Gestern am 21. Mai 2011 begann etwa um 19 Uhr isländische Zeit ein Vulkanausbruch in Grímsvötn, einem der aktivsten isländischen Vulkane, der mitten im westlichen Vatnajökull liegt. Seit einem Jahr warten die Vulkanologen auf den Ausbruch dieses Vulkans, und nun ist es soweit. Die Eruption hat gigantische Ausmaße: zehnmal stärker als der Ausbruch des Eyjafjallajökull, steigt eine knapp 20 Kilometer hohe Wolke in den Himmel auf. Südisland liegt im Ausfallbereich der Aschewolke, alle Flüge sind gestrichen und die Nation redet nur noch über eines: den Vulkanausbruch. Und ich bin wieder mitten dabei! :-)
Aber mal ganz von Vorne! Vor einer knappen Woche schrieb ich mein Buch fertig und schickte es zu den Lektoren des Bruckmann-Verlages. Zwei Tage später trat ich meinen Sommerjob an: vorgestern fuhr ich in die Þórsmörk, wo ich den Sommer über bleiben werde. Mein Rücken hat sich leider kaum gebessert, aber allmählich gewöhne ich mich an die Schmerzen und die Einschränkungen und lebe mein Leben weiter. Es wird schon irgendwann wieder besser werden! Wahrscheinlich bin ich einfach zu stur und gibt es noch viel zu viel zu erleben, als jetzt alles an den Haken zu hängen! :-)
Gestern war wunderschönes Wetter, und so erkundete ich einen Bergrücken, den ich bisher noch nicht bestiegen hatte. Von dort aus hatte man einen tollen Blick auf das westliche Lavafeld des Fimmvörðuháls, das sich so früh im Jahr wunderschön vom schneebedeckten Umland abhebt. Wer das Foto in Groß anschaut, wird kleine Menschen mittig auf dem kleineren Krater sehen: genau dort führt der neue Wanderweg entlang. Wie man sieht, ist die Dampfbildung enorm: der Schwefelgestank ist im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubend, sagten mir die Wanderer, die sechs Stunden später bei mir in der Hütte ankamen. Für Asthmatiker ist die Überquerung momentan nicht zu empfehlen...
Obwohl der Ausbruch nun schon über ein Jahr zurückliegt, wird das teilweise über 40 Meter dicke Lavafeld Jahre brauchen, bis es abgekühlt ist. Glühen tut zwar nichts mehr, schießen aus Spalten und Löchern kochende Schwefeldämpfe in starker Kontentration und legen sich bei entsprechenden Windverhältnissen wie eine Dunstglocke über das Land. Ich freue mich schon sehr darauf, bald selbst einmal dort oben zu stehen!
Auch die Auswirkungen des Eyjafjallajökull waren während meiner gestrigen Wanderung deutlich zu sehen. Durch die gefallene Asche haben kleinste Rinnsale während der Schneeschmelze eine solche Kraft entwickelt, dass die Bodenerrosion diesen Winter enorme Ausmaße angenommen hat. Fast alle Wanderwege im Umland sind völlig abgetragen und bestehen nur noch aus tiefen Rinnen oder großen Steinen. Treppenstufen stehen ohne Füllung da und sind kaum begehbar, Bäche haben ihren Lauf geändert fließen die Wanderwege entlang. Es ist wirklich schlimm!Auch außerhalb der Wege ist die Asche allgegenwärtig. Besonders in Tälern und Einschnitten im Berg ist die Vegetation von teilweise mehreren Zentimetern Asche bedeckt. Überhaupt liegt hier momentan mehr Asche, als direkt nach dem Vulkanausbruch: sie wurde im vergangenen Sommer von den Gletschern in die Täler geweht und tötet hier gerade vermutlich die niedrigwachsenen Pflanzen wie Moose ab. Vielleicht bzw. hoffentlich sind besonders die wichtigen Moose wiederstandsfähig und überleben die kommenden Jahre!
quick and dirty: ein Schnappschuss aus unserem Fenster
Langidalur / Þórsmörk 22.05.11, 14:30 Uhr, 140 Kilometer von der Ausbruchsstelle entfernt.
Entschuldigt die Farbsäume, ich habe grade keine Zeit für gute Bildbearbeitung.
Langidalur / Þórsmörk 22.05.11, 14:30 Uhr, 140 Kilometer von der Ausbruchsstelle entfernt.
Entschuldigt die Farbsäume, ich habe grade keine Zeit für gute Bildbearbeitung.
