Dienstag, 10. März 2015

Island - von Stürmen und Höhlen

Der Winter in Island ist dieses Jahr extrem stürmisch. Ein Tiefdruckgebiet nach dem anderen trifft die Insel mit voller Wucht, und das mehrmals die Woche. Dass es hier stürmen kann, das ist nichts Neues, aber dass so viele Orkane so dicht aufeinander folgen, ist nicht normal. Es sind meiner Meinung nach eindeutig Auswirkungen des Klimawandels: und zwar solche, mit denen die Isländer nicht gerechnet haben. Denn die Neowikinger stehen dem Klimawandel bisher eher neutral gegenüber. Sie wissen, dass der Rest der Welt schon jetzt unter den negativen Auswirkungen leidet, aber hier auf Island, da erwartet man viele positive Veränderungen. Mit den steigenden Temperaturen wird Island grüner werden, die Landwirtschaft wird viel mehr Pflanzen anbauen können, und außerdem wird die Insel eine strategisch wichtige Position für Aktivitäten am Nordpol einnehmen und wirtschaftlich stark davon profitieren. Dass die Stürme immer extremer werden und immer häufiger, davon hat bisher kaum jemand gesprochen.



Dieser Winter aber zeigt, wie unangenehm kalt die Zukunft im Klimawandel werden kann, selbst für eine moderne Nation wie Island. Ständig sind wichtige Straßen geschlossen, stecken Autos fest und bleiben die Inlandsflüge am Boden. Das öffentliche Leben geht allerdings immer irgendwie weiter, denn die Isländer sind einiges gewöhnt, was Winterstürme angeht. Sie fahren beispielsweise auch dann noch zu Bekannten, auf Sportturniere oder zu Konfirmationsfeiern, wenn wir Deutschen schon lange kein Auto mehr anrühren würden...

Die Konsequenz daraus ist allerdings, dass sie dann auch wirklich stecken bleiben, wenn auf den Pässen zu viel Schnee liegt. Dann hilft man sich erst gegenseitig, und wenn das nichts bringt, ruft man die Bergrettung. Dies geschieht momentan andauernd: die Freiwilligen der Bergrettung sind nahe am Burnout. Ständig müssen sie Straßen sperren, Autos aus dem Schnee befreien und aus Gräben ziehen - und einen Touristen nach dem anderen retten (öhömm...).
Zwei Tage, nachdem ich zurück nach Reykjavík gebracht worden war, gab es zwei Großeinsätze an einem Tag. Drei Franzosen mussten im Norden bei Urðarvötn gerettet werden und auch zwei Deutschen flog das Zelt weg, die den Strútsstígur gehen wollten. Trotz wissentlich schlechter Wettervorhersage hatten sie keinen Schutz in Hütten gesucht und infolgedessen Zelt und Ausrüstung verloren. Über diese Leute berichteten die Medien hinterher allerdings gar nichts. Das war wohl zu normal...



Eine Woche später (also vor zwei und fünf Tagen) rettete die Bergrettung dieselben Leute zweimal. Drei Finnen hatten sich zu einer Querung des Vatnajökull aufgemacht, was meiner Meinung nach schon bescheuert genug ist um diese Jahreszeit. Sowas macht man im Mai, wenn die Tage lang und das Wetter gut sind - aber doch nicht jetzt, in der Sturmsaison schlechthin! Aber das ist ein Satz, den ich mir selber auch anhören musste...
Na ja, die drei waren jedenfalls unterwegs, als einer von ihnen krank wurde. Sie riefen die Bergrettung, um den Kranken abholen zu lassen, und diese wollte auch die anderen beiden mitnehmen, weil ein weiterer Sturm nahte. Aber die weigerten sich und setzten ihre Reise fort: um drei Tage später ein echtes Notsignal zu senden. Der Sturm hatte ihnen Zelt und Ausrüstung genommen, nun mussten sie wirklich gerettet werden: bei schlechtem Wetter und unter Zeitdruck. Ob sie sich eine Schneehöhle gebaut haben, so wie wir seinerzeit mehrmals im "Arctic Nature Guide"-Studium, das weiß ich allerdings nicht...



