Die beiden Pole teilen sich wolkenverschleierte Gletscher, von Wetter
und Eis bearbeitete Steilklippen, Eisberge und monotone Schlechtwetterlagen. Aber da hören die Gemeinsamkeiten auch schon
auf. Die Antarktis ist ein Kontinent mit bis bis zu 5000m hohen Bergen, die
Arktis dagegen ist ein Meer, das von Kontinenten umgeben ist. Niederschläge
sind in der Antarktis eine Seltenheit: es gibt kaum Flüsse, die Sedimente ins
Meer tragen, weswegen das Meer hier unglaublich blau und klar ist, nicht so
milchig braun, wie in der Nähe der arktischen Landmassen.
Beide Meere sind sehr produktiv, der
Hauptunterschied der Tierwelt aber beruht auf den Raubtieren: in der Arktis
lebt der Feind an Land bzw. auf dem Eis (Eisbär, Polarfuchs und Wolf), wogegen
er in der Antarktis im Meer lebt (Orca und Seeleopard). Dementsprechend
verhalten sich die bejagten Tiere: in der Arktis sind sie an Land scheu, in der
Antarktis fürchten sie an Land nichts zu niemanden und konnten es sich sogar
erlauben, das Fliegen zu verlernen.
Ein Gentoo, zu deutsch "Eselspinguin" mit zwei wenige Tage alten Küken
Bevor ich die Antarktis etwas näher kennenlernen konnte, wurde ich mit einem weiteren Wunderland bekannt gemacht: mit Südgeorgien. Diese Insel liegt so abseits im Meer, dass man eigentlich immer einen Stop auf den Falklandinseln macht, die von Südamerika gesehen fast auf dem Weg liegen
Wir erlebten die Falklandinseln in
Traumwetter: und ich, die ich mich noch nie mit diesem Fleckchen Erde
beschäftigt hatte, war überrascht, wie lieblich alles war. Sanfte Hügel, Klima
und Wetter wie in Großbritannien, Steilküsten wie auf Hornstrandir, ein Flair
von der Nordinsel Neuseelands (mit all den Tussockgräsern oder alternativ stark
beweideten Hügelwiesen) - und einer Tierwelt, die ich bis dato nur aus dem
Fernsehen kannte. Zum ersten Mal im Leben sah ich Albatrosse, genauer gesagt Schwarzbrauenalbatrosse,
die inmitten der heimischen Tussockgräser brüteten.
Zwischen diesen riesigen Vögeln, deren Körper
die Umfänge einer Mastgans erreichen, stapften kleine Raufbolde umher:
Felsenpinguine, robuste und freche Kerlchen, die sich von nichts und niemandem
etwas sagen ließen. Und die, im Sonnenschein vor strahlend blauem Himmel, sehr
fotogen waren mit ihren gelben Federn und tiefroten Augen.
Auf dem Weg zurück zu den Zodiaks erblickte
ich einen Magellangans-Erpel: ein fast schneeweißes, wunderschönes Tier, das im
hohen Gras Samen vertilgte. Ein toller Anblick, bei dem ich meine Kamera wieder
aus dem Rucksack holen musste...
Weiter ging die Reise: zwei Tage lang über das
stürmische Südmeer. Nach 1000km kamen wir dann in Südgeorgien an und hatten,
wie schon auf den Falklandinseln, ungeheures Wetterglück: drei Tage lang
nacheinander konnten wir alle Landungen durchführen! Das ist insofern etwas
Besonderes als dass die Insel im offenen, rauhen Südpolarmeer liegt und einem
hohe Wellen und starke Winde oft einen Strich durch die Rechnung machen. Wir
aber mussten nur auf einen einzigen Landgang verzichten und konnten an sechs
verschiedenen Orten die Fauna des von Tussockgräsern bewachsenen
Gletschergebirges bewundern.
