Die vergangenen Jahre war ich mehrmals im Spätsommer / Herbst im isländischen Hochland unterwegs. So sehr ich mich auf jeden Islandbesuch freue, so sehr fürchte ich auch immer, was ich wohl diesmal wieder an negativen Dingen erleben und sehen werde. Ich weiß ja, wie enorm die Besucherzahlen gestiegen sind - und das bedeutet unweigerlich, dass auch die Probleme deutlicher sind, die von uns Menschen verursacht werden. Und eine der sichtbarsten und hässlichsten Auswirkungen menschlicher Anwesenheit im Hochland ist das sogenannte Offroad-Fahren.
Seit ich Island kenne, hält sich unter Touristen hartnäckig der Glaube, dass es völlig in Ordnung sei, dort mit motorisierten Vehikeln die Wege und Pisten zu verlassen. Dieser Irrglaube wird dadurch geschürt, dass es manchmal tatsächlich nicht verboten ist, im Winter beispielsweise. Und so sieht man ständig und so ziemlich überall Reifenspuren abseits der Wege. Es fängt damit an, dass es keine Parkplätze und Haltebuchten gibt, und man deswegen neben der Piste parkt. Oder, auch ganz klassisch, dass man einem anderen Fahrzeug ausweichen will, und dies einfach mit einem Schlenker neben der Fahrbahn tut. Offiziell ist das aber schon verboten: man darf den Weg nicht verlassen, Ende der Diskussion. Bei Gegenverkehr wird auf einer engen Piste von einem erwartet, dass man so lange zurückfährt, bis ein Passieren ohne Verlassen der Strecke möglich ist. Erstens ist das ziemlich unrealistisch, und zweitens macht das eh so gut wie niemand. Das Ergebnis sind völlig ausgefransten Hochlandwege, gesäumt von Spuren ausweichender oder parkender Fahrzeuge: und das wiederum ist meiner Meinung nach ein Grund, weshalb Menschen überhaupt auf die Idee kommen, absichtlich querfeldein zu fahren. Die Gründe fürs Offroadfahren sind so vielfältig, wie es Meinungen und Menschen gibt: manche mögen wirklich nicht wissen, dass es illegal ist, andere handeln aus dem Bauch heraus, und wieder anderen ist das ganze scheißegal, sie wollen einfach nur ihren Spaß haben. Und die Folgen sind dann über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinweg sichtbar.
Bild: Landsvirkjun, Quelle: www.mbl.is |
Es wurde in den letzten Jahren auf dieses Problem reagiert: in Mietwagen wurden Aufkleber angebracht, offizielle Websiten sprechen das Verbot an, in Tankstellen hängen Plakate und an den Straßen stehen immer mehr Hinweisschilder. Aber allein die schiere Masse von Besuchern trägt dazu bei, dass das Problem des Offroad-Fahrens weiterhin zunimmt.
Bild: Umhverfisstofnun, Quelle: www.dv.is |
Wenn dann einmal diejenigen erwischt werden, die solch langanhaltende Narben in der Landschaft hinterlassen, dann kommt das meist gleich groß in den isländischen Medien. Da werden dann Sachen gesagt, wie: "Die Ausländer sind für die meisten Offroad-Spuren verantwortlich!". Und klar gibt es eine Menge Touristen, die teils aus purer Unwissenheit / Desinteresse machen, was sie wollen: ein berühmtes Beispiel ist der Wüstenfotograf Michael Martin, der mit seinem Motorrad munter von den Pisten abbog und der die Bilder erst aus seinem Vortrag herausnahm, als ich ihn deswegen ziemlich zornig hinterher zur Rede stellte.
Meine ganz persönliche Erfahrung ist es aber, dass viele Spuren auf die Konten von Isländern gehen.
