Donnerstag, 7. Februar 2013

Südgeorgien

Während meiner ersten Antarktisreise kam ich so gut wie nicht zum Fotografieren: zu erschlagend war der mir neue Job, zu angefüllt die Tage, zu begeistert war ich von der Natur und da vor allem vom Tierleben. So ähnlich sich Arktis und Antarktis sind, so grundverschieden sind sie auch.

Die beiden Pole teilen sich wolkenverschleierte Gletscher, von Wetter und Eis bearbeitete Steilklippen, Eisberge und monotone Schlechtwetterlagen. Aber da hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Die Antarktis ist ein Kontinent mit bis bis zu 5000m hohen Bergen, die Arktis dagegen ist ein Meer, das von Kontinenten umgeben ist. Niederschläge sind in der Antarktis eine Seltenheit: es gibt kaum Flüsse, die Sedimente ins Meer tragen, weswegen das Meer hier unglaublich blau und klar ist, nicht so milchig braun, wie in der Nähe der arktischen Landmassen. 
  
Beide Meere sind sehr produktiv, der Hauptunterschied der Tierwelt aber beruht auf den Raubtieren: in der Arktis lebt der Feind an Land bzw. auf dem Eis (Eisbär, Polarfuchs und Wolf), wogegen er in der Antarktis im Meer lebt (Orca und Seeleopard). Dementsprechend verhalten sich die bejagten Tiere: in der Arktis sind sie an Land scheu, in der Antarktis fürchten sie an Land nichts zu niemanden und konnten es sich sogar erlauben, das Fliegen zu verlernen.
   
Ein Gentoo, zu deutsch "Eselspinguin" mit zwei wenige Tage alten Küken


Bevor ich die Antarktis etwas näher kennenlernen konnte, wurde ich mit einem weiteren Wunderland bekannt gemacht: mit Südgeorgien. Diese Insel liegt so abseits im Meer, dass man eigentlich immer einen Stop auf den Falklandinseln macht, die von Südamerika gesehen fast auf dem Weg liegen


Wir erlebten die Falklandinseln in Traumwetter: und ich, die ich mich noch nie mit diesem Fleckchen Erde beschäftigt hatte, war überrascht, wie lieblich alles war. Sanfte Hügel, Klima und Wetter wie in Großbritannien, Steilküsten wie auf Hornstrandir, ein Flair von der Nordinsel Neuseelands (mit all den Tussockgräsern oder alternativ stark beweideten Hügelwiesen) - und einer Tierwelt, die ich bis dato nur aus dem Fernsehen kannte. Zum ersten Mal im Leben sah ich Albatrosse, genauer gesagt Schwarzbrauenalbatrosse, die inmitten der heimischen Tussockgräser brüteten.



Zwischen diesen riesigen Vögeln, deren Körper die Umfänge einer Mastgans erreichen, stapften kleine Raufbolde umher: Felsenpinguine, robuste und freche Kerlchen, die sich von nichts und niemandem etwas sagen ließen. Und die, im Sonnenschein vor strahlend blauem Himmel, sehr fotogen waren mit ihren gelben Federn und tiefroten Augen.


Auf dem Weg zurück zu den Zodiaks erblickte ich einen Magellangans-Erpel: ein fast schneeweißes, wunderschönes Tier, das im hohen Gras Samen vertilgte. Ein toller Anblick, bei dem ich meine Kamera wieder aus dem Rucksack holen musste...


Weiter ging die Reise: zwei Tage lang über das stürmische Südmeer. Nach 1000km kamen wir dann in Südgeorgien an und hatten, wie schon auf den Falklandinseln, ungeheures Wetterglück: drei Tage lang nacheinander konnten wir alle Landungen durchführen! Das ist insofern etwas Besonderes als dass die Insel im offenen, rauhen Südpolarmeer liegt und einem hohe Wellen und starke Winde oft einen Strich durch die Rechnung machen. Wir aber mussten nur auf einen einzigen Landgang verzichten und konnten an sechs verschiedenen Orten die Fauna des von Tussockgräsern bewachsenen Gletschergebirges bewundern. 

