschmolzen und köchelte vor sich hin. Dennoch blieb der Schnee teilweise erstaunlich lange auf der Lava liegen, wurde von ihr berührt und schmolz mit enormer Verzögerung. Einerseits mag das am Wind gelegen haben, der immer wieder neuen Schnee vor die Lava gepackt hat. Andererseits scheint Lava selbst in heißem Zustand ein extrem schlechter Wärmeleiter zu sein.


Immer wieder musste ich mich in Gedanken zwicken, so unglaublich war dieses Erlebnis.
Lava und Schnee, Feuer und Eis - gegensätzlicher können Elemente gar nicht sein. Dazu der heulende Wind, der den Schnee prasselnd über das Land jagte und die vom Lavafeld aufsteigenden Dampfschwaden einfach davonriss.

Die Lava ließ sich von dem Wetter und dem Schnee überhaupt nicht beeindrucken: langsam schob sie sich immer weiter nach Westen. Der Schnee seinerseits war so nass und so kompakt, dass er eine zusammenhängende Schicht von 8-10cm Dicke bildete - und von der Lava in Schollen aufgetürmt wurde. Statt den Schnee direkt zu schmelzen, verhielt sich die Lava wie ein Gletscher, der eine Endmoräne vor sich herschiebt. Erstaunlich!







Ich bin noch immer völlig geplättet von all den Eindrücken, die in den wenigen Stunden auf mich eingestürmt sind - den anderen ging es da nicht anders, denke ich. Eine effusive, hawaiische Eruption sehen zu wollen und davon zu träumen ist eine Sache, aber nichts kann einen auf das vorbereiten, was man letztendlich erlebt. Diese unglaublichen Gegensätze! Diese erstaunliche Lebendigkeit des glühenden Gesteins, das fast etwas Organisches aufweist: beinahe, als stände man einem riesigen Lebewesen gegenüber.

Am Vormittag kehrten wir zur Drekihütte zurück und erkundigten uns nach der Wettervorhersage. Unsere Genehmigung war noch für einen Tag gültig, aber als für den Abend Sturm mit viel Niederschlag angekündigt wurde, beschlossen wir einstimmig, zur Ringstraße zurückzufahren. Nach der vergangenen Nacht waren wir ohnehin alle geplättet und schwammen auf einem Hoch der Emotionen.

Nach einer Fahrt durch eine schwarz-weiße Welt aus abstrakten Mustern und Formen meldeten wir uns bei der Bergrettung ab und waren am Abend dann wieder in der Zivilisation. Im Kopf war und bin ich aber weiterhin noch am Vulkan... Dieses Erlebnis lässt einen so schnell nicht mehr los!

So, das war's fürs Erste vom Vulkan in Holuhraun und diesem unglaublich spannenden Islandaufenthalt! Ich kann irgendwie noch gar nicht glauben, dass ich das alles tatsächlich erleben durfte. Es ist, als wäre ein Teil von mir dort geblieben und käme erst allmählich wieder zurück... Was für ein riesiges Privileg dieser Besuch doch gewesen war!

Island werde ich jetzt verlassen und mich auf den Weg Richtung Süden machen: ich darf eine weitere Saison in der Antarktis verbringen und freue mich sehr darauf! Wann ich wieder etwas schreiben werde, weiß ich nicht - mal schauen, was Zeit und meine Internetverbindung mir ermöglichen werden!

Viele Grüße aus Island - und euch einen schönen Herbst! :-)

Mittwoch, 8. Oktober 2014

Holuhraun: ein Traum wird wahr

Ursprüngliches Post-Datum: 30.09.2014
Als sich die Anzeichen für einen Ausbruch des Bárðarbunga vor über einem Monat häuften, hat der isländische Zivilschutz reagiert und die Gegend großräumig gesperrt. Das wurde für viele spätestens dann zum Ärgernis, als vor genau einem Monat die Eruption bei Holuhraun begann: eine solche Freiheitsbegrenzung ist man in Island nicht gewohnt! Die Polizei war mit mindestens zwei Jeeps vor Ort, die Bergrettung mit mindestens einem Monsterjeep, und wenn das Wetter es zuließ, rückte sogar der Helikopter aus, um alle abzufangen, die sich trotzdem in die Sperrzone gewagt hatten. Es wurden viele Geldstrafen verhängt und Leute dem Gebiet verwiesen: dieser Vulkanausbruch wurde (und wird auch immer noch!) besser bewacht, als so manches Gefängnis.

