Ich glaube, ich bin endlich angekommen in meinem neuen Dasein als Doghandler. Nun, nach drei Monaten vollgestopft mit neuen, spannenden Herausforderungen, schleicht sich der Alltag ein - und damit unvermeidlicherweise auch die negativen Seiten dieses Lebensabschnittes. Woran ich schwer zu kauen habe, auch wenn ich mir dessen eigentlich bewusst war, ist die Tatsache, dass ich wieder ganz unten in der Hierarchie angekommen bin. Wie in jedem neuen Job muss man sich den Anforderungen der Chefs beinahe willenlos fügen und sich deren Vertrauen langsam erarbeiten. Gerade Bauern haben ganz spezifische Vorstellungen davon, wie Dinge zu sein haben, wohl auch, weil die Verantwortung für die Tiere schwer wiegt. Und wie immer wird auf dem Lande mit Lob viel eher gespart, als mit Kritik - was ziemlich deprimierend sein kann, wenn man sich 12 Stunden am Tag abrackert und dann doch kaum Reaktionen erntet.
Bei meiner Arbeit auf den isländischen Bauernhöfen war das nicht anders, ich hatte das nur verdrängt gehabt. Ich bin diejenige, die am wenigsten zu sagen hat und deren Wünsche hinter allen anstehen - ich bin der Arbeiter, der neue, unerfahrene Handlanger, der eher für die unliebsamsten Arbeiten eingespannt wird. Beispiele gibt es viele. Wenn die Sonne scheint hilft mir Marianne nur zu gerne beim Trainieren der Hunde, dann sind wir (mit dem reinen Training) zusammen nach zweieinhalb Stunden fertig. Aber wenn es regnet, muss ich generell zweimal mit den Hunden raus und fühle mich dann, nach 5 Stunden fast bewegungslosen Sitzen auf dem Quad, eher wie ein Eisblock als wie ein Warmblüter.
Und ratet einmal, wer auf der Farm zurückbleibt, wenn die Familie mit den besten Hunden auf Trainingsfahrten oder gar Trainingswochenenden in die Umgebung aufbricht?
Ich natürlich.
Jetzt war sogar schon die Rede davon, dass jemand auf die zurückgebliebenen Hunde aufpassen muss wenn Arne und Marianne zum Finnmarksløpet fahren, dem 1000km langen Hundeschlittenrennen quer durch das nördlichste Norwegen, das für alle der Höhepunkt des Jahres ist. Aber da reicht es mir - ich trainiere doch nicht die Hunde tagein, tagaus für dieses Rennen um dann nicht mit dabeisein zu dürfen! Nein, das werde ich mich nicht gefallen lassen! Aber bevor ich da einen Streit anzettele, warte ich lieber noch etwas. Denn der Finnmarksløpet ist erst Mitte März und bis dahin kann noch ganz viel geschehen. Es ärgert mich allerdings extrem, dass meine Chefs die Dreistigkeit besitzen, mich von diesem Rennen ausschließen zu wollen, die ich hier täglich zuverlässig rund um die Uhr ihre Hunde betreue und viel mehr Kontakt zu ihren Tieren habe, als sie selber.
Eine ganz andere Sache hat mich auch sehr enttäuscht, nämlich das Wetter hier in Langfjordbotn. Das Tal ist nicht ohne Grund berühmt für seinen Schneereichtum: wenn irgendwo die Wolken hängen, dann hier. In den Fjorden und Tälern ringsumher mag die Sonne scheinen, aber hier ist es eigentlich andauernd bewölkt. Dabei ist reine Bewölkung noch gutes Wetter, allerdings auch sehr unbefriedigend für einen Nordlichtsüchtigen, wie mich, der noch dazu Autofahren verweigert und daher auch nicht dem Wetter entfliehen kann.
Jetzt aber, zwei Tage bevor Arne und Marianne mal wieder in Urlaub fahren (diesmal zwei Wochen nach Spanien), hatte ich endlich einmal Glück mit dem Wetter und Nordlicht an meinen zwei freien Tagen!
Donnerstag Nacht war eine besondere Nacht! Abends verschwand die Bewölkung gänzlich und gab den Blick auf den Himmel frei, der zwischen 21 Uhr und 2 Uhr beinahe ununterbrochen von Nordlichtern überzogen war! In allen Himmelsrichtungen wanderten graue und grüne Lichtvorhänge über den Himmel, mal statisch, mal hochaktiv. Es war absolut faszinierend so direkt unter dem Polarlichtoval zu stehen - wohin man blickte sah man nur Nordlicht! Dies eröffnete mir ein total unerwartetes Problem: nämlich die Frage, wie man diese riesigen Dimensionen fotografieren soll. In Island hält sich Polarlicht oft horizontnah - wie aber macht man gute Fotos von etwas so großem, dass sich am Himmelszenit befindet?
