Freitag, 29. Juli 2011

Das nächste große Abenteuer

oder: mein Lebenschaos geht in die nächste Runde!

Meine engsten Freunde und Bekannten wissen schon seit Monaten, dass ich mir für diesen Herbst viel vorgenommen habe. Schon letzten Sommer ließ ich mein Abiturzeugnis beglaubigt auf Englisch übersetzen, sammelte alle Unterlagen zusammen und schickte dann im April die ernsthafteste Bewerbung los, die ich jemals geschrieben habe. Anfang Juni kam dann die Nachricht: ich habe einen von zwanzig hartumkämpften Studienplätzen zugesprochen bekommen. Nächste Woche werde ich eine einjährige Ausbildung zum "Arctic Nature Guide", also zum Arktis-Natur-Reiseleiter beginnen: in Longyearbyen auf der Inselgruppe Svalbard, die bei uns Deutschen als Spitzbergen bekannt ist.


Ich muss zugeben, dass ich sehr aufgeregt bin! Svalbard wird mit Sicherheit das größte Abenteuer meines bisherigen Lebens werden! Zum Einen ist mein Rücken eigentlich noch gar nicht belastbar genug, um tagelange Wanderungen und Skitouren zu unternehmen: und genau das steht auf unserem "Stundenplan". Zum Andern ist Svalbard, die "Kühle Kante", einfach der extremste Ort, an dem ich bis dato gewesen sein werde! Das aus vielen Inseln bestehende Archipel gehört offiziell zu Norwegen und liegt ganz genau zwischen dem Nordkap und dem Nordpol: in beide Richtungen sind es etwa 1000 Kilometer. Die Stadt Longyearbyen, in der ich bis mindestens Juni 2012 leben werde, liegt auf 77°N! Zum Vergleich: Island liegt zwischen 63-66°N und Alta in Finnmark auf 69°N - damit liegt Svalbard auf denselben Breitengraden, wie das nördlichste Grönland! Das ist im wahrsten Sinne des Wortes "voll cool"! :-)

Die Inselgruppe ist 61.000 Quadratkilometer groß, was von der Landfläche her ein bisschen kleiner als Bayern oder ein bisschen größer die Hälfte Islands. Es ist zu meinem Verdruss keine aktive Vulkangegend, aber ich habe mich ehrlich gesagt auch schon damit abgefunden, dass ich ein bis zwei tolle Vulkanausbrüche in Island verpassen werde, während ich in der Arktis bin. Man kann halt leider nicht alles haben! Immerhin sind dort oben 60% der Landfläche vergletschert, das ist auch nicht so ganz ohne! :-)

Ich habe mal gemessen und gebastelt: ungefähr so würde es wohl ausschauen,
wenn man die vielen Inseln auf Deutschland projezieren würde!
Gar nicht so klein, wie ich erst dachte!
Der kleine rote Punkt markiert übrigens die Lage Longyearbyens!

Klar ist: Svalbard ist ein Ort, an dem Menschen nicht leben sollten! An Land gedeihen nur die widerstandsfähigsten Pflanzen, im Meer jedoch tobt das Leben: unzählige Vögel, Robben und Wale leben von den vielen Fischen unmittelbar an der Treibeisgrenze. Die einzigen Säugetiere an Land sind Rentiere, Polarfüchse - und Eisbären. Der Mensch ist das vierthäufigste Landsäugetier, das sich vor den viel häufigeren Weißbären in Acht nehmen muss: hier kommen auf 3000 Eisbären etwa 2000 bibbernde Zweibeiner. Im Dezember herrscht bei Durchschnittstemperaturen um die -10°C den ganzen Tag lang fast totale Dunkelheit, im Sommer steht die Sonne dagegen 24 Stunden fast im Zenit und beschert Tagestemperaturen von +6°C!