Quelle: www.vegagerdin.is






Warum aber das ganze Theater? Der Vulkanausbruch ist momentan relativ harmlos, wenn man von einer teilweise enormen Gasproduktion einmal absieht. Die wird von den Medien meiner Meinung nach allerdings zu groß aufgetragen: wenn Wind weht, kann man sich selbst direkt am Vulkan problemlos außerhalb der Wolke aufhalten; und in der Wolke helfen Gasmasken, die man definitiv dabeihaben sollte. Der eigentliche Grund für die Vollsperrung ist aber, dass man weiterhin einen Ausbruch im Hauptkrater des Bárðarbunga fürchtet. Er liegt mitten im Gletscher Vatnajökull und hat in der Vergangenheit mehrmals riesige Fluten produziert. Da man immer vom schlimmsten Fall ausgeht, will man in der Lage sein, die ganze unzugängliche Gegend schnell zu evakuieren: das ginge natürlich nicht, wenn sich 100-500 Jeeps die Hochlandwege entlangschlängeln und jeder das macht, was ihm gerade passt.

Wenn diese Eruption jetzt für jeden unzugänglich wäre, dann würde das wohl auch von so gut wie allen akzeptiert werden. Das Problem hier ist aber, dass gerade in der Anfangszeit sehr viele Menschen dort waren, die definitiv weder Wissenschaftler noch Presse waren, sondern die einfach die richtigen Leute kannten: Vitamin B eben. Überall tauchten Trophäenfotos auf: Selbstportraits von übergewichtigen Ehepaaren unmittelbar vor den 70m hohen Lavafontänen, Facebookprofilbilder in Siegerpose, Protzfotos von mittelalten Herren in ihren Jeeps oder gar Quads, die eindeutig off-road vor der Lava umherfuhren. Sowas stieß nicht nur bei mir auf Unverständnis. Ziemlich bald war mir klar, dass ich nur auf einem Weg zum Vulkan kommen würde: nämlich indem ich mich ganz offiziell als Fotojournalist um eine Sondergenehmigung bemühte.

Die ganze Sache ins Rollen zu bringen, war ein Vollzeitjob - was auch daran lag, dass ich viele verschiedene Leute kontaktieren musste, um im Endeffekt nur wenige konkrete Antworten zu erhalten. Braucht man eine Genehmigung pro Auto, oder pro Person? (Pro Person, und alle Teilnehmer müssen bei der Registrierung statistisch erfasst werden). Kann man nun bei der Drekihütte übernachten, oder nicht? (Ja und Nein, zwei verschiedene Antworten). Muss man ein Schwefelmessgerät mitnehmen, und wenn ja, wo bekomme ich sowas? (Nein, muss man nicht, aber Gasmasken schon, und die waren ausverkauft. Letztenendes konnte ich doch genügend für alle organisieren, inklusive der richtigen Filter gegen Schwefeldioxid).

Für Isländer gelten andere Regeln als für Ausländer: letztere müssen einen Guide dabeihaben. Den musste ich ja auch noch finden und parallel eine Hochlandtour mit Jeep organisieren - etwas, das ich noch nie gemacht habe, weil ich meine eigenen Beine definitiv vier Rädern gegenüber bevorzuge...

Nachdem es tagelang nicht voran ging, hatte ich unerwartet schnell plötzlich die Genehmigung in den Händen - ein Meilenstein! Zwei Tage später war es dann soweit.

