Freitag, 28. Dezember 2018

Weihnachtsgrüße!

Leute, Leute, also das mit dem Blog-schreiben wird irgendwie immer schwieriger. Dass ich immer seltener von mir hören lasse, mag daran liegen, dass ich immer weniger Zeit vor'm Computer verbringe - was ja an sich eine gute Sache ist. Die Natur Südgeorgiens ist einfach so irre und die Erlebnisse so vielschichtig und zeitintensiv, dass der Laptop eigentlich nur noch zum schnellen Sichern von Daten verwendet wird, sowie dem Kontrollieren von Emails. Es reicht nicht einmal zum zeitnahen Sichten von Fotos - sowas! :-)

Von daher in aller Kürze: ich hoffe, dass ihr schöne Weihnachtsfeiertage mit euren Lieben verbringen konntet. Auf dass ihr gut ins neue Jahr hineinkommt - und es ein gutes Jahr werden möge!
Es brennt an viel zu vielen Orten und vieles hat sich im vergangenen Jahr zum Schlechten gewendet. Ich hoffe inniglich, dass 2019 positiver werden wird für die Natur und Menschen dieser Erde. Das wird nicht zuletzt an dem liegen, was wir Einzelnen tun werden: von daher gebt die Hoffnung nicht auf und setzt euch ein für das, was euch wichtig ist!

„Be the change that you wish to see in the world“
Mahatma Gandhis Worte sind aktueller und wichtiger denn je zuvor!


Freitag, 9. November 2018

Südgeorgien - Start in die zweite Saison

In den letzten Jahren bin ich mehr und mehr zur Küstenseeschwalbe geworden - zumindest was mein Zugverhalten angeht. Im Sommer pendle ich zwischen Deutschland und Spitzbergen, und in unserem Winter geht’s auf die Südhalbkugel, wo dann auch Sommer ist. Seltsam, keinen Winter mehr zu erleben - obwohl ich fairerweise nie in der Hitze bin. Meine normale Sommertemperatur liegt meist bei knapp unter 10°C, mit Gletschern in der Nähe und Bergen, auf denen sich bis in den Herbst hinein noch Schnee hält...
:-)





Ich habe ja im letzten Nordwinter mehrmals aus Südgeorgien berichtet, dieser entlegenen Insel im Südatlantik, welche der Antarktis näher ist als jeder anderen Landmasse. Nur mit dem Schiff erreichbar, gibt es hier bloß zwei wissenschaftliche Stationen und ein kleines Museum mit (inselweit) maximal 50 temporären Bewohnern. Weder kann man hier 'normal' leben oder arbeiten, noch kann man mal eben schnell dorthin reisen: Fahrten mit Expeditions- und / oder Kreuzfahrtschiffen kosten ein halbes Vermögen. Als ich den Job vom letzten Jahr noch einmal angeboten bekommen habe, Museumsassistent = Mädel für alles im Museum Grytviken, war für mich klar, dass ich nicht Nein sagen können würde. Die Chance, noch einmal intensiv Zeit an diesem besonderen Ort verbringen zu können, würde ich mir nicht entgehen lassen! Und so schreibe ich diese Zeilen auch schon wieder aus Grytviken, der kleinen, demontierten Walfängersiedlung, welche heute ein begehbares Museum für eine steigende Anzahl an Kreuzfahrttouristen ist.


Als ich nach fünftägiger Schaukelfahrt am 13. Oktober hier ankam, offenbarte sich mir ein komplett konträres Bild, wie bei meiner (auf den Tag genau gleichen) Ankunft im Jahr zuvor. Der Winter 2017 war einer der wärmsten der menschlichen Erinnerungen gewesen, vergangener Winter aber war schneereich: und folglich sah es hier aus, wie im vergleichbaren Monat April in Nordnorwegen. Ein halber Meter Schnee noch auf Meereshöhe, die Seen gefroren und alles weiß: welch ein Kontrast zum letzten Jahr!
       