Obwohl ich den Vulkanausbruch gerne sehen würde, besonders jetzt in den ersten Tagen, werde ich hier in der Þórsmörk bleiben. Einerseits wird eindrücklich darum gebeten, nicht in die Vulkannähe zu reisen um die Rettungsarbeiten nicht zu behindern, andererseis käme ich doch eh mit meinen Mitteln nicht an den Vulkan heran: mitten im größten Gletscher Europas gelegen, umgeben von einer weitverteilten Aschewolke, die ohnehin keine Aussicht ermöglicht. Südwestlich des Vatnajökull regnet es gerade Asche und ist ein sehr großer Landstrich in schwarze Dunkelheit getaucht. Wie letztes Jahr, so trifft es Island zu zur denkbar schlechtesten Zeit: mitten im Frühjahr zur Lammsaison können sich die Bauern wirklich nichts Schlimmeres vorstellen, als alle Tiere in die Ställe zu holen. Aber so ist die Natur: sie kümmert sich herzlich wenig um uns Menschen!
Grímsvötn ist ein sehr interessanter Vulkan, von dem die Vulkanologen mehr wissen, als damals vom Eyjafjallajökull. Der jetztige Ausbruch ist nichts Besonderes: er wurde sogar erwartet. Erdbeben haben ihn lange angekündigt, und bisher verhält sich genau so, wie er es auch in der dokumentierten Vergangenheit getan hat. Grímsvötn (die „Seen von Grímur") wechseln alle 60-80 Jahre in aktive und inaktive Phasen. Kleineren Ausbrüchen folgen ein bis zwei größere, bevor wieder eine Weile Ruhe herrscht. Genau das war bis gestern der Fall. Drei kleine Ausbrüche (1983, 1998 und 2004) hielten nur ein paar Tage an und bestanden im wesentlichen aus einer kleinen, nur wenig von Asche durchsetzten Wolke. Der jetzige, viel stärkere Ausbruch gilt als größter Vulkanausbruch des vergangenen Jahrhunderts und wird mit dem Ausbruch der Katla von 1918 und der Grímsvötn-Eruption von 1873 verglichen. Damals war der vom Gletscher ummantelte Vulkan sieben Monate aktiv, spie allerdings nur die ersten drei bis vier Tage viel Asche aus. Dass die Aktivität in den ersten Tagen am höchsten ist und dann zurückgeht, ist bei Vulkanen die Regel: daher wird vermutet, dass sich die Aschewolke in den nächsten 24 Stunden stark verringern wird. Das wäre gut, denn momentan liegt ein Gutes Drittel der isländischen Landfläche unter der Aschewolke. Auf den Westmännerinseln, in Selfoss und hier Þórsmörk, in Vík, Höfn, und sogar bei Egilsstaðir und in Vopnafjörður (nördliche Ostfjorde) kam es zu deutlichem Ascheniederschlag.
Þórsmörk: Grímsvötn-Eruption Tag 1.
Es ist gar nicht schwer, herauszufinden, ob man sich in einer Aschewolke befindet!
Es ist gar nicht schwer, herauszufinden, ob man sich in einer Aschewolke befindet!
Kirkjubæjarklaustur ist die am schlimmsten betroffene Ortschaft: da ist es erst am heutigen Nachmittag wieder hell geworden und liegt momentan ein guter Zentimeter feiner Asche über allem. Aber die Menschen sind zuversichtlich: noch besteht Hoffnung, dass der Vulkanausbruch sehr bald abklingen wird, oder zumindest der Ascheregen in den nächsten Tagen zum Erliegen kommt. Ich bin super gespannt und klebe regelrecht am Radio fest: noch immer löst allein das Wort „Vulkanausbruch“ in mir größte Begeisterung aus! Ich bin so neugierig, was in den nächsten Tagen geschehen wird! :-) Verändert sich die Aktivität? Wird die Asche den europäischen Luftverkehr beeinflussen? Werde ich den Ausbruch irgendwann sehen können, oder werden wir jetzt erstmal wieder ein paar Wochen lang im Aschenebel leben, wie es schon im letzten Frühsommer der Fall war? Langweilig wird der Sommer jedenfalls wieder nicht werden - prima!
Ich melde mich wieder, sobald es etwas Interessantes zu berichten gibt und ich den Fußweg nach Húsadalur mit meinem Laptop im Gepäck antreten kann. Ist doch immer etwas umständlich, aus der Þórsmörk heraus das Internet zu benutzen - aber immerhin, es geht! :-)
Liebe Grüße von der Ascheinsel,
Kerstin
der nordöstlichen Þórsmörk. Ob es wohl lange dauern wird, bis die Luft hier wieder so klar ist?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen