Sonntag, 24. Februar 2013

Südgeorgien – Teil 2


Genau wie Grönland vergangenen Herbst, so traf mich Südgeorgien völlig unvorbereitet. Ich hatte mich nie genauer mit einer dieser Inseln beschäftigt, wäre nie im Traum auf die Idee gekommen, sie zu besuchen: einerseits weil ich mir das als Urlaub finanziell nie leisten könnte, und andererseits weil ich bisher sehr auf Skandinavien fixiert war. Allein meine Beschäftigung auf der MS Expedition brachte mich dorthin, einfach weil diese Reise genau in dem Zeitpunkt stattfand, als ich dort arbeitete. Und eben weil ich keinerlei Vorbereitungen getroffen hatte, war ich völlig überwältigt von diesem kleinen Eiland.
    
Blick auf Stromnes, eine ehemalige Walfängerstadt in Südgeorgien. 
Im Fjord die MS Expedition, die uns in einer anderen Bucht absetzte 
                       und uns nach einem vierstündigen Marsch (dem letzten Teil des 'Shackleton Walk') hier abholte.


Südgeorgien ist, wie ihr ja schon im vergangenen Blogeintrag gesehen habt, erstaunlich grün, gleichzeitig hochalpin und stark vergletschert. Wo auch immer man sich in Meeresnähe befinded, muss man Angst haben, von halbstarken antarktischen Seebären angeblafft zu werden, diesen frechen kleinen Motztrollen, die nichts und niemandem in ihren Revier dulden und ihre Unzufriedenheit mehr als deutlich mit ihrer Umgebung teilen.
 
Zu (guter) Landschaftsfotografie komme ich auf dem Schiff nicht: zu wenig Zeit bleibt mir, zu eingebunden bin ich in meinen Job, und außerdem gehen wir immer im hellen Mittagslicht an Land und niemals, wenn es farblich so richtig interessant wird. So spiele ich, wenn ich mal ein paar freie Minuten an Land habe, mit den Motiven, die sich mir bieten: und das sind sowohl in Südgeorgien als auch in der Antarktis die Tiere. Die absoluten Lieblinge aller auf Südgeorgien sind ausnahmslos Pinguine: und zwar die zweitgrößten weltweit: Königspinguine.  
  
Diese Vögel sind durchweg faszinierend. Auf Südgeorgien gibt es einige der weltweit größten Kolonien; die Tiere kommen an Land, um ein Ei pro Paar auf ihren Füßen auszubrüten, 13 Monate lang die Küken großzuziehen, die den kalten Winter in ihren dicken braunen Daunenkleid ausharren. Erst im darauffolgenden Sommer mausern sie in ihr Erwachsenenfederkleid, und erst dann können sie ins Wasser, wo sie eigenständig schwimmen und jagen lernen.
 
 Und so kommt es, dass man in den Kolonien immer alle nur erdenklichen Altersstadien antrifft: Eltern, die brüten, hungrige Jungvögel im dicken Daunenanzug, mausernde Jungvögel die schon von ihren Eltern verlassen wurden, und erwachsene, nicht brütende Tiere, die gerade ihre alljährliche Mauser durchleben. 
 
Im Nachhinein scheint es unglaublich, dass wir nur drei Tage in Südgeorgien waren: so vielfältig waren die Eindrücke, so facettenreich die Königspinguine, für die wir bloß bunte und erstaunlich große Kollegen waren. So unattraktiv und plump die Küken auch wirken mögen, so hübsch und erstaunlich gelenkig sind die erwachsenen Tiere. Ihr Federkleid ist ein Kunstwerk aus Farben, und wenn sie sich strecken und ihren Hals recken, wirken sie überraschend filigran. 
 

Bevor ich hier noch weitere Worte verliere, will ich lieber Bilder zeigen: drei Tage in Südgeorgien waren viel zu kurz, doch dank Wetterglücks und einem hervorragenden Expeditionsleiter kosteten wir jede Minute an Land aus und verbrachten so wenig Zeit wie möglich auf dem Schiff. Und obwohl ich voll eingespannt war in die teilweise recht stressige Arbeit als Guide, AEL, Zodiakfahrer und generell Mädchen für alles, konnte ich viele Bilder mitnehmen aus diesem Tierparadies am südlichen Ende der Welt!  
  