Das "Team Vulkan" bestand ursprünglich aus fünf Personen. Ich bin nicht reich und sehe es nicht ein, viel Geld und/oder Ressourcen für solch egoistisch-begründete Aktionen auszugeben, also musste improvisiert werden. Meine in Island lebende Freundin Arianne kannte einen Guide, der unbedingt zum Vulkan wollte: ich brauchte ihn und er brauchte mich. Er brachte den Jeep, Arianne kam als Fahrerin mit, und dann war ich mit zwei Deutschen in Kontakt, Christiane und Jens, die wie ich über einen Presseausweis verfügten und Berichte schreiben bzw. fotografieren wollten. Wenn der ganze Aufwand schon betrieben wurde und ein ganzer Jeep ins Hochland rollte, dann wollte ich so vielen wie möglich dieses tolle Erlebnis ermöglichen. Christiane sagte letztenendes leider ab, also waren wir doch nur zu viert, als wir am 26. September starteten, einem Freitag Morgen. Wir fuhren ins Ungewisse: die Wettervorhersage war schlecht, und am Tag zuvor war das gesamte Gebiet evakuiert worden, weil die Wolke genau über Dreki wehte und die Schwefeldioxidwerte zu hoch waren.




Die Anfahrt ins gesperrte Gebiet ist nur über eine einzige Piste erlaubt: bei Krepputunga südlich von Möðrudalur steht mitten im Hochland der Kontrollpunkt, bei dem sich alle ein- und austragen müssen. Jeweils zwei Bergretter (Freiwillige aus dem ganzen Land) sitzen dort jeweils 24 Stunden lang und passen auf, dass alle authorisiert sind, die hineinfahren. Sie haben einen kleinen Generator - und die einzige Kaffeemaschine weit und breit. Deswegen kommt die Streife der Polizei mindestens einmal täglich vorbei, um sich ihre Tasse Kaffee abzuholen. In Island geht bekanntlich gar nichts ohne das schwarze Gesöff!

Von den leicht gelangweilten Bergrettern erfuhren wir
, dass wir die einzigen Nichtwissenschaftler waren, die seit der gestrigen Evakuierung nach Askja fuhren. Viel Betrieb erwarteten sie nicht - nicht bei der schlechten Wettervorhersage! Aber immerhin war das Gebiet wieder offen und befanden sich etwa 15 Leute vor Ort: Wissenschaftler, Polizisten und ein Ranger.

 
Die Dreki-Hütte bei Askja ist momentan ausschließlich Wissenschaftlern vorbehalten. Zwei weitere Hütten sind verschlossen, in einer vierten (der kleinsten) ist die Polizei stationiert. Die Wissenschaftler wollen nicht von Medienfritzen belästigt werden: in meiner Genehmigung steht sogar schwarz auf weiß, dass man sie bloß nicht bei ihrer Arbeit stören soll.

Dankbarerweise durften wir uns dennoch für eine Stunde in der Haupthütte aufhalten und trafen dort auf acht dieser geheimnisvollen, heiligen "Wissenschaftler". Meiner Meinung nach waren es eindeutig Vulkantouristen:
Die vier älteren Ehepaare waren im Namen des Meteorologischen Instituts Islands unterwegs, um irgendwelche Messungen durchzuführen - und sich den Vulkan anzugucken, klar. Da der Wind aber so stark war, dass Sand und Bimssteine durch die Gegend flogen und die Sicht teilweise auf unter 100m begrenzte, warteten wir erstmal alle zusammen auf Wetterbesserung.




Nachmittags ließ der Wind endlich nach, und konnten wir die letzten Kilometer Richtung Süden zurücklegen. Und als wir dann den Dyngjuvatn passierten, war es endlich soweit: da lag sie vor uns, die Eruption in Holuhraun!

Bei der Drekihütte stationiert war auch ein Ranger, der sofort zu uns kam, um uns eine Detailkarte in die Hand zu drücken und uns die Regeln zu erklären. Er sagte uns, dass wir entlang der Lavakante auch offroad fahren dürften. Es handele sich hier "nur um Sand", da würde man keinen Schaden anrichten. Ich dachte erst, ich höre nicht recht, denn genau das sind doch die Argumente all jener, die überall abseits der Pisten ihre Kreise ziehen, illegal und um großen Ärgernis aller Naturfreunde!
Aber weiter sprach der Ranger: Die Verhältnisse wäre gerade ideal: die Ebene sei komplett trocken (dort fließt im Sommer ein Bach), und Lava war ohnehin gerade dabei, eine der Pisten (die Gæsavatnaleið) unter sich zu begraben. Daher wsei es uns während der Eruption ausnahmsweise erlaubt, innerhalb der sandigen Ebene die Wege zu verlassen, um zum Krater fahren zu können. 

