Meine engsten Freunde und Bekannten wissen schon seit Monaten, dass ich mir für diesen Herbst viel vorgenommen habe. Schon letzten Sommer ließ ich mein Abiturzeugnis beglaubigt auf Englisch übersetzen, sammelte alle Unterlagen zusammen und schickte dann im April die ernsthafteste Bewerbung los, die ich jemals geschrieben habe. Anfang Juni kam dann die Nachricht: ich habe einen von zwanzig hartumkämpften Studienplätzen zugesprochen bekommen. Nächste Woche werde ich eine einjährige Ausbildung zum "Arctic Nature Guide", also zum Arktis-Natur-Reiseleiter beginnen: in Longyearbyen auf der Inselgruppe Svalbard, die bei uns Deutschen als Spitzbergen bekannt ist.
Ich muss zugeben, dass ich sehr aufgeregt bin! Svalbard wird mit Sicherheit das größte Abenteuer meines bisherigen Lebens werden! Zum Einen ist mein Rücken eigentlich noch gar nicht belastbar genug, um tagelange Wanderungen und Skitouren zu unternehmen: und genau das steht auf unserem "Stundenplan". Zum Andern ist Svalbard, die "Kühle Kante", einfach der extremste Ort, an dem ich bis dato gewesen sein werde! Das aus vielen Inseln bestehende Archipel gehört offiziell zu Norwegen und liegt ganz genau zwischen dem Nordkap und dem Nordpol: in beide Richtungen sind es etwa 1000 Kilometer. Die Stadt Longyearbyen, in der ich bis mindestens Juni 2012 leben werde, liegt auf 77°N! Zum Vergleich: Island liegt zwischen 63-66°N und Alta in Finnmark auf 69°N - damit liegt Svalbard auf denselben Breitengraden, wie das nördlichste Grönland! Das ist im wahrsten Sinne des Wortes "voll cool"! :-)
Die Inselgruppe ist 61.000 Quadratkilometer groß, was von der Landfläche her ein bisschen kleiner als Bayern oder ein bisschen größer die Hälfte Islands. Es ist zu meinem Verdruss keine aktive Vulkangegend, aber ich habe mich ehrlich gesagt auch schon damit abgefunden, dass ich ein bis zwei tolle Vulkanausbrüche in Island verpassen werde, während ich in der Arktis bin. Man kann halt leider nicht alles haben! Immerhin sind dort oben 60% der Landfläche vergletschert, das ist auch nicht so ganz ohne! :-)
Ich habe mal gemessen und gebastelt: ungefähr so würde es wohl ausschauen,
wenn man die vielen Inseln auf Deutschland projezieren würde!
Gar nicht so klein, wie ich erst dachte!
Der kleine rote Punkt markiert übrigens die Lage Longyearbyens!
wenn man die vielen Inseln auf Deutschland projezieren würde!
Gar nicht so klein, wie ich erst dachte!
Der kleine rote Punkt markiert übrigens die Lage Longyearbyens!
Klar ist: Svalbard ist ein Ort, an dem Menschen nicht leben sollten! An Land gedeihen nur die widerstandsfähigsten Pflanzen, im Meer jedoch tobt das Leben: unzählige Vögel, Robben und Wale leben von den vielen Fischen unmittelbar an der Treibeisgrenze. Die einzigen Säugetiere an Land sind Rentiere, Polarfüchse - und Eisbären. Der Mensch ist das vierthäufigste Landsäugetier, das sich vor den viel häufigeren Weißbären in Acht nehmen muss: hier kommen auf 3000 Eisbären etwa 2000 bibbernde Zweibeiner. Im Dezember herrscht bei Durchschnittstemperaturen um die -10°C den ganzen Tag lang fast totale Dunkelheit, im Sommer steht die Sonne dagegen 24 Stunden fast im Zenit und beschert Tagestemperaturen von +6°C!
Ich bin auf jeden Fall extrem gespannt auf dieses mir unbekannte, wilde Archipel und auf die spannende Zeit und die Erfahrungen, die mir bevorstehen! Ich werde schießen lernen und draußen nur mit einem Gewehr auf dem Rücken unterwegs sein dürfen, da ich zum ersten Mal im Leben Angst haben muss, von meinen Gastgebern gefressen zu werden. Ich werde lernen, wie man sich auf Gletschern zurechtfindet, Zodiakboote fährt, Skiwanderungen plant, werde eine intensive Erste Hilfe Ausbildung erhalten und nebenbei einen extrem arktischen Lebensraum kennenlernen: einen der wildesten, unberührtesten Orte, den es in Europa noch gibt. Und vielleicht, hoffentlich, werde ich irgendetwas zum Positiven verändern können!
Jetzt aber muss ich mich weiter auf die Vorbereitungen stürzen: ich werde bis zu meinem Abflug in Reykjavík bleiben (ich fand auf die schnelle leider keine bezahlbare Schiffverbindung ) und versuchen, so viel an Ausrüstung wie möglich zusammenzutragen. Zum Zahnarzt muss ich auch noch, und mit den Banken hier habe ich auch noch ein Hühnchen zu rupfen... Also gibt es bis Mittwoch definitiv genug zu tun!
Von daher verabschiede ich mich und werde mich das nächste mal hoch aus dem fernen Norden melden! Wer neugierig ist und jetzt schon erste Eindrücke sammeln möchte, den kann ich auf die noch unfertige Homepage der "Arctic Nature Guides" verweisen: www.arcticnatureguide.no
Auf bald!