Am 17. März 2009 ging die eigentliche Aktion der Rainbow Warrior endlich los - und lernte ich meine Privilegien als Hilfskoch kennen. Statt nämlich wie alle an Bord um 6:30 Uhr aufzustehen, konnte ich bis 10 Uhr schlafen. Das war klasse! :-)
Das war der Zeitplan für die Tage an Land - an Seetagen mussten alle
außer Wendy, der Nachtschicht und mir um 6 Uhr aus den Kojen sein...
außer Wendy, der Nachtschicht und mir um 6 Uhr aus den Kojen sein...
An diesem Tag allerdings war ich um 8 Uhr an Deck, um ja das Auslaufen nicht zu verpassen. Pünktlich legten wir ab und verließen Bergen in Richtung Norden: immer die norwegische Küste hinauf ging es, mal mit Segel, mal ohne. Das Ziel war Ålesund in Mittelnorwegen: die Fahrt dorthin sollte anderthalb Tage dauern, mit einem nächtlichen Stop in Breisundsdypet.
Die Landschaft war wirklich schön, und zwischendurch machte die Crew auch Zodiaktraining, was ganz interessant war. Genießen konnte ich die Reise aber nicht wirklich: ich wurde seekrank noch ehe wir überhaupt offenes Gewässer erreicht hatten. Wendy versuchte mich mit allen möglichen Mitteln aufzupäppeln: ich weiß nicht, wie viele verschieden Sorten von Seekrankheitspillen ich ausprobierte und wie viele Ingwerbonbons und Tassen Ingwertee ich in den Folgetagen zu mir nahm. Es half alles nichts: ich wurde seekrank, wie nie zuvor im Leben. Das einzige, was wirklich half, waren die Seebands: Akkupressurbänder, die auf einen bestimmten Punkt am Handgelenk drücken und dadurch den Magen beruhigen. Klingt wie Hokuspokus, aber ist wohl klinisch erforscht und wird mittlerweile selbst in Krankenhäusern eingesetzt.
Ich lernte auf dieser Reise alle Facetten der Seekrankheit kennen: erst wurde mir schlecht, dann schwindelig, dann wurde ich regelrecht lethargisch und wirr im Kopf und gähnte mir die Seele aus dem Leib. Kopfschmerzen kamen schubweise, Hunger hatte ich so gut wie keinen, mir wurde eiskalt, ich konnte Hände und Füße teilweise kaum fühlen, so taub wurden sie. Als es ganz schlimm wurde, sah ich schwarze Punkte vor meinen Augen tanzen und wurden meine Beine weich wie Pudding. Aber trotz alledem musste ich mich kein einziges Mal übergeben: ich stand oft kurz davor, doch die 'Seabands' verhinderten das. Erstaunlich!
Mit an Bord war eine junge Schwedin namens Malin, die als unterstützende Kraft an Deck dabei war und als Mädchen für alles arbeitete. Man, was hätte ich dafür gegeben, an ihrer Stelle zu sein! Ich hätte es definitiv viel interessanter gefunden, an Deck Rost wegzuspachteln oder Seemannsknoten zu lernen, als Kartoffeln zu schälen oder Geschirr zu spülen... Allmählich verstand ich, wieso sich außer mir niemand für diesen Posten interessiert hatte!
Eine von Malins Hauptaufgaben sollte von nun an sein, mich in der Küche abzulösen, wenn ich wieder einmal gar nichts zustande bekam und frische Luft an Deck schnappen musste. Sobald ich oben war, sei es an Deck oder auf der Brücke, und den Horizont sehen konnte, ließ es sich besser aushalten. Ich verstehe ja bis heute nicht wieso man die Kombüse seitlich hinten am Schiff angebracht hat: wenn es irgendwo schaukelt, dann dort. Was immer ich mir an Arbeit an Deck mitnehmen konnte, das brachte ich nach oben: weshalb man mich sehr oft dort über einem Topf Kartoffeln schälen sah. Auch die Kamera war oft dabei: Ablenkung ist und bleibt das beste Mittel gegen diese vermaledeite Seekrankheit. Das halte ich auch immer noch für eine überzeugende Ausrede, um dem Küchendienst kurzzeitig zu entfliehen und fotografieren zu können! ;-)
Am zweiten Tag erreichten wir bei strahlendem Sonnenschein das Meeresgebiet, in dem geforscht werden sollte. Mit an Bord war eine ziemlich große Winde, die etwa 500m Kabel aufgerollt hatte. Zwei Techniker kümmerten sich im Schichtdienst darum, diese Winde zu bedienen: sie standen Tag und Nacht bei Wind und Wetter draußen an der Winde, starrten auf einen winzigen Bildschirm und ließen diese per Joystick auf- oder abrollen. Am Ende des Kabels hing ein kleiner Tauchroboter, der eine Videokamera, eine Fotokamera, einen Scheinwerfer und einen Blitz enthielt.
In der Brücke war ein kleiner Monitor aufgebaut, der ununterbrochen die Liveaufnahme der Videokamera zeigte. Meistens drängelten sich alle davor, die gerade frei hatten und starrten wie fasziniert auf das verrauschte Bild - das war richtig spannend! Zwei Leute hatten auch immer etwas zu tun: einmal gab es die Kamera zu betätigen, die dann hochaufgelöste Bilder machte. Sah man im Video ein interessantes Objekt herannahen, drückte man auf den Knopf und sofort wurde die Szene in helles Licht getaucht: ein Foto war gemacht. Diese Aufgabe übernahm ich in meine Freizeit besonders gerne! ;-)
Die zweite Person schrieb zu den gemachten Fotos die Koordinaten auf, damit man nachvollziehen konnte, wo genau sie gemacht wurden.