Sehr interessant! Das erklärte dann auch die relativ vielen Bilder von Fahrzeugen abseits der Piste, die ich im Internet bereits gesehen hatte, und warum die Medien noch keine große Sache aus diesem eigentlich verbotenen und verpönten Off-road-Fahren gemacht hatten.

Nach meiner ersten Skepsis muss ich sagen, dass wir nach dem Sturm tatsächlich keinerlei Fahrspuren mehr sahen. Die "Wege" waren nur durch die regelmäßig aufgestellten Pfosten erkennbar. Die Reifen sanken aufgrund der Trockenheit und Kälte auch nicht ein, und die Spuren, die hinterlassen wurden, werden vom nächsten stärkeren Wind zur Unkenntlichkeit verweht. Dort, wo wir tiefe Spuren hinterlassen hätten (in der Nähe von Wasser oder in der alten Holuhraun) standen neue Absperrungen, die ganz klar machten, dass dass "Offroad Fahren" hier ein Ende hatte. Die Wissenschaftler dürfen zwar tun und lassen, was sie wollen, aber immerhin die Medien versuchen sie, unter Kontrolle zu halten und eventuelle Schäden zu begrenzen...




Der nördliche Teil der fast 10km langen Lavazunge war soweit erkaltet, dass er nicht mehr glühte; die Hitze aber war deutlich sichtbar. Ich war so dermaßen von den Socken dass ich gar nicht wusste, wo ich zuerst hinschauen und was ich zuerst denken sollte... Dass ich hier stehen würde, war noch bis vor wenigen Tagen ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Und jetzt, plötzlich, stand ich zum ersten Mal vor einem aktiven Pahoehoe-Lava Ausbruch. Toll!

Ein paar Kilometer weiter südlich war es dann soweit: orange glühendes Gestein kroch langsam über den windgepeitschten Sand. Es war ein unglaublicher Anblick: sowas hätte ich mir nicht zu Träumen gewagt!  
 
Es erstaunte mich, wie weit man sich der Lava nähern konnte. Trotz Rückenwindes war die Hitze schon aus 10 Metern Entfernung zu spüren; die Lava heizte die Luft wie eine gigantischer Ofen angenehm auf. Aber erst einen halben Meter von der Lava entfernt wurde es unangenehm heiß - das hätte ich auch nicht gedacht!

Mich interessierte jetzt vor allem, wie Lava wirklich ist. Sie leuchtete tatsächlich so neon-orange, wie man es auf den Fotos immer sieht. Die hellen Partien, die auf Fotos gelb ausschauen, sind eigentlich dunkel-neon-orange. Die Lava war, selbst wenn sie glühte, schon so weit abgekühlt, dass man Kristalle sah: es war keine glatte Flüssigkeit, sondern wirkte fast schuppig. Sie bewegte sich sehr langsam vorwärts; teilweise so langsam, dass man es gar nicht wahrnahm. Immer mal wieder qoll es mal hier, mal da hervor; manchmal eine Badewannenladung voll, selten eine halbe LKW-Ladung. Und alles schön gemächlich...



Mal war die Lavazunge flach und quoll relativ flüssige Lava von der Konsistenz eines zähen Brotteiges irgendwo hervor, mal war die Lavazunge 3-5 Meter hoch und rutschte scheppernd in schon erkalteten Brocken nach Vorne hin ab.

Das Gestein machte alle möglichen Geräusche. Es knisterte und bruzzelte wie Fett in der Pfanne, zischte wie ein Dampfkochtopf, plätscherte manchmal wie Wasser. Wenn die Lavawand so steil geworden war, dass sie abrutschte, dann klirrte es wie Glasscherben oder wie die Aufräumarbeiten nach einem Polterabend. 


