Montag, 28. August 2017

Mit Greenpeace zur Bäreninsel - Teil 3

Ein paar Stunden waren wir nun schon auf der Bäreninsel, und das Wetter hielt sich. Es war dicht bewölkt, aber trocken - und das war auch gut so, denn dank unserer Fotografen machten wir kaum Strecke. Einmal im Foto-Modus, bekam man sie kaum vom Fleck: Ich fand's klasse, denn so konnte auch ich das ein oder andere Bild machen. Da ich hier nicht als Fotograf angeheuert war, sondern als Eisbärenwache und Guide, hatte ich viel Gepäck und Gewehr auf den Schultern, sowie (mit Ulvar zusammen) die Verantwortung für's Wohlergehen der Gruppe. Meine Kamera ganz Zuhause zu lassen kam nicht in Frage, aber ich konnte nur eine extrem abgespeckte Ausrüstung einpacken: eine Kamera mit einem Objektiv, das war's. Aber das reichte für schnelle Dokufotografie, wenn es der Moment erlaubte, und solcherlei Momente gab es zum Glück öfters.







Wir waren mittlerweile zum östlichsten Ausläufer der südlichen Vogelklippen vorgedrungen: Oben der Blick nach Nordosten, in unsere Ankerbucht Sørhamna hinein.

Während unseres 14-stündigen Landaufenthaltes kamen wir nicht weit: wir wanderten nur etwa fünf Kilometer an den 200 Meter hohen Klippen entlang und genossen das Erlebnis. Die Bäreninsel liegt auf 74° nördlicher Breite, was bedeutet, dass die Sonne im Sommer nicht untergeht und wir trotz Bewölkung bis etwa 22:30 Uhr noch gutes Fotolicht hatten - nun ja, gut genug für Dokumentarfotografie zumindest.



Während Christian und Will sich am Boden herumrollten (meine Güte - mir war gar nicht klar wie bescheuert ich selber aussehen muss wenn ich fotografiere!), 360° Kameras an langen Selfie-Sticks über die Klippen hielten und die Drohne fliegen ließen, kümmerten Ulvar und ich uns ums leibliche Wohl des Landteams. Wir richteten ein provisorisches Lager ein, schmolzen Wasser aus den Restschneefeldern, kochten es auf und riefen zum sehr verspäteten Mittagessen, später dann zu mehreren Kaffee- bzw. Schokopausen, und einem Abendessen (Astronautennahrung: Heißwasser drauf und fertig...).



Nachdem weit und breit immer noch kein Eisbär in Sicht war, und es noch zwei Nichtfotografen gab die in der Vertikalen blieben, gab es auch für mich kein Halten mehr: ich erlaubte es mir, ebenfalls in den Foto-Wahn-Modus zu verfallen. Die Südküste der Bäreninsel von oben ist so viel spektakulärer, als ich es mir vorgestellt hatte! Ich dachte immer, der Blick von unten sei am Interessantesten, doch ich wurde hier eines Besseren belehrt. Diese Küste ist der Hammer!







Zum ersten Mal im Leben kam ich auf Sichtweite an Trottellummen heran, was für mich etwas Besonderes war. Auf Spitzbergen hatte ich bisher nur Kontakt zu ihren arktischen Verwandten gehabt, den Dickschnabellummen. Diese sind sehr selten im Süden zu finden, die Bäreninsel ist mit ihre südlichste Brutpopulation. Bei den Trottellummen verhält es sich umgekehrt: sie haben den Süden für sich beansprucht, brüten von Portugal bis hoch zur Bäreninsel. Die nah miteinander verwandten Vögel unterscheiden sich durch eine leicht andere Gefiederzeichnung und Markierungen am Kopf. Dickschnabellummen, die arktische Art welche auf Spitzbergen vorkommt, haben zwischen der oberen und unteren Schnabelhälfte einen weißen Strich, der den ohnehin schon breiteren Schnabel noch dicker erscheinen lässt.



Trottellummen haben diesen Strich nicht, sondern sind entweder komplett schwarz am Kopf, oder tragen eine Brille: einen Ring um's Auge, dem ein weißer "Henkel" in Richtung Nacken entspringt.
Ob eine Trottellumme eine Brille hat, oder nicht, hat nichts mit dem Geschlecht oder einer besonderen Unterart zu tun: dieses Merkmal ist einfach nur eine Farbvariante innerhalb derselben Population. Spannenderweise gibt es dabei ein Nord-Süd-Gefälle: Bei Trottellummen in Portugal gibt es so gut wie keine Brillenträger, wogegen hier auf der Bäreninsel bis zu 50% der Vögel bebrillt sind.