Sinn der Aktion war es, dieses Stück Meeresboden zu kartografieren und herausfinden, wo sich Unterwasserkorallenriffe befanden und in welchem Zustand sie waren.
Ich hielt mich während der Tauchgänge in jeder freien und seekranken Minute auf der Brücke auf. Ich fand es unglaublich spannend, live mitverfolgen zu können, was auf dem Meeresboden unter dem Schiff gerade zu sehen war. Und das in teilweise großer Tiefe! Manchmal befand sich der Meeresboden nur 70m unter uns, oft aber spielten sich die Szenen, die wir fotografierten, in 300-400m Tiefe ab. Dort unten ist es auch am helllichten Tag stockfinster - wieso die Tiere und Pflanzen dort teilweise in knallbunten Farben leuchten, ist mir nicht ganz klar! Aber schön anzusehen war es auf jeden Fall - sehr fotogen!
Die Kaltwasserkorallenriffe der hohen Breiten sind lange nicht so üppig und voller Leben,
wie die Flachwasserkorallen der wärmeren Meere. Dennoch sind sie extrem wichtig für den
ganzen Ozean: Inseln des Lebens inmitten normalerweise lebloser Ebenen aus Sand und Geröll.
wie die Flachwasserkorallen der wärmeren Meere. Dennoch sind sie extrem wichtig für den
ganzen Ozean: Inseln des Lebens inmitten normalerweise lebloser Ebenen aus Sand und Geröll.
Die ganze Nacht vom 18. Auf den 19. März arbeitete die Projektcrew an den Unterwasserbildern, dann musste die Aktion abgebrochen werden. Es herrschte zwar noch immer gutes Wetter, aber es war zu windig: das Schiff trieb mit mehr als 1,4 Knoten zu schnell auf dem Wasser, was zur Folge hatte, dass die Kamera den Meeresboden nicht mehr erreichte, sondern sinnlos im Wasser hinter dem Boot hergezogen wurde. Also nutzte die mitgereiste Foto- und Filmcrew das gute Wetter für ein paar Pressefotos mit den von mir gebastelten Schildern, bevor wir in Ålesund anlandeten.
Der Freitag begann ruhig. Die Rainbow lag alleine an einem Außenbereich des Hafens in direkter Nähe zu einer Imbissbude und einer Straße. Eine Schulklasse kam an Bord und machte eine Führung, die Techniker brachten Winde und Roboter in Schuss, die Crew hatte mit Einkäufen und dem ewigen Kampf gegen den Rost zu tun. Und Wendy und ich schmissen die Küche. Der Captain verkündete, dass wir bis Sonntag im Hafen bleiben würde, da ein Wetterumschwung angesagt war und wir ganz ruhige See brauchten, um einen erneuten Tauchgang vorzunehmen. Also wurde für besagten Samstag ein Tag der offenen Tür geplant und schwärmten ein paar Leute aus, um diese Nachricht in der Stadt bekannt zu machen.
Die folgende Nacht sollte uns allen in Erinnerung bleiben. Die Nordskandinavier haben im allgemeinen keine gute Meinung von Greenpeace, was vor allem damit zu tun hat, dass Greenpeace gegen Walfang und für den totalen Schutz von Meeren ist. Norwegens Wirtschaft hängt stark vom Fischfang ab, sie betreiben offiziell Walfang, und sie bohren außerdem munter nach Öl und Gas, was ja nun auch nicht wirklich umweltverträglich ist.
Eine Ölplattform in Reparatur, sowie Walfleisch, das man in Norwegen überall kaufen kann
Auch in Ålesund sind Fischfang sowie die Ölindustrie die wichtigsten Wirtschaftszweige - dementsprechend konservativ ist dort das Gros der Bevölkerung. Im Nachhinein ist es daher nicht wirklich verwunderlich, dass in der zweiten Nacht, die wir am Hafen von Ålesund lagen, ein Mob betrunkener Einheimischer ans Schiff kam und es betreten wollte. Die Deckhands halten im Hafen immer Nachtwache und konnten das Entern des Schiffes verhindern - aber nicht, dass die Menschen, aufgebracht wie sie waren, einfach die Seile lösten und das Schiff vom Dock wegdeuten. Spätestens in dem Moment war klar, dass wir hier nicht unbedingt willkommen geheißen wurden. Auf den Tag der offenen Tür am Folgetag freute sich keiner!
Sonnenuntergang in Ålesund: links am Bildrand sieht man die drei Masten der Rainbow Warrior
Nachtrag Februar 2011:
Leider finde ich gerade keine Zeit mehr, über die letzte Woche auf der Rainbow Warrior zu berichten. Gesagt sei kurz nur: die Einheimischen verhielten sich friedlich, wir auch, wir konnten noch mehrere Tage lang Aufnahmen vom Meeresgrund machen was ich weiterhin sehr spannend fand. Leider war ich noch eine Woche lang seekrank und habe kleine Schiffe seitdem erfolgreich gemieden! Es war eine sehr interessante Zeit, die ich nicht missen möchte, aber: ich bin und bleibe eine Landratte! Jawohl!
Leider finde ich gerade keine Zeit mehr, über die letzte Woche auf der Rainbow Warrior zu berichten. Gesagt sei kurz nur: die Einheimischen verhielten sich friedlich, wir auch, wir konnten noch mehrere Tage lang Aufnahmen vom Meeresgrund machen was ich weiterhin sehr spannend fand. Leider war ich noch eine Woche lang seekrank und habe kleine Schiffe seitdem erfolgreich gemieden! Es war eine sehr interessante Zeit, die ich nicht missen möchte, aber: ich bin und bleibe eine Landratte! Jawohl!
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