Bei all dem Mistwetter war mir klar, dass ich diesen Monat nicht noch einmal auf Skiern ins Hochland aufbrechen wollte. Raus in die Natur zog es mich allerdings schon! Also entschied ich mich dazu, am Vatnajökull Eishöhlen zu (be)suchen: ich schnappte mir meine gesamte Eiskletterausrüstung, eine abgespeckte Winter-Zeltausrüstung und meinen Monowalker-Wanderanhänger und machte mich auf den Weg zu einer Wochenendtour. Es ist nicht nur die Schönheit der isländischen Gletscher, die mich reizt, sondern auch dieser Prozess des Entdeckens: nicht zu wissen, was man erleben wird, wenn man sich dem Gletscher nähert oder um die nächste Möräne herumläuft. Ich fühle mich jedes Mal, wie ein Kind bei Weihnachten, wenn ich auf allen Vieren in kleine, dunkle Löcher hinein krieche, die sich dann eben manchmal als türkisfarbene Eishöhlen entpuppen.



Ich denke, dass allen klar ist, dass solche Aktivitäten ein gewisses Grundrisiko bergen. Ich habe gelernt, die vorherrschenden Gefahren einzuschätzen und bin mir der Risiken sehr bewusst, die mir begegnen können. Die Gletscher Islands sind zwar wunderschön, aber auch hochgradig instabil: das Eis auf Island ist sehr warm, es fließt ziemlich schnell und befindet sich deswegen in ständiger Veränderung. Ein kleiner Temperaturumschwung und die ganze Höhle stürzt ein... Immer wieder sterben Menschen in und an isländischen Gletschern! Wer solche Höhlen sehen möchte, der soll sich daher ortskundige Guides nehmen, die wissen, wann man welchen Eispalast sicher betreten kann.



Die Faszination des Eises die ist für mich aber ungebrochen: seit meiner Ausbildung zum "Arctic Nature Guide" auf Svalbard, bei der wir ja einen Gletscherkurs absolvierten und in unserer Freizeit in und an Gletschern herumkletterten, suche ich jeden Winter ein bis zwei Tage lang nach Eishöhlen. Diese Freude des Entdeckens, die sich immer ändernde Schönheit des türkisfarbenen Eises: das ist etwas ganz Besonderes, das mich immer wieder begeistert.





In Island gibt es aber nicht nur Höhlen im Eis, sondern auch in den vielen Lavafeldern. Sie sind viel schwieriger zu finden, dafür aber nicht einsturzgefährdet und bestehen meist aus scharfkantiger, grober Lava. Krabbeln ist darin unmöglich, es sei denn, man ist extrem gut gepolstert... Ich habe deswegen bisher nur einige wenige betreten: meist große Höhlen, in denen man stehen und gehen kann. Sie leuchten natürlich nicht so mystisch, wie die durchscheinenden Eishöhlen, aber sie sind nicht minder faszinierend!



Diese Lavahöhlen können von innen sehr farbig sein, also leuchtend gelb, orange und rot - man muss sie nur beleuchten. In einer der bekanntesten, der Raufarhólshellir, war ich dank meiner Freundin Arianne, die mit ihren Kindern, Freunden und mir einen Besuch dorthin organisiert hat. Mit Helmen und Kopflampen sind wir in die von Schneewehen verdeckte Höhle eingestiegen. Es eröffnete sich eine Wunderwelt aus farbiger Lava und Eis-Stalaktmiten, die uns alle verzaubert und begeistert hat.

Mit diesen Bildern verabschiede ich mich für's Erste aus Island. In den nächsten Wochen warten Deutschland und die Schweiz auf mich mit weiteren Aufführungen der "Inseln des Nordens". Ich freue mich darauf - genau wie auf die darauffolgenden Monate in Skandinavien und Svalbard. Mehr darüber im nächsten Eintrag - wann auch immer der sein wird... ;-)

Liebe Grüße - und bis dahin!
Kerstin

1 Kommentar:

  1. Liebe Kerstin,
    Zurück aus Südafrika, habe ich nun deine Berichte der wunderbaren Rettung gelesen. War im Nachhinein sehr interessant und du hast wieder tolle Aufnahmen gemacht. Schön, dass alles so gut ausgegangen ist.
    Gruß Ulla

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