Am zweiten April,
dem zehnten Tag meiner Skitour, war das Wetter prima: kalter
Nordwind, kein Niederschlag und nur leichte
Bewölkung. Weil der Regen nach zwei Tagen wieder in Schnee umgeschlagen war und die Temperatur seitdem wieder unter dem Gefrierpunkt lag, war noch massig Schnee da, um weiterzuziehen:
also trat ich, dick vermummt, die nächste Etappe an. Der Gegenwind
war unangenehm kalt; ich schätze mal, dass die Außentemperatur bei
so -8°C lag, und der Windchill-Effekt
drückte das ganze dann locker unter die -15°C. Kurz nach Aufbruch,
die Hütte Hvítárnes war noch in Sicht, wollte ich mal wissen, wie
dämlich ich denn wohl aussehe und machte ein Selfie. Ich nannte mich an dem
Tag dann nur noch „die Nase“...
Ab sofort war ich auf dem Wanderweg 'Kjalvegur' unterwegs: heute waren es nur 15 Kilometer bis zur nächsten Hütte. Der Schnee war nach dem Regen der letzten Tage total vereist und damit ideal zum Ziehen des Pulkas. Die Route selbst war komplett flach, ich glaube, insgesamt nur 80 Höhenmeter - dies war die wohl einfachste Etappe der Reise! Und so kam ich, trotz späten Aufbruchs, bereits am frühen Nachmittag am Tagesziel an, in Þverbrekknamúli.
Ab sofort war ich auf dem Wanderweg 'Kjalvegur' unterwegs: heute waren es nur 15 Kilometer bis zur nächsten Hütte. Der Schnee war nach dem Regen der letzten Tage total vereist und damit ideal zum Ziehen des Pulkas. Die Route selbst war komplett flach, ich glaube, insgesamt nur 80 Höhenmeter - dies war die wohl einfachste Etappe der Reise! Und so kam ich, trotz späten Aufbruchs, bereits am frühen Nachmittag am Tagesziel an, in Þverbrekknamúli.
Ihr wisst ja
mittlerweile, dass isländische Namen lang
und kompliziert sein können, aber sie bedeuten immer etwas, das man
noch nachvollziehen kann. Ein 'múli' ist eine Art Vorgebirge, ein 'vor
etwas anderem stehender Berg oder Hügel', und 'Þverbrekkur'
bedeutet übersetzt 'querliegender Hang' und ist der Name des
benachbarten Berges/Hügels. Frei übersetzt bedeutet Þverbrekknamúli
also 'Der vor
dem querliegenden Hang liegender
Hügel'. Und die dortige Hütte heißt
halt auch so. Ich war entzückt, als ich die Lage der ziemlich
modernen Hütte sah: am Rande eines weiten Tals, direkt vor dem prächtigen Berg Hrútfell. Und ich musste laut lachen, als ich die Tür suchte bzw. fand. Die versteckte sich
nämlich hinter der größten Schneewehe der Umgebung. Das war ja mal
wieder typisch!
Seht ihr die Tür? Die ist da, wo der Schnee das Dach berührt ... |
Zu meiner freudigen Überraschung schien ich nicht die erste Person zu sein, die feststellte, dass die Hütte für die Winternutzung doof ausgerichtet war. Vor der eigentlichen Eingangstür, die sich nach innen öffnete, befand sich eine 'Schneetür' in zwei Teilen. Und das bedeutete, dass ich den Eingang 'nur' auf Hüfthöhe freischaufeln musste. Dann konnte ich den oberen Teil der Schneetüre öffnen, die Klinke der eigentlichen Tür erreichen und in die Hütte einsteigen. Und lieber klettere ich jedes Mal hoch bzw. runter, als dass ich noch eine Stunde ins Bewegen mehrerer Kubikmeter teils zu Eis gewordenen Schnees investiere...
Hier in
Þverbrekknamúli blieb ich geschlagene
sechs Nächte. Das Wetteramt sagte einen
heftigen Sturm voraus, und die Hütte war prima geeignet, um den
auszusitzen. Zumal sie wunderbar gelegen war! Der kleine Hügel
Þverbrekknamúli ragte direkt hinter der
Hütte auf und ermöglichte mir einen
tollen Rundumblick auf das mittlere Hochland. Im Norden der Kjalfell,
im Nordosten der Hofsjökull, im Osten
die Kerlingarfjöll und im Südwesten der Hrútfell - der erste
Sonnenuntergang war sanft und nicht sehr farbig, machte mir aber richtig Lust auf den kommenden
Sonnenaufgang!