Ab dem Abend nahm die Bewölkung langsam aber sicher zu und hüllten sich die Gipfel in graues Nass. Dadurch wurde es um kurz vor Mitternacht zu dunkel, um noch gute Fotos zu machen, Mitternachtssonne hin oder her. Und da die Fotografen ihre Wunschbilder im Kasten hatten, machten wir tatsächlich noch eine kleine Wanderung, um noch einen anderen Aspekt der Insel zu sehen: die wüstenhafte Berglandschaft nördlich der Vogelfelsen.



Um zwei Uhr Nachts traten wir den Rückweg an und erreichten die Nordklippen von Sørhamna, in der die 'Arctic Breeze' wieder geankert hatte. Da es weiterhin keinen sicheren Weg hinab zum Strand gab, hatten wir auf dem ersten Kilometer eine Tasche hierhin geschleppt, die mit Kletterausrüstung gefüllt war: 60 Meter Seil, Klettergurte, Helme, Anker und Brimborium. Ulvar befestigte den Anker und ich seilte mich als Erste die gut 20 Meter hohe Klippe herab, bevor ich auf einem steilen aber ab dort gut begehbarem Schotterfeld zum Stehen kam. Hier wartete ich auf die anderen und half ihnen beim Ausklinken. Als die anderen, einer nach dem anderen, zum Schiff gebracht wurden wurden, kam zum Schluss auch Ulvar runter. Zusammen schafften wir es dann auch, das doppelt durchgezogene Seil aus dem Anker zu ziehen, sodass nur dieser oben blieb: Mission abseiling completed!


Die dreieinhalb Tage Rückfahrt habe ich aus dem Kalender gestrichen. Wir flohen vor einem Sturm in Richtung Russland, und segelten unter Motor so lange Richtung Südosten, dass ich schon dachte, bald in Murmansk anzukommen. Die Barentssee machte ihrem Ruf mal wieder alle Ehre. Meine guten Seekrankheitspillen waren aus, und ich fand alles ziemlich scheisse und verbrachte so viel Zeit in der Horizontalen, dass ich vor lauter Rückenschmerzen letztlich kaum mehr liegen konnte. Eh, diese Seefahrt immer. Warum ist der Mensch bloß je auf die blöde Idee gekommen, Schiffe zu nutzen...?



Und dann waren wir endlich wieder in Tromsø angekommen, zusammen mit der 'Arctic Sunrise'. Unser Rendezvous war kein Zufall: Will und Christian mussten das Schiff wechseln und direkt wieder losstarten. Die Reise auf der 'Arctic Sunrise' würde sie diesmal wieder fast bis zur Bäreninsel bringen, bis zu einer Ölplattform, der nördlichsten dort oben, um zu protestieren. Das Schiff blieb aber noch zwei Tage im Hafen, zwei herrliche Tage, bei denen Ulvar und auf dem Schiff bei allem aushalfen, bei dem wir helfen konnten  - und einfach nur eine gute Zeit hatten. Wie schon im Jahr 2009, so durfte ich feststellen, dass auf den Greenpeace-Schiffen enorm imponierende Persönlichkeiten zu finden sind: tolle Charaktere, voller Drang, die Welt zum Besseren zu verändern. Dazu gehörte auch Lucy Lawless, eine neuseeländische Schauspielerin, die in den Neunzigern als "Xena - die Kriegerprinzessin" berühmt wurde - und schon mehrmals mit Greenpeace gegen die Ölindustrie gekämpft hat.

Das nachfolgende kleine Video zeigt sowohl Lucy, als auch einige der Sequenzen, die Christian während unserer Reise gefilmt hat.



Die Rückreise von Nordnorwegen nach Deutschland geschah zwar wieder ohne Flugzeug, aber in einer schier unglaublichen Geschwindigkeit: ich reiste mit dem Nachtzug durch Schweden und hatte dabei nur eine Übernachtung in Dänemark. Zugfahren ist ja sooooo super - es ist mir völlig wurscht, dass man ab und zu einmal Verspätung hat, es ist schlichtweg eine herrliche Fortbewegungsmethode, super angenehm und abwechslungsreich. Ich habe außerdem festgestellt, dass es ein super Gesprächs-Starter ist, ein Greenpeace-T-Shirt anzuhaben: da setzen sich dann gleich die Leute neben einen, die auch nett sind! :-)

Soweit so gut: ich melde mich bald wieder, versprochen - denn die kommenden Monate werden Spannend werden!

Also: bis dann!

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