Es roch … heiß. Ich erinnere mich noch gut, wie ich dachte: „So riecht also Hitze!“ Ein irre abstrakter Geruch. Heiß, definitiv heiß!
Übrigens: Schwefel roch ich niemals. Wenn überhaupt, dann roch die Lava abgestanden, staubig, eben das Gegenteil von 'frisch'. Es war höchst interessant!


Donnerstag, 2. Oktober 2014

... kurze Sendepause ...

Einige von euch werden schon mitbekommen haben, dass ich einen Blogeintrag online stehen hatte, der jetzt verschwunden ist. Das hat einen einfachen Grund: den Vulkanausbruch und sehr hoch schlagende Emotionen.

Der Vulkanausbruch bei Holuhraun ist seit Beginn der Eruption ein Sperrgebiet: man fürchtet einen Ausbruch im Hauptkrater des Bárðarbunga und eine Flutwelle, welche genau die Gegend treffen würde, in der sich der momentan harmlose Lavaausbruch befindet. Um einen Massenandrang wie beim Fimmvörðuháls zu verhindern, werden nur Leute mit einer Sondergenehmigung hineingelassen: und das sind meist Ausländer. Und das wiederum verärgert viele Isländer, denen verboten wird, das Gebiet zu sehen.

Nur um klar zu stellen: Ich finde es nicht in Ordnung, dass dieser Vulkanausbruch einerseits für alle geschlossen ist, aber trotzdem 'besonderen' Menschen der Zutritt gewährt wird. Entweder alle oder keiner, alles andere ist unfair. Es gäbe da so viele Alternativen: zum Beispiel könnten sie nur eine bestimmte Anzahl Fahrzeuge ins Gebiet lassen, damit die Gegend schnell evakuiert werden kann. Oder sie könnten die Sondergenehmigungen im Losverfahren für Isländer zulassen: dann würden im Laufe der Wochen viele Menschen den Vulkanausbruch sehen können, ohne dass der Zivilschutz die Kontrolle verliert.

Aber es läuft eben anders. Und die einzige Chance, den Ausbruch aus der Nähe zu sehen, ist, dieses Spiel mitzuspielen - ob es einem gefällt, oder nicht. Ich habe das Glück, Fotojournalist zu sein, und darum habe ich mich um eine Sondergenehmigung bemüht - und sie nach viel Stress und Arbeit auch erhalten. Vergangenes Wochenende war ich dann am Vulkan, und es hat jegliche Vorstellungen weit übertroffen. Dazu werde ich später mehr erzählen.

Am Tag meiner Rückkehr schickte ich drei kleine, schlecht aufgelöste Bilder ans Geologische Institut Islands, ohne weitere Hintergedanken, einfach nur, um ihnen die veränderte Situation vor Ort zu zeigen: es hatte nämlich zum ersten Mal geschneit. Ohne Rücksprache mit mir wurden besagte Bilder schon eine halbe Stunde später auf deren Facebookseite gesetzt - mit meinem Namen und Link zu meiner Facebookseite, immerhin - aber korrekt war das nicht! Plötzlich nutzten auch die staatliche Rundfunkanstalt und die Universität Islands meine Bilder im Netz und auf Twitter. Ich wäre fast zornig geworden, wären nicht die Klickzahlen auf meine Homepage in unbekannte Höhen gestiegen und hätte ich nicht innerhalb von drei Stunden sechs Nutzungsanfragen aus der ganzen Welt erhalten. Zu behaupten, dass ich von der Resonanz überrascht wurde, wäre eine Untertreibung gewesen...

Und so kommt es, dass einige meiner Bilder in den nächsten Tagen an verschiedenen Stellen auftauchen werden: beginnend mit der Titelseite von Islands größter Tageszeitung.


Damit wusste Island, dass ich vor Ort gewesen war - und begannen die Anfeindungen. Nach über einem Monat Reiseverbot ist der Frust bei vielen Isländern unerträglich geworden: mein Bild brachte das Fass für einige zum Überkochen. 
Ich kann es nachvollziehen, denn auch ich finde diese ganze Situation unfair. Allerdings finde ich es nicht korrekt, dass diese Leute jetzt ausgerechnet mich anfeinden, von all den Hunderten, die schon vor Ort waren. Außerdem gehe ich davon aus, dass sie jederzeit mit mir tauschen würden, um dann das gleiche zu tun, weswegen sie mich verdammen.

