Freitag, 7. August 2009

Norwegen - Eine Idee wird Wirklichkeit

Den Gedanken, nach Norwegen zu gehen, trage ich nun schon ein paar Jahre mit mir herum. Schon seit langem wollte ich unbedingt einmal einen Polarwinter erleben: einen richtigen Winter mit mehreren Monaten Kälte und möglichst viel Schnee. Spannend stelle ich mir auch totale Dunkelheit zum Jahreswechsel vor, bzw. die wenigen Stunden des "blauen Lichtes", wenn die Sonne es fast bis zum Horizont schafft, dann aber untergeht, bevor sie aufgehen kann. Island liegt ja unterhalb des Polarkreises, weshalb die Sonne selbst zur Wintersonnwende drei bis vier Stunden lang über den Horizont lugt. Wenn man Glück hat, liegt dann auch Schnee - aber da die Insel vom Golfstrom aufgeheizt wird und im Winter ständig in Tiefdruckgebieten festhängt, regnet es dort häufiger, als dass es schneit. Anfangs war so ein Islandwinter spannend für mich Rheinländerin, die mehr als 5cm Schneefall als etwas Besonderes ansieht - aber nach und nach wollte ich es noch extremer. Noch dunkler. Und definitiv kälter!


Ein sonniger Wintertag in Island

So begann ich vor vier Jahren, einfach mal im Internet zu stöbern, was eine Kerstin denn so einen Winter lang in kalten Ländern machen könnte. Finnland und Schweden erwiesen sich als landschaftlich zu einseitig, Russland, Grönland, Kanada und Alaska kamen unter anderem deshalb nicht in Frage, weil sie zu weit entfernt waren oder ich die Sprache nicht beherrsche. Die Antarktis hätte ich auch noch genommen, aber auf den wenigen Forschungsstationen einen Job zu finden, ist so gut wie unmöglich, wenn man das nicht mit einem wissenschaftlichen Projekt oder einem technischen Beruf verbinden kann.

Die Wahl fiel daher recht schnell auf Islands Nachbarland Norwegen - bzw. auf NORD-Norwegen, denn oberhalb des Polarkreises musste es schon sein!
Es ist wohl überflüssig, zu erwähnen, dass auch die Nähe und (relative) Ursprünglichkeit der Natur ein absolutes Kriterium war, damit ich auch ohne Auto schnell vor Menschen flüchten bzw. Fotomotive finden kann...

Anfangs liebäugelte ich mit der Idee, zwei Semester lang an einer norwegischen Folkehøgskole zu studieren. Diese "Volkshochschule" ist eine Spaß-Uni, eine Vollzeitschule meist mit Internat, an der junge Norweger nach Schulabschluss für ein Jahr einfach mal etwas lernen, wozu sie wirklich Lust haben. Das kann alles mögliche sein: mich interessierten aber entweder Naturfotografie, Winter-Outdooraktivitäten, oder Schlittenhunde. Und es gibt da tolle Schulen! Eine auf den Lofoten, eine andere irgendwo im Nirgendwo bei Hammerfest, spezialisiert auf Naturfotografie und Wintersport - aber leider lassen sich diese Schulen ihre Dienste auch ordentlich etwas kosten. Mich schreckte außerdem ab, dass die Schulen eher für 18-20jährige gedacht sind, die das erste Mal dem Elternhaus entfliehen. Darum begrub ich vor zwei Jahren die Idee der Schule, liebäugelte aber jetzt mit Schlittenhunden. Das war mal etwas ganz Neues und Ausgefallenes und klang interessant!

Im Internet fand ich etwa 25 verschiedene Anbieter von Schlittenhundetouren für das mittlere und nördliche Norwegen. Nach einem ersten Sichten (Liegt mir das nördlich genug? Machen die Leute einen einigermaßen ordentlichen Eindruck?) schrieb ich etwa 15 dieser Schlittenhundemenschen an. Das war im November 2008, mitten in der Saison - dementsprechend negativ fielen die Antworten aus. Alles Absagen.

Im Frühsommer dieses Jahres suchte ich noch einmal im Internet und fand diesmal sogar Stellen ausgeschrieben: allerdings betonten diese, nur an bereits erfahrenen Helfern interessiert zu sein. An denen scheint es nicht zu mangeln, da es wohl mehrere Folkehøgskolen gibt, die das Betreuen und Rennen von Schlittenhunden lehren. Aber egal: zehn meiner Dezemberkontakte schrieb ich noch einmal an und bewarb mich offiziell um eine Stelle. Die Unterschiede bei den Kennels (so nennt man die Anlage in der die Hunde leben) waren dabei enorm: von einer Familie mit "nur" 15 Hunden bishin zu einem Kennel mit 250 Tieren war alles dabei. Bei letzterem bewarb ich mich aber schlussendlich doch nicht, obwohl diese ausdrücklich auch unerfahrene Menschen suchten, und davon viele. Aber ich kann mir halt einfach nicht vorstellen, dass 250 Hunde an einem Ort unter guten Bedingungen gehalten werden können und ich dort gute Arbeitsverhältnisse vorgefunden hätte.

Von den zehn Bewerbungen fielen acht negativ aus. Zwei jedoch antworteten nicht mit Absagen: der eine war einer der führenden Musher Norwegens, welcher an der Grenze zu Finnland lebt (ein Musher ist jemand, der Hunderennen fährt), der andere eine Familie an der Westküste Nordnorwegens. Der Musher bot mir einen bezahlten Job an, der hauptsächlich darin bestand, Touristenhütten zu putzen und mit Touristen Hundeschlitten zu fahren. Ganz anders die Familie, die ihre 35 Hunde privat hielt und mir ganz klar sagte, mich nicht bezahlen zu können, mir aber Kost und Logie zu stellen und mich 100% nur mit Hunden arbeiten zu lassen.


Ein Snapshot der Homepage, über die ich meinen neuen Job fand

Nach einigen Tagen Bedenkzeit hatte ich mich dann entschieden. Ich würde im Herbst nicht nach Island zurückkehren (was auch eine Option gewesen war), sondern tatsächlich die Sache mit den Hunden ausprobieren. Den bezahlten Job beim Musher schlug ich allerdings aus, da ich kein gutes Gefühl dabei hatte (zu recht, wie sich später herausstellen würde), und mir die Landschaft dort zu finnisch-flach war. Da sag noch einer etwas gegen Google und Google Earth! Eine hervoragende Möglichkeit, sich als Fotograf über die Landschaft an unbekannten Orten zu informieren!

Also sagte ich der Familie zu, von der ich wenig mehr wusste, als die Dinge, die auf der Homepage standen: ein Ehepaar Anfang Vierzig mit zwei Kindern, 35 Hunden, einer Farm mit Kühen und einem Faible für Hundeschlittenrennen. Doch das war allemal genug, um ein gutes Grundgefühl zu haben. Mit deren Adresse und Telefonnummer bewaffnet machte ich mich dann von Oslo aus auf die Reise gen Norden, über die ich ja schon berichtet habe.

Und damit will ich den Einschub beenden und den nächsten Bericht vorbereiten: über meinen letzten Tag der Reise und meinen ersten Tag im neuen Job.

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