Ich glaube, ich bin endlich angekommen in meinem neuen Dasein als Doghandler. Nun, nach drei Monaten vollgestopft mit neuen, spannenden Herausforderungen, schleicht sich der Alltag ein - und damit unvermeidlicherweise auch die negativen Seiten dieses Lebensabschnittes. Woran ich schwer zu kauen habe, auch wenn ich mir dessen eigentlich bewusst war, ist die Tatsache, dass ich wieder ganz unten in der Hierarchie angekommen bin. Wie in jedem neuen Job muss man sich den Anforderungen der Chefs beinahe willenlos fügen und sich deren Vertrauen langsam erarbeiten. Gerade Bauern haben ganz spezifische Vorstellungen davon, wie Dinge zu sein haben, wohl auch, weil die Verantwortung für die Tiere schwer wiegt. Und wie immer wird auf dem Lande mit Lob viel eher gespart, als mit Kritik - was ziemlich deprimierend sein kann, wenn man sich 12 Stunden am Tag abrackert und dann doch kaum Reaktionen erntet.
Bei meiner Arbeit auf den isländischen Bauernhöfen war das nicht anders, ich hatte das nur verdrängt gehabt. Ich bin diejenige, die am wenigsten zu sagen hat und deren Wünsche hinter allen anstehen - ich bin der Arbeiter, der neue, unerfahrene Handlanger, der eher für die unliebsamsten Arbeiten eingespannt wird. Beispiele gibt es viele. Wenn die Sonne scheint hilft mir Marianne nur zu gerne beim Trainieren der Hunde, dann sind wir (mit dem reinen Training) zusammen nach zweieinhalb Stunden fertig. Aber wenn es regnet, muss ich generell zweimal mit den Hunden raus und fühle mich dann, nach 5 Stunden fast bewegungslosen Sitzen auf dem Quad, eher wie ein Eisblock als wie ein Warmblüter.
Und ratet einmal, wer auf der Farm zurückbleibt, wenn die Familie mit den besten Hunden auf Trainingsfahrten oder gar Trainingswochenenden in die Umgebung aufbricht?
Ich natürlich.
Jetzt war sogar schon die Rede davon, dass jemand auf die zurückgebliebenen Hunde aufpassen muss wenn Arne und Marianne zum Finnmarksløpet fahren, dem 1000km langen Hundeschlittenrennen quer durch das nördlichste Norwegen, das für alle der Höhepunkt des Jahres ist. Aber da reicht es mir - ich trainiere doch nicht die Hunde tagein, tagaus für dieses Rennen um dann nicht mit dabeisein zu dürfen! Nein, das werde ich mich nicht gefallen lassen! Aber bevor ich da einen Streit anzettele, warte ich lieber noch etwas. Denn der Finnmarksløpet ist erst Mitte März und bis dahin kann noch ganz viel geschehen. Es ärgert mich allerdings extrem, dass meine Chefs die Dreistigkeit besitzen, mich von diesem Rennen ausschließen zu wollen, die ich hier täglich zuverlässig rund um die Uhr ihre Hunde betreue und viel mehr Kontakt zu ihren Tieren habe, als sie selber.
Eine ganz andere Sache hat mich auch sehr enttäuscht, nämlich das Wetter hier in Langfjordbotn. Das Tal ist nicht ohne Grund berühmt für seinen Schneereichtum: wenn irgendwo die Wolken hängen, dann hier. In den Fjorden und Tälern ringsumher mag die Sonne scheinen, aber hier ist es eigentlich andauernd bewölkt. Dabei ist reine Bewölkung noch gutes Wetter, allerdings auch sehr unbefriedigend für einen Nordlichtsüchtigen, wie mich, der noch dazu Autofahren verweigert und daher auch nicht dem Wetter entfliehen kann.
Jetzt aber, zwei Tage bevor Arne und Marianne mal wieder in Urlaub fahren (diesmal zwei Wochen nach Spanien), hatte ich endlich einmal Glück mit dem Wetter und Nordlicht an meinen zwei freien Tagen!
