Freitag, 9. November 2018

Südgeorgien - Start in die zweite Saison

In den letzten Jahren bin ich mehr und mehr zur Küstenseeschwalbe geworden - zumindest was mein Zugverhalten angeht. Im Sommer pendle ich zwischen Deutschland und Spitzbergen, und in unserem Winter geht’s auf die Südhalbkugel, wo dann auch Sommer ist. Seltsam, keinen Winter mehr zu erleben - obwohl ich fairerweise nie in der Hitze bin. Meine normale Sommertemperatur liegt meist bei knapp unter 10°C, mit Gletschern in der Nähe und Bergen, auf denen sich bis in den Herbst hinein noch Schnee hält...
:-)





Ich habe ja im letzten Nordwinter mehrmals aus Südgeorgien berichtet, dieser entlegenen Insel im Südatlantik, welche der Antarktis näher ist als jeder anderen Landmasse. Nur mit dem Schiff erreichbar, gibt es hier bloß zwei wissenschaftliche Stationen und ein kleines Museum mit (inselweit) maximal 50 temporären Bewohnern. Weder kann man hier 'normal' leben oder arbeiten, noch kann man mal eben schnell dorthin reisen: Fahrten mit Expeditions- und / oder Kreuzfahrtschiffen kosten ein halbes Vermögen. Als ich den Job vom letzten Jahr noch einmal angeboten bekommen habe, Museumsassistent = Mädel für alles im Museum Grytviken, war für mich klar, dass ich nicht Nein sagen können würde. Die Chance, noch einmal intensiv Zeit an diesem besonderen Ort verbringen zu können, würde ich mir nicht entgehen lassen! Und so schreibe ich diese Zeilen auch schon wieder aus Grytviken, der kleinen, demontierten Walfängersiedlung, welche heute ein begehbares Museum für eine steigende Anzahl an Kreuzfahrttouristen ist.


Als ich nach fünftägiger Schaukelfahrt am 13. Oktober hier ankam, offenbarte sich mir ein komplett konträres Bild, wie bei meiner (auf den Tag genau gleichen) Ankunft im Jahr zuvor. Der Winter 2017 war einer der wärmsten der menschlichen Erinnerungen gewesen, vergangener Winter aber war schneereich: und folglich sah es hier aus, wie im vergleichbaren Monat April in Nordnorwegen. Ein halber Meter Schnee noch auf Meereshöhe, die Seen gefroren und alles weiß: welch ein Kontrast zum letzten Jahr!
       

Die Temperaturen waren noch winterlich, teils unter -10°C, sodass sich Meereis bildete und unsere Wasserleitung einfror. Trotz erstaunlich viel Sonnenscheins hielt sich der Schnee daher für zwei volle Wochen, in denen ich jede freie Minute draußen verbrachte und diese Winterlandschaft in vollen Zügen genoss. Dies zu erleben, hatte ich nach dem warmen Sommer letztes Jahr gar nicht zu wünschen gewagt!


Hier im Museum ist immer viel zu tun: es ist ein Job, der wenig Freizeit zulässt. Anfangs kommen zwar noch nicht viele Schiffe, dafür aber müssen wir die Neuware für unseren Souvenirshop (der gleichzeitig die wichtigste Einnahmequelle der kleinen NGO des SGHT 'South Georgia Heritage Trust' ist) mehrmals ein- und umpacken, gefolgt vom leidigen Inventur, dem Einsortieren der Ware ins Lager und letztlich dem Bestücken des Shops. Zum Glück gibt es ja noch die Nächte, sodass ich ein- bis zweimal die Woche vor Sonnenaufgang aufstehe, um vor Arbeitsbeginn mehrere Stunden wandern und fotografieren zu können. Klar, das geht auf Kosten des Schlafes - aber den hole ich dann nach, wenn ich im April wieder in Deutschland bin! Zumal die Motive des warmen Morgenlichtes einfach nur unbeschreiblich sind - nun ja, zumindest wenn die Sonne mal nicht von Wolken bedeckt ist, was viel zu oft der Fall ist. Aber vielleicht ist das auch gut so, sonst würde ich vermutlich den Schlafmangel echt zu heftig spüren...
                 

So früh im Sommer ist es außerhalb der Pinguinkolonien noch relativ ruhig. Die Paarungszeit der Albatrosse und Sturmvögel, der Skuas und Küstenseeschwalben beginnt erst noch, und die Pelzrobben sind noch alle im Meer. In Grytviken sammelten sich einige wenige Königspinguine, um zu mausern (ihre Federn zu wechseln, das dauert drei Wochen), und die waren ein sehr willkommenes Fotomotiv, ganz besonders an den drei Neuschneetagen.



Mein Hauptfotomotiv im Oktober waren aber ganz eindeutig die See-Elefanten, über die ich letztes Jahr ja schon ausgiebig berichtete. Die riesigen Männchen mit ihren lustigen Nasen bewachen einen Harem aus Weibchen, welche zuerst ihre letztjährig gezeugten Jungen zur Welt bringen und sich drei Wochen später mit dem gerade machthabenden Männchen paaren.



Ich hatte sehr gehofft, dieses Jahr einen Kampf zwischen zwei Männchen fotografieren zu können, aber es war ein sehr friedliches Frühjahr: ich sah nur eine 5 Sekunden dauernde Auseindersetzung und ansonsten viele erfolgreiche Drohgebärden. Sehen die See-Elefanten einen Konkurrenten, heben sie den Kopf, zeigen ihren Rüssel und rufen laut und rülpsend - und das reicht dann meistens, um dem Anderen zu zeigen, dass man größer ist und man es ernst meint mit der Verteidigung bzw. Eroberung der Weibchen. Nur dann, wenn sich zwei gleichgroße und gleichstarke Männchen treffen, kommt es zum Kampf - aber dieses Jahr wie gesagt nicht, wenn ich bei den See-Elefanten war.
Schade.
Aber rülpsende Riesenrobben haben auch was!



Die Lieblinge aller sind momentan eindeutig die Babyrobben, welche neugierig die Welt erobern; erst an der Seite ihrer Mütter, dann aber zunehmend alleine. Diese Selbstständigkeit ist erzwungen: die Mütter säugen ihr Jungtier nur etwa 3 Wochen lang, mit einer allerdings so dermaßen fetthaltigen Milch (über 50% Fettanteil), dass die See-Elefäntchen pro Tag bis zu 4 Kilogramm an Gewicht zulegen. Man kann ihnen also im wahrsten Sinne des Wortes beim Wachsen zusehen! Schon irre, was die Natur sich so einfallen lässt!
         
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an jene von euch, die sich ab und zu bei mir melden und / oder Kommentare hinterlassen. Ich weiß nie, wer hier mitliest - da manchmal eine Rückmeldung zu erhalten, ist motivierend!

Und jetzt geht’s an die Arbeit: heute kommt das sechste Schiff der Saison, aber ab sofort geht’s hier Schlag auf Schlag. Bis März erwarten wir bis zu 80 Touristenschiffe, dazu noch Yachten, Marine- und Forschungsschiffe mit vermutlich insgesamt über 12.000 Besuchern - viel zu tun, viel zu tun. Gut, dass gerade so richtig versifftes Regenwetter herrscht - da habe ich nicht so sehr das Gefühl, viel in der hier so großartigen Natur zu verpassen...
;-)