a) in direkter Nähe zu schöner, kalter Natur stattfinden, und
b) unbedingt auch irgendwie mit Naturschutz zu tun haben sollten.
Nach langem Suchen habe ich tatsächlich ein paar Stellen gefunden, auf die meine Kriterien zutreffen, und gleichzeitig gestaunt, wie beliebt diese sind. Wer hätte schon gedacht, dass sich mehrere hundert Leute dafür bewerben, bis zu eineinhalb Jahre lang auf eine entlegenen Insel geschickt zu werden? Ziemlich lange dachte ich, keine einzige meiner sieben Bewerbungen würde zum Ziel führen. Als die Absagen eine nach der anderen eintrudelten und ich schon einen Plan B ausgearbeitet hatte, da kam sie doch noch, die Zusage. Und so kann ich jetzt total glücklich verkünden: ich werde das kommende halbe Jahr auf Südgeorgien arbeiten!!!
Südgeorgien ist die nördlichste der rot umkreisten Inseln Quelle: Wikipedia , by TUBS |
Südgeorgien, auf Englisch "South Georgia", wird von den meisten Leuten oft deplaziert. Entweder hält man es für den Süden von Georgien, also jenem Land zwischen Russland und der Türkei, oder aber für den Süden des amerikanischen Bundesstaates Georgia. Aber nein: "mein" Südgeorgien ist eine bananenförmige, subantarktische Insel, die ziemlich ausgesetzt im wilden Südatlantik östlich der Südspitze Südamerikas liegt. Das nächste bewohnte Land sind die Falklandinseln (1300 km nordwestlich), und genau wie diese gehört Südgeorgien zum britischen Überseeterritorium, wird aber gleichzeitig von Argentinien beansprucht.
Bild von MODIS Rapid Response Project bei NASA/GSFC |
Das obige Bild zeigt Südgeorgien am 8. August 2002, also im (Süd-)Winter, unserem Nord-Sommer.
Im Süd-Sommer (November bis Februar) herrschen hier durchaus gemäßigte Verhältnisse: die Temperaturen liegen normalerweise bei 2 - 10 °C. Das ist für antarktische Verhältnisse tropisch!
Grund für diese Saunatemperaturen ist die Lage der Insel: Südgeorgien befindet sich ziemlich genau auf dem kompletten 54° südlichen Breitengrad. Auf Deutschland übertragen ist das die Position und Distanz von Lübeck bis nach Westerland auf Sylt. Wir sind also noch ziemlich weit vom Südpol entfernt: 1500 Kilometer sind es von Südgeorgien zur nördlichsten Spitze der antarktischen Halbinsel, und schlappe 4000 Kilometer bis zum Südpol.
Karte von Wikipedia/Apcbg |
Wo genau die Antarktis beginnt, ist (wie so oft) eine Definitionssache. Erstmal gibt es die geographisch-astronomische Definition, welche da lautet: Antarktis ist alles südlich des südlichen Polarkreises, also: von 66° 33′ südlicher Breite bis zum Südpol. Dann gibt es die "offizielle" Definition: Antarktis ist alles südlich des 60. Breitengrades. Und schließlich gibt es da noch die ozeanografische Abgrenzung: Antarktis ist alles südlich der antarktischen Konvergenz, also jener Zone, welche die nördliche Grenze des Südpolarmeeres / Antarktischen Ozeans bildet.
Unter Normalsterblichen meint man mit "Antarktis" erstmal der Kontinent. Will man es genauer sagen, dann gilt die Zone vom Südpol zum südlichen Polarkreis als "eigentliche Antarktis", und die Zone vom südlichen Polarkreis zur Antarktischen Konvergens als "Subantarktis". Und damit haben wir's: Südgeorgien liegt in der Subantarktis - Ende der Diskussion!
Quelle: Wikipedia, von Ivanov, L. and N. Ivanova |
Jetzt aber endlich zurück nach Südgeorgien. Die Insel ist 165 Kilometer lang und bis zu 35 Kilometer breit - und liegt mitten im wilden Südatlantik. Jeder zweite Tag ist ein Regentag, es ist generell verdammt stürmisch, und auf den Bergen bleibt der Schnee das ganze Jahr liegen. Es gibt dort unzählige Gletscher, und die Landschaft ist gebirgig und zerklüftet. Elf Berge sind über 2000 m hoch; als höchste Erhebung gilt der Mount Paget mit 2934 m.
Südgeorgien hat keine permanente zivile Bevölkerung. Es gibt hier jedoch zwei wissenschaftliche Stationen, Bird Island und King Edward Point, auf der Forscher des British Antarctic Survey
ganzjährig leben. Dies dient sicherlich auch dem politischen Zweck, den britischen Anspruch auf Souveränität über die Insel gegenüber Argentiniens Gebietsansprüchen zu untermauern - es ist der gleiche Konflikt, der auch immer noch um die Falklandinseln schwelt.
