Sonntag, 21. September 2014

Bárðarbunga: so fern und doch so nah

Wie schon erwähnt, hatte ich das große Privileg, eine Reise nach Ost-Grönland zu begleiten: ein Ort, der vor allem durch seine unglaublichen Landschaften und Eisberge beeindruckt. Leider muss ich sagen, dass ich diese Schönheit nicht zu 100% genießen konnte, denn kaum, dass ich Island verlassen hatte, brach der Bárðarbunga aus. Das war ja wieder mal TYPISCH.

Quelle: www.isor.is
Der Ausbruch ereignete sich ziemlich weit nördlich der Caldera des Bárðarbunga: im alten Lavafeld Holuhraun gibt es seit dem 28. August eine wunderschöne Lava-Eruption gleichen Namens.
Im nebenstehenden Bild seht ihr unten links die Caldera des Bárðarbunga; die vielen Punkte sind Erdbeben. Und neben den roten Punkten befindet sich eine rosafarbene Fläche mit Namen 'Holuhraun' - genau dort fließt jetzt Lava.

Das Gebiet war und ist großräumig abgesperrt; hineingelassen werden nur Wissenschaftler, Medien, und Leute, die diejenigen kennen, welche etwas zu sagen haben. Und genau das ist die größte Ungerechtigkeit der ganzen Sache: ich kann verstehen, wenn aus Sicherheitsgründen das Gebiet zugemacht wird, aber dann sollten sie wirklich alle draußen lassen. So aber kommen erstaunlich viele an diese Eruption heran: aber eben nur diejenigen, welche die richtigen Leute kennen. Dazu gehöre ich leider nicht... Ich habe wirklich alles mögliche probiert, aber es kommt ein weiteres Problem hinzu: ich besitze keinen Jeep. Dieser Ausbruch ist bisher nur etwas für Leute, die Geld haben und mal eben mit einem Jeep ins Hochland fahren können.


Wer etwas auf sich hält und unbedingt mit Vulkanfotos angeben will, der fliegt deshalb zum Ausbruch; per Helikopter und Flugzeug. Es wäre eine Lüge, zu behaupten, dass mich der Anblick dieses Vulkans nicht reizen würde, aber ich möchte so viel mehr, als ihn nur zu sehen. Ich möchte ihn ERLEBEN. In einer lauten Maschine 15 Minuten um den Ausbruch herumzufliegen, zählt für mich nicht dazu.

Der Hauptgrund, warum ich nicht fliegen will (und dementsprechend wenig von Flugfotos halte), ist, dass ich wirklich versuche, meinen CO2-Fußabdruck so gering wie möglich zu halten. Als Naturfotograf soll man die Natur nicht nur ausnutzen, indem man Geld mit ihr verdient, sondern sie auch schützen; und der einzig wahre Naturschutz für die Polarregionen heißt 'Klimaschutz'.
Es reicht, dass ich im Namen meines Jobs einmal im Jahr nach Longyearbyen und einmal nach Ushuaia fliegen muss: das sind meiner Meinung nach schon viel zu viele Flugmeilen.
Warum also sollte ich zum Vulkan fliegen? Es wäre rein egoistisch: das einzige, was ich wirklich erreichen würde, wäre, dass andere meine Bilder sehen und dann auch hinfliegen wollen. Darum habe ich mich gegen einen Flug entschieden: zugegeben schweren Herzens, aber immerhin reinen Gewissens. Jedes bisschen CO2, das man einsparen kann, zählt!

Der Flug stand also nicht zur Debatte, als Hüttenwart oder Fotograf ließen sie mich nicht ran: also blieb mir nur eine weitere Möglichkeit: hinwandern. So habe ich meinen Rucksack gepackt, die Route recherchiert, und direkt festgestellt, dass es einen großen Knackpunkt gibt: die sicherste (da hochgelegenste und auch kürzeste) Route zum Ausbruch ist eine einzige Wüste. Es gibt dort zwei Flüsse/Bäche, die oft im Spätsommer schon trocken fallen. Von daher war klar, dass ich es nicht in direkte Nähe des Ausbruchs schaffen würde, aber immerhin näher, als von der Ringstraße aus. Vom Mývatn aus ging es dann los: rein in die Lava, auf Richtung Vulkan!





Seit meine Bandscheibenprobleme vor vier Jahren begannen, war ich nicht mehr in der Lage, einen schweren Rucksack zu tragen. Daher nutze ich jetzt einen Wanderanhänger ("Monowalker"): das Gewicht liegt zu 50% auf meiner Hüfte und zu 50% auf dem Reifen, den ich hinter mir herziehe. Ein ungewohnter Anblick und eine ungewohnte Belastung, aber: es funktioniert! Ich war in der Lage, Essen für drei Wochen dabei zu haben, Zelt, Kocher, Treibstoff, Winterschlafsack, sowie meine gesamte Kameraausrüstung. Es ist ohne Frage anstrengend, besonders in so widrigem Terrain abseits jeglicher Wege, aber es funktionierte. Ich kann wieder Mehrtageswanderungen in die Wildnis unternehmen, juchuu!

Weit bin ich nicht gekommen, das kann ich direkt sagen: nämlich aufgrund von Wassermangel. Schon am zweiten Tag war klar, dass wirklich alle Bäche ausgetrocknet sind, und das in der Gegend, die noch am wasserreichsten sein sollte. Von daher habe ich ziemlich schnell diese Wanderung aufgegeben, umgeändert, und bin in einem Bogen zum Mývatn zurückgewandert. Das Wetter war fantastisch, genau wie auch die Herbstfarben. Rund um den Mývatn gibt es immer wieder Flecken ursprünglicher Birkenwälder, und die leuchteten in der tiefstehenden Herbstsonne in allen Farben des Regenbogens. Ein Traum!



