Freitag, 14. Oktober 2016

Svalbard 2016 - Bildimpressionen

Von Mai bis August 2016 war ich im fünften Jahr in Folge auf und um Spitzbergen unterwegs. Für mich war dieser Sommer insofern etwas ganz Besonderes, als dass es mein vorerst letzter in der Region gewesen sein könnte. Noch ist nicht entschieden, was ich in den nächsten Jahren wohl machen werde, aber da mir der Sinn nach einer neuen Herausforderung steht, habe ich erst einmal alle Jobangebote abgelehnt. Es ist aber nur ein Abschied auf Zeit: dass ich zurückkehren werde, steht für mich außer Frage!

Die folgenden Bilder gehören zu meinen liebsten Erinnerungen an den vergangenen Sommer. Und so wird dies kein thematisch geordneter Blogeintrag, sondern ein Sammelsurium kleiner Geschichten.


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Wie schon erwähnt, so war der Sommer 2016 unglaublich warm. Das hatte nicht nur negative Auswirkungen: den meisten Pflanzen kam die Wärme zugute! Zweimal war ich zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort und konnte einige Blumen in voller Blüte fotografieren: hier beispielsweisen den Moorsteinbrech unterhalb des Vogelfelsens Gnålodden im Hornsund. Für Pflanzen herrschen dort regelrecht paradiesische Verhältnisse: ein Hang mit Ausrichtung nach Süden, viel Dünger von oben, Humus und Vegetation, welche die karge Feuchtigkeit speichern... All dies bewirkt, dass sich die hiesige Tundra für ein paar Tage in ein farbiges Blütenmeer verwandelt. Für mich war es das erste Mal in fünf Jahren, dass ich genau zum richtigen Zeitpunkt für die Moorsteinbrechblüte hier war: ein rauschendes Fest für alle Sinne, und dann auch noch bei dem Kalenderwetter...

 
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Ein anderer Höhepunkt war eine Reise mit Rolf Stange, der unter uns Deutschsprachigen auch als "Mr. Spitzbergen" bekannt ist. Rolf kennt Svalbard so gut wie seine Westentasche: und führte uns zu diesem Ort, an dem es die Fußspuren von Iguanodonten zu sehen gab. Das verrückte ist, dass ich schon mehrere Male dort war: aber von den Fußspuren wusste ich nicht, da bin ich einfach dran vorbeigelaufen! Es war ein Kindheitstraum, vor diesen versteinerten Spuren zu stehen und sich die Dinos vorzustellen, die hier vor etwa 125 Millionen Jahren durch den Matsch gelaufen sind. Geologen schreiben diese Spuren einer kleinen Art von Iguanodonten zu, Caririchnium billsarjeanti mit Namen: Dinos, die teils auf allen Vieren, teils auf ihren Hinterbeinen liefen und deren Daumen dornenförmig waren und wohl zur Verteidigung genutzt wurden.

 

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Steinpolygone auf der Blomstrandhalvøya. Permafrost ist für einige faszinierende geologische Phänomene verantwortlich: u.a. für Frostmusterboden, wie hier zu sehen. Im Laufe von Jahrtausenden führt das ständige Tauen und Gefrieren der Oberfläche dazu, dass der Boden nach Korngröße sortiert wird: das feine Material wie Sand landet im Inneren, während die größeren Steine nach außen geschoben werden. Solche Strukturen können bis zu 10 Meter im Durchmesser erreichen; hier maßen es im Durchschnitt 2 Meter.


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Ein Eissturmvogel vor Lenticulariswolken, die in der Arktis oft bei hohen Windstärken entstehen und daher direkte Vorboten von Stürmen sind. Sieht man sie, dann kann man davon ausgehen, dass es innerhalb der nächsten drei Stunden ordentlich zu winden beginnen wird... Den Eissturmvögeln ist das gerade recht, denn es sind perfekte Segler, denen es gar nicht windig genug sein kann!


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Ein Finnwal, der zweigrößte Wal unserer Ozeane, bläst vor der Kulisse Südost-Spitzbergens. Finnwale sind ziemlich schnelle Schwimmer und nur dann gut zu beobachten, wenn sie fressen, denn dann tauchen sie immer wieder in der gleichen Gegend auf und ab. Da sie über 20 Meter lang werden können, haben sie auch ziemlich große Lungen und dementsprechend einen hohen Blas: bis zu sechs Meter hoch spritzt das Wasser, wenn sie ausatmen. Genau wie wir, haben sie natürlich nur Luft in den Lungen: das Spritzwasser stammt aus der kleinen Delle, in der ihre Nasenlöcher liegen. Da sie ja grade auftauchen, befindet sich in den Nasenlöchern selbst noch etwas Wasser, das bei den Finnwalen vielleicht dem Volumen eines normalen Suppentellers entspricht. Dieses bisschen Wasser wird von der unter hohem Druck ausströmenden Luft regelrecht zerstäubt und formt den sichtbaren Teil des Blases.