Ich bin auf jeden Fall extrem gespannt auf dieses mir unbekannte, wilde Archipel und auf die spannende Zeit und die Erfahrungen, die mir bevorstehen! Ich werde schießen lernen und draußen nur mit einem Gewehr auf dem Rücken unterwegs sein dürfen, da ich zum ersten Mal im Leben Angst haben muss, von meinen Gastgebern gefressen zu werden. Ich werde lernen, wie man sich auf Gletschern zurechtfindet, Zodiakboote fährt, Skiwanderungen plant, werde eine intensive Erste Hilfe Ausbildung erhalten und nebenbei einen extrem arktischen Lebensraum kennenlernen: einen der wildesten, unberührtesten Orte, den es in Europa noch gibt. Und vielleicht, hoffentlich, werde ich irgendetwas zum Positiven verändern können!

Jetzt aber muss ich mich weiter auf die Vorbereitungen stürzen: ich werde bis zu meinem Abflug in Reykjavík bleiben (ich fand auf die schnelle leider keine bezahlbare Schiffverbindung ) und versuchen, so viel an Ausrüstung wie möglich zusammenzutragen. Zum Zahnarzt muss ich auch noch, und mit den Banken hier habe ich auch noch ein Hühnchen zu rupfen... Also gibt es bis Mittwoch definitiv genug zu tun!

Von daher verabschiede ich mich und werde mich das nächste mal hoch aus dem fernen Norden melden! Wer neugierig ist und jetzt schon erste Eindrücke sammeln möchte, den kann ich auf die noch unfertige Homepage der "Arctic Nature Guides" verweisen: www.arcticnatureguide.no
Auf bald!

Danke an Olaf für das schöne Bild! :-)

Donnerstag, 28. Juli 2011

Weitere Eindrücke aus der Þórsmörk

In der vergangenen Woche hat Þórsmörk mich noch einmal reich mit Bildmotiven beschenkt!
Einer sehr niederschlagsarmen Schönwetterzeit folgte starker Südostwind, der die Asche der vergangenen Eruptionen aufwirbelte und der ganzen Umgebung einen faszinierenden Aschesturm bescherte!

Nach der Asche kam Regen, und diesem folgte ein wahrhaftiger Sturm, der wiederum ebenfalls unglaublich fotogene Stimmungen an den bedrohlichen Himmel zauberte.

Als dann Regen und Nebel vorherrschten, beschloss ich, die Stakkholtsgjá zu erkunden: ein kleines Tal, herausgeschliffen aus dem weichen Tuffgestein der dortigen Berge, in dem ich tagelang hätte bleiben können!


An meinen allerletzten Tagen als Hüttenwart in der Þórsmörk herrschte wieder gutes Wetter vor. Ein letztes Mal durfte ich den Blick auf den Eyjafjallajökull und das von Gletschern geformte Tal genießen.

Bedingt durch die die warmen, regenreichen Tage verzeichnete die Krossá einen mittelhohen Wasserstand und formte unmittelbar gegenüber unserer Hütte einen tiefen, reißenden Graben. Die allermeisten Jeepfahrer ließen sich davon abschrecken oder aber suchten klugerweise eine bessere Furt. Doch wie das immer so ist, gibt es genügend Leute, die einfach drauflosfahren, ganz nach dem Motto: "Hier hört die Straße auf, da drüben ist eine Hütte: also wird der Fluss wohl kaum so schlimm sein können, wie er ausschaut!"

Folglich ging täglich mindestens ein Auto erst schwimmen, dann tauchen. In einer Mischung aus Unglauben und Schadenfreude haben wir es verfolgt, wenn sich diese viel zu kleinen Jeeps erst mit Vollgas ins Wasser stürzten, sofort abgetrieben wurden und dann langsam aber stetig sanken. Als das geschah, war mein Kollege Eiður schon längst mit unserem riesigen, blauen Traktor zur Krossá gerast und hatte ich die Bergrettung aus der Nebenhütte per Funk um Hilfe gerufen. Dann aber gab es auch für mich kein Halten mehr, ergriff ich mir meine Kamera und machte mich ebenfalls auf zum Ort des Geschehens!

Da wir an solchen Tagen täglich Autos abschleppen mussten, war Eiður sehr fix darin, die Autos aus dem Fluss zu ziehen - Übung macht bekanntlich den Meister! Den Personen ist wohlgemerkt nie etwas passiert, dafür waren wir immer schnell genug vor Ort. Die abgesoffenen Fahrzeuge, allesamt kleine Geländewagen von diversen Mietwagenfirmen, waren allerdings Totalschäden. Solche "Unfälle" sind Produkte von Unwissenheit, Unbedarftheit und einem offensichtlichen Mangel an gesundem Menschenverstand: so etwas passiert hauptsächlich Leuten, die wirklich keine Ahnung davon haben, was sie tun.