Die Kerlingarfjöll im sanften Abendlicht |
Aber … ich kannte ja mittlerweilie die Wettervorhersage und auch die Sonnenscheindauer der letzten 10 Tage. Es gab immer nur alle paar Tage mal ein Gutwetterfenster, und das dauerte selten länger als 12 Stunden. Und Sonnenaufgänge waren bisher eine absolute Rarität - meinen bisher einzigen hatte ich in Hagavatn verschlafen... Von daher konzentrierte ich mich auf's Jetzt und steckte nach dem Abendessen regelmäßig meinen Kopf aus der Hütte. Als es endlich dunkel geworden war und der Halbmond die Landschaft erhellte, zogen feine Wolken auf und lieferten sich ein Wettrennen mit schwachen bis mittelstarken Nordlichtern. Noch vor Mitternacht war der Himmel so stark bewölkt, dass man weder Sterne noch Aurora erkennen konnte... Bis dahin entstanden keine preisverdächtigen Fotos, aber das hatte ich auch nicht erwartet. Es ist schon sehr spät im Jahr, die Nächte sind bereits recht hell, und diesen Winter gab's generell nicht viel Aurora, was an der geringeren Sonnenaktivität liegt. Von daher war ich total glücklich, überhaupt noch Nordlichter zu sehen zu bekommen!
Der Sonnenaufgang am nächsten Morgen war grau in grau, und auch meine folgende Tagestour, eine fünf Kilometer lange Runde auf die umliegenden Hügel, lässt sich als "Schwarzweiß-Erlebnis" beschreiben. Als ich nachmittags zur Hütte zurückkehrte, herrschte schon fast wieder Whiteout und begann bereits ein stärkerer Wind zu wehen. Der angekündigte Sturm näherte sich - und sollte mich für die kommenden drei Tage in der Hütte festsetzen.
Langeweile kam
allerdings nicht auf. Wie bei allen längeren Touren so hatte ich auch diesmal meinen (bereits gebraucht gekauften) eReader
dabei: der verbraucht so gut wie keinen Strom und funktioniert auch
bei Kälte einen Monat zuverlässig. Im Laufe der Tour las ich mich
durch sechs Bücher. Das schaffe ich sonst im Jahr nicht!
Das einzig Unangenehme an der bewegungslosen Herumsitzerei war die Kälte. Das Außenthermometer an der Hüttenwand pendelte zwischen -9 und -4°C, und in der Hütte war es morgens so -1° bis +2°C 'warm'. Es gab hier zwar zwei Gasöfen und drei Gasflaschen, aber … ich wollte nicht so viel Gas verbrauchen. Also leistete ich mir zwei bis maximal drei Stunden am Tag den Luxus, einen der Öfen anzuschalten, was die Hüttentemperatur dann auf bis zu 10°C erhöhte - herrlich! Um in den verbliebenen ofenlosen Tagesstunden trotz Bewegungslosigkeit nicht zu frieren, fand ich eine wunderbare Lösung: ein Schlafsack-Onesie! Sehr bequem, sehr warm, und die Fortbewegung darin erinnerte mich an einen Pinguin...
Besagter heftiger Sturm, der ganz Island unbereisbar machte (ist das ein offizielles Wort - unbereisbar? Egal, ihr wisst, was ich meine...), fand an den Tagen 12 bis 14 meiner Tour statt. Allmählich wurde ich unruhig, denn: ich wusste noch nicht, wie ich wieder in die Zivilisation zurückkehren würde. Es gab drei Möglichkeiten. Entweder, ich versuchte, wieder nach Süden rauszukommen, das wären dann nochmal etwa 60 Kilometer Wegstrecke bis zum Gullfoss. Etwa genauso lang wäre es, der Kjölur von Hveravellir aus nach Norden zu folgen und bei Blönduós an der Ringstraße rauszukommen. Dort allerdings war zu Beginn meiner Tour kaum noch Schnee gewesen, und das Tauwetter vor ein paar Tagen hatte die Situation bestimmt verschärft. Der Pulka war zwar mittlerweile gut 13 Kilo leichter, aber dennoch: es gäbe nichts Blöderes, als mit dem Schlitten plötzlich ohne Schnee irgendwo in der Walachei zu stranden! Von daher setzte ich alle Hoffnungen auf die dritte Option: auf 'þetta reddast'.
