Nach der Rückkehr von meiner vergeblichen Lavajagd fiel ich schon am frühen Abend wie ein Stein in mein Gästebett auf Lágafell - zwei durchwachte Nächte verlangten ihren Zoll. Als ich am nächsten Tag erwachte, schien mir die Sonne ins Gesicht - und war ich regelrecht wütend deswegen. Wo war der Regen, den die Wettervorhersage prophezeit hatte? Und nicht nur, dass ich eine sternklare, windstille Nacht am Vulkan verschlafen hatte: laut Internet waren in der vergangenen Nacht auch starke Nordlichter am Himmel zu sehen gewesen. OH MAN wie unfair kann das Leben nur sein?
Presse und andere Fotografen hatten Bilder gemacht, von denen ich nur träumen kann: Lavafontänen und rot angestrahlte Vulkanwolke unter einem gleißend grünen Nachthimmel.
Fotos von Nordlichtern über dem Vulkan, geschossen vom amerikanischen Reuters-Fotografen Lucas Jackson, findet man hier: www.spiegel.de - Feuerwerk über isländischem Vulkan
Und ein netter Bericht zur Entstehungsgeschichte dazu hier: Reuters - Luck is a funny thing
Nach dieser verpassten Chance packte ich trotzig meinen Rucksack zusammen und machte mich wieder auf den Weg in die Fljótshlið: ich hatte den Entschluss gefasst, den Berg Þórólfsfell wieder zu erklimmen und da so lange zu warten, bis ich zumindest einmal glühende Lava fotografiert hatte! Meine Güte hatte ich eine Laune an diesem Morgen - alles war blöd: der Vulkan an erster Stelle, das Wetter und die Wettervorhersage folgten dichtauf, und meine Hauptwut galt natürlich all jenen, die in der vergangenen Nacht die Fotos gemacht hatten, die ich mir im Schneetreiben und Nebel der vorherigen Nächte vor meinem inneren Auge ausgemalt hatte.
Die Wettervorhersage war wie immer unschlüssig, Bewölkung bis Schnee in der kommenden Nacht, Sturm und Sonne am kommenden Tag. Es stürmte schon ganz ordentlich, und der Wind hatte gedreht und trieb die Aschewolke genau in die Fljótshlið. Der Gletscher war durch den Aschefall fleckenweise gewittergrau gefärbt, der Himmel über mir war kakaobraun statt blau. Als ich endlich unten am Ende der Straße angekommen war, fiel jedoch keine Asche: der immer stärker zunehmende Wind schien ein wenig zu drehen. Ich überlegte, unten im Tal zu bleiben, beschloss dann aber, den Aufstieg zu wagen. Und so stand ich dann eine Stunde später wieder auf 500m Höhe und verbrachte des Rest des Tages damit, einen windgeschützten Ort mit Blick auf den Vulkan zu finden.
Ich verbrachte die Nacht an der Südseite des Berges im Windschatten einiger größerer Felsen. Wolken verschleierten den Vulkan, und der Wind war so laut, dass das Donnergrollen der Eruption kaum zu hören war. Teilweise wurden die Sturmböen so intensiv, dass ein Abstieg mit meinem großen Wanderrucksack ohnehin nicht in Frage gekommen wäre: ich würde die Nacht also wieder dort oben verbringen müssen, definitiv. Mir sollte es aber nur recht sein!
Die Nacht in Südisland ist Ende April nicht mehr lang: erst um 22:30 Uhr ist es so dunkel, dass man starkes Nordlicht erkennen könnte, der Himmel bleibt immer blau und man sieht nur die hellsten Sterne. Mitte der Nacht ist um genau 1:00 Uhr, und um kurz nach drei ist der Himmel dann wieder überall hellblau. Viel Zeit bleibt also nicht, um das rote Glühen der Lava sehen zu können. Um 23:20 Uhr war es soweit: durch die Wolkendecke hindurch sah ich ein pinkfarbenes Glühen, und ein paar Minuten später ein paar fliegende Lavabrocken!
Danach wurden die Wolkenlücken immer größer und häufiger und das Glühen immer stärker. Ich konnte es kaum glauben: ich sah zum ersten Mal einen Ausbruch bei Nacht! Aufgrund des Sturmes war niemand auf dieser Seite des Tales außer mir und der Bergrettung, die unten am Weg darauf aufpasste, dass niemand weiter gen Osten fuhr.
Die Eruptionen nahmen mal zu, mal ab. Mal wurde Asche ausgestoßen und leuchteten die Wolken grell orange, mal verlosch das Leuchten fast komplett und wurde die Wolke fast unsichtbar. Der Mond wanderte im Laufe der Nacht hinter den Bergen entlang und beleuchtete die Wolken und den Gletscher mehr und mehr von der Seite und von vorne - es war wunderbar!