Eine Frage, mit der ich mich diesen Winter vermutlich noch öfters beschäftigen werde!
Zu den riesigen Nordlichtbögen gesellte sich etwas, das ich leider nicht fotografieren konnte: die Orioniden. Diese sind ein Meteorstrom, der vom Haleyschen Kometen stammt und in der dritten Oktoberwoche generell für viele Sternschnuppensichtungen sorgt. Unter dem Lichtspiel der Nordlichter auch noch teils sehr helle Meteore beobachten zu können, war etwas wirklich ganz Besonderes!
Nach diesem wunderbaren Erlebnis beschloss ich dann, in der darauffolgenden Nacht noch einmal zum Kobbivatnet zu wandern, dem See im Hochtal, den ich ja schon bei Regen und Schnee kennengelernt hatte. Die Kombination von See und Bergen reizte mich: wenn ich Glück hatte würde sich vielleicht ein stärkeres Nordlicht im See spiegeln!
Da die Sonne mittlerweile vor vier Uhr untergeht (bzw. drei Uhr, heute Nacht ist ja auch in Norwegen Zeitumstellung) ist es um 18 Uhr dunkel genug für Nordlichter und war ich um 19:30 Uhr oben am See. Der war zu meinem leichten Verdruss zwar zugefroren (was ich mir ja eigentlich hätte denken können!), allerdings würde auch das weiße Eis einen interessanten Vordergrund hergeben.
Wenn es denn Polarlichter gegeben hätte! Die ersten zwei Stunden war der sternklare Himmel tiefschwarz und verbrachte ich meine Zeit mit dem Suchen von Sternbildern, was mir immer wieder Spaß macht, schließlich vergisst man über den Sommer viele der kleinen Sternbilder gerne. Dennoch habe ich es auf 21 Sternbilder gebracht, ohne Bestimmungsbuch - unnützes Wissen trägt der Mensch mit sich herum, ich sags euch...
Um 22 Uhr war es dann aber vorbei mit dem Sternezählen - dann nämlich lenkte mich sehnlich erwartetes Nordlicht vom Frieren ab! In der Dunkelheit der mondlosen Nacht jenseits der Zivilisationslichter konnte meine Kamera ihre Stärken ausspielen: was die Nikon D700 an Sternen wahrnehmen kann wenn man sie richtig bedient, ist wirklich nur erstaunlich!
Gut zwei Stunden lang herrschte relativ starke Nordlichtaktivität, dessen Farbe bis ins starke Grün und leichte Gelb überging. Die Rottöne, die die Kamera oft wahrnimmt wenn das Grün stark ausgeprägt ist, sind fürs menschliche Auge allerdings unsichtbar.
Erst kurz vor Mitternacht kam mir der Gedanke, dass am Ausfluss des Sees vielleicht offenes Wasser zu finden sei, weshalb ich fotografierend zum Talende wanderte. Ich konnte mein Glück kaum fassen, dass dem tatsächlich so war: die paar Meter des Sees, aus denen der Bach sein Wasser zieht und daher Strömung verursacht, hatte sich kein Eis bilden können. Die Aurora war in der Zwischenzeit genau an den Ort gewandert, wo ich sie haben wollte und spiegelte sich im glatten Wasser wieder. Es war schöner, als ich es mir in meinen kühnsten Träumen zu hoffen gewagt hätte, einfach nur fantastisch!
Die Kamera dicht über den Wasserspiegel abzusenken (und mich gleich mit) war zwar ein nasses und kaltes Unterfangen (wir hatten etwa -6°C), aber das war nebensächlich. Fünfzehn Fotos konnte ich von diesem Motiv machen, dann verschwand das Nordlicht und war ich so durchgefroren, dass ich mich bewegen musste und den anderhalbstündigen Rückweg antrat.
Um zwei Uhr Nachts war ich dann wieder zurück auf Parken Gård, verbrachte aber die folgenden zwei Stunden noch damit, die Fotos des Abends zu sichten und zu bearbeiten - schließlich konnte ich am nächsten Morgen ausschlafen. Selten war ich dabei so gut gelaunt, wie es gestern der Fall war! Die Mühe, die mehreren Stunden Marsch und das Frieren hatten sich wieder einmal ausgezahlt: genau solche Motive sind es, die mich immer wieder zu solchen durchwachten Nächten anspornen. Denn Fotos wie diese machen auch Polarlichtjäger wahrlich nicht alle Tage!
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