Mich berührt das Ganze aber nur wenig: ich sehe es als Kritik am System. Um nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen, habe ich jetzt vorsichtshalber die beiden Blogeinträge vom Netz genommen und will einfach ein paar Tage warten, bis sich die Gemüter beruhigen. Ich kann an der Situation nichts ändern: ich bin lediglich umso dankbarer, dass ich den Ausbruch erleben durfte. Ganz offiziell - ob es einigen nun passt, oder nicht.

Von daher: in ein bis zwei Wochen gibt es die Bilder hier zu sehen. Bis dahin wünsche ich euch eine gute Zeit - auf bald!

Sonntag, 21. September 2014

Bárðarbunga: so fern und doch so nah

Wie schon erwähnt, hatte ich das große Privileg, eine Reise nach Ost-Grönland zu begleiten: ein Ort, der vor allem durch seine unglaublichen Landschaften und Eisberge beeindruckt. Leider muss ich sagen, dass ich diese Schönheit nicht zu 100% genießen konnte, denn kaum, dass ich Island verlassen hatte, brach der Bárðarbunga aus. Das war ja wieder mal TYPISCH.

Quelle: www.isor.is
Der Ausbruch ereignete sich ziemlich weit nördlich der Caldera des Bárðarbunga: im alten Lavafeld Holuhraun gibt es seit dem 28. August eine wunderschöne Lava-Eruption gleichen Namens.
Im nebenstehenden Bild seht ihr unten links die Caldera des Bárðarbunga; die vielen Punkte sind Erdbeben. Und neben den roten Punkten befindet sich eine rosafarbene Fläche mit Namen 'Holuhraun' - genau dort fließt jetzt Lava.

Das Gebiet war und ist großräumig abgesperrt; hineingelassen werden nur Wissenschaftler, Medien, und Leute, die diejenigen kennen, welche etwas zu sagen haben. Und genau das ist die größte Ungerechtigkeit der ganzen Sache: ich kann verstehen, wenn aus Sicherheitsgründen das Gebiet zugemacht wird, aber dann sollten sie wirklich alle draußen lassen. So aber kommen erstaunlich viele an diese Eruption heran: aber eben nur diejenigen, welche die richtigen Leute kennen. Dazu gehöre ich leider nicht... Ich habe wirklich alles mögliche probiert, aber es kommt ein weiteres Problem hinzu: ich besitze keinen Jeep. Dieser Ausbruch ist bisher nur etwas für Leute, die Geld haben und mal eben mit einem Jeep ins Hochland fahren können.


Wer etwas auf sich hält und unbedingt mit Vulkanfotos angeben will, der fliegt deshalb zum Ausbruch; per Helikopter und Flugzeug. Es wäre eine Lüge, zu behaupten, dass mich der Anblick dieses Vulkans nicht reizen würde, aber ich möchte so viel mehr, als ihn nur zu sehen. Ich möchte ihn ERLEBEN. In einer lauten Maschine 15 Minuten um den Ausbruch herumzufliegen, zählt für mich nicht dazu.

Der Hauptgrund, warum ich nicht fliegen will (und dementsprechend wenig von Flugfotos halte), ist, dass ich wirklich versuche, meinen CO2-Fußabdruck so gering wie möglich zu halten. Als Naturfotograf soll man die Natur nicht nur ausnutzen, indem man Geld mit ihr verdient, sondern sie auch schützen; und der einzig wahre Naturschutz für die Polarregionen heißt 'Klimaschutz'.
Es reicht, dass ich im Namen meines Jobs einmal im Jahr nach Longyearbyen und einmal nach Ushuaia fliegen muss: das sind meiner Meinung nach schon viel zu viele Flugmeilen.
Warum also sollte ich zum Vulkan fliegen? Es wäre rein egoistisch: das einzige, was ich wirklich erreichen würde, wäre, dass andere meine Bilder sehen und dann auch hinfliegen wollen. Darum habe ich mich gegen einen Flug entschieden: zugegeben schweren Herzens, aber immerhin reinen Gewissens. Jedes bisschen CO2, das man einsparen kann, zählt!