Die Temperaturen waren noch winterlich, teils unter -10°C, sodass sich Meereis bildete und unsere Wasserleitung einfror. Trotz erstaunlich viel Sonnenscheins hielt sich der Schnee daher für zwei volle Wochen, in denen ich jede freie Minute draußen verbrachte und diese Winterlandschaft in vollen Zügen genoss. Dies zu erleben, hatte ich nach dem warmen Sommer letztes Jahr gar nicht zu wünschen gewagt!


Hier im Museum ist immer viel zu tun: es ist ein Job, der wenig Freizeit zulässt. Anfangs kommen zwar noch nicht viele Schiffe, dafür aber müssen wir die Neuware für unseren Souvenirshop (der gleichzeitig die wichtigste Einnahmequelle der kleinen NGO des SGHT 'South Georgia Heritage Trust' ist) mehrmals ein- und umpacken, gefolgt vom leidigen Inventur, dem Einsortieren der Ware ins Lager und letztlich dem Bestücken des Shops. Zum Glück gibt es ja noch die Nächte, sodass ich ein- bis zweimal die Woche vor Sonnenaufgang aufstehe, um vor Arbeitsbeginn mehrere Stunden wandern und fotografieren zu können. Klar, das geht auf Kosten des Schlafes - aber den hole ich dann nach, wenn ich im April wieder in Deutschland bin! Zumal die Motive des warmen Morgenlichtes einfach nur unbeschreiblich sind - nun ja, zumindest wenn die Sonne mal nicht von Wolken bedeckt ist, was viel zu oft der Fall ist. Aber vielleicht ist das auch gut so, sonst würde ich vermutlich den Schlafmangel echt zu heftig spüren...
                 

So früh im Sommer ist es außerhalb der Pinguinkolonien noch relativ ruhig. Die Paarungszeit der Albatrosse und Sturmvögel, der Skuas und Küstenseeschwalben beginnt erst noch, und die Pelzrobben sind noch alle im Meer. In Grytviken sammelten sich einige wenige Königspinguine, um zu mausern (ihre Federn zu wechseln, das dauert drei Wochen), und die waren ein sehr willkommenes Fotomotiv, ganz besonders an den drei Neuschneetagen.



Mein Hauptfotomotiv im Oktober waren aber ganz eindeutig die See-Elefanten, über die ich letztes Jahr ja schon ausgiebig berichtete. Die riesigen Männchen mit ihren lustigen Nasen bewachen einen Harem aus Weibchen, welche zuerst ihre letztjährig gezeugten Jungen zur Welt bringen und sich drei Wochen später mit dem gerade machthabenden Männchen paaren.



Ich hatte sehr gehofft, dieses Jahr einen Kampf zwischen zwei Männchen fotografieren zu können, aber es war ein sehr friedliches Frühjahr: ich sah nur eine 5 Sekunden dauernde Auseindersetzung und ansonsten viele erfolgreiche Drohgebärden. Sehen die See-Elefanten einen Konkurrenten, heben sie den Kopf, zeigen ihren Rüssel und rufen laut und rülpsend - und das reicht dann meistens, um dem Anderen zu zeigen, dass man größer ist und man es ernst meint mit der Verteidigung bzw. Eroberung der Weibchen. Nur dann, wenn sich zwei gleichgroße und gleichstarke Männchen treffen, kommt es zum Kampf - aber dieses Jahr wie gesagt nicht, wenn ich bei den See-Elefanten war.
Schade.
Aber rülpsende Riesenrobben haben auch was!



Die Lieblinge aller sind momentan eindeutig die Babyrobben, welche neugierig die Welt erobern; erst an der Seite ihrer Mütter, dann aber zunehmend alleine. Diese Selbstständigkeit ist erzwungen: die Mütter säugen ihr Jungtier nur etwa 3 Wochen lang, mit einer allerdings so dermaßen fetthaltigen Milch (über 50% Fettanteil), dass die See-Elefäntchen pro Tag bis zu 4 Kilogramm an Gewicht zulegen. Man kann ihnen also im wahrsten Sinne des Wortes beim Wachsen zusehen! Schon irre, was die Natur sich so einfallen lässt!
         