Touristen gibt es (dank der sich an wachsender Beliebtheit erfreuenden Expeditions-Kreuzfahrtschiffe) aber einige: dieses Jahr werden zum ersten Mal 10.000 Besucher erwartet, die von Südamerika über die Falklandinseln in die Antarktis reisen und dabei einen 2-4 tägigen Stopp in Südgeorgien einlegen. So bin auch ich schon dreimal dorthin gekommen, als Guide, in den Jahren 2013 und 2014. Das obige Bild zeigt die MS Expedition, ein Schiff für bis zu 140 Passagiere, in Stromnes Bay. Es entstand Ende Januar, also im Hochsommer: wie man sehen kann, ist das Land in Küstennähe schneefrei und grün, denn es gibt hier bis etwa 50 Pflanzenarten, darunter aber weder Bäume noch Sträucher.
Ein junger antarktischer Seebär im dominierenden Tussock-Gras in Fortuna Bay, ebenfalls im Hochsommer |
Wenn es überhaupt so etwas wie eine Siedlung auf Südgeorgien gibt, dann ist es das alte Walfängerdorf Grytviken, von einem norwegischen Kapitän im Jahre 1904 gegründet und etwa 50 Jahre lang bewohnt gewesen. Grytviken gilt als der beste Naturhafen der Insel, und wohl auch deswegen liegt direkt neben der alten Walfängersiedlung heute die größte Forschungsstation Südgeorgiens, King Edward Point.
Karte von Rotesdiadem - Wikipedia / CC-BY-SA 4.0 |
Die Touristenschiffe kommen alle nach Grytviken: erst einmal, weil sie es müssen (sie bekommen dann offiziellen Besuch von der Inselverwaltung...). Stürme sind an der Tagesordnung: in Grytviken kann man aufgrund seiner geschützten Lage auch dann oft noch an Land gehen, wenn draußen ein Orkan tobt. Und, last but not least, gibt es in Grytviken doch tatsächlich ein Museum, einen kleinen Shop, ein Postamt und das Grab von Ernest Shackelton - alles sehr attraktive Dinge für die meist wohlsituierten Touristen älteren Semesters.
Und genau hier, im Museum des South Georgia Heritage Trust in Grytviken, werde ich ein halbes Jahr arbeiten und wohnen. Ich bin als einer von zwei Museumsassistenten angeheuert worden und werde hauptverantwortlich sein für die Reinhaltung des Museums (es ist das Haus rechts im Bild, mit dem leuchtend rotem Dach) sowie den Kontakt mit den Gästen, die im Sommer jeden zweiten Tag erwartet werden. Im Grunde genommen ist es also der Arbeit als Hüttenwart recht ähnlich, da war ich ja auch vor allem als Putzteufel und Touristendompteur angeheuert worden. Hier bin ich halt in absolut exklusiver, total spannender Natur und freue mich (wie blöde) auf die sich mir bietenden Fotomotive. Was für mich auch zählt, ist die Tatsache, dass die Einnahmen aus dem Shop (welchen ich betreuen werde) fast ausschließlich in den Naturschutz der Insel fließen: ich hoffe, dazu in einem späteren Blogbeitrag mehr berichten zu können.
Südgeorgien ist ein Tierparadies der Sonderlative. Es gibt hier vier Albatross-Arten und eine Menge Robben (vor allem See-Elefanten und Antarktische Seebären). Dazu kommen fünf Millionen Goldschopfpinguine, drei andere Pinguinarten - und dann auch noch schätzungsweise 400.000 Königspinguine.
Königspinguinkolonie in St. Andrews Bay |
Grytviken liegt in einer kleinen Bucht, in welche sich nur ein paar Tiere verirren. Ich gehe stark davon aus, dass ich kaum von dort fort kommen und die großen Tierkolonien im kommenden halben Jahr nicht zu Gesicht bekommen werde. Aber das ist ja auch gar nicht Sinn der Sache: mein Ziel ist es, das kleine Gebiet um Grytviken intensiv kennenzulernen. Dies sehe ich als riesiges Privileg an, weshalb sich meine Vorfreude kaum beschreiben lässt!
Heute abend geht es schon los: diese Zeilen schreibe ich bereits in Oxford, wohin ich gestern Abend innerhalb von 5 Stunden mit drei Zügen gereist bin. Heute abend treffe ich drei meiner Kollegen am RAF Flughafen Brize Norton (westlich von Oxford), und dann geht's mit einem Direktflug auf die Falklandinseln, und dann irgendwann später mit einem Fischerei-Schiff nach Grytviken.
Irgendwann Mitte Oktober sollte ich dort ankommen und bis März/April 2018 dort bleiben - wann genau es zurück gehen wird, werde ich wohl erst relativ spontan erfahren. Wie es um die Internetverbindung bestellt ist, weiß ich auch nicht: schlecht soll sie sein, und Facebook könne ich vergessen, wurde mir gesagt. Emails kann ich wohl empfangen, sofern sie keinen Anhang haben - aber ob ich überhaupt in der Lage sein werde, zu bloggen, wird sich auch erst vor Ort zeigen. Solltet ihr also im kommenden halben Jahr nicht von mir hören, ist dennoch alles in Ordnung: ich habe dann einfach nur keinen Zugang zu meinem Blog. Aber ich hoffe schwer, dass ich hier den ein oder anderen Beitrag schreiben kann, zur Not auch ohne Bilder!
Von daher verbleibe ich jetzt einfach mal mit fröhlichen Grüßen und stürze mich voller Freude auf in ein neues, exklusives Abenteuer.
Südgeorgien, ich komme !!!
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