Und so hielt ich an meinem Plan fest, beim nächsten Gutwetterfenster nach Hveravellir durchzustarten. Meine Hoffnungen lagen auf dem dritten Wochenende meiner Reise: denn dann war Ostern. Ich war mir zu 99% sicher, dass irgendwann über die Ostertage mal Superjeeps nach Hveravellir kommen würden, Corona-Reisestopp hin oder her, die mich und meinen Pulka mitnehmen können würden. Zudem war ich mit dem Hüttenwart bzw. Manager der Hveravellirhütte in Kontakt, der auch sagte, dass er 'wahrscheinlich' in den Tagen vor Ostern kommen und mich dann auch nach Reykjavík mitnehmen können würde. Dieses 'Wahrscheinlich' ließ allerdings noch einige Zweifel übrig - denn bei Schlechtwetter würde niemand im Hochland unterwegs sein. Um im Falle eines Falles auf gutes Wetter warten zu können, hatte ich schon vor einer Woche begonnen, mit meiner Nahrung strikter zu haushalten. Während der Pausentage ließ ich jetzt immer eine der drei Hauptmahlzeiten aus, damit ich bis Ostermontag genug zu Essen hatte und eventuell noch bis nach Blönduós durchlaufen konnte. Sicher ist sicher!
Und so erlebte ich vier extrem ruhige, stürmische Tage in der Hütte von Þverbrekknamúli. Zwei Tage davon waren echtes Waschmaschinenwetter: so nenne ich das, wenn man beim Blick durch's Fenster nur weiße Schlieren sieht... Der feine Flugschnee war mit einem solchen Tempo unterwegs, dass er durch die kleinsten Ritzen drückte: es ist echt irre, wie dann plötzlich scheinbar dichte Fenster Schnee reinlassen: der drückt durch die Fenster- und Türrahmen in die Hütten rein. Dies war übrigens ein ganz alltäglicher Anblick auf meiner Tour; ich weiß gar nicht, wie viele Kehrschaufeln Schnee ich aus jeder einzelnen Hütte rausgeholt habe...
An den Sturmtagen wurde auch der Klogang zum Abenteuer, denn das Plumpsklo ist ja leider immer mindestens 50 Meter von der Hütte entfernt, und ein Schneesturm verringert die Sicht oft auf unter zwanzig Meter. Um das Klo zu finden, geht man also ins weiße Nichts hinein, hoffend, dass irgendwann die Silhouette des kleinen, einzeln stehenden Häuschens auftaucht. Und während man dann auf dem Klo ist, verweht der Wind die Fußspuren, das geht ja oft blitzschnell. Es ist echt gruselig, wenn man sich vorstellt, dass man auf dem Rückweg die Hütte um nur wenige Meter verpassen könnte und sie dann nicht wiederfindet. Von daher: Klogang bei Schneesturm nur mit GPS in der Jackentasche! Ich habe mir letztlich zwei Schaufeln und einen Rechen in den Schnee gesteckt, als Markierungen, um immer einen visuellen Anhaltspunkt zu haben. Man wird definitiv kreativ in Schneestürmen, soviel ist sicher! :-)
Der dritte Sturmtag war nur noch ein Stürmchen, aber lud trotzdem nicht zum Rausgehen ein. Der Tag danach war genauso: ich hätte theoretisch weitergehen können, aber ich wollte auf meiner Weiterreise nach Hveravellir die Landschaft sehen! Zudem hoffte ich noch immer auf einen schönen Sonnenaufgang und darauf, den imposanten Berg Hrútfell nochmal zu Gesicht bekommen. An dem Tag aber wurde ich mit einem wunderbar stürmischen Sonnenuntergang belohnt: Schneefegen im abendlichen Streiflicht. Oh ja, das lässt das Fotografenherz höher schlagen!
Das einzig Unangenehme an der bewegungslosen Herumsitzerei war die Kälte. Das Außenthermometer an der Hüttenwand pendelte zwischen -9 und -4°C, und in der Hütte war es morgens so -1° bis +2°C 'warm'. Es gab hier zwar zwei Gasöfen und drei Gasflaschen, aber … ich wollte nicht so viel Gas verbrauchen. Also leistete ich mir zwei bis maximal drei Stunden am Tag den Luxus, einen der Öfen anzuschalten, was die Hüttentemperatur dann auf bis zu 10°C erhöhte - herrlich! Um in den verbliebenen ofenlosen Tagesstunden trotz Bewegungslosigkeit nicht zu frieren, fand ich eine wunderbare Lösung: ein Schlafsack-Onesie! Sehr bequem, sehr warm, und die Fortbewegung darin erinnerte mich an einen Pinguin...