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an jene von euch, die sich ab und zu bei mir melden und / oder Kommentare hinterlassen. Ich weiß nie, wer hier mitliest - da manchmal eine Rückmeldung zu erhalten, ist motivierend!

Und jetzt geht’s an die Arbeit: heute kommt das sechste Schiff der Saison, aber ab sofort geht’s hier Schlag auf Schlag. Bis März erwarten wir bis zu 80 Touristenschiffe, dazu noch Yachten, Marine- und Forschungsschiffe mit vermutlich insgesamt über 12.000 Besuchern - viel zu tun, viel zu tun. Gut, dass gerade so richtig versifftes Regenwetter herrscht - da habe ich nicht so sehr das Gefühl, viel in der hier so großartigen Natur zu verpassen...
;-)


Samstag, 6. Oktober 2018

Späte Arktissaison 2018


Mein arktischer Arbeitssommer war dieses Jahr ziemlich kurz: 'nur' vier Reisen auf drei verschiedenen Schiffen, davon drei Touren in Spitzbergen und eine von dort aus nach Ostgrönland und später Island. Wetter und Licht waren überwiegend gut bis teilweise herausragend: schon allein die Anflug nach Spitzbergen war der fotogenste, an den ich mich erinnern kann; mit Blick über die teils wolkenverhüllten Gletscherzugen, die sich in flachen Buchten ins Meer schoben...



Nachdem ich drei Jahre lang die frühe Saison auf Spitzbergen mitgemacht hatte, genoss ich es diesmal besonders, dass jetzt im Spätsommer die Sonne wieder unterging. Spitzbergen liegt ja so weit im Norden, dass von Mitte April bis Mitte August 24 Stunden akute Helligkeit herrscht. So praktisch das einerseits ist, so langweilig ist es für Fotografen, die warmes Licht lieben. Selbst zu Mitternacht herrscht hier grelles Mittagslicht! Erst ab August kann man wieder Nachmittags- und später sogar Abendstimmungen erleben: wunderwunderschön war das! :-)



Auf allen Fahrten hatten wir herausragende Tierelebnisse: einige Bilder habt ihr ja schon gesehen. Höhepunkte waren mehrere Eisbärenbegegnungen: darunter zwei junge Weibchen, die vermutlich an einer Karriere als Model arbeiteten und sich so dermaßen fotogen verhielten, wie ich es nie zuvor erlebte. Schaut euch nur das hier an - das war echt kaum zu glauben!



Ein anderes Mal erlebte ich, wie zwei Eisbärenmännchen eine Robbe teilten: der kleinere Jäger war alles andere als glücklich, als ein großes, altes Männchen ankam und seinen Teil der Beute beanspruchte, aber nach kurzer Rangellei stand fest, dass beide lieber teilten, statt sich wirklich zu prügeln. Also waren da zwei Bären, die so schnell es ging eine komplette Robbe in ihre Einzelteile zerlegten - also sowas hatte ich auch noch nie gesehen. Das war einfach nur irre!



Was dieses Jahr für mich besonders macht, ist nicht nur geniale Ausbeute an Eisbärenfotos, sondern ein gutes Gefühl, was den diesjährigen Zustand der Eisbärenpopulation Spitzbergens angeht. Ich will jetzt nicht sagen, dass es keinen Grund zur Sorge gibt: die Gletscher schmelzen weiterhin in Rekordgeschwindigkeit, es findet sich viel zu viel Plastikmüll an den Stränden und es gibt neue, erschreckende Studien zum Thema Umweltgifte und deren Auswirkungen auf die arktischen Lebewesen. Genau wie in Europa, so war der vergangene Sommer ziemlich warm, wenn auch nicht sooo extrem trocken, aber statt dessen (wie es mittlerweile ja normal ist) mit sehr wenig See-Eis. Einige strategisch wichtige Gletscher kalbten dieses Jahr aber so dermaßen stark, dass über Quadratkilometer hinweg dort so viel Eis im Meer schwamm, dass viele Robben darauf liegen konnten - und die Eisbären dort wie gewohnt jagen konnten.