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Zeit für einen Eisbären! Dieses mittelalte Weibchen beschloss, das Schiff auszukundschaften, und kam zügig auf uns zumarschiert. Dies ist ein Anblick, den ich niemals an Land erleben möchte, denn diese Bärin hatte keinerlei Hemmungen uns gegenüber und kam ziemlich zügig immer näher. Ich befand mich auf ihrer Augenhöhe, fotografierte durch ein Bullauge hindurch - das war schon ziemlich eindrücklich, muss ich sagen, und ich war heilfroh, eine Wand aus Stahl zwischen mir und diesem faszinierenden Raubtier zu wissen!

Der Knopf im Ohr ist ein Zeichen, dass sie vor gar nicht so langer Zeit von Wissenschaftlern gefangen und markiert wurde. Viel zu viel Bären werden vom Norwegischen Polarinstitut mit Helikoptern gejagt und dabei manchmal regelrecht traumatisiert - aber das ist eine andere Geschichte. Diese Bärin hat uns offenbar nicht mit ihren wissenschaftlichen Verfolgern in Verbindung gebracht: ein Glück für uns, denn so kam sie uns sehr, sehr nah!

 
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Eine Tierbegegnung, bei der ich mir um die Sicherheit keinerlei Sorgen machen musste, war die mit diesem jungen Polarfuchs. Wir befanden uns am Rande einer Kolonie von Krabbentauchern, und auf einmal tauchte dieser junge Blaufuchs auf. Und das war etwas Besonderes, denn: auf Spitzbergen sind Blaufüchse ein seltener Anblick!

Ein Polarfuchs in der Farbvariante "Silberfuchs"

Polarfüchse gibt es in zwei Farbvarianten: eine, die im Winter schneeweiß ist, im Sommer aber zweifarbig (grau-braun auf dem Rücken und gelb-grau am Bauch), das sind die sogenannten Silberfüchse. Dies ist die bekannteste und "normale" Färbung der Polarfüchse.

Durch eine Mutation gibt es aber auch die Blaufüchse, die im Sommer einfarbig schokobraun sind, und die im Winter nur minimal heller werden. Das Winterfell eine Blaufuchses variiert zwischen Hellgrau und Dunkelgrau, das im richtigen Licht einen bläulichen Schimmer hat: daher wohl der Name "Blaufuchs". In einem Wurf kann es beide Farben geben, der Blaufuchs ist allerdings dominant. Das erklärt, warum es beispielsweise in den isländischen Westfjorden vor allem Blaufüchse gibt. In Spitzbergen und der hohen Arktis generell aber sind Blaufüchse die absolute Ausnahme, denn ihre dunkle Färbung ist für sie ein evolutionärer Nachteil. Klar: je weiter nördlich man sich befindet, desto länger ist das Land mit Schnee bedeckt, und desto ungeschickter ist es für einen Polarfuchs, braun-grau zu sein. Es werden zwar einige Blaufüchse geboren, aber die wenigsten überleben ihren ersten Winter. Das sind keine guten Aussichten für diesen Jungfuchs, aber: auch in der Natur bestätigen Ausnahmen die Regel! :-)





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Im letzten Blogbeitrag berichtete ich ja über die Dickschnabellummen am Alkefjellet. Zu den Alken gehören verschiedene Vogelarten: unter anderem die kleinen Krabbentaucher. So sehr ich Dickschnabellummen mag: ich glaube, die Krabbentaucher habe ich noch einen Ticken mehr ins Herz geschlossen! Diese kleinen Kerle sind gerade einmal so groß wie eine Amsel, aber unwahrscheinlich drollig! Man trifft sie niemals alleine an: Krabbentaucher sind chronisch gesellig und lieben es, in der Gruppe zu sein. Zehntausende von ihnen brüten auf engstem Raum in Geröllhalden, wie viele es von ihnen gibt, kann man nur schätzen. Man vermutet, dass Krabbentaucher die häufigsten Vögel der Nordhalbkugel sind! Es gibt sie nur in der hohen Arktis: wie die Dickschnabellummen, so sind es echte Meeresvögel, die nur zum Brüten an Land kommen, den Winter aber auf dem Meer entlang des Packeises verbringen. Sie ernähren sich von Ruderfußkrebsen, winzigen Krebstieren, die es nur in direkter Nähe zum Packeis gibt. Wenn ihr Küken geschlüpft ist, transportieren sie die Ruderfußkrebse zu Dutzenden in ihrem Kropf (einem Kehlsack) zum Nest: das kann man auf dem obigen Bild schön sehen.