Ich sah den Vogel mit der weltweit größten
Flügelspannweite: den Wanderalbatross, der einem Höckerschwan von der
Körpergröße her in nichts nachsteht und dazu mal eben dreieinhalb Meter
Flügelspannweite besitzt
Wo wir auch anlandeten wurden wir von
grimmigen Antarktischen Seebären empfangen: diese Pelzrobben sind extrem
streitlustig und nicht bereit, ihre überbevölkerten Strände mit anderen zu teilen - völlig egal, wie groß die Eindringlinge auch sein mögen!
Die Tiere wurden ob ihres Pelzes fast
ausgerottet: auch hier haben Menschen das natürliche Gleichgewicht völlig
durcheinander gebracht. Wale, See-Elefanten und selbst Pinguine wurden ihres
Fettes wegen gejagt, aus dem Tran gewonnen wurde und welches das Öl der
Vorkriegszeit war.
Ein See-Elefant, ca. 9 Jahre alt und noch im Wachstum begriffen.
Diese Tiere können 5m lang und 3.7 Tonnen schwer werden!
Nachdem alle bejagten Tiere in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts befriedet wurden, pendelte sich ein neues Gleichgewicht ein: momentan gibt es in Südgeorgien über vier Millionen Seebären, mehr, als jemals zuvor. Die Strände sind voll von ihnen: ob sich der Bestand wieder nach unten korrigieren wird oder so hoch bleibt, wird sich zeigen!
So jedenfalls stehen die antarktischen Seebären unter extremem
Konkurrenzdruck: wohl auch ein Grund für ihre Aggressivität. Selbst die
winzigen Jungtiere sind schon frech ohne Ende: allerdings auch ziemlich
niedlich! Dieses blonde Seebärchen hier kann weniger Farbpigmente ausbilden, als
die anderen: Leuzismus nennt sich das und ist im Tierreich ganz und gebe. Weiße
Katzen, weiße Tiger, weiße Kaninchen, gefleckte Tiere - erinnert
ihr euch an meinen weißen Buckelwal aus der Arktis? Selbes Phänomen, bloß eine
andere Spezies!
Ein total verrückter Vogel, den ich sehr ins
Herz geschlossen habe, ist der Weißgesicht-Scheidenschnabel, im Englischen "Snowy Sheathbill" genannt. Ich weiß nicht, mit wem diese weißen Clowns
verwandt sind, aber sie sind eine wirklich lustige Mischung aus Huhn und Taube
und ernähren sich nur von dem, was andere hinterlassen. Sie sind neugierig und
haben eigentlich immer nur eines im Sinn: etwas Fressbares zu finden.
Eine meiner Aufgaben an Bord der MS Expedition
ist es, Zodiac zu fahren: also Gäste vom Schiff an Land zu bringen und wieder
zurück. Fast alle Guides können die 50 PS starken Boote steuern, daher wechseln
wir uns von Landung zu Landung ab: mal sind wir an Land, mal fahren wir
Bötchen, mal beides – je nachdem wie es grade passt. Bei unserer letzten
Landung in Südgeorgien stand ich am
Motor des Zodiacs „Alberta“ und fuhr die Gäste zurück zum Schiff.
Das ist immer mit längeren Warteperioden
verbunden, in denen ich dann immer den Motor ausschalte und die Szenerie vom
Meer aus beobachte. Kaum, dass ich eine Minute saß, kam ein Scheidenschnabel
angeflogen – und wo einer ist, da kommen immer welche nach. Ruckzuck hatte ich 12 Scheidenschnäbel an Bord, die munter auf dem Boot
umherstapften und jeden Zentimeter nach Essbarem absuchten. Sie fanden zwar
nichts, aber ich hatte meinen Spaß mit den kecken Kerlchen, die nach einiger
Zeit sogar mich untersuchten und auf meinem Kopf und Rücken landeten. Es war
ein wirklich witziges Erlebnis!
So, die Zeit drängt, ich muss zusehen, dass
ich diesen Blog beendet bekomme bevor wir wieder in See stechen. Ich versuche, mich bald mal wieder zu melden!
Liebe Grüße aus Ushuaia,
Kerstin
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