In anderen Gegenden scheint der Winter lang genug gewesen zu sein, damit sich die Bären dick fressen konnten und meist das nötige Fettpolster hatten, um den kargen Sommer zu überstehen. Generell kann ich sagen: die Eisbären, die ich sah, spiegelten dieses Jahr eine gesunde Population wieder: es gab dünne aber auch dicke Bären, mehrere Mütter mit Jungtieren verschiedenen Alters und eine gute Anzahl weiblicher Bären. Es war das Gegenteil vom Horrorszenario der Jahre 2015 und 2016, wo ich ständig auf völlig untergewichtige Bären traf...



Die letzte Arktisreise dieses Jahr brachte mich nach Ostgrönland, was ein Paradies für Landschaftsfotografen ist: vorausgesetzt das Wetter spielt mit. Das tat es fünf von sieben Tagen leider gar nicht, was echt super schade war - aber hey, das ist Natur, da steckt man nicht drin...



Die Geologie in Ostgrönland ist die irrsinnigste, die ich je zu Gesicht bekommen habe: einige Orte, wie der Segelsällskapet Fjord, gehören meiner Meinung nach auf die Liste des UNESCO Weltnaturerbes - und dringends gesperrt. Ich war echt geschockt, als ich gesehen habe, wie niedergetrampelt dieser Ort jetzt ist: entweder gibt es dort viel mehr Besucher, als ich bisher geglaubt habe, oder aber die Steine sind einfach so dermaßen empfindlich, dass selbst wenige Menschenfüße hier schon Schaden anrichten können. Ich habe mich bereits an die entsprechenden Stellen gewand - aber ob etwas getan wird, liegt leider nicht in meiner Hand...



Scoresbysund in Ostgrönland ist für mich der Ort mit den weltweit allerschönsten Eisbergen: alles hier ist extravagant in Größe, Form und Farbe. Dieses größte Fjordsystem der Erde hat so dermaßen tiefe Fjorde, dass die vom riesigen Inlandeis gespeisten Gletscher hier in gigantischen Stücken abbrechen können. Teilweise schwimmen da ein komplette Gletscher im Fjord herum, mit Kantenlängen von über einem Kilometer... Klar, in der Antarktis gibt es noch größere Eisberge: die sind aber meist vom Schelfeis abgebrochen, was oft langweilig-schneeweiß ist. Die Eisberge Grönlands dagegen sind wild gemustert und individuell geformt, als habe sich ein Bildhauer an jedem einzelnen seine besondere Mühe gegeben. Diese Ansichten lassen einen einfach sprachlos staunen...



Ja, und jetzt ist es auch schon wieder Oktober und höchste Zeit, nach Süden zu reisen. Ich musste einfach die Chance ergreifen, unbedingt eine zweite Saison in Grytviken auf Südgeorgien zu verbringen. Und so schreibe ich diese Zeilen bereits auf den Falklandinseln, von wo mich ein Schiff innerhalb der kommenden Woche immer schön nach Südosten auf diese entlegene Insel im Südatlantik bringen wird. Ich werde ganz arg versuchen, mich mehr als einmal zu melden. Wenn es aber wieder wochenlang nichts von mir zu hören gibt: nicht wundern, dann habe ich (wie so oft...) im realen Leben einfach zu viel zu tun! :-)


