Spitzbergen hat sich im vergangenen Monat in allen nur denkbaren Facetten gezeigt. -30°C und +6°C, feinster kalter Pulverschnee versus dicken, feuchten Schneeflocken oder prasselndem Nieselregen, nicht vorhandene ewig dunkle Tage und neun Stunden lange Helligkeit mit farbigen Sonnenaufgangswolken - solch krasse Gegensätze hatte ich im Hochwinter in der Arktis nun wirklich nicht erwartet!


Die Tage wurden Anfang Februar schon spürbar länger und heller: noch nicht hell genug, um mit dem Auto ohne Licht zu fahren (was ja ohnehin nicht erlaubt wäre), aber definitiv hell genug, um seine Umgebung klar sehen zu können. Dennoch fanden so gut wie alle Aktivitäten weiterhin drinnen statt: Kultur und Indoor-Sportarten feiern im Dunkelwinter ihre Hochsaison. In dem Zuge will ich die wohl lustigste Freizeitbeschäftigung vorstellen, der man hier in Longyearbyen nachgehen kann: Kajakpolo!

Die abrupt länger werdenden Tag im Februar verlagern das Geschehen langsam wieder nach draßen - eigentlich. Denn das verrückte Wetter machte so mancher Aktivität einen Strich durch die Rechnung. Die ersten Touristen, die nun wieder die Stadt unsicher machen, konnten weder Schneemobil fahren noch an Hundeschlittentouren teilnehmen und saßen, genau wie wir, im verregneten Tal fest. Das traditionelle erste Skirennen des Jahres, "Spitsbergen Up & Down" konnte zwar so gerade eben stattfinden, nicht so aber zwei Projekte, die unser Kurs im Zusammenhang mit dem Rennen geplant hatte: wir wollten umsonst geführte Touren in Eishöhlen anbieten. Nun waren diese aber leider einerseits von Schneematschlawinen verschüttet und andererseits von Wassermassen geflutet - all unsere Planung war umsonst. Das dritte Projekt der Klasse, "Spitsbergen Hot & Cold" war allerdings umsetzbar - wenn auch anders als gedacht!
Dies ist ein Bild von vergangenem Jahr, das wiederspiegelt, wie wir uns dieses Event vorgestellt hatten: eigentlich wollten auch wir ein Loch in das Seeeis des Fjordes sägen und interessierten Badewilligen ein Eisbad ermöglichen.
Leider, wenn auch nicht ganz überraschend, sah die Küste dieses Jahr etwas anders aus: Seeeis war absolute Mangelware, statt dessen gab und gibt es hier offenes Wasser bis zum Horizont. Das verdeutlich das folgende Bild, welches ich in der letzten Vollmondnacht dort machte, wo wir das Eisbaden geplant hatten.

Und als wir am Abend des Geschehens ein großes Lagerfeuer entfacht, eine Theke mit heißen Getränken aufgebaut und jede Menge Kerzen aufgestellt hatten, da glaubten wir unseren Augen kaum: über 70 Bekloppte stürzten sich mit oft lautem Geschrei ins flache Wasser des Fjordes!

Es waren hauptsächlich Studenten, die unser Angebot mit Begeisterung annahmen und, begierig auf das in Aussicht stehende Eisbadezertifikat, Schlange standen, um in der Sicherheit von uns ANG-Studenten in den etwa 0°C kalten Fjord zu sprinten. Meerwasser gefriert aufgrund des Salzgehaltes ja erst ab -1,8°C...

Das arktische Badevergnügen war bei den allermeisten von nur sehr kurzer Dauer: barfuß oder in Socken rannten fröhliche junge Menschen ins Wasser, schmissen sich kurz hinein und rannten in meist rekordverdächtigem Tempo zurück ans Ufer - schnell hinein in unsere Sauna!

Nun, jetzt wisst ihr was Studenten an der nördlichsten Universität des Planeten so in ihrer Freizeit treiben! ;-)

Unmittelbar nach unserem erfolgreichen "Spitsbergen Hot & Cold" schlug das Wetter um. Nach über dreiwöchiger Achterbahnfahrt hoher Temperaturen sank das Thermometer auch tagsüber beharrlich auf unter -15°C. Die Wolken verschwanden, der Vollmond erhellte das Land: fotografisch war das ganze wahrlich nicht uninteressant, wie das obige Bild beweist. Nur eines fehlte uns jetzt noch: Schnee. Denn dieses blöde Glatteis hatten wir jetzt wirklich satt!
Schnee wollten wir - Schnee bekamen wir. Mitte Februar begann es zu schneien: wenig nur, wie so üblich, aber beständig. Und so konnten wir glücklicherweise doch die große, schon lange geplante Lawinenübung des Roten Kreuzes durchführen, dem ich hier in Longyearbyen beigetreten bin. Bei nahezu normal anmutenden Tageslichtverhältnissen erreichten wir ein Lawinenszenario und suchten und gruben wir mehrere Verschüttete (Puppen) aus.

Allerdings wäre ich kaum ich gewesen, hätte ich dem beeindruckenden Sturmwind der Rotoren nicht getrotzt, statt mich wie befohlen abzuwenden (Polizeianweisung? Als Polizistentochter habe ich gelernt, die ab und an mal getrost zu ignorieren!) - und statt dessen meine Kamera mitten drauf zu halten. Das hätte mich beinahe meine erste Erfrierung gekostet (wie kann so kurze Zeit in so kaltem Wind bloß SO kalt sein?) und dürfte auch meiner Kamera nicht sonderlich gut bekommen sein: was tut man nicht alles für ein Foto!?!


By the way: die Strukturen im Hintergrund der Bilder dürften euch bekannt vorkommen: es sind die Radarantennen von EISCAT, siehe vorhergehender Blogeintrag! Nur dort oben auf dem Bergrücken fanden wir ausreichend Schnee zur Lawinenübung vor.
Dies aber hat sich in der vergangenen Woche geändert: momentan kommt alle zwei Tage Niederschlag in gefrorener Form zu Boden und ermöglicht uns, endlich, wieder Ausflüge hinauf in Richtung Berge! Nun, da die Touristensaison begonnen hat, sieht man täglich Kolonnen von nervigen, stinkenden und lauten Schneemobilen im Schneckentempo den Longyeargletscher oder das Tal hinauffahren. Das Ziel ist die am höchsten gelegene Eishöhle, die ich bisher leider noch nicht besuchen konnte - unter anderem weil ich weiterhin den privaten Gebrauch motorisierter Fahrzeuge ablehne. Es fahren schon genug Skidoos umher, und ich werde sie im Rahmen des Studiums auch irgendwann einmal besteigen müssen - da mache ich privat gerne Abstriche. Zu dieser Eishöhle werde ich in den kommenden Monaten sicherlich auch zu Fuß gelangen können!


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