Ich fotografierte eigentlich die ganze Nacht hindurch, die ganze Zeit in den Windschatten des kühlschrankgroßen Felsens gekauert, der aber eigentlich kein Windschatten war, sondern nur eine Zone mit weniger starken Windböen. Meine Kamera auf dem Stativ wurde nämlich trotzdem bei fast jedem Bild zum Wackeln gebracht, was dazu führte, dass die Lavaspuren auf den meisten Bildern aussehen, wie Drehkreisel, und die Sternspuren teilweise U-förmig sind - von furchtbar verwackelten Vordergründen mal ganz abgesehen. Aber ein paar einigermaßen scharfe Fotos sind dennoch entstanden!
Die Stunden jedenfalls vergingen wie im Fluge. Wolken verschleierten den Gipfel und gaben ihn wieder frei, der Mond verschwand mal hinter dunklen Aschewolken, mal schien er hell auf den weiß-grau gefleckten Gletscher.
Ich war so auf den Ausbruch konzentriert, dass ich der Umgebung so gut wie keine Aufmerksamkeit schenkte: bis ich bei der Kontrolle eines Bildes mich plötzlich darüber wunderte, dass der Gletscher grünlich schimmerte. Erst dann drehte ich mich um und sah zum nördlichen Himmel herüber, über dem starke Nordlichter tanzten! Ich war sprachlos! Die Nordlichter waren die stärksten, die ich in diesem Winter gesehen habe! Leuchtend grün waberten sie über den blauen Himmel, wurden teilweise gleißend weiß und violett. Ich machte nur ein Foto, dann genoss ich das Schauspiel ganz ohne Kamera, weil die bunten Farben nur in Gegenwindrichtung zu sehen waren und ich da im Sturm ohnehin keine guten Fotos zustande bekommen hätte.
Als die Aurora so stark wurde, bildete sich ein zweiter, schwächerer Nordlichtbogen weiter im Süden aus: nicht spektakulär, aber südlich genug, um in einer Weitwinkelaufnahme mit Vulkanausbruch und Mond verewigt zu werden. Man kann zwar leider nicht eindeutig erkennen, dass das rote Licht einem Vulkanausbruch entstammt (könnte ja theoretisch auch ein Gewächshaus auf einem Berg im Winter sein), aber das nachfolgende Bild stellt für mich nichts desto trotz die Krönung dieser Nacht dar. Ich habe nicht nur zum ersten Mal glühende Lava sehen und fotografieren können, sondern auch noch Aurora am selben Nachthimmel tanzen sehen - was für Kontraste! Gletschereis und glühender Fels, weißer Schnee und schwarze Asche, rote Lava, grüne Nordlichter und gelber Mond vor blauem Himmel - es war wirklich unglaublich, einfach nur unglaublich!
Diese Nacht entschädigt mich doppelt und dreifach für den Frust der vorherigen Nächte und das viele Frieren. Lange, lange werde ich diese Bilder mit mir herumtragen. Mir ging ein Traum in Erfüllung: was allerdings nicht heißt, dass ich nicht weiterhin Vulkane belagern werde. Momentan gönne ich mir aufgrund schlechten Wetters einen Ruhetag in Reykjavík und organisiere die kommenden Wochen. Bis Mitte Mai werde ich noch den Vulkan belagern können, dann habe ich mich beim Ferðafélag Íslands wieder drei Monate lang als Hüttenwart verpflichtet . Trotz schlechter Wetterprognosen werde ich mich vermutlich gegen Ende der Woche auf den Weg in die Þórsmörk machen und versuchen, den Vulkan von dort aus zu fotografieren. Es ist zwar offiziell weiterhin verboten, dorthin zu reisen (die Polizei droht mit Strafe), aber ich verfüge ja über die besten Kontakte (ein Hüttenwart wird mich reinschmuggeln) und begebe mich nicht in mehr Gefahr, als sonst auch auf meinen Solo-Rucksackwanderungen. Gut, sollte die Katla ausbrechen, dann ist die Þórsmörk gar kein guter Ort und wäre ohnehin alles zu spät - aber mit dem Denken dürfte ich auch in kein Auto steigen. Ein bisserl Risiko muss sein! Ansonsten hätte ich auch die hier gezeigten Bilder nicht machen können und diese unglaubliche Nacht nicht erlebt, die ich nie wieder vergessen werde! :-)
Tolle Bilder,
AntwortenLöschenGrüsse, Maike