Donnerstag, 13. Januar 2011

Rainbow Warrior, Teil 1


Rückblick: 13-16.03.2009

Nachdem ich 2009 schon zwei Monate für Greenpeace in Stockholm gearbeitet hatte, erhielt ich Anfang März eine überraschende Anfrage. Im Kreise der skandinavischen Greenpeace-Freiwilligen wurde jemand gesucht, der Mitte bis Ende März Zeit und Lust hatte, um als Hilfskoch auf der Rainbow Warrior auszuhelfen.

Bedenkzeit brauchte ich keine: ich war nicht gebunden und bin ja generell immer für eine verrückte Aktion zu haben! Mir war in dem Moment vollkommen egal, dass ich in den letzten Jahren immer leichter seekrank werde, in keiner Weise kochen kann und Küchenarbeit im Gegenteil sogar ziemlich langweilig finde. Aber die Aussicht war einfach zu verlockend, Norwegens Küste mit der Rainbow Warrior abzufahren und mir vor Ort einen Eindruck über die Menschen und Arbeit auf einen Greenpeace-Schiff machen zu können! Also heuerte ich auf der Stelle an.


Die folgenden zwei Wochen standen ganz im Schatten der geplanten Aktion. Und am Freitag, dem 13. März 2009 ging es dann los: erst mit der Bahn nach Oslo, und von dort aus mit einem weißen Minibus nach Bergen. Zuvor hatte ich beim Beladen des Busses geholfen und mich in den dortigen Apotheken mit diversen Mitteln gegen Seekrankheit eingedeckt, und freute mich nun auf eine ungewisse Zeit voller verrückter Erlebnisse.

Die Reise im Bus war schon typisch Greenpeace: der Laderaum des Neunsitzers war bis an die Decke gefüllt mit absonderlichen Dingen. Schwimmende Schilder, die wir in Stockholm extra für die Aktion angefertigt hatten, aber auch Kostüme in Korallenform und Seesternen, mit Bannern, Kisten voller Flyer und jeder Menge Essen. Obwohl Greenpeace eigentlich ein Sammelpunkt für Veganer und ökologisch bewusst einkaufende Menschen ist, war der Einkauf für den jetzigen Trip einem begeisterten Fleischesser zugefallen. Und der hatte den größten Mist gekauft, den man sich vorstellen konnte: billigste Salami, Käse in Aluminiumdosen und diverse Fastfoodartikel von großen, internationalen Konzernen. Mir lief es kalt den Rücken herunter, als ich das sah, aber ich schien die einzige der Gruppe zu sein, der dies als negativ auffiel. Und so lernte ich bereits an meinem ersten Tag in Norwegen, dass die Menschen dort, obwohl nur unweit von Schweden entfernt, wesentlich unkritischere und sorglosere Konsumenten zu sein schienen, als ihren singenden Nachbarn.

Wir waren ein Grüppchen von insgesamt neun Greenpeaclern, die sich nun auf die Nachtfahrt von Oslo nach Bergen begaben: ein Schwede, ein Kanadier, eine Französin, ich als Deutsche und noch fünf Norweger. Nur ich und der Schwede, Pelle mit Namen, würden an Bord der Rainbow arbeiten, die anderen waren als Campaigner und Volunteers dabei: also als Hilfskräfte an Land.
Spät in der Nacht erreichten wir Bergen, wo es in Strömen regnete, wir aber zum Glück Zimmer in einer einfache Herberge gebucht hatten. Und so konnten wir etwas Schlaf tanken, bevor die Rainbow Warrior am Mittag in den Hafen einlief.


Die Ankunft des grünen, motorisierten Segelschiffes mit Regenbogen und Friedenstaube auf dem Bug war wie arrangiert: die Sonne schien vom strahlend blauen Himmel, die historischen Häuser Bergens waren wie eine Filmkulisse, und ich hatte mich an der Hafeneinfahrt eingefunden, um zu fotografieren. Der einzige Wehmutstropfen war, dass die Rainbow ihre Segel nicht gehisst hatte: es war Flaute. Schade!