Donnerstag Nacht war eine besondere Nacht! Abends verschwand die Bewölkung gänzlich und gab den Blick auf den Himmel frei, der zwischen 21 Uhr und 2 Uhr beinahe ununterbrochen von Nordlichtern überzogen war! In allen Himmelsrichtungen wanderten graue und grüne Lichtvorhänge über den Himmel, mal statisch, mal hochaktiv. Es war absolut faszinierend so direkt unter dem Polarlichtoval zu stehen - wohin man blickte sah man nur Nordlicht! Dies eröffnete mir ein total unerwartetes Problem: nämlich die Frage, wie man diese riesigen Dimensionen fotografieren soll. In Island hält sich Polarlicht oft horizontnah - wie aber macht man gute Fotos von etwas so großem, dass sich am Himmelszenit befindet?
Eine Frage, mit der ich mich diesen Winter vermutlich noch öfters beschäftigen werde!
Zu den riesigen Nordlichtbögen gesellte sich etwas, das ich leider nicht fotografieren konnte: die Orioniden. Diese sind ein Meteorstrom, der vom Haleyschen Kometen stammt und in der dritten Oktoberwoche generell für viele Sternschnuppensichtungen sorgt. Unter dem Lichtspiel der Nordlichter auch noch teils sehr helle Meteore beobachten zu können, war etwas wirklich ganz Besonderes!
Nach diesem wunderbaren Erlebnis beschloss ich dann, in der darauffolgenden Nacht noch einmal zum Kobbivatnet zu wandern, dem See im Hochtal, den ich ja schon bei Regen und Schnee kennengelernt hatte. Die Kombination von See und Bergen reizte mich: wenn ich Glück hatte würde sich vielleicht ein stärkeres Nordlicht im See spiegeln!
Da die Sonne mittlerweile vor vier Uhr untergeht (bzw. drei Uhr, heute Nacht ist ja auch in Norwegen Zeitumstellung) ist es um 18 Uhr dunkel genug für Nordlichter und war ich um 19:30 Uhr oben am See. Der war zu meinem leichten Verdruss zwar zugefroren (was ich mir ja eigentlich hätte denken können!), allerdings würde auch das weiße Eis einen interessanten Vordergrund hergeben.
Wenn es denn Polarlichter gegeben hätte! Die ersten zwei Stunden war der sternklare Himmel tiefschwarz und verbrachte ich meine Zeit mit dem Suchen von Sternbildern, was mir immer wieder Spaß macht, schließlich vergisst man über den Sommer viele der kleinen Sternbilder gerne. Dennoch habe ich es auf 21 Sternbilder gebracht, ohne Bestimmungsbuch - unnützes Wissen trägt der Mensch mit sich herum, ich sags euch...
Um 22 Uhr war es dann aber vorbei mit dem Sternezählen - dann nämlich lenkte mich sehnlich erwartetes Nordlicht vom Frieren ab! In der Dunkelheit der mondlosen Nacht jenseits der Zivilisationslichter konnte meine Kamera ihre Stärken ausspielen: was die Nikon D700 an Sternen wahrnehmen kann wenn man sie richtig bedient, ist wirklich nur erstaunlich!
Gut zwei Stunden lang herrschte relativ starke Nordlichtaktivität, dessen Farbe bis ins starke Grün und leichte Gelb überging. Die Rottöne, die die Kamera oft wahrnimmt wenn das Grün stark ausgeprägt ist, sind fürs menschliche Auge allerdings unsichtbar.
Erst kurz vor Mitternacht kam mir der Gedanke, dass am Ausfluss des Sees vielleicht offenes Wasser zu finden sei, weshalb ich fotografierend zum Talende wanderte. Ich konnte mein Glück kaum fassen, dass dem tatsächlich so war: die paar Meter des Sees, aus denen der Bach sein Wasser zieht und daher Strömung verursacht, hatte sich kein Eis bilden können. Die Aurora war in der Zwischenzeit genau an den Ort gewandert, wo ich sie haben wollte und spiegelte sich im glatten Wasser wieder. Es war schöner, als ich es mir in meinen kühnsten Träumen zu hoffen gewagt hätte, einfach nur fantastisch!
