Freitag, 5. Februar 2010

Soldag i Langfjordbotn

Heute, am 5 Februar, war es endlich soweit: die Sonne steht wieder so hoch am Horizont, dass man sie von Langfjordbotn aus sehen kann. Die 17 Kinder der örtlichen Schule haben daher heute den sogenannten Sonnentag gefeiert. Leider war es den ganzen Tag über bewölkt, so dass man die Sonne selber nicht sehen konnte - aber hell wurde es dennoch, richtig hell sogar!

Trotz zunehmender Helligkeit war der Januar für mich der depressivste Monat bisher: Alltagstrott und mangelnde Motivation mache ich dafür ebenso verantwortlich, wie die bisher heftigste Magen-Darm-Grippe meines Lebens. Ein Virus grassierte, und ich war die mit am heftigsten Betroffene hier im Tal. Andere klagten über Unwohlsein und Durchfall - ich hing eine ganze Nacht nur überm Klo und bin immer noch erstaunt, wie viel Wasser ein Mensch verlieren kann. Danach war ich zwei weitere Tage lang zu nichts zu gebrauchen und bin nun mehr denn je der Meinung, dass Kranksein abgeschafft gehört!
Meine Stimmung war dementsprechend mies, vor allem, weil ich so nicht erleben konnte, wie die Sonne zum ersten mal oben auf der Vidda aufging. Auch der heftigste Nordlichtsturm des neuen Jahres, wunderbar zu beobachten bei perfekt-kaltem Wetter, verpasste ich schlafend im Bett. Und als wäre das nicht genug, kam Arne auf die glorreiche Idee, genau dann meine Sickergrube auszuleeren. Diese ist nicht sonderlich groß und schon seit Wochen fast gefüllt gewesen - daher war ich dankbar, dass Arne sich so eifrig an die Arbeit machte. Leider vollführte er diese geruchvolle Arbeit mit derselben Maschinerie, mit der er die riesige Jauchegrube unterm im Kuhstall leert. Die Kraftverhältnisse sind in etwa so, als wolle man eine Pipette mit einem voll aufgedrehten Wasserhahn füllen: das konnte nur in die Hose gehen! Das kommende Desaster ahnend räumte ich das kleine Badezimmer komplett leer, schloss den Klodeckel und stellte eine mit Wasser gefüllte Schüssel als Gewicht auf den Ausfluss am Badezimmerboden. Als Arne dann den Motor anschmiss und zu pumpen begann, musste der Druck irgendwohin ausweichen, und tat das entgegengesetzt der normalen Spülrichtung. Oder um es salopp zu sagen: mir spritzte die Scheiße aus'm Klo und flutete meinen Badezimmerboden. In der Hinsicht war es vielleicht ganz gut, dass ich mich in der Nacht zuvor jeglichem Magen- und Darminhaltes entledigt hatte... Oh man...

Den Anblick, der sich mir bot, musste ich mit der Kamera festhalten. Ich werde das Foto an dieser Stelle allerdings nur verlinken. Ein wahres Schocker-Foto - wer traut sich, es anzusehen? ;-)

Mein Badezimmer am 23. Januar 2010

Diesen (im wahrsten Sinne des Wortes) ziemlich beschissenen Tagen folgte eine sehr ruhige Woche. Arne war sechs Tage lang mit britischen Touristen unterwegs und hat alle erwachsenen, unverletzten Hunde mitgenommen. Nur vier erwachsene Hunde und die 11 Welpen blieben hier - es gab kaum Arbeit! Dementsprechend freue ich mich nun aber auch wieder darauf, nach 14 Tagen Pause endlich wieder mit dem Training zu beginnen. Hunde zu halten ohne Schlittenfahren zu können erscheint mir mittlerweile als ziemlich langweilig!

