Montag, 24. August 2009

Die Hunde

Wenn ich euch bitte, euch einen Husky vorzustellen - wie schaut der aus?
Ihr habt doch jetzt bestimmt das Bild eines knuddeligen Hundes vor Augen, der schwarz-weißes, dichtes Fell und ein blaues und ein braunes Auge hat, oder?

So zumindest ging es mir, als ich mir vor meiner Ankunft die Hunde vorstellte, mit denen ich das kommende Jahr verbringen würde. Ein Husky ist ein Husky, dachte ich - bis ich in Arnes und Mariannes Kennel stand und nicht mehr so wirklich wusste, was ich denken sollte. Ich fand mich nämlich 40 Hunden gegenüber, die so unterschiedlich aussahen, dass sie wunderbar in die Kulisse eines Tierheimes gepasst hätten. Einfarbige und gescheckte Hunde sah ich da, solche mit schwarzem, weißem, braunem oder buntem Fell, mit Blesse oder ohne, mit braunen, blauen oder gemischten Augen. Es gab schlanke, windhundförmige Tiere und eher bulligere, huskyähnliche; es gab solche mit Stehohren und solche mit Schlappohren, mit kurzem oder langem Fell. Kein Hund sah aus wie der andere! Kurzum: es war ein buntgemischter Haufen!

All meiner Zweifel zum trotz handelte es sich tatsächlich um Huskys: und zwar um so genannte Alaskan Huskies. Dies ist kein Rassename, sondern viel eher eine Bezeichnung für eine ganz besondere Kategorie von Hund. Die ursprünglich aus Alaska und Kanada stammenden Hunde sind nämlich Mischlinge höchst unterschiedlicher Abstammung. Als zu den Zeiten des Goldrausches in Amerikas kaltem Norden Zugtiere gebraucht wurden und Pferde im tiefen Schnee nicht eingesetzt werden konnten, nutzte man alle Hunde die man fand. Dabei ergaben sich Kreuzungen aus den einheimischen, wolfsähnlichen Indianerhunden mit sibirischen Huskys und allen möglichen europäischen Arten, welche die Goldsucher und weißen Siedler mitgebracht hatten. Es entwickelten sich zwei Typen von Nutzhunden: große und starke Tiere, die Lasten zogen, und kleine, schnelle Hunde, die zum Überbrücken von Distanzen genutzt wurden und beispielsweise im Winter die Post transportierten. Schnell setzte gezielte Zucht ein und wurden die Husky-Bastarde absichtlich mit schnellen, lauffreudigen Hundearten gekreuzt, wie etwa mit Windhunden und auch Jagdhunden wie Settern, Retrievern oder Labradoren.

Das Ergebnis sind die Alaskan Huskies: eine sehr vielfältig ausgeprägte Mischrasse, die je nach Halter unterschiedlich weitergezüchtet wird. Allen ist jedoch eines gemein: ein unbändiger Wille zum ausdauernden Laufen, ein dichtes Fell und oft gute Kältetoleranz, Genügsamkeit und ein sehr gutes Sozialverhalten anderen Hunden und Menschen gegenüber.

Sie haben gegenüber den "richtigen" Huskyrassen einige Eigenschaften verloren, sind z.B. nicht mehr so extrem an Kälte angepasst und nicht so aggressiv und wölfisch, wie es die echten Huskies wohl sind. Statt dessen sind sie aber viel menschenfreundlicher und solch schnelle und ausdauernde Läufer, dass sie sich auf langen Distanzen gegen alle anderen Schlittenhunde durchsetzen. Dies ist auch der Grund, weshalb Marianne und Arne diese Mischlinge halten und züchten - sie laufen den echten Huskies schlichtweg vor der Nase davon. Das richtige Training und eine gute Veranlagung vorausgesetzt, sind sie in der Lage, einen Menschen auf einem Schlitten über Dutzende von Kilometern hinweg mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 25-30km/h zu ziehen. Das kann dann in solchen Extremen ausarten, dass die Elite der Schlittenhunde auf Langstreckenrennen pro Tag über 200 km zurücklegen kann - und das zehn und mehr Tage am Stück.


Die Schlittenhundeszene hier oben in Nordskandinavien ist in etwa so verrückt und "flohgebissen", wie in Island die Islandpferdeszene. Schlittenhunde zu halten, sagen sie hier, ist kein Freizeitvergnügen sondern ein Lebensstil. Und so kommt es, dass die Hundehalter/Musher kaum etwas anderes im Sinn haben, als ihre Hunde: bei fast jedem Gespräch kommt das Thema irgendwann auf Hunde oder Rennen zurück. Das liegt auch daran, dass alle Kennelbesitzer hier auf ein großes Ziel hinarbeiten: die möglichst erfolgreiche Teilnahme an einem der großen Schlittenhunderennen Nordeuropas. Hier bei uns steht alles im Schatten des Finnmarksløpet, Europas längstem Schlittenhunderennen, welches immer Anfang März stattfindet. Bis dahin müssen die Hunde in der Lage sein, 1000km in möglichst kurzer Zeit zurückzulegen, wünschenswerterweise in unter sechs Tagen.

Dieses Ziel erscheint mir momentan allerdings ziemlich utopisch, muss ich zugeben, da unsere Huskys sich bereits nach fünf Kilometern schnaufend und hechelnd bei jeder Pause ins Gras fallen lassen. Zum einen sind sie nach der Sommerpause aus dem Training, und zum anderen leiden sie merklich unter der Wärme. Hier warten Tier wie Mensch sehnlichst darauf, dass die Tagestemperaturen endlich unter 12°C sinken - momentan ist es teilweise sogar nachts zu warm zum trainieren.


Wir müssen die Tiere daher wie Elitesportler nach einer langen Sommerpause wieder langsam mehr und mehr fordern und ihre Kondition aufbauen. Von fünf auf zehn auf zwanzig Kilometer wird sich das Training steigern, bis sie dann irgendwann 100km und mehr am Stück laufen können. Dies zumindest ist das Ziel des Winters: ein Gespann von etwa 14 Hunden zu besitzen, das sich beim 1000km-Rennen des Finnmarksløpet unter die ersten zehn Platzierungen läuft. Mal sehen, was daraus werden wird - noch ist gerade einmal beginnender Herbst und bin ich komplett grün hinter den Ohren, was das alles angeht. Ich schaffe es ja gerade einmal mit Mühe, die Hunde überhaupt alle auseinanderzuhalten! Und Arne, welcher das Rennen fahren will, ist zu krank, um im momentanen Zustand daran teilzunehmen. Wir hoffen alle sehr, dass er möglichst bald wieder fitter ist, denn dieses Rennen ist DAS Ereignis des Jahres - für die Hunde, für die Familie, für den gesamten Schlittenhundesport Nordskandinaviens. Ich bin daher wirklich sehr neugierig was die kommenden Monate bringen werden!

1 Kommentar:

  1. Die Lisa vorm Fjord - die war ja ganz begeistert und mächtig stolz, wenn ich mir das Bild so anschaue :-)

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