Donnerstag, 7. Februar 2013

Südgeorgien

Während meiner ersten Antarktisreise kam ich so gut wie nicht zum Fotografieren: zu erschlagend war der mir neue Job, zu angefüllt die Tage, zu begeistert war ich von der Natur und da vor allem vom Tierleben. So ähnlich sich Arktis und Antarktis sind, so grundverschieden sind sie auch.

Die beiden Pole teilen sich wolkenverschleierte Gletscher, von Wetter und Eis bearbeitete Steilklippen, Eisberge und monotone Schlechtwetterlagen. Aber da hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Die Antarktis ist ein Kontinent mit bis bis zu 5000m hohen Bergen, die Arktis dagegen ist ein Meer, das von Kontinenten umgeben ist. Niederschläge sind in der Antarktis eine Seltenheit: es gibt kaum Flüsse, die Sedimente ins Meer tragen, weswegen das Meer hier unglaublich blau und klar ist, nicht so milchig braun, wie in der Nähe der arktischen Landmassen. 
  
Beide Meere sind sehr produktiv, der Hauptunterschied der Tierwelt aber beruht auf den Raubtieren: in der Arktis lebt der Feind an Land bzw. auf dem Eis (Eisbär, Polarfuchs und Wolf), wogegen er in der Antarktis im Meer lebt (Orca und Seeleopard). Dementsprechend verhalten sich die bejagten Tiere: in der Arktis sind sie an Land scheu, in der Antarktis fürchten sie an Land nichts zu niemanden und konnten es sich sogar erlauben, das Fliegen zu verlernen.
   
Ein Gentoo, zu deutsch "Eselspinguin" mit zwei wenige Tage alten Küken


Bevor ich die Antarktis etwas näher kennenlernen konnte, wurde ich mit einem weiteren Wunderland bekannt gemacht: mit Südgeorgien. Diese Insel liegt so abseits im Meer, dass man eigentlich immer einen Stop auf den Falklandinseln macht, die von Südamerika gesehen fast auf dem Weg liegen


Wir erlebten die Falklandinseln in Traumwetter: und ich, die ich mich noch nie mit diesem Fleckchen Erde beschäftigt hatte, war überrascht, wie lieblich alles war. Sanfte Hügel, Klima und Wetter wie in Großbritannien, Steilküsten wie auf Hornstrandir, ein Flair von der Nordinsel Neuseelands (mit all den Tussockgräsern oder alternativ stark beweideten Hügelwiesen) - und einer Tierwelt, die ich bis dato nur aus dem Fernsehen kannte. Zum ersten Mal im Leben sah ich Albatrosse, genauer gesagt Schwarzbrauenalbatrosse, die inmitten der heimischen Tussockgräser brüteten.



Zwischen diesen riesigen Vögeln, deren Körper die Umfänge einer Mastgans erreichen, stapften kleine Raufbolde umher: Felsenpinguine, robuste und freche Kerlchen, die sich von nichts und niemandem etwas sagen ließen. Und die, im Sonnenschein vor strahlend blauem Himmel, sehr fotogen waren mit ihren gelben Federn und tiefroten Augen.


Auf dem Weg zurück zu den Zodiaks erblickte ich einen Magellangans-Erpel: ein fast schneeweißes, wunderschönes Tier, das im hohen Gras Samen vertilgte. Ein toller Anblick, bei dem ich meine Kamera wieder aus dem Rucksack holen musste...


Weiter ging die Reise: zwei Tage lang über das stürmische Südmeer. Nach 1000km kamen wir dann in Südgeorgien an und hatten, wie schon auf den Falklandinseln, ungeheures Wetterglück: drei Tage lang nacheinander konnten wir alle Landungen durchführen! Das ist insofern etwas Besonderes als dass die Insel im offenen, rauhen Südpolarmeer liegt und einem hohe Wellen und starke Winde oft einen Strich durch die Rechnung machen. Wir aber mussten nur auf einen einzigen Landgang verzichten und konnten an sechs verschiedenen Orten die Fauna des von Tussockgräsern bewachsenen Gletschergebirges bewundern. 