Der Flug stand also nicht zur Debatte, als Hüttenwart oder Fotograf ließen sie mich nicht ran: also blieb mir nur eine weitere Möglichkeit: hinwandern. So habe ich meinen Rucksack gepackt, die Route recherchiert, und direkt festgestellt, dass es einen großen Knackpunkt gibt: die sicherste (da hochgelegenste und auch kürzeste) Route zum Ausbruch ist eine einzige Wüste. Es gibt dort zwei Flüsse/Bäche, die oft im Spätsommer schon trocken fallen. Von daher war klar, dass ich es nicht in direkte Nähe des Ausbruchs schaffen würde, aber immerhin näher, als von der Ringstraße aus. Vom Mývatn aus ging es dann los: rein in die Lava, auf Richtung Vulkan!





Seit meine Bandscheibenprobleme vor vier Jahren begannen, war ich nicht mehr in der Lage, einen schweren Rucksack zu tragen. Daher nutze ich jetzt einen Wanderanhänger ("Monowalker"): das Gewicht liegt zu 50% auf meiner Hüfte und zu 50% auf dem Reifen, den ich hinter mir herziehe. Ein ungewohnter Anblick und eine ungewohnte Belastung, aber: es funktioniert! Ich war in der Lage, Essen für drei Wochen dabei zu haben, Zelt, Kocher, Treibstoff, Winterschlafsack, sowie meine gesamte Kameraausrüstung. Es ist ohne Frage anstrengend, besonders in so widrigem Terrain abseits jeglicher Wege, aber es funktionierte. Ich kann wieder Mehrtageswanderungen in die Wildnis unternehmen, juchuu!

Weit bin ich nicht gekommen, das kann ich direkt sagen: nämlich aufgrund von Wassermangel. Schon am zweiten Tag war klar, dass wirklich alle Bäche ausgetrocknet sind, und das in der Gegend, die noch am wasserreichsten sein sollte. Von daher habe ich ziemlich schnell diese Wanderung aufgegeben, umgeändert, und bin in einem Bogen zum Mývatn zurückgewandert. Das Wetter war fantastisch, genau wie auch die Herbstfarben. Rund um den Mývatn gibt es immer wieder Flecken ursprünglicher Birkenwälder, und die leuchteten in der tiefstehenden Herbstsonne in allen Farben des Regenbogens. Ein Traum!



Besonders spannend fand ich, dass ich, obwohl ich weit vom Vulkan entfernt war, doch viel davon mitbekommen habe. Dieser Ausbruch produziert viel Lava (das Lavafeld ist mittlerweile über 37 Quadratkilometer groß), aber auch eine große Menge an Gasen: man schätzt, dass die Erde 750 kg Gas pro Sekunde ausspuckt. Es wurden die höchsten Gaskonzentrationen gemessen, seit es die modernen Aufzeichungen gibt: darunter Schwefeldioxid, das in höherer Konzentration extrem giftig ist. Und diese Wolke konnte ich sehen, mehr noch, sie kam zu mir: war das spannend!


Rechts unten seht ihr die Wolke der Eruption, 65km entfernt - und links schmiegt sich eine weiß-bläuliche Gaswolke die Berge entlang. Ich bin natürlich sofort dorthin gelaufen: und war überrascht, kein Schwefel zu riechen, sondern Stadtluft! Es roch stickig, staubig, dreckig, nach Autoabgasen, einer leichter Prise verbranntem Plastik und Ruß. Interessant!

Die Abgase des Vulkans, die höher aufsteigen, sind bräunlich, und färben die Sonne rötlich, selbst wenn sie ganz hoch am Himmel steht. In dem Moment fielen mir die Worte des Pfarrers Jón Steingrímsson ein, der 1783 bei den Ausbrüchen der Laki-Spalte Folgenes niederschrieb:

Die Sonne war rot wie ein Feuerball und der Mond rot wie Blut. 
Der faule Geschmack der Luft, bitter wie Seetang und nach Fäulnis stinkend, 
war tagelang so intensiv, dass die Menschen kaum atmen konnten.