Dienstag, 21. August 2018

Eisbären-Familienausflug

Einen Eisbären in freier Wildbahn zu sehen, ist jedes Mal ein besonderes Erlebnis. In sieben Jahren habe ich nun schon mehrere hundert Bären gesehen; teils nur als gelbe Punkte im Fernglas (wir nennen das einen "Pixelbären"), teils aus nur wenigen Metern Entfernung (vom Schiff aus, versteht sich). Trotzdem bin ich gerade bei Nahbegegnungen immer wieder aufgeregt, wie ein kleines Kind vor Weihnachten. Es sind einfach so dermaßen faszinierende Tiere: Symbolcharakter und Knutifikation hin oder her. Wirklich, ich empfinde tiefen Respekt vor ihnen und eine unbändige Neugierde, mehr über sie zu lernen. Einerseits sind sie für uns Menschen schwer zu lesen: sie haben keine wirkliche Mimik, wedeln nicht mit Schwänzen und Ohrenbewegung ist auch eher schwer zu sehen. Aber sie verfügen über Körpersprache, die ich immer besser zu deuten vermag. Ein Bär muss genau beobachtet werden, um verstanden zu werden: wie verhält er sich, wie zögernd oder forsch ist er, in welcher Konstitution befindet er sich, wie oft gähnt er, wie oft blickt er sich um... Ich kann mittlerweile relativ schnell sagen, ob es sich um ein Männchen oder Weibchen handelt und wie alt es ungefähr sein mag. Das ist echt schön! :-)


Die bisher eindrücklichste Begegnung dieses Spätsommers war die mit einer Bärenmutter und zwei etwa achtmonatigen Jungtieren. Eisbärenmütter säugen ihre Jungen zweieinhalb bis drei Jahre lang, und je älter die Jungen werden, desto mutiger werden sowohl sie als auch die Mutter. Im ersten Lebensjahr allerdings, wenn die Kleinen noch ziemlich hilflos und nicht ganz so schnell sind, verhalten sich Mütter oft sehr vorsichtig und nähern sich uns Menschen nur ungern. Daher kommt es, dass ich so ganz junge Bären meist nur aus großer Distanz sehen kann: wenn überhaupt; so oft sieht man Bärennachwuchs ja leider gar nicht. Vor zwei Wochen aber trafen wir eine Mutter, der wir ziemlich egal waren. Sie befand sich auf einer Insel von vielleicht 100m Durchmesser auf der so gut wie nichts wuchs.



Während die Jungtiere mit skeptischer Neugierde auf uns Menschen reagierten, die wir still in Zodiaks in Ufernähe dümpelten, waren wir der Mutter völlig egal. Sie war auf einer Mission: im Zickzackkurs schritt sie über die Insel, immer dicht begleitet von ihren munteren Jungen. Was erst wie ein zielloses Umhergeirre wirkte, stellte sich als Suche heraus: auf der Insel befand sich eine Kolonie von Küstenseeschwalben. Diese aggressiven Vögel machten der Bärin deutlich, dass sie hier nicht willkommen war: aber das beeindruckte sie herzlich wenig...



Man muss wissen, dass der Sommer für Eisbären traditionell eine Zeit des Fastens ist. Das Packeis (und damit die Robben) liegen weit nördlich des Archipels. Da es an Land hier so gut wie nichts zu fressen gibt, sitzen viele Bären diese karge Zeit einfach aus: sie hocken einfach irgendwo an Land herum, sparen Energie und warten darauf, dass das Packeis zurückkommt. Das können sich jene Bären leisten, die eine gute Fettreserve haben: dünne Tiere und Eisbärenmütter mit immerhungrigen Jungtieren haben diese Option aber nicht.




Und weil die Fastenzeit jetzt in den Zeiten des Klimawandels ohnehin immer länger wird, beginnen viele Eisbären damit, sich alternative Nahrungsquellen zu erschließen: und dazu gehören Vogelkolonien. Wissenschaftler berichten vermehrt, dass Bären ganze Jahrgänge zunichte machen, weil sie ein Nest nach dem anderen plündern. Besonders davon betroffen sind Eiderenten, Gänse und (wie in diesem Falle) Küstenseeschwalben. Sie waren längst durch mit der Brut: die Küken aber waren noch nicht flügge und folglich total hilflos. Jungvogel für Jungvogel verschwand im Maul der Bärin, und ich begann zu begreifen, warum ihr Bauch so dick war. Sie musste in den vorhergegangenen Stunden Dutzende Küstenseeschwalbenküken gefressen haben.