Eben weil die Hunde so wenig Arbeit gemacht haben, hatte ich mir von Montag bis Mittwoch frei genommen. Ich hatte eigentlich geplant, mit dem Bus an einen landschaftlich reizvollen Ort zu fahren und dort zweimal zu übernachten und zu fotografieren. Allerdings mangelte es an Unterkünften - jetzt im Winter sind die wenigen Übernachtungsmöglichkeiten entweder geschlossen oder unbezahlbar. Deshalb wollte ich am Montag zu einer Tagestour aufbrechen und stand däumchendrehend an der Straße - vergeblich. Die wenigen Autos, die an mir vorbeifuhren, wollten mich nicht mitnehmen. Und da ich ohnehin relativ wenig Lust auf diesen Ausflug hatte und außerdem Wolken aufzogen, die jegliche Hoffnung auf schönes Fotolicht zunichte machten, kehrte ich nach zwei Stunden zurück nach Parken Gård. Die paar Stunden an der frischen Luft hatten mir gereicht: es richtig ungemütlich kalt, da bei -18° teils sturmartige Windböen übers Land fegten.

Als es dunkel wurde, sah ich mir im Internet die neuesten Vorhersagen für Wetter und Polarlicht an. Die Wettervorhersage war gut bis zum folgenden Mittag, und die Werte von SOHO (dem Sonnensatelliten) machten auch Hoffnung auf Polarlichter. Der noch sehr volle Mond sollte an diesem Abend erst um 21Uhr aufgehen: auch dies positiv, da bis zum Mondaufgang schwache Nordlichter am dann noch dunklen Nachthimmel sichtbar wären. Und als sich dann um 17:30 Uhr in einer Wolkenlücke stärkere Nordlichter am Nordhorizont erahnen ließen, schnappte ich mir meinen noch gepackten Rucksack samt Kamera und sprang in den Bus nach Øksfjord.

Ich habe es mir zur Angewohnheit gemacht, meine Fotoausflüge grob mithilfe von Karten und Satellitenbildern zu planen. Gerade für die Nachtfotografie ist es wichtig, möglichst wenig Lichter von Zivilisation im Bild zu haben: dies kann ich anhand von Karten mittlerweile ziemlich gut abschätzen. Darum hatte ich schon seit längerem vor, eine Nacht am Øksfjorden zu verbringen: dieser Fjord ist nicht weit entfernt und mit dem Bus erreichbar, was für mich Autoverweigerer ja ein sehr wichtiges Kriterium ist.

Parken Gård befindet sich dort, wo die gelbe Hundepfote zu sehen ist.
Mein spontanes Reiseziel ist die rote Stecknadel weiter oben am Øksfjorden:
eine kleine Ansammlung von Häusern an der Straße zum Ort Øksfjord (Einwohner: 482).


Der Busfahrer kannte sich überhaupt nicht aus und hatte keine Ahnung, wo ich rauswollte - ich allerdings auch nicht, da ich zum ersten Mal dort war. Zum Glück war der einzige Passagier außer mir ein Einheimischer, der dem Busfahrer sagen konnte, wo er stoppen sollte. Er wollte sogar wissen, zu welcher Person ich reisen wollte, um mir noch das richtige Haus zu zeigen - und war dann ganz verwirrt, zu hören, dass ich niemanden besuchen, sondern stattdessen bei -20°C im Zelt übernachten und Nordlichter fotografieren wollte. Auch der Busfahrer schaute leicht deppert drein, als er das hörte - woraufhin ich nur grinsend aus dem warmen Bus in die kalte Nacht stieg.

So kalt wie es klingt war es aber gar nicht. Zum einen war ich die ganze Zeit in Bewegung: erst wanderte ich zwei Kilometer mit dem Rucksack auf dem Rücken, bis ich einen guten Zeltplatz fand (was an der Steilküste gar nicht so einfach war). Dort ließ ich den Rucksack einfach liegen und zog mir eine weitere Schicht Kleidung an. Sechs Hosen und sechs Oberteile waren es, die ich im Zwiebelprinzip trug: jeweils zwei Lagen Wollunterwäsche, gefolgt von einer Lage Fleece, dann wieder eine Lage dicker Wolle, gefolgt von Hose und einem Wollpulli. Darüber dann noch die im Fotowettbewerb gewonnenen Über-Hose und neue Jacke, sowie dicke Wollsocken in den Winterstiefeln, eine Sturmhaube und zwei Mützen - so lässt es sich -20°C und Windböen gut aushalten! Meine Daunenjacke blieb die ganze Nacht über im Rucksack - ich bin also für noch kältere Temperaturen und Wind gewappnet! :-)

Vor Mondaufgang Richtung Norden fotografiert:
das rote Licht stammt von der Ortschaft Øksfjord (10km entfernt).