Besonders spannend fand ich, dass ich, obwohl ich weit vom Vulkan entfernt war, doch viel davon mitbekommen habe. Dieser Ausbruch produziert viel Lava (das Lavafeld ist mittlerweile über 37 Quadratkilometer groß), aber auch eine große Menge an Gasen: man schätzt, dass die Erde 750 kg Gas pro Sekunde ausspuckt. Es wurden die höchsten Gaskonzentrationen gemessen, seit es die modernen Aufzeichungen gibt: darunter Schwefeldioxid, das in höherer Konzentration extrem giftig ist. Und diese Wolke konnte ich sehen, mehr noch, sie kam zu mir: war das spannend!


Rechts unten seht ihr die Wolke der Eruption, 65km entfernt - und links schmiegt sich eine weiß-bläuliche Gaswolke die Berge entlang. Ich bin natürlich sofort dorthin gelaufen: und war überrascht, kein Schwefel zu riechen, sondern Stadtluft! Es roch stickig, staubig, dreckig, nach Autoabgasen, einer leichter Prise verbranntem Plastik und Ruß. Interessant!

Die Abgase des Vulkans, die höher aufsteigen, sind bräunlich, und färben die Sonne rötlich, selbst wenn sie ganz hoch am Himmel steht. In dem Moment fielen mir die Worte des Pfarrers Jón Steingrímsson ein, der 1783 bei den Ausbrüchen der Laki-Spalte Folgenes niederschrieb:

Die Sonne war rot wie ein Feuerball und der Mond rot wie Blut. 
Der faule Geschmack der Luft, bitter wie Seetang und nach Fäulnis stinkend, 
war tagelang so intensiv, dass die Menschen kaum atmen konnten.

Dieser Vulkanausbruch ist vielleicht der größe Lavaausbruch der letzten 150 Jahre, aber winzig verglichen mit den Laki-Feuern 1783-84. Es war ein beeindruckendes Gefühl, dort zu stehen und einen kleinen Einblick in das zu bekommen, was die Menschen damals in viel, viel größerem Stil erlebt haben.




Auch wenn man diese Wolke nicht immer sieht, sind die feinen Partikel des Ausbruchs in der Atmosphäre: und konnte ich deshalb ungewöhnlich farbige Sonnenauf- und Untergänge erleben.
Wie an diesem Abend, als ich auf dem Hverfell stand und auf den Mývatn hinabschaute.














Die Natur ließ mir gar keine Zeit, mich viel darüber zu grämen, dass ich nicht an den Vulkan herankam: sie beschenkte mich andauernd mit tollen Erlebnissen. Tagsüber die Herbstfarben und unglaubliche Temperaturen, die mich im T-Shirt wandern ließen, morgens und abends irrsinnige Lichtstimmungen: und nachts Nordlichter. In drei Nächten gab es ein Feuerwerk sondergleichen, das sich mit Worten kaum beschreiben lässt. Hier ein paar Impressionen!



Nordlichter begeistern mich immer wieder - besonders so starke, wie diese! Es ist atemberaubend, wenn plötzlich Vorhänge aus Licht über den Himmel wandern, und plötzlich in ein Feuerwerk aus Farben übergehen. Dann wird aus dem normalen farblosen Licht, das nur von Kameras quietschgrün dargestellt wird, ein sanftes Pastellgrün, das ins Weiße und Gelbliche geht und von pinkfarbenen Spitzen gesäumt ist. Es ist einfach nur unbeschreiblich schön!



Die tollste Nacht der vergangenen Woche war allerdings die Nacht vor dem angekündigten Sonnensturm, dessen Bilder ihr grade gesehen habt. Da war ich nicht am Mývatn, sondern bei Kárahnjúkar. In der Nähe des Stausees liegen einige Berge, von denen man die Eruption sehen kann, und genau dort zog es mich hin. Im Sonnenuntergang wanderte ich von der Straße auf den Gipfel des 1000 Meter hohen Grjótárhnjúkur, der 50km Luftlinie vom Vulkanausbruch entfernt liegt. Und von dort aus offenbarte sich mir dann dieser Anblick: 

Ich habe schon lange davon geträumt, einen Vulkanausbruch zusammen mit Nordlichtern zu erleben, war mir aber in dem Falle überhaupt nicht sicher, ob man aus dieser Entfernung viel sieht bzw. ob mir gute Bilder gelingen würden. Ich wusste, dass die Stelle ideal war, dass der Ausbruch von mir aus gesehen genau dort lag, wo das Nordlichtband normalerweise den Horizont berührt - gleichzeitig aber war Vollmond, der eigentlich alle Nordlichter überstrahlt. Dass genau in dieser Nacht ein kleiner Sonnensturm starke Nordlichter an den Himmel zaubern würde, das war eine Überraschung!


Ich war in diesen Tagen extrem frustriert, dass ich nicht näher an den Ausbruch herankam - im Nachhinein sehe ich aber genau das als Segen an. Gerade die Entfernung zum Ausbruch machte es mir möglich, die extrem hellen Farben der Lava und die recht dunklen Lichter der Aurora auf ein Bild zu bekommen. Wäre ich in der Nähe der Lavafontänen gewesen, dann wäre der ganze Himmel so dermaßen rot aufgeleuchtet gewesen, dass man die Nordlichter gar nicht gesehen hätte: man sieht ja auf den Fotos, wie weit das rote Licht abstrahlt. Das ist wohl auch der Grund, warum ich im Internet keine vergleichbaren Aufnahmen finde: dies sind einzigartige Bilder einer einzigartigen Nacht. Ich war, wieder einmal, zur richtigen Zeit am richtigen Ort: Natur ist einfach nur UNGLAUBLICH !!!