Am selben Tag schon durfte ich meine Kajüte beziehen. Die Rainbow Warrior II, ein mittlerweile recht altersschwaches Schiff, ist nur 55m lang, also ziemlich klein in Anbetracht der Tatsache, dass 30 Leute auf ihr bis zu 3 Monate am Stück leben und arbeiten können. Das Schiff braucht eigentlich nur 11 Mann Besatzung, aber es ist immer bis auf die letzte Koje besetzt: an freiwilligen Mitreisenden mangelt es auf diesem traditionsträchtigen Schiff nun wirklich nicht!

Die jetzige Rainbow Warrior ist das zweite Schiff diesen Namens. Ihr Vorgängerin wurde 1985 durch zwei Sprengladungen von Agenten des französischen Auslands-Nachrichtendienstes im Hafen von Auckland versenkt. Dabei gab es einen Toten und einen Effekt, den die Franzosen so nicht erwartet hätten: statt den geplanten Protest gegen die Atomtests im Mururoa-Atoll zu unterdrücken, gab es durch den Anschlag einen globalen Aufschrei: FÜR Greenpeace und GEGEN Atomtests. Und Greenpeace sammelte in den Folgejahren genügend Spendengelder, um einen Nordsee-Fischtrawler aufzukaufen, ihn mit zwei Masten zu versehen und die jetzige Rainbow Warrior zu bauen, die seit 1989 im Einsatz ist. Das Schiff ist allerdings heute 54 Jahre alt, rostet unhaltbar vor sich hin, kriecht im Schneckentempo über die Ozeane und wird vermutlich im Jahr 2011 von der Rainbow Warrior III abgelöst werden.


Ich fand meinen Platz in einer kleinen Viererkajüte unten im Bug des Bootes, zusammen mit zwei Crewmitgliedern und einer Campaignerin. Und direkt ging die Arbeit in der Kombüse los. Ich machte mich vertraut mit meinen Hauptaufgaben: Kartoffeln schälen, Gemüse schnippeln und Geschirr waschen. Die Köchin hieß Wendy: eine lebenslustige junge Kanadierin, seefest und völlig vernarrt in gute Küche jeglicher Art. Es tat mir wirklich leid, dass ich in der Küche seit jeher zwei linke Hände habe, aber ich beschloss trotzig, trotz akuter Kochphobie mein bestes zu geben. Was man nicht alles für ein Abenteuer tut!

Wendy

An den folgenden beiden Tagen lagen wir in Bergen vor Anker. Wie ich lernen sollte, ist die Öffentlichkeitsarbeit für Greenpeace mittlerweile fast wichtiger als die Protest- und Forschungsaktionen. Wo immer die Rainbow Warrior anlegt, wird ein 'Tag der offenen Tür' geplant: mit Bannern am Schiff angekündigt und auf Flugblättern von Freiwilligen verteilt, wird jedem Interessierten ein (kostenloser) Rundgang übers Schiff angeboten. Und gleichzeitig natürlich Werbung für das jeweilige Projekt gemacht: in unserem Fall waren wir unterwegs, um die Menschen über die Existenz von Kaltwasserkorallenriffen vor Norwegens Küste aufzuklären, die von der Schleppnetzfischerei und der Ölförderung stark bedroht sind. Aber dazu später mehr.


Aus diesem Grund jedenfalls waren zusätzlich zu den 30 Mann Besatzung noch 10 weitere Freiwillige in Bergen, die nur das taten: mit den Menschen auf der Straße zu reden, sich Diskussionen stellen und Leute übers Schiff führen. Ich selber bekam davon wenig mit, weil wir unten in der Kombüse zwei warme Mahlzeiten am Tag zubereiteten, für kurzzeitig 40 Fleischesser, Vegetarier und Veganer. Wendy und ich waren in den ersten Tagen folglich von morgens 10 bis abends 21 Uhr beschäftigt. Mein neues Leben als Küchenjunge hatte mich direkt fest im Griff!


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