Hier im Øksfjorden waren die Wolken fast gänzlich verschwunden, und vor Mondaufgang waren wie erwartet mittelmäßig starke, allerdings detailarme Nordlichter zu sehen. Ich fotografierte ein wenig, verbrachte die folgenden Stunden jedoch hauptsächlich mit dem Suchen nach Motiven und dem Warten auf stärkere Aurora. Statt besser wurde es leider schlechter: der aufgehende Mond färbte zwar den Himmel wunderbar blau und beleuchtete die Berge, die Nordlichter aber waren deswegen viel schlechter bzw. hinterher gar nicht mehr auszumachen. Nachdem ich drei Stunden lang mit Wandern und Warten verbracht hatte, machte ich ein letztes Foto und ging dann zurück zu meinem Rucksack, um mein Zelt aufzubauen und zu Abend zu essen.


Es kam, wie es kommen musste: als ich gerade beim Zeltaufbau war, inmitten eines kleinen Haines an einer wenig fotogenen Stelle, da wurde es so hell, als sei innerhalb von Sekunden der Mond zum Zenit gestiegen. Aus dem Nichts gab es eine Nordlichtexplosion: mehrere Bänder hochagiler Lichter pulsierten wie Wellen aus Licht über den Himmel. Im Norden schien ein Band aus Nadeln zu hängen: ein langer Bogen feiner Nordlichtsäulen, der waberte und mich ein wenig an einen dieser Fliegen-Türvorhänge erinnerte, der vom Wind bewegt wurde. Direkt über mir zog sich von Ost nach West ein schlankes, helles Nordlichtband quer über den Himmel, das wankte und zuckte, wie eine Schlange im Todeskampf.


Mal war es ein komplettes Band, mal spaltete es sich auf und formte eine Corona (eine dreidimensionale Krone aus Lichtstrahlen am Zenit). Die Hauptfarbe war ein sanftes Pastell-Türkis, ausufernd in stärkerem, gelblichen Grau-Grün bishin zu Weiß und ganz kurzlebigem, ganz schwachem Pink. Es war das stärkste Nordlicht, das ich innerhalb der letzten zwei Jahre gesehen habe - und es währte maximal fünf Minuten. Ich fand gerade die Zeit, das Zelt ein Zelt sein zu lassen, zu fluchen (weil ich unter Bäumen stand), zu jubeln (weil ich mich so über das Nordlicht freute) und mir die Kamera zu schnappen. Dann rannte ich einen kleinen Hügel empor, die Kameratasche über die Schulter, das Stativ mit der Kamera in der einen Hand, während ich mit der anderen Hand eine warm gehaltene Batterie aus einer meiner vielen Hosen zu kramen versuchte (was aufgrund der vielen Hosen gar nicht so einfach war). Irgendwie kam ich den Hügel hinauf, ohne hinzufallen, und hatte dann tatsächlich eine einsatzbereite Kamera, mit der ich das obige Bild machte. Da mir der Vordergrund aber nicht zusagte, rannte ich kurz darauf den Hügel wieder herunter, auf die Straße (auf der längst kein Auto mehr fuhr). Diese war eisbedeckt, was mich nach ein paar Metern zur Überlegung brachte, das Rennen mit einem geschulterten Stativ und der ungeschützten Kamera darauf vielleicht nicht unbedingt die beste Idee war. Aber ich musste doch hinunter zum Fjord solange das Nordlicht noch so stark war: also einigte ich mich mit dem Risiko auf einen schlurfenden Rennstil. Der sah höchstvermutlich ziemlich deppert aus, aber das war mir herzlich egal, weil ich so nach wenigen Minuten unversehrt unten am Fjord ankam. Die Nordlichter hatten an Intensität verloren, waren aber immer noch enorm stark: so stark, dass die vom Dreiviertel-Mond beschienenen Berge dunkel wirkten.