Die Kamera dicht über den Wasserspiegel abzusenken (und mich gleich mit) war zwar ein nasses und kaltes Unterfangen (wir hatten etwa -6°C), aber das war nebensächlich. Fünfzehn Fotos konnte ich von diesem Motiv machen, dann verschwand das Nordlicht und war ich so durchgefroren, dass ich mich bewegen musste und den anderhalbstündigen Rückweg antrat.
Um zwei Uhr Nachts war ich dann wieder zurück auf Parken Gård, verbrachte aber die folgenden zwei Stunden noch damit, die Fotos des Abends zu sichten und zu bearbeiten - schließlich konnte ich am nächsten Morgen ausschlafen. Selten war ich dabei so gut gelaunt, wie es gestern der Fall war! Die Mühe, die mehreren Stunden Marsch und das Frieren hatten sich wieder einmal ausgezahlt: genau solche Motive sind es, die mich immer wieder zu solchen durchwachten Nächten anspornen. Denn Fotos wie diese machen auch Polarlichtjäger wahrlich nicht alle Tage!
Samstag, 24. Oktober 2009
Montag, 12. Oktober 2009
Wintereinbruch
Viel gibt es nicht zu berichten, daher halte ich mich auch kurz. Vor gut einer Woche gab es einen Wintereinbruch, der bis heute anhält: statt in Matsch und Schlamm trainieren wir mit dem Quad nun auf steinhart gefrorenem Boden, der von einem halben Meter Schnee bedeckt ist. Wo vor zwei Wochen noch belaubte Bäume die Welt in Farbe tauchten, ragen nun kahle Äste aus tiefem Schnee hervor - dieser heftige Wintereinbruch hat mich wirklich überrascht! Zumal es von allen hieß, der erste richtige Schnee würde hier im Tal nicht vor November fallen - nun ja, jetzt jedenfalls ist Winter!
Das Training ist nun Alltag geworden; 24 Hunde trainiere ich täglich in 12er-Gruppen und fahre auf mittlerweile je 2 Stunden dauernden Touren um die mir nun sehr gut bekannten Felder. Fotos davon habe ich keine mehr machen können, da ich nun alleine trainiere - Arne und Marianne waren gerade eine Woche in Herbstferien hier in Norwegen und verabschieden sich in 10 Tagen auf einen zweiwöchigen Familienurlaub nach Spanien. Nie zuvor habe ich eine Bauernfamilie erlebt, die so oft verreist - und so wenig Skrupel kennt, seine Kinder außerhalb der Schulferien aus dem Unterricht zu nehmen! Da die Schule aber insgesamt nur 17 Kinder betreut (die von drei Lehrern unterrichtet werden), ist ein Nachholen des Unterrichtsstoffes für Mina und Isak vermutlich nicht schwer...
Die Sonne geht mittlerweile um 17Uhr unter, um 18 Uhr ist es stockdunkel. Darum kam ich gestern auch zu spät oberhalb der Schneegrenze an: der dort über einen Meter tiefe Schnee hatte mir einen Strich durch die Rechnung gemacht, noch bei interessantem Licht oben anzukommen. Von daher: ein Dokubild der normalen Wetterlage und dem aktuellen Landschaftsbild hier in Langfjordbotn. Parken Gård befindet sich ziemlich genau in Bildmitte.
Das Training ist nun Alltag geworden; 24 Hunde trainiere ich täglich in 12er-Gruppen und fahre auf mittlerweile je 2 Stunden dauernden Touren um die mir nun sehr gut bekannten Felder. Fotos davon habe ich keine mehr machen können, da ich nun alleine trainiere - Arne und Marianne waren gerade eine Woche in Herbstferien hier in Norwegen und verabschieden sich in 10 Tagen auf einen zweiwöchigen Familienurlaub nach Spanien. Nie zuvor habe ich eine Bauernfamilie erlebt, die so oft verreist - und so wenig Skrupel kennt, seine Kinder außerhalb der Schulferien aus dem Unterricht zu nehmen! Da die Schule aber insgesamt nur 17 Kinder betreut (die von drei Lehrern unterrichtet werden), ist ein Nachholen des Unterrichtsstoffes für Mina und Isak vermutlich nicht schwer...