Das Problem ist: echtes Offroad-Fahren, also das Verlassen der offiziellen Wege, ist im Winter erlaubt. Sobald die Erde gefroren oder schneebedeckt ist, fahren die Isländer mit ihren Superjeeps wo immer sie es wollen. Und gerade im Herbst und im Frühjahr führt das zur Bildung von Spuren: denn die Erde ist dann nie immer überall gefroren oder schneebedeckt. Klar, man sinkt dann nicht so tief ein, wie im Sommer, aber die Reifen rasieren trotzdem die oberste Bodenschicht ab. Auch wenn alle Isländer, die ich darauf ansprach, das Gegenteil behaupten: ich kann einfach nicht glauben, dass ein mehrere Tonnen schwerer Superjeep keine Spuren hinterlässt, wenn gerade einmal ein paar Zentimeter Schnee zwischen ihm und der Vegetation liegen und die Lufttemperaturen schon über dem Gefrierpunkt sind. Von meiner Zeit als Bauer weiß ich: wenn ein Traktor unter diesen Bedingungen auf ein Feld fährt, sieht man im Frühjahr Spuren, und zwar deutlich! Und wenn dann auch noch die Räder durchdrehen, was ständig passiert, sind die Chancen noch höher, Schaden anzurichten.
Ich glaube, ich habe selten eine Superjeepfahrt mitgemacht, auf der sich nicht mindestens ein Fahrzeug bis (fast) auf den Erdboden herunter gewühlt hatte, eine Achse brach oder das Auto gar in einem See oder Fluss versank. Kritische Kommentare, ob das ganze mit Hinblick auf bleibende Spuren bzw. generellen Naturschutz nicht vielleicht mit Skepsis zu betrachten sei, wurden in den meisten Fällen als lächerlich abgewunken: Quatsch, der Natur passiere nichts, der "Boden ist ja gefroren", und "das bisschen Öl / Diesel wird eh gleich ins Meer gespült".
Und über den Treibstoffverbrauch dieser Monster wird teilweise regelrecht geprahlt: 20 Liter auf 100 Kilometer sind der Durchschnitt, und alles darunter oder darüber ist ein Gesprächsthema wert, das aber eines niemals beinhaltet: die Verbindung zwischen dem durch die Fahrt generierten CO2-Ausstoß und dem Klimawandel. Die Isländer sonnen sich in ihrem völlig ungerechtfertigtem Ruf als "grüne Nation", denn sie wissen teils selbst nicht, dass sie zur Weltspitze gehören, was den CO2- Ausstoß pro-Kopf angeht. Ich habe versucht, das Thema zu recherchieren: es gibt kaum Daten, aber was ich gefunden habe, hat mich sprachlos werden lassen. 14 Tonnen CO2 produziert der Durchschnitts-Isländer pro Jahr, was einen ökologischen Fußabdruck von unglaublichen 12.7 ha/Person gleichkommt. Zur Erinnerung: Zwei Tonnen pro Person und Jahr gelten als langfristige Schmerzgrenze, damit die Welt nicht aus den Angeln kracht.
Begründet wird der gigantische CO2-Ausstoß der Isländer durch den extrem hohen, konsumorientierten Lebensstandard: durch die vielen Importe, von denen die Insel abhängig ist, den häufigen Reisen (Flügen) ins Ausland, der Schwerindustrie und natürlich auch dem häufigen Gebrauch von überhaupt nicht kraftstoffsparenden Fahrzeugen. Sollten die oben erwähnten Zahlen stimmen, dann sind die Isländer Weltmeister im CO2-Ausstoß (pro Kopf), bzw. befinden sich in einer Liga mit den ölfördernden Nationen und Nordamerika. Und niemand weiß es bzw. will es wahrhaben.
Das Aluminiumwerk im Reyðarfjörður. Laut alter Informationen werden hier pro verarbeiteter Tonne Aluminium 1,86 Tonnen CO2 ausgestoßen |
Man kann sich seine Realität wirklich wunderbar zurechtbiegen...
Ein weiteres Problem sind meiner Meinung nach die Schafabtriebe. In Island ist das meiste Land in Privatbesitz, oder zumindest haben irgendwelche Privatmenschen immer irgendwelche Rechte. Beispielsweise die Bauern, wenn sie ihre Schafe im Hochland zusammentreiben: also genau dort, wo die Vegetation aufgrund der viel kürzeren Wachstumsperiode am empfindlichsten ist. Früher geschah das mit Pferden (die auch ziemliche Erosion verursachen, aber auch da redet kaum einer drüber!), heute aber eigentlich hauptsächlich mit Quads und Jeeps. Und diese Fahrzeuge fahren wo immer es ihnen beliebt - völlig egal, ob sie Spuren hinterlassen oder nicht.