  

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Unvergesslich war für mich eine Eisbärenbegegnung, die eigentlich ziemlich unspektakulär war. Wir hatten eine Bucht im Nordosten Svalbards angesteuert, die selten von Expeditionsschiffen besucht wird, und einen kurzen, geschichtlich orientierten Landgang geplant. In einem Schneerest sah ich dann aber frische Eisbärenspuren, und unmittelbar darauf entdeckte ein Gast diesen Bären, der weit oben am Hang unterhalb einer Klippe geschlafen hatte. Das Tier war neugierig, verbrachte aber erstmal einige Zeit damit, Alpenampfer zu fressen. Irgendwann kam es, langsam aber zielstrebig, zu den Gummibooten herabgeklettert, die im Wasser dümpelten. Nach kurzem gegenseitigem Beobachten beschloss das schlanke Weibchen, dass wir zwar nicht von Interesse waren, aber auch keine Bedrohung für sie darstellten: und legte sich im Abstand von 20 Metern zu uns schlafen. Es war ein unglaublich tolles Gefühl, dass uns dieses wilde Tier solch ein Vertrauen schenkte - und sich auch dann nicht von uns stören ließ, als wir uns vorsichtig wieder zurückzogen und (ohne Landgang, da lag ja schließlich jetzt ein Bär herum...) wieder zum Schiff zurückkehrten.



















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Eine der vielen Folgen des Klimawandels ist es, dass die Gletscher schneller schmelzen - das wissen  wir mittlerweile alle. Vor Ort bedeutet dies, dass es mehr Eisberge gibt, da ja mehr Eis von den Gletscherfronten abbricht. Svalbard ist jetzt nicht unbedingt bekannt für seine Eisberge: im Gegensatz zu Grönland und der Antarktis sind die Fjorde hier recht flach, weshalb meist nur kleine Stücke von den Gletschern abbrechen. Eine Ausnahme bildet der Austfonna, der von den Norwegern als größter Gletscher Europas gehandelt wird (wobei die Isländer da anderer Meinung sind, für sie ist der rechtmäßige Inhaber des Titel der etwa gleichgroße Vatnajökull...).
An der Ostseite des Austfonna durfte ich dieses Jahr die größten und spektakulärsten Eisberge bestaunen, die mir auf Svalbard je begegnet sind. Eine echte Augenweide!

 
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Folgt man dem Austfonna ein paar hundert Kilometer weiter Richtung Südosten, erreicht man den Bråsvellbreen. Auch dies ist eines der faszinierensten Naturwunder Svalbards: eine 10 - 30 Meter hohe Gletscherkante, von der im Sommer Wasserfälle ins Meer stürzen. Dieses Jahr gab es einen Wasserfall, der mich besonders begeistert hat: er kam nicht von oben, sondern schoss an der Abbruchkante aus dem Eis heraus. Einfach nur toll!

 
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Dieses Jahr habe ich ziemlich wenig Robben gesehen: umso besonderer war jede einzelne Begegnung. Hier segelten wir an einer Bartrobbe vorbei, die sich auf dem Eis ausruhte und uns ebenso neugierig beobachtete, wie wir sie. Bartrobben sind (nach den Walrossen) die zweitgrößten Robben der Arktis und können uns Menschen gegenüber recht tolerant sein - oder auch sehr scheu, das scheint eine Charaktersache zu sein. Diese hier war tiefenentspannt! :-)


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Eisbären bin ich einigen begegnet diesen Sommer: dünnen und dicken, jungen und alten, lebenden und toten. Aufgrund des Mangels an Meereis bin ich nur auf einer von acht Fahrten zum Packeis gekommen: genau auf der Reise aber kam es zu meiner eindrücklichsten Eisbärenbegegnung des Sommers. Eine Mutter mit zwei eineinhalbjährigen Jungen sah das Schiff und - und verlor jegliche Kontrolle über ihre beiden Teenager. Bären in dem Alter sind völlig furchtlos: was darin resultierte, dass die beiden Draufgänger ihre Mutter direkt zum Schiff brachten.

Nur als Anhaltspunkt: auf einigen Reisen sehen wir Eisbären nur als gelbe Flecken im Fernglas, eine normal-gute Eisbärenbegegnung spielt sich in einer Distanz von 100 Meter Entfernung ab. Wilde Eisbären in einem Abstand von weniger als 50 Metern zu erleben, ist etwas total besonderes. Und ein Abstand von unter 5 Metern ist unerhört, genau wie auch diese Bilder, die mit meinem 20 mm Weitwinkelobjektiv gemacht wurden.

Diese Jungbären wussten das aber nicht und wagten sich, Seite an Seite, bis direkt an den Schiffsrumpf heran. Wir hörten die Bären miteinander reden: leise, brummend-jammernde Töne, welche die Geschwister untereinander, aber auch mit der Mutter austauschten. Auch wenn ich schon viele Eisbären gesehen habe: diese Nähe ist die absolute Ausnahme und ging auch mir unter die Haut!





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