Noch ein Bild von gestern, diesmal mit einem typisch norwegischen Mastberg:
egal wo man steht, immer sieht man einen Mast auf irgendeiner Bergspitze stehen...
egal wo man steht, immer sieht man einen Mast auf irgendeiner Bergspitze stehen...
Vor einer Woche, genau zum Vollmond, schneite es zum ersten Mal. Danach herrschte für zwei Tage ganz fantastisches Wetter, und so ließ ich es mir nicht nehmen, noch in der Abenddämmerung zum See Koppivatnet aufzusteigen. Die ersten zwanzig Minuten konnte ich mit dem Fahrrad der Hauptstraße folgen, dann ging es eine gute Stunde hinauf auf das 200m über dem Meeresspiegel gelegene Hochtal. Dorthin hatte ich ja meine erste Regentour unternommen und lockte mich der Gedanke, eine Vollmondnacht im Schnee zu fotografieren, bevor der See zufror. Es war taghell und der Schnee dort oben "nur" einen halben Meter tief. Warm eingemummelt im Schneeanzug ließ es sich bei den Minusgraden dort gut bis Mitternacht aushalten, und ich konnte einige schöne Bilder machen - Fotos, die teilweise aussehen, als seien sie tagsüber gemacht worden. Der Mond war nämlich so gleißend hell, dass der Himmel blau war und nur die kräftigsten Sterne zu sehen waren - so etwas hatte ich bis dato noch nicht erlebt!
Und damit will ich dann auch wieder Schluss machen - bis ich wieder etwas zu berichten oder zu zeigen habe!
In der Dämmerung warf der Himmel noch einen blauen Schatten auf den Schnee...
... aber als es dann richtig dunkel war, brachten Langzeitbelichtungen die erstaunlichsten Kontraste zum Vorschein. Am Westhorizont, der noch ganz leicht von der Dämmerung erhellt ist, glaube ich auf diesem Bild sogar, eine ganz schwache Aurora zu erkennen - grünes Licht, das die Kamera wahrnahm, meine Augen aber nicht.
Und damit will ich dann auch wieder Schluss machen - bis ich wieder etwas zu berichten oder zu zeigen habe!
Montag, 5. Oktober 2009
Das Ende des Herbstes
Müde und ziemlich verfroren bin ich wieder zurückgekehrt vom angekündigten Fotoausflug. Ein sehr, sehr nasser Ausflug, ganz wie es die Wettervorhersage prognostizierte! Aber fange ich besser mal von Vorne an...
Es begann alles mit der Nachricht, dass ich an meinem ersten freien Tag nach Alta reisen musste, um irgendein blödes Formular persönlich abzuholen - eines von vielen Formularen, die ich ausfüllen muss, um hier in Norwegen Arbeitserlaubnis und Registrierungsnummer zu erhalten. Was Bürokratie angeht, ist Norwegen mindestens genauso penibel und kompliziert, wie Deutschland. Zwei Monate versuche ich nun schon, hier endlich offiziell anzukommen, und seit zwei Monaten ist es ein ständiges Spiel mit den Behörden. Zwei bis drei Monate brauchen sie, um mir eine simple Nummer zuzuschreiben, deren erste sechs Zahlen mein Geburtsdatum ist. Ohne diese persönliche Registrierungsnummer geht hier in Norwegen aber nichts: kein Konto kann man eröffnen, sich kein Internet-Abo zulegen, ja sich nicht einmal eine SIM-card fürs Handy holen. Und Lohn habe ich deshalb auch noch nicht ausgezahlt bekommen. Daher musste ich also am Montag ins 70km entfernte Alta fahren, eine Stadt aus hässlichen Plattenbauten, und eine vorläufige Ersatznummer beantragen - nur um vor Ort festzustellen, dass mir ein Formular fehlte und ich sozusagen umsonst hingefahren war. Dazu fällt mir wirklich nur noch eines ein: Youtube-Video Link
Besonders ärgerlich war die Tatsache, dass dieser verschwendete Tag in der Stadt der einzige Tag ohne Regen war. Auf der Rückfahrt und Weiterfahrt ins (von Langfjordbotn) 30km entfernte Øksfjord war der Busfahrer so lieb, einmal ganz kurz für mich anzuhalten, damit ich wenigstens ein einziges Sonnenuntergangsfoto machen konnte.