So sieht der moderne Schafabtrieb mittlerweile aus: statt zu Fuß oder auf dem Pferderücken unterwegs zu sein, kommen mehr und mehr Quads und Motorräder zum Einsatz, begleitet von einem Tross Jeeps. Auffällig viele junge Männer machen sich einen eindeutigen Spaß daraus, die Schafe zu treiben, mit Helmkameras und schnellen Geschwindigkeitsveränderungen. Die angrenzenden Bilder machte ich nördlich von Fjaðrárgljúfur: hier wurden die Schafe von 5 Quads, drei Motorrädern und einem Fußgänger getrieben. Drei Reiter waren auch dabei, aber ohne wirklich am Geschehen teilzuhaben, genau wie die Motorräder, die einfach nur hintendran querfeldein fuhren.
Noch gibt es Schafabtriebe, bei denen traditionell hauptsächlich zu Fuß und Pferd getrieben wird, aber das obige Bild ist kein Einzelfall. Es gibt natürlich überall jene, die sich vorbildlich benehmen und denen Offroad-Fahren zuwider ist: eine wachsende Mehrheit, will ich meinen, auch unter den eher traditionellen Bauern. Aber leider gibt es immer (noch) eine Menge schwarze Schafe. Zumal das Thema gemeinschaftlich ignoriert wird: Offroadfahren im Zuge des Schafabtriebs wird von den meisten Isländern hingenommen. Ganz nach dem Motto: "Das war schon immer so, das ist doch kein Problem, bald wird es Winter, da sieht man die Spuren eh nicht mehr."
Nun, ich kann dem nicht zustimmen. Einige der Spuren verschwinden, andere aber nicht. Gerade im Herbst, wenn die Spuren überall deutlich zu sehen sind, sind Jahr für Jahr mehr Reisende im Hochland unterwegs - die von den frischen Tracks verlockt werden, zu schauen, wohin dieser "Weg" wohl führen mag. So kann ganz schnell ein deutlicher Pfad entstehen, der von den legalen Wegen kaum zu unterscheiden ist, besonders, wenn man sich als Ausländer eh nicht so gut in Island auskennt. Genau dies fotografierte ich auf folgendem Bild, als ein (Klischee lässt grüßen) übergewichtiger Irgendwer auf den Hügel fuhr, dort mit laufendem Motor 10 Minuten stand und mit seinem Handy Fotos von der schönen Aussicht machte - alles komplett Offroad. Und leider viel zu weit von mir entfernt, um irgendetwas tun zu können.
Und dann sind da noch jene Isländer unterwegs, die mit ihren Quads oder Motorrädern ganz gezielt ins Hochland reisen, um dort offroad spaß zu haben. Sie wissen ganz genau, dass es verboten ist, aber es scheint ihnen herzlich egal zu sein: erstens sind die "echten" Schaftreiber ja auch im gleichen Gebiet offroad unterwegs, und zweitens werden sie eh nicht erwischt. Und all dies summiert sich: die Touristen, die Cross-Biker und Quad-Fahrer, die pro Region bis zu drei Schafabtriebe: also drei Wochenenden nacheinander, in denen meist mehrere Jeeps und Quads / Cross-Motorräder um jeden einzelnen Berg herumfahren. Sind Wege da, werden sie benutzt, aber halt auch nicht immer. Und ganz besonders nicht von der jungen Motor-Cross-Generation, die Spaß haben will. Und das halt leider oft außerhalb der offiziellen Pisten. Das Problem ist so alt wie der Motorsport selbst - aber es ändert sich halt auch nichts, wenn die Übeltäter nicht zur Rechenschaft gezogen werden.
Bild: Gunnar Árnason, Quelle: www.dv.is |
Bild: Lögreglan, Quelle: www.visir.is |
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