Ich sah den Vogel mit der weltweit größten Flügelspannweite: den Wanderalbatross, der einem Höckerschwan von der Körpergröße her in nichts nachsteht und dazu mal eben dreieinhalb Meter Flügelspannweite besitzt


Wo wir auch anlandeten wurden wir von grimmigen Antarktischen Seebären empfangen: diese Pelzrobben sind extrem streitlustig und nicht bereit, ihre überbevölkerten Strände mit anderen zu teilen - völlig egal, wie groß die Eindringlinge auch sein mögen!


Die Tiere wurden ob ihres Pelzes fast ausgerottet: auch hier haben Menschen das natürliche Gleichgewicht völlig durcheinander gebracht. Wale, See-Elefanten und selbst Pinguine wurden ihres Fettes wegen gejagt, aus dem Tran gewonnen wurde und welches das Öl der Vorkriegszeit war. 

Ein See-Elefant, ca. 9 Jahre alt und noch im Wachstum begriffen. 
Diese Tiere können 5m lang und 3.7 Tonnen schwer werden!


Nachdem alle bejagten Tiere in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts befriedet wurden, pendelte sich ein neues Gleichgewicht ein: momentan gibt es in Südgeorgien über vier Millionen Seebären, mehr, als jemals zuvor. Die Strände sind voll von ihnen: ob sich der Bestand wieder nach unten korrigieren wird oder so hoch bleibt, wird sich zeigen!


So jedenfalls stehen die antarktischen Seebären unter extremem Konkurrenzdruck: wohl auch ein Grund für ihre Aggressivität. Selbst die winzigen Jungtiere sind schon frech ohne Ende: allerdings auch ziemlich niedlich! Dieses blonde Seebärchen hier kann weniger Farbpigmente ausbilden, als die anderen: Leuzismus nennt sich das und ist im Tierreich ganz und gebe. Weiße Katzen, weiße Tiger, weiße Kaninchen, gefleckte Tiere - erinnert ihr euch an meinen weißen Buckelwal aus der Arktis? Selbes Phänomen, bloß eine andere Spezies!


Ein total verrückter Vogel, den ich sehr ins Herz geschlossen habe, ist der Weißgesicht-Scheidenschnabel, im Englischen "Snowy Sheathbill" genannt. Ich weiß nicht, mit wem diese weißen Clowns verwandt sind, aber sie sind eine wirklich lustige Mischung aus Huhn und Taube und ernähren sich nur von dem, was andere hinterlassen. Sie sind neugierig und haben eigentlich immer nur eines im Sinn: etwas Fressbares zu finden.


Eine meiner Aufgaben an Bord der MS Expedition ist es, Zodiac zu fahren: also Gäste vom Schiff an Land zu bringen und wieder zurück. Fast alle Guides können die 50 PS starken Boote steuern, daher wechseln wir uns von Landung zu Landung ab: mal sind wir an Land, mal fahren wir Bötchen, mal beides – je nachdem wie es grade passt. Bei unserer letzten Landung in Südgeorgien  stand ich am Motor des Zodiacs „Alberta“ und fuhr die Gäste zurück zum Schiff.


Das ist immer mit längeren Warteperioden verbunden, in denen ich dann immer den Motor ausschalte und die Szenerie vom Meer aus beobachte. Kaum, dass ich eine Minute saß, kam ein Scheidenschnabel angeflogen – und wo einer ist, da kommen immer welche nach. Ruckzuck hatte ich 12 Scheidenschnäbel an Bord, die munter auf dem Boot umherstapften und jeden Zentimeter nach Essbarem absuchten. Sie fanden zwar nichts, aber ich hatte meinen Spaß mit den kecken Kerlchen, die nach einiger Zeit sogar mich untersuchten und auf meinem Kopf und Rücken landeten. Es war ein wirklich witziges Erlebnis!


So, die Zeit drängt, ich muss zusehen, dass ich diesen Blog beendet bekomme bevor wir wieder in See stechen. Ich versuche, mich bald mal wieder zu melden!

Liebe Grüße aus Ushuaia,
Kerstin

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