Ich sah den Vogel mit der weltweit größten Flügelspannweite: den Wanderalbatross, der einem Höckerschwan von der Körpergröße her in nichts nachsteht und dazu mal eben dreieinhalb Meter Flügelspannweite besitzt


Wo wir auch anlandeten wurden wir von grimmigen Antarktischen Seebären empfangen: diese Pelzrobben sind extrem streitlustig und nicht bereit, ihre überbevölkerten Strände mit anderen zu teilen - völlig egal, wie groß die Eindringlinge auch sein mögen!


Die Tiere wurden ob ihres Pelzes fast ausgerottet: auch hier haben Menschen das natürliche Gleichgewicht völlig durcheinander gebracht. Wale, See-Elefanten und selbst Pinguine wurden ihres Fettes wegen gejagt, aus dem Tran gewonnen wurde und welches das Öl der Vorkriegszeit war. 

Ein See-Elefant, ca. 9 Jahre alt und noch im Wachstum begriffen. 
Diese Tiere können 5m lang und 3.7 Tonnen schwer werden!


Nachdem alle bejagten Tiere in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts befriedet wurden, pendelte sich ein neues Gleichgewicht ein: momentan gibt es in Südgeorgien über vier Millionen Seebären, mehr, als jemals zuvor. Die Strände sind voll von ihnen: ob sich der Bestand wieder nach unten korrigieren wird oder so hoch bleibt, wird sich zeigen!


So jedenfalls stehen die antarktischen Seebären unter extremem Konkurrenzdruck: wohl auch ein Grund für ihre Aggressivität. Selbst die winzigen Jungtiere sind schon frech ohne Ende: allerdings auch ziemlich niedlich! Dieses blonde Seebärchen hier kann weniger Farbpigmente ausbilden, als die anderen: Leuzismus nennt sich das und ist im Tierreich ganz und gebe. Weiße Katzen, weiße Tiger, weiße Kaninchen, gefleckte Tiere - erinnert ihr euch an meinen weißen Buckelwal aus der Arktis? Selbes Phänomen, bloß eine andere Spezies!


Ein total verrückter Vogel, den ich sehr ins Herz geschlossen habe, ist der Weißgesicht-Scheidenschnabel, im Englischen "Snowy Sheathbill" genannt. Ich weiß nicht, mit wem diese weißen Clowns verwandt sind, aber sie sind eine wirklich lustige Mischung aus Huhn und Taube und ernähren sich nur von dem, was andere hinterlassen. Sie sind neugierig und haben eigentlich immer nur eines im Sinn: etwas Fressbares zu finden.


Eine meiner Aufgaben an Bord der MS Expedition ist es, Zodiac zu fahren: also Gäste vom Schiff an Land zu bringen und wieder zurück. Fast alle Guides können die 50 PS starken Boote steuern, daher wechseln wir uns von Landung zu Landung ab: mal sind wir an Land, mal fahren wir Bötchen, mal beides – je nachdem wie es grade passt. Bei unserer letzten Landung in Südgeorgien  stand ich am Motor des Zodiacs „Alberta“ und fuhr die Gäste zurück zum Schiff.


Das ist immer mit längeren Warteperioden verbunden, in denen ich dann immer den Motor ausschalte und die Szenerie vom Meer aus beobachte. Kaum, dass ich eine Minute saß, kam ein Scheidenschnabel angeflogen – und wo einer ist, da kommen immer welche nach. Ruckzuck hatte ich 12 Scheidenschnäbel an Bord, die munter auf dem Boot umherstapften und jeden Zentimeter nach Essbarem absuchten. Sie fanden zwar nichts, aber ich hatte meinen Spaß mit den kecken Kerlchen, die nach einiger Zeit sogar mich untersuchten und auf meinem Kopf und Rücken landeten. Es war ein wirklich witziges Erlebnis!


So, die Zeit drängt, ich muss zusehen, dass ich diesen Blog beendet bekomme bevor wir wieder in See stechen. Ich versuche, mich bald mal wieder zu melden!

Liebe Grüße aus Ushuaia,
Kerstin