Dieser Vulkanausbruch ist vielleicht der größe Lavaausbruch der letzten 150 Jahre, aber winzig verglichen mit den Laki-Feuern 1783-84. Es war ein beeindruckendes Gefühl, dort zu stehen und einen kleinen Einblick in das zu bekommen, was die Menschen damals in viel, viel größerem Stil erlebt haben.




Auch wenn man diese Wolke nicht immer sieht, sind die feinen Partikel des Ausbruchs in der Atmosphäre: und konnte ich deshalb ungewöhnlich farbige Sonnenauf- und Untergänge erleben.
Wie an diesem Abend, als ich auf dem Hverfell stand und auf den Mývatn hinabschaute.














Die Natur ließ mir gar keine Zeit, mich viel darüber zu grämen, dass ich nicht an den Vulkan herankam: sie beschenkte mich andauernd mit tollen Erlebnissen. Tagsüber die Herbstfarben und unglaubliche Temperaturen, die mich im T-Shirt wandern ließen, morgens und abends irrsinnige Lichtstimmungen: und nachts Nordlichter. In drei Nächten gab es ein Feuerwerk sondergleichen, das sich mit Worten kaum beschreiben lässt. Hier ein paar Impressionen!



Nordlichter begeistern mich immer wieder - besonders so starke, wie diese! Es ist atemberaubend, wenn plötzlich Vorhänge aus Licht über den Himmel wandern, und plötzlich in ein Feuerwerk aus Farben übergehen. Dann wird aus dem normalen farblosen Licht, das nur von Kameras quietschgrün dargestellt wird, ein sanftes Pastellgrün, das ins Weiße und Gelbliche geht und von pinkfarbenen Spitzen gesäumt ist. Es ist einfach nur unbeschreiblich schön!



Die tollste Nacht der vergangenen Woche war allerdings die Nacht vor dem angekündigten Sonnensturm, dessen Bilder ihr grade gesehen habt. Da war ich nicht am Mývatn, sondern bei Kárahnjúkar. In der Nähe des Stausees liegen einige Berge, von denen man die Eruption sehen kann, und genau dort zog es mich hin. Im Sonnenuntergang wanderte ich von der Straße auf den Gipfel des 1000 Meter hohen Grjótárhnjúkur, der 50km Luftlinie vom Vulkanausbruch entfernt liegt. Und von dort aus offenbarte sich mir dann dieser Anblick: 

Ich habe schon lange davon geträumt, einen Vulkanausbruch zusammen mit Nordlichtern zu erleben, war mir aber in dem Falle überhaupt nicht sicher, ob man aus dieser Entfernung viel sieht bzw. ob mir gute Bilder gelingen würden. Ich wusste, dass die Stelle ideal war, dass der Ausbruch von mir aus gesehen genau dort lag, wo das Nordlichtband normalerweise den Horizont berührt - gleichzeitig aber war Vollmond, der eigentlich alle Nordlichter überstrahlt. Dass genau in dieser Nacht ein kleiner Sonnensturm starke Nordlichter an den Himmel zaubern würde, das war eine Überraschung!


Ich war in diesen Tagen extrem frustriert, dass ich nicht näher an den Ausbruch herankam - im Nachhinein sehe ich aber genau das als Segen an. Gerade die Entfernung zum Ausbruch machte es mir möglich, die extrem hellen Farben der Lava und die recht dunklen Lichter der Aurora auf ein Bild zu bekommen. Wäre ich in der Nähe der Lavafontänen gewesen, dann wäre der ganze Himmel so dermaßen rot aufgeleuchtet gewesen, dass man die Nordlichter gar nicht gesehen hätte: man sieht ja auf den Fotos, wie weit das rote Licht abstrahlt. Das ist wohl auch der Grund, warum ich im Internet keine vergleichbaren Aufnahmen finde: dies sind einzigartige Bilder einer einzigartigen Nacht. Ich war, wieder einmal, zur richtigen Zeit am richtigen Ort: Natur ist einfach nur UNGLAUBLICH !!!