Die gesamte Kolonie befand sich in grenzenloser Panik; Dutzende von Vögeln attackierten die Bären mit ihren spitzen Schnäbeln, flogen wild kreischend umher und griffen sogar uns in den Zodiaks an. Warum dem so war, erkannten wir schnell: um den Bären zu entkommen, hatten sich viele Küken ins Wasser geflüchtet! Mir war bis dato nicht klar gewesen, dass diese fluffigen Küstenseeschwalbenküken schwimmen können. Aber klar: alles ist besser, als gefressen zu werden... Und so paddelten Dutzende Flauschbälle ungelenk und sichtbar ungerne im küstennahen Wasser, immer begleitet von lamentierenden Elternvögeln. Och jöööööö...



Auch die beiden Bärchen waren gut mit dabei und lernten von Mama, wie man Küken verspeist - nun, zumindest wenn sie nicht erforschen mussten, was diese schnell schwimmenden schwarzen Eisberge mit den bunten Lebewesen waren, die da am Ufer dümpelten und wie wild Klicklaute von sich gaben... Wir Menschen waren ihnen suspekt und gleichzeitig ungemein faszinierend - zumindest solange Mama in der Nähe war. Ohne Mama ging nichts!



Besagte Mama war eine Dame mittleren Altern, die Menschen kannte und weder als Gefahr noch als sonderlich interessant betrachtete. Sie behielt uns ständig im Blick, aber setzte ihren Fesskurs über die Insel völlig unbeirrt fort. Wie viele Küken an dem Tag in ihrem Magen landeten, weiß ich nicht. Eine Menge.



Irgendwann aber war Mama-Bär dann wohl satt und schritt zum Ufer. Dort versuchte sie dann, ihre beiden Jungen dazu zu überreden, mit ihr ans Ufer der Hauptinsel Spitzbergen zu schwimmen. Einziges Problem: die Kleinen hatten keine Lust. Das ist mir schon öfters aufgefallen: Eisbären sind zwar irre gute Schwimmer (die an den Vorderfüßen auch Schimmhäute besitzen), aber Jungbären scheuen das Wasser, wann immer sie können. Vermutlich, weil sie noch nicht ganz so gut isoliert oder abgehärtet sind, wie ein ausgewachsener Bär...



Allerdings konnten sie sich zieren, wie sie wollten: irgendwann reichte es der Bärin und begann sie, zu schwimmen. Und dann blieb den Kleinen nichts anderes übrig, als auch reinzuhopsen ins etwa 4°C kalte Nass. Begeisterung sieht anders aus - aber wer kann's ihnen verübeln bei den Temperaturen...?
;-)


Sonntag, 19. August 2018

Spitzbergen Sommer 2018 - Bildimpressionen

Hallo zusammen,

nach einer schweren Zeit in Deutschland (wer meine Familie kennt, der weiß, was los war) bin ich endlich wieder unterwegs im Norden. Es ist eine sehr kurze Saison für mich auf Svalbard, diesmal ausschließlich im August und September, aber trotz (oder gerade wegen) allem kann ich auch dieses Jahr die hohe Arktis nicht auslassen. Und so blicke ich jetzt (Ende August) bereits auf zwei Reisen zurück, die mich um Svalbard führten, und will ohne große Worte mit einigen Bildimpressionen vom Spätsommer hier oben berichten.

Wir hatten sehr großes Glück mit so ziemlich allem: tolles Wetter (wir sind irgendwie immer auf der Seite Spitzbergens unterwegs gewesen, wo gerade kein Sturm wütete), sehr nette Gäste, und unglaublich viel Glück mit dem Tierleben. Dazu manchmal abends und nachts das schöne Licht der Ende des Sommers endlich wieder tiefstehenden Sonne: ja, da lacht dann auch das Landschaftsfotografenherz! :-)
































































Montag, 12. März 2018

Die wohl missverstandensten Robben der Welt

Dies ist Teil Zwei meines Blog-Eintrages über die Antarktischen Seebären: Teil Eins ist weiter unten!
:-)
 