Wenn das Fahrzeug einmal bis fast zum Dach geflutet und der Motor abgesoffen ist, dann ist auch die gesamte Elektronik geschrottet und hört das Abenteuer auf, denn: Flussfurtungen sind in Island niemals versichert! Ein teurer Spaß für all jene unbedarft-abenteuerlustigen Unglücksraben, die sich dann plitschnass beim Kaffeetrinken bei uns aufwärmten und auf den Abschleppwagen warteten.

Montag, 25. Juli 2011

Hubschraubertourismus in Island


Als im April 2010 der Vulkanausbruch auf dem Fimmvörðuháls stattfand, der sogenannte “Touristenausbruch” des Eyjafjallajökull, da bommte hier in Island ein neuer Trend: Hubschraubertourismus. All jene, die zum Ausbruch wanderten oder sich mit Jeeps und Schneemobilen hochbringen ließen, berichten, dass es kaum möglich war, die Lava ohne Helikopter zu betrachten. Jeder wollte die Eruption sehen, und Hubschrauberflüge waren zwar eine teure, aber einfache und aufregende Möglichkeit dazu. Folglich erlebten die beiden einzigen Touristenhubschrauberfluggesellschaften einen Boom und verzeichneten enorme Einnahmen - was zur Folge hatte, dass sie neue Maschinen und Piloten kaufen konnten.

Eine beinahe-Kollision mit dem Valahnúkur,
dem beliebtesten Aussichtsberg hier in der Þórsmörk


Seitdem gehören Helikopter zum ganz normalen Erscheinungsbild, wenn man in Südisland unterwegs ist. Habe ich in den Sommern zuvor vielleicht einmal ein bis zwei Hubschrauber wahrgenommen, die irgendwelche weltberühmten Fotografen über Landmannalaugar flogen, so sind sie jetzt überall anzutreffen. Reisegruppen berichteten mir von waghalsigen Flugmanövern über dem Gullfoss, von minutenlangen Schwebflügen über dem Geysir und von Landungen auf der neuen Lava auf dem Fimmvörðuháls. Hier in Þórsmörk habe ich an Schönwetter-Wochenenden bis zu zehn Helikopter pro Tag gezählt, hauptsächlich von der Gesellschaft "Norðurflug", die im Tiefflug das Tal entlangflogen, landeten und generell keine Rücksicht auf Verkehr und Wanderer am Boden nahmen.

Die schwarzen Punkte links unten sind Wanderer...

Daher hab es kaum etwas, über das ich diesen Sommer mehr gewettert habe, als diese verdammten Hubschrauber! Ich weiß sehrwohl, wie toll es ist, in einem Hubschrauber zu fliegen, schließlich wurde ich in Neuseeland mehrmals von den Versorgungsflügen zwischen den sonst unerreichbaren Wanderhütten mitgenommen. Aber Helikopter sind mit die umweltunverträglichste Art zu reisen: ein mittelgroßer Helikopter für 4-6 Passagiere verbraucht 50-80 Liter Kerosin auf 100 Kilometer, das wären etwa 10-20 Liter pro Person. Im zivilen Transport ist das mit Abstand die größte CO2-Schleuder, die es gibt! Zum Vergleich: ein Langstreckenflug verbraucht pro Person etwa 5 Liter Kerosin pro 100 Kilometer.

Und dann ist da natürlich noch der “Krach” der Hubschrauber, der einen enormen Einfluss auf ein großes Gebiet hat. Ich wusste es selber nicht, aber: im normalen Flug werden 80% des Lärms nicht von den großen Rotorblättern, sondern vom kleinen Rotor am Heck produziert. Darum gibt es längst Hubschrauber, bei denen der kleine hintere Rotor "eingebaut" ist und die viel leiser sind: aber diese Helikopter sind natürlich teurer und werden daher kaum eingesetzt.

