Mittwoch, 23. August 2017

Mit Greenpeace zur Bäreninsel - Teil 2

Nach 70 Stunden auf See waren wir endlich bei Bjørnøya angekommen
Quelle: Wikimedia Commons
und ankerten im Schutz des einzigen guten, natürlichen Hafens der Südküste: in einer Bucht namens Sørhamna, dem 'Südhafen'.

Bjørnøya ist im Nordwesten flach, im Südosten aber bergig: dort befinden sich sowohl die höchsten Erhebungen (bis 535 Meter) als auch die großen Vogelkolonien. Offizielle Zahlen habe ich keine gefunden, aber hier brüten hunderttausende von Lummen, Dreizehenmöwen und Eissturmvögeln, manche Quellen sprechen von bis zu 1.5 Millionen allein in den südlichen Klippen der Insel. Die sind allerdings so hoch und steil, dass man nur ein paar wenige, dünne Strände darunter betreten kann; einen Aufstieg gibt es hier aber nicht. Dies wissend, verbrachten wir den ersten Abend bewusst auf dem Wasser, damit die beiden Fotografen Bilder unterhalb der Klippen machen konnten.



Die Nacht war insofern turbulent, als dass wir gerammt wurden: von dem einzigen anderen Boot, das sich zusammen mit uns vor den vorhergesagten starken Winden in die Bucht zurückgezogen hatte. In dem kleinen Segelboot (etwa ein Drittel kleiner als wir) hielt nachts niemand Wache, und so bekamen
es die fünf Norweger nicht mit, dass ihr Anker nicht mehr hielt und sie in uns hineintrieben. Das Ganze lief wohl so schnell ab, dass unsere Nachtwache kaum Zeit zum Reagieren hatte und es deswegen ganz ordentlich knallte. Ungünstig - aber scheinbar ohne bleibenden Schaden.



Der nächste Tag brachte, wie vorhergesagt, stürmischen Wind aus Ost. Die Wolken hingen tief und umwaberten die Wipfel der höchsten Berge; später regnete es. Es waren meist keine guten Bedingungen für die Fotografie, geschweige denn, die Insel zu betreten. Dafür hätten wir Sørhamna verlassen müssen, und es gab weit und breit keine andere Bucht, die der 'Arctic Breeze' Schutz und Ankerstelle geboten hätte. So blieben wir also einfach da. Ulvar und ich setzten zum Strand über und versuchten, vielleicht ja doch einen Weg nach oben zu finden - aber vergeblich. Der Fels ist zu steil, um ihn hinaufzulaufen, und gleichzeitig zu locker, um zu klettern. Daraufhin versuchten wir, die Klippen mit dem für diese Aktion viel zu kleinen Dingi (Schlauchboot) zu umrunden, mit dem Resultat, dass wir dank zu hohen Seegangs fast untergingen. Plitschnass kehrten wir zurück an Bord und sammelten die Fotografen auf, um sie zumindest unten am Strand abzusetzen, damit sie ein paar erste Bilder machen konnten. Und während sie das taten, kümmerten Max und ich uns darum, Frischwasser an Bord zu bringen, denn das ging langsam aber sicher zur Neige.

Ein Eiderentenweibchen auf seinem Nest.
Es verlässt sich komplett auf seine Tarnung und wird erst dann flüchten, wenn man fast drauftritt.


Ein Lummen-Ei
         
Der nächste Morgen brachte ruhigeres Wetter und die Möglichkeit, unseren sicheren Hafen zu verlassen. Wir ließen uns von der 'Arctic Breeze' in der Kvalrossbukta absetzen, der nächsten größeren Bucht nördlich von Sørhamna, von wo aus wir die Klippen quasi von hinten erklimmen konnten. Während ich auf die anderen wartete und wir eine Menge Gepäck mit an Land brachten, erkundete ich die Küste. Es war mal wieder ein ernüchternder erster Eindruck, denn unser Müll, der ist schon lange vor uns da. Es scheint leider heutzutage ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, noch irgendwo einen komplett naturbelassenen Strand zu finden: selbst nicht auf so entlegenen Insel wie der Bäreninsel.



Zu fünft standen wir dann endlich an Land, schwer bepackt und voller Vorfreude auf die vor uns liegende Nacht. Ein Sturm war vorhergesagt, der uns zu einer verfrühten Abreise zwang: spätestens am kommenden Mittag wollte unser Kapitän wieder die Segel setzen. Von daher hieß es, von den verbliebenen 24 Stunden jede Minute auszunutzen. Und so zögerten wir nicht lange und wanderten Richtung Südwesten, zuerst einmal hinüber nach Sørhamna, unserem Ankerplatz. Das Schiff war schon wieder auf dem Weg dorthin, als ich das folgende Panoramafoto machte.



Obwohl Ulvar eine Mordswanderung über die halbe Insel geplant hatte, kamen wir nicht weit. Alle 10 Meter offenbarte sich ein anderes Motiv, und die beiden Fotografen hatten eine ganze Liste abzuarbeiten von gewünschten Aufnahmen und Blickwinkeln. Christian hatte beispielsweise eine Drohne dabei (meine Begeisterung darüber hielt sich SEHR in Grenzen) und sollte außerdem mit der Filmkamera Interviews mit der deutschen Campaignerin Steffi führen.



Auch ich erledigte brav meine Pflichten: ich suchte Eisbären, von denen ich wie erwartet keine fand. Bjørnøya wurde bei ihrer Entdeckung zwar nach einem schwimmenden Eisbären benannt, aber seitdem es in Zeiten des Klimawandels in dieser Umgebung so gut wie kein Meereis mehr gibt, bleiben auch die Bären aus. Da es theoretisch zwar sein kann, dass es irgendwann mal einen Bären hierhin verschlägt, und die Insel offiziell zu Spitzbergen gehört und hier die gleichen Regeln gelten, muss man 'Mittel zur Abwehr von Eisbären' mit dabei haben: weswegen ich angeheuert wurde. Ein echt toller Job, Eisbärenwache auf einer Reise zu sein, wo die Begegnung mit einem Eisbären einem Sechser im Lotto gleichkommt! :-)

Obwohl ich wusste, dass diese Gegend ein stark befischtes Gebiet ist, so war ich überrascht, dass sage und schreibe sieben große Schiffe im Lee der Insel ankerten. Das umliegende Meer ist extrem produktiv: der Fischreichtum lockt nicht nur die Tiere, sondern auch uns Menschen hierher mit ihren großen Fabrikschiffen.



Wenn man das so sieht, all diese großen Schiffe, die Wale, die unzähligen Vögel - da begreift man erst, was hier in Gefahr ist. Der Golfstrom fließt mit etwa einem Knoten Geschwindigkeit die norwegische Küste entlang und endet schließlich an der Westküste Spitzbergens. Sollte es bei einer der mittlerweile vielen Ölplatformen nördlich von Norwegen zu einem Ölunfall kommen, wird dieses Öl direkt nach Norden gebracht werden und Tonnenweise Fisch töten - und zig Tausende von Vögeln dazu. Einerseits brüten sie hier in den Klippen, gut geschützt vor allen Räubern, andererseits ziehen sie in großen Schwärmen schwimmend an den Ölplattformen vorbei. Eine Ölpest würde diese stark belebten Gegenden innerhalb weniger Tage erreichen. Nicht auszudenken, was das für die Vogelpopulation hier bedeuten würde!









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