  
Um den niedrigen Temperaturen des Südpolarmeeres trotzen zu können, wurden die Antarktischen Seebären mit einem herrlich dichten Fell ausgestattet. Genau dies war leider der Grund, weshalb sie im 19ten Jahrhundert fast ausgerottet wurden: es war stark gefragt für Mützen und Mäntel der Protzgesellschaft der westlichen Welt. Die unmittelbar nach der Entdeckung Südgeorgiens eintreffenden nordamerikanischen Robbenfänger machten die Kolonien dieser Tiere dem Erdboden gleich und 'ernteten' wirklich jedes einzelne Tier, ohne Gedanken an die Zukunft und Nachhaltigkeit. Es ist doch immer die gleiche Geschichte mit uns Menschen... Und so kam es, dass die Art schon in den 1830er Jahren als ausgestorben galt! Zum Glück haben einige Tiere dieses gedankenlose Massenschlachten überlebt und es die Art im Laufe der vergangenen 180 Jahre geschafft, sich wieder zu erholen.


Geblieben ist ihnen eine angeborene Wut auf alles, was zwei Beine hat und aufrecht geht: zumindest ist das meine persönliche Erklärung, weshalb die Seebären uns Menschen gegenüber chronisch schlecht gelaunt sind. Wagt ein Zweibeiner es auch nur ins Sichtfeld eines Seebären zu kommen, wird er erst angeknurrt, und dann angegriffen, manchmal auch vice versa. Es sind echte Grummeltrolle, diese Robben: chronisch miesepetrig und höchst bissig.


Mit diesen Zähnen ist absolut nicht zu spaßen: sie sind spitz und voller netter Bakterien, die nur darauf warten, eine Wunde so richtig fies festern zu lassen. Selbst ein kleiner Kratzer wird hier auf der Station mit der Zahnbürste ausgeschrubbt (autsch...) und sofort mit zwei Arten von Antibiotika behandelt, sofern er von einem Seebärenbiss stammt: dies nämlich, sagen hier alle, ist mit die sicherste Art, sich eine Blutvergiftung einzuhandeln, inklusive einer herrlichen Infektion. Also generell nichts, was irgendwie erstrebenswert wäre...


Die Seebären sind raue Gesellen, deren liebstes Spiel es ist, miteinander zu ringen und sich gegenseitig zu jagen. Ich vergleiche sie gerne mit kleinen Hunden: sie sind extrem aktiv (hyperaktiv wäre ein anderes Wort...) und gleichzeitig äußerst aggressiv, zumindest so lange, bis es ans Eingemachte geht. Hat man den Nerv, den Angreifern die Stirn zu bieten, dann erlebt man, dass sie ihren Angriff dann abbrechen, wenn ihre Schnurrbarthaare den Gegner berühren - zumindest meistens. Manchmal beißen sie trotzdem. Und genau deswegen verlassen wir hier in Grytviken das Haus nicht, ohne einen Stock dabeizuhaben: denn der stoppt die Robben und nimmt den Biss entgegen, so er kommen sollte.


Bei der Menge an Pelzrobben, welche die Strände hier bevölkern, ist es ziemlich schwierig, sich in Ufernähe zu bewegen, ohne eine Robbe zu verstimmen. Schätzungsweise 6 Millionen Antarktische Seebären gibt es wieder hier auf Südgeorgien, wobei die Anzahl weiterhin steigt. Auf dieser einen Insel leben 98 Prozent der globalen Population! Das obige Bild ist ein 'leerer' Strand hier bei uns tief im Fjordinneren. Die Küsten mit direktem Zugang zum offenen Meer sind viel, viel voller. Dort kann man sich als Mensch wirklich gar nicht mehr bewegen! Zumal auf den Stränden ja 'nur' jene Robben sind, die geschlechtsreif sind bzw. einem Harem zugehören. Die Jungen und Außenseiter wandern hinein in die Vegetation und klettern im Laufe des Sommers gar die Berghänge empor, wo sie sich liebend gerne zwischen den Tussockgräsern verstecken. Wie oft wir uns dort gegenseitig erschreckt haben, kann ich schon gar nicht mehr zählen...