Im Tiefflug durch die Hvannárgil. Die Piloten ("Cowboys" wäre wohl die richtigere Bezeichnung)
haben ihren Passagieren definitiv etwas geboten!

Den Leuten am Boden allerdings auch: Ruhestörung und schlechte Laune

Alles in allem bin ich also voll und ganz gegen Hubschraubertourismus und habe im vergangenen Monat penibel buchgeführt über die Bewegung, Flughöhe und Aktionen von Helikoptern hier im Tal. Wie gesagt: bis zu 10 Sichtungen pro Tag kamen dabei heraus, mit Flughöhen zwischen 400 und 5 Metern über dem Boden und vielen Beschwerden von erschreckten und genervten Fußgängern. Diese Liste habe ich, zusammen mit Zitaten und vielen Beweisfotos, vor kurzen an meinem Chef weitergeleitet, mit dem ich vorher lange über das Thema gesprochen habe. Und ich habe es ja kaum glaube wollen, aber: der Geschäftsfüher des FÍ hat doch tatsächlich ein Treffen organisiert zwischen dem Umweltministerium und den regionalen Verantworlichten des Verkehrsministeriums und ihnen meine Liste und Bilder vorgelegt. Ein weiteres Treffen ist geplant: bisher waren sich alle zumindest einig darüber, dass auch Hubschrauber sich demnächst an bestimmte Flugwege halten sollen. Diese müssen erst noch festgelegt werden, sollen aber definitiv abseits der beliebten Reiseziele liegen. Sollte dies wirklich umgesetzt werden, was ich stark hoffe, dann bin ich schonmal einen Schritt weiter - und wäre stolz darauf, ein wenig etwas bewirkt zu haben. Die Zukunft wird zeigen, wie erfolgreich mein dann doch eher kleiner Einsatz war!

Sonntag, 17. Juli 2011

Svipmyndir úr Mörkinni...

Es gibt viel zu berichten, aber genauso viel zu tun - und zu fotografieren. Der Aufenthalt in der "zivilisierten" Þórsmörk mit mehr oder weniger leidigen Kollegen ist meinem Rücken gut bekommen: die Schmerzen sind zwar mittlerweile chronisch geworden, aber ich kann Woche für Woche mehr Dinge tun und meiner doofen kaputten Bandscheibe immer größere Belastungen zumuten. Mein neuester Erfolg ist eine 25 Kilometer lange Wanderung mit leichtem Gepäck: es geht langsam aber sicher voran! :-)

An Aufregung sollte es in letzter Zeit auch nicht fehlen: es gab zwei Vulkan-Fehlalarme, die uns auch direkt betrafen. Hekla und Katla stehen mehr den je unmittelbar vor dem Ausbruch; Katla wird regelmäßig von Erdbeben geschüttelt. Die Situation ist meiner Meinung nach so akut, dass ich allen Wanderern sage, schon allein aufgrund der eigenen Sicherheit unbedingt bei den Hütten zu übernachten. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass spätestens am 5.August ein isländischer Vulkan von sich hören lassen wird: dann werde ich die Insel verlassen. Aber dazu mehr nächste Woche. Vorerst will ich hier Bilder sprechen lassen: "Svipmyndir úr Mörkinni", Eindrücke aus der Þórsmörk.

Langidalur mit seiner 20 Meter hohen Fahnenstange: mein Zuhause für den Sommer 2011

Sonnenuntergang auf dem Valahnúkur, Blick Richtung Eyjafjallajökull

Passagiertransport über einen Seitenarm der Krossá


Regen und Sonne über dem Mýrdalsjökull

Eyjafjallajökull, ergraut unter der Grímsvatna-Asche

Regen, Sonne und Schnee auf der Morrinsheiði...

Das neue Lavafeld auf dem Fimmvörðuháls wird noch jahrelang heiß bleiben.
Nicht nur zu Mitternacht ist es ein beinahe außerirdisches Erlebnis!

Auf dem im April 2010 entstandenen Berg Magni gibt es keinen Krater, sondern eine ein Meter
tiefe Spalte, in der man noch ein Jahr nach dem Ausbruch glühendes Gestein sehen kann!

Selten wird einem die eigene Nichtigkeit bewusster,
als an solch magisch-lebensfeindlich-ursprünglichen Orten!