Mein erster Stopp war ein kleiner Naturhafen, in dem zwei kleine Fischkutter dümpelten, welche von den Straßenlaternen angeleuchtet wurden und daher als Motiv herhalten mussten. Als die Nordlichter sich dann immer noch deutlich vom hellen Nachthimmel abhoben, rennschlurfte ich weiter die Straße entlang. Dabei wurde ich fast von einem LKW überfahren, der viel zu schnell um eine Kurve geschossen kam und da entlang ratterte, wo ich Sekunden zuvor noch langgerennschluft war, bevor ich schnell über die Leitplanke geklettert war und mich oberhalb eines Steilhanges an einigen dünnen Birkenstämmen festhielt.
Meine Güte, ich neige zu langen, unübersichtlichen Schachtelsätzen, kann das sein?

Nach der Begegnung mit LKW, Abhang und Birkenstämmen kam ich endlich zu einer Bucht, die nicht mehr von Zivilisationslichtern erhellt war. Endlich konnte ich in alle Richtungen fotografieren! Die Nordlichter waren noch schwächer geworden, was aber gar nicht so übel war, da sie nun ungefähr so hell wie die monderleuchteten Berge waren und das ziemlich gut ausschaute.


So schnell, wie sie gekommen waren, verschwanden die Nordlichter wieder. Etwas über eine Stunde verbrachte ich in der kleinen, dunklen Bucht, erst fotografierend, dann wartend. Und als eine ganze Weile kein einziger Schimmer von Nordlicht mehr auszumachen war, ging ich zurück zu meinem halb aufgebauten Zelt, machte es einsatzbereit und kochte mir dann als Nachtmahl die obligatorischen Nudeln. Es mag etwa Ein Uhr gewesen sein, als ich schließlich ins Zelt krabbelte, mich umständlich meinen vielen Kleidungsschichten entledigte und dann in dem von Jon ausgeliehenen Winterschlafsack verschwand. Der hatte eine Komfortzone bis -40°C und war so mollig warm war, dass ich beim nächsten Nordlichtsturm nicht mehr hinaus wollte. Um zwei Uhr nämlich, als ich müde noch mal aus dem Zelt lugte, sah ich wieder ein türkisfarbenes Band über den Himmel tanzen - beschloss dann aber, dass das Anziehen zu lange dauern würde, ich zu müde war und außerdem die gewünschten Fotos schon in der Kamera hatte. Und so blieb ich eine Weile im Zeltausgang liegen, sah der Nordlichtschlage am Firmament schläfrig zu, bevor mir meine Nase zu kalt wurde und ich zum Schlafen zurück ins Zelt robbte. Und dann schlief ich, bis mich um 7:30Uhr meine Armbanduhr weckte.

Das von innen mit meinem gefrorenen Atem bedeckte Zelt war schnell zusammengepackt, sodass ich den einzigen Bus des Tages stoppen und zurück nach Langfjordbotn fahren konnte. Der Busfahrer war derselbe, wie am Abend zuvor, und er grinste, als ich zustieg. Er muss mich für total bescheuert gehalten haben! Höchstwahrscheinlich bin ich das auch - aber das ist mir, wie immer, herzlich egal! Andere haben den Abend in ihren warmen Häusern verbracht - ich jedoch blicke nun auf das schönste Nordlichterlebnis der vergangenen Jahre zurück. Es war trotz -20°C eine erstaunlich wenig kalte, wunderbar ereignisreiche und außerdem äußerst ertragreiche Nacht! Und mit meinem Lieblingsbild des Ausfluges will ich mich hiermit bis zum nächsten Blogeintrag verabschieden!

Der tiefstehende Mond erhellt den Himmel hinter den östlichen Bergen.
Das Sternbild des Großen Bärens (der große Wagen) befindet sich auf elf Uhr.

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