Ständig angeknurrt und angegriffen zu werden, ist zugegebenermaßen ein eher unschönes Gefühl. Da jährlich mehrere Menschen von Seebären gebissen werden, habe ich von Seiten der Kreuzfahrttouristen und Guides öfters die Frage gehört, was denn die Regierung Südgeorgiens gegen das 'Pelzrobbenproblem' zu tun gedenke. Ich antworte dann immer: die Robben haben ja wohl mehr Recht, hier zu sein, als wir! Dass sie sich im letzten Jahrzehnt expotentiell vermehrt haben (in etwa so, wie die Touristen auf Island...), bedeutet nicht, dass dies nicht der Lauf der Natur wäre. Wir Menschen haben fast alles ausgerottet hier unten, allen voran die krillfressenden Wale. Ohne diese Riesenstaubsauger gibt es momentan viel mehr Futter im umliegenden Meer, wovon die Robben profitieren. Die Wale erholen sich zwar mittlerweile auch, aber halt viel langsamer: und nun nach Jahrzehnten des großen Fressens, herrscht bei den Seebären totale Überbevölkerung. Die Population hat, vermutlich, die Grenze ihrer Belastbarkeit erreicht. In Anbetracht dessen ist es wohl kaum verwunderlich, dass die Tiere ein großes Maß an Stressverhalten und Aggression zeigen!


Nach einem Sommer unter Seebären muss ich sagen: bei den kleinen Grummeltrollen handelt es sich um eine von uns Menschen chronisch missverstandene Spezies. Kaum einer mag sie, alle begegnen ihnen mit Misstrauen und Kontra-Aggression. Dabei sind die kleinen Schnappkiefer eigentlich nur verstört! Es sind echte Angstbeißer, deren Überlebensmotto ist: „Angriff ist die beste Verteidigung!“ Man muss sich nur mal in ihre Situation versetzen! Wir Menschen sind extrem einschüchternde Gestalten: riesig ragen wir über ihnen auf, und unsere normale (für sie schnelle) Schrittgeschwindigkeit wirkt extrem bedrohlich auf sie. Kein Wunder, dass sie verängstigt sind: und deswegen laut von sich hören lassen. Würde man ihr Knurren übersetzen, dann käme wahrscheinlich Folgendes  dabei heraus:
„Eh, stör mich nicht beim Schlafen! Du bist mir zu groß und unheimlich – und außerdem ist das mein Territorium! Sag mal, hast du Tomaten auf den Ohren? VERPISS DICH!“


Wenn man einen respektvollen Abstand einhält, die Robben nicht direkt anschaut und sich langsam bewegt, dann sind die Tiere merkbar gelassener. Klar, sie knurren immer noch, aber es ist mehr ein „Eh, du bist zu groß - halte lieber Abstand!“ und kein „Ich fürchte um mein Leben und beiße dich gleich!“

Und lässt man sich dann am Boden nieder und ragt man nicht mehr so riesig über ihnen auf, dann kommen sie, um einen auszukundschaften: neugierig-still bist verunsichert-knurrend hoppeln sie einem entgegen. Die Jungtiere sind, wie alle jungen Tiere, viel unbefangener und neugieriger: sie lasse ich gerne an mir schnüffeln und an meinen Stiefeln oder Schnürsenkeln herumknabbern.


Bei den Einjährigen (Teenagern) ist schon etwas mehr Vorsicht geboten, und bei allem ab Schäferhundgröße kommt der Stock als Abstandhalter zum Einsatz – sicher ist sicher. Ich habe weiterhin einen ordentlichen Respekt vor ihren Zähnen und potentiell unberechenbar-aggressivem Naturell. Aber generell gilt: verhält man sich ruhig, dann ignorieren bzw. akzeptieren sie einen ziemlich schnell, oder aber betrachten einen als willkommenes Unterhaltungsprogramm. Sie sind im Grunde ihrer Seele friedfertige, harmoniebedürftige Gesellen, diese Grummeltrolle – bei Aufregung vergessen sie das bloß manchmal. ;-)