Besagter heftiger Sturm, der ganz Island unbereisbar machte (ist das ein offizielles Wort - unbereisbar? Egal, ihr wisst, was ich meine...), fand an den Tagen 12 bis 14 meiner Tour statt. Allmählich wurde ich unruhig, denn: ich wusste noch nicht, wie ich wieder in die Zivilisation zurückkehren würde. Es gab drei Möglichkeiten. Entweder, ich versuchte, wieder nach Süden rauszukommen, das wären dann nochmal etwa 60 Kilometer Wegstrecke bis zum Gullfoss. Etwa genauso lang wäre es, der Kjölur von Hveravellir aus nach Norden zu folgen und bei Blönduós an der Ringstraße rauszukommen. Dort allerdings war zu Beginn meiner Tour kaum noch Schnee gewesen, und das Tauwetter vor ein paar Tagen hatte die Situation bestimmt verschärft. Der Pulka war zwar mittlerweile gut 13 Kilo leichter, aber dennoch: es gäbe nichts Blöderes, als mit dem Schlitten plötzlich ohne Schnee irgendwo in der Walachei zu stranden! Von daher setzte ich alle Hoffnungen auf die dritte Option: auf 'þetta reddast'.
Und so hielt ich an meinem Plan fest, beim nächsten Gutwetterfenster nach Hveravellir durchzustarten. Meine Hoffnungen lagen auf dem dritten Wochenende meiner Reise: denn dann war Ostern. Ich war mir zu 99% sicher, dass irgendwann über die Ostertage mal Superjeeps nach Hveravellir kommen würden, Corona-Reisestopp hin oder her, die mich und meinen Pulka mitnehmen können würden. Zudem war ich mit dem Hüttenwart bzw. Manager der Hveravellirhütte in Kontakt, der auch sagte, dass er 'wahrscheinlich' in den Tagen vor Ostern kommen und mich dann auch nach Reykjavík mitnehmen können würde. Dieses 'Wahrscheinlich' ließ allerdings noch einige Zweifel übrig - denn bei Schlechtwetter würde niemand im Hochland unterwegs sein. Um im Falle eines Falles auf gutes Wetter warten zu können, hatte ich schon vor einer Woche begonnen, mit meiner Nahrung strikter zu haushalten. Während der Pausentage ließ ich jetzt immer eine der drei Hauptmahlzeiten aus, damit ich bis Ostermontag genug zu Essen hatte und eventuell noch bis nach Blönduós durchlaufen konnte. Sicher ist sicher!
Mein Hüttenbucheintrag in Þverbrekknamúli. Kein Meisterwerk - aber das wird ja auch von niemandem verlangt! :) |
Und so erlebte ich vier extrem ruhige, stürmische Tage in der Hütte von Þverbrekknamúli. Zwei Tage davon waren echtes Waschmaschinenwetter: so nenne ich das, wenn man beim Blick durch's Fenster nur weiße Schlieren sieht... Der feine Flugschnee war mit einem solchen Tempo unterwegs, dass er durch die kleinsten Ritzen drückte: es ist echt irre, wie dann plötzlich scheinbar dichte Fenster Schnee reinlassen: der drückt durch die Fenster- und Türrahmen in die Hütten rein. Dies war übrigens ein ganz alltäglicher Anblick auf meiner Tour; ich weiß gar nicht, wie viele Kehrschaufeln Schnee ich aus jeder einzelnen Hütte rausgeholt habe...
An den Sturmtagen wurde auch der Klogang zum Abenteuer, denn das Plumpsklo ist ja leider immer mindestens 50 Meter von der Hütte entfernt, und ein Schneesturm verringert die Sicht oft auf unter zwanzig Meter. Um das Klo zu finden, geht man also ins weiße Nichts hinein, hoffend, dass irgendwann die Silhouette des kleinen, einzeln stehenden Häuschens auftaucht. Und während man dann auf dem Klo ist, verweht der Wind die Fußspuren, das geht ja oft blitzschnell. Es ist echt gruselig, wenn man sich vorstellt, dass man auf dem Rückweg die Hütte um nur wenige Meter verpassen könnte und sie dann nicht wiederfindet. Von daher: Klogang bei Schneesturm nur mit GPS in der Jackentasche! Ich habe mir letztlich zwei Schaufeln und einen Rechen in den Schnee gesteckt, als Markierungen, um immer einen visuellen Anhaltspunkt zu haben. Man wird definitiv kreativ in Schneestürmen, soviel ist sicher! :-)
Die Hütte nach den vier großen Sturmtagen - mit einer ganz neuen Schneewehe. Hat was! |
Der dritte Sturmtag war nur noch ein Stürmchen, aber lud trotzdem nicht zum Rausgehen ein. Der Tag danach war genauso: ich hätte theoretisch weitergehen können, aber ich wollte auf meiner Weiterreise nach Hveravellir die Landschaft sehen! Zudem hoffte ich noch immer auf einen schönen Sonnenaufgang und darauf, den imposanten Berg Hrútfell nochmal zu Gesicht bekommen. An dem Tag aber wurde ich mit einem wunderbar stürmischen Sonnenuntergang belohnt: Schneefegen im abendlichen Streiflicht. Oh ja, das lässt das Fotografenherz höher schlagen!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen