Samstag, 6. Juni 2015

Mit Bus und Bahn auf die Lofoten

Wenn bei uns in Deutschland der Frühling in den Sommer übergeht, dann endet oben in der Arktis so langsam der Winter. Die meisten Expeditionsschiffe machen sich daher irgendwann im Mai so langsam auf den Weg Richtung Norden: sie fahren meistens die norwegische Küste entlang und dann mit kurzem Stopp auf der Bäreninsel weiter nach Longyearbyen.

Meine Anreise nach Spitzbergen.
Gelb: +2000 Kilometer  mit Bahn und Bus.
Blau: Besuch auf Værøy (100 km pro Strecke)
Grün: Segeltörn von Bodø nach Longyearbyen (auch +2000 Kilometer)

Wenn mich eines an diesem Job des Guides und Fotografen so richtig stört, dann ist es die ganze Fliegerei und die damit verbundenen Emissionen. Da die Kosten der Flüge meistens vom Arbeitgeber übernommen werden, lassen sich die meisten meiner Kollegen munter durch die Welt fliegen, und wenn sie einmal ein bis drei Wochen lang keinen Job haben, fliegen sie halt nach Hause - das geht schnell und ist bequem und einfach. Ich persönlich kann das aber nicht wirklich mit meinem ökologischen Gewissen vereinbaren. Wie kann ich andere dazu auffordern, den Klimaschutz ernstzunehmen, wenn ich selber mehrmals im Jahr um die Welt fliege? Dieser Widerspruch lastet mir schon lange schwer im Magen, weswegen ich versuche, auf verschiedenen Wegen Flüge einzusparen. Ich plane meine Jobs und Reisen mittlerweile so, dass ich lange am Stück arbeite (also nicht mehrmals in der Saison hin- und her fliege) beziehungsweise mir statt Flüge Hotelübernachtungen bezahlen lasse, auf gewisse Reisen ganz verzichte oder mich privat anders organisiere. Ganz nach dem Motto: nur ein Flug, den ich nicht antrete, ist ein guter Flug!
 

Eine sogenannte Glorie: eine Lichterscheinung durch Rückstreuung von Licht an feinverteilten,
kugelförmigen Tropfen.Wenn ein Flugzeug in Wolken hineinfliegt, kann man um den Schatten
herum recht häufig eine solche Glorie sehen - man muss nur hinschauen! :-)


Dementsprechend begeistert war ich, als mir dieses Jahr erstmalig eine Überfahrt von Norwegen nach Spitzbergen angeboten wurde. Die zweiwöchige Reise auf der Barkentine Antigua (einem holländischen Dreimaster) sollte von Bodø in Mittelnorwegen starten, also schon ziemlich hoch im Norden. Eine Barkentine ist übrigens eine bestimmte Art von Segelschiff: ein Dreimaster, von denen der erste Mast ein Rahsegel trägt (ein „Piratenschiff-Segel“) und die anderen beiden sind Schratsegel (normalerweise Dreiecks-Segel, wie wir sie von den kleinen Jachten kennen). Jetzt fange ich also auch schon an, mich mit Seemanns-Fachbegriffen auszukennen... ;-)
Aber zurück zum eigentlichen Thema: meiner Anreise nach Norwegen. Wenn man ein wenig Zeit hat (so viel braucht es gar nicht) und vor allem den Willen mitbringt, dann lässt sich die Strecke von Deutschland zum norwegischen Polarkreis ohne Probleme mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewältigen. Es ist möglich, die 2000+ Kilometer in zwei Tagen zurückzulegen: und das (mit ein bisschen Planung) sogar ohne großen finanziellen Mehraufwand.
Ich hatte es definitiv nicht eilig, und so suchte ich mir günstige Verbindungen mit Fernbussen und Bahnen, kontaktierte Freunde in Dänemark und Norwegen, und machte mich zehn Tage vor dem Beginn der Spitzbergenreise auf den Weg.

Vier Tage war ich bis Bodø in Bus und Bahn unterwegs, traf besagte Freunde, unternahm zwischendurch sogar noch eine kleine Wanderung, und genoss das Reisen durch die vielfältigen Landschaften und Klimazonen. Ich sah Rehe, Hasen, viele verschiedene Vögel (u.a. Fasane und Kraniche), mehrere Trauermäntel (Schmetterlinge) und die Raupe eines Bärenspinners, und weiter im Norden durften natürlich Rentiere und Elche nicht fehlen. Die Reise war angenehm und interessant und hat mir ehrlich Spaß gemacht.



Selfie auf Deutsch: mit selbst geschmierter Stulle an einem norwegischen See.
Ich habe keine Ahnung, wie der hieß... War bei Oslo, da gibt's ne Menge davon!

Fünf Tage zu früh traf ich in Bodø ein. Ich hatte mir noch keine großen Gedanken gemacht, was ich dort unternehmen könnte, allerdings war eines völlig klar: die Stadt selbst interessierte mich überhaupt nicht. Ich hatte Zelt und Schlafsack dabei und hervorragende Wetteraussichten. Da die Touristeninformation geschlossen hatte (in Norwegen beginnt die Saison erst am 1. Juni, bis dahin sind die Bürgersteige hochgeklappt - zumindest für Touristen...) und ich echt keine Ahnung hatte, was ich denn wohl machen könnte, ging ich zur Fähre unten am Hafen und fragte die Ticketverkäuferin, welche Destination sie mir denn empfehlen könne. Sie lachte und antwortete ohne zu zögern: „Værøy!“

Das war mal eine klare Ansage. Darum kaufte ich sofort ein Ticket (20€ - da kann man echt nichts sagen!) zu diesem mir unbekannten Ort (eine Insel, das war das einzige, was ich wusste) und suchte mir ein sonniges Plätzchen an Bord. Dort fand ich heraus, dass die Fähre Richtung Lofoten fuhr und ich nach etwa fünf Stunden ankommen würde. Es mag vielleicht verrückt erscheinen, aber dieses völlig unvorbereitete Reisen liebe ich total! Ich hatte gar nicht vorgehabt, die Lofoten zu besuchen, aber da sich die Chance ergab - ja, warum denn nicht?
 

Unser erster Stopp aber war Røst, die am westlichsten gelegene Lofoteninsel, von der man einen tollen Ausblick auf das gesamte Archipel hat. Hier leben etwa 400 Menschen hauptsächlich vom Fischfang. Berge sieht man hier allerdings nur aus der Ferne, denn die Insel ist ziemlich flach. Ich war ganz dankbar, hier nicht von Bord zu gehen: der Blick auf die Lofoten war zwar schön, aber ... Ich wollte näher ran an die fotogenen Berge!

Etwas über eine Fährstunde weiter Richtung Nord-Osten liegt Værøy. Die Insel ist insofern "lofotiger", als dass sie über 400m hohe, steile Berge besitzt, die schon aus der Ferne mein Interesse weckten. Und tatsächlich hat mir dieses 18 Quadratkilometer große Eiland sehr gut gefallen.


Die Insel ist groß und vor allem bergig genug, um auch wilde, unbesiedelte Landschaften zu beheimaten. Der Siedlungskern auf Værøy ("Sørlandet") liegt im Osten der Insel, von wo aus man einen tollen Blick auf die weit entfernte norwegische Küste hat.
Im Westen und Süden der Insel finden sich unbewohnte, steile Küsten, die zu einigen Wanderungen einladen und sehr fotogen sind. Und von den Bergen öffnen sich einem tolle Ausblicke auf die Lofoten. Zu denen scheinen sich die Bewohner Værøys übrigens nicht zugehörig zu fühlen. Für sie besteht die Umgebung aus den Inseln Røst und Moskenes - dann erst beginnen die Lofoten.






Blick auf den 296 Meter hohen Berg Hornet und weiter auf die Insel Mosken und die dahinterliegenden Lofoten

Vier Nächte blieb ich auf Værøy und verbrachte die Tage mit Wandern, Fotografieren und Faulenzen. Ich lernte sehr nette Menschen kennen, die mich beispielsweise per Anhalter vom einen Ende der Insel zum anderen mitnahmen oder mich beim Nationalfeiertag zu Kaffee und Kuchen einluden. Ich sah viele verschiedene Vögel (u.a. Seeadler!), Lichtstimmungen und Landschaften. Kurzum: ich hatte eine wunderbare Zeit!



Ganz besonders genoss ich die Sonnenuntergänge: es waren meine letzten des Sommers. Hier, auf 67°Nord, ging die Sonne Mitte Mai nur noch drei Stunden unter, dunkel wurde es also schon nicht mehr, aber die warmen und blauen Farben der Dämmerung traten noch ein. Auf Spitzbergen steht schon seit Ende April die Mitternachtssonne am Himmel und wird das auch bis Ende August noch tun. Da mich also in den nächsten Wochen und Monaten 24-stündiges Mittagslicht erwarten wird, nahm ich die letzten warmen Sonnenstrahlen ganz bewusst wahr...














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