Und als ich dann mit der Fähre zum nächsten Fjord übergesetzt war, begann es zu regnen. Der LKW-Fahrer, von dem ich die letzten 15km nach Nuvsvåg mitgenommen wurde, setzte mich an einem kleinen Gästehaus aus, in dem ich die Nacht verbrachte. Mittlerweile ist es nämlich um 19Uhr schon stockdunkel, besonders wenn es regnet - sich dann noch in unbekannter Umgebung einen Zeltplatz zu suchen, muss nun wirklich nicht sein.
Der folgende Tag, Dienstag, war ein typischer Herbsttag. Der September war der nasseste Herbstmonat seit Jahrzehnten, es hat eigentlich nur geregnet - wieso sollte es also im Urlaub anders sein? Dabei durfte ich an dem Tag noch "gutes" Regenwetter erleben: alle zehn Minuten gab es Regenpausen, und ein paar Mal brach sogar die Sonne durch. Also versuchte ich, das beste aus der Situation zu machen, und fotografierte, was immer sich fotografieren ließ. Dank der Schlechtwetterprognose hatte ich mich gut vorbereitet: zusätzlich zu meiner normalen Winterausrüstung hatte ich zwei Paar Ersatzsocken, eine knallorange Garnitur wasserdichter (!) Seemannskleidung, mehrere Plastiktüten für die Kamera und sogar einen Regenschirm dabei. Letzteren nutzte ich nicht für mich, sondern für die Kamera, um nicht immer mit Plastiktüten hantieren zu müssen. Und unter Einsatz all dieser Utensilien gelangen mir tatsächlich ein paar Bilder - mittelmäßig gute zumindest. Wirklich zufrieden bin ich nicht. Na ja.
Die zweite Nacht verbrachte ich in meinem Zelt - zum einen, weil ich mitten im Fotogeschehen übernachten wollte (zwecks Polarlicht - die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt!) und zum anderen, weil ich einfach nicht das Geld habe, um teure Pensionen zu bezahlen. Norwegen ist ja gerade frisch zum Land mit dem höchsten Lebensstandard der Welt gekürt worden - verschwiegen wurde dabei, dass es für Nichtnorweger auch das teuerste Land der Welt sein dürfte. Ich dachte, aus Island schon einiges an Preisen gewöhnt zu sein - aber hier wird alles noch mal getrumpft. Das liegt auch daran, dass man so gut wie nirgends einfache und daher günstige Übernachtungen findet. Die Norweger wollen es luxuriös: wer keinen Luxus haben will, der zeltet. Also hat man eigentlich nur die Wahl zwischen der kostenlosen Übernachtung im Zelt oder einem Bungalow mit Sauna und Fernsehen. Die spinnen, die Norweger...
An der Stelle muss ich allerdings noch schnell einwerfen, dass Islands dritter Platz in der UN-Liste der "höchsten Lebensstandarte der Welt" nicht mehr aktuell sein kann. Die Daten des Berichtes stammen von 2007 - also von vor der Krise. Die Isländer haben in den vergangenen zwei Jahren einiges an Lebensqualität einbußen müssen - jetzt hat nicht mehr jeder seinen eigenen Superjeep und kann auch nicht mehr jede Familie zweimal im Jahr nach Spanien fliegen. Gut so, sage ich - aber auf Platz drei der Liste der höchsten Lebensstandarte der Welt kann die Insel daher nicht mehr liegen!
Aber zurück nach Nuvsvåg - zurück in den Regen!
Zelten bei Schmuddelwetter gestaltet sich immer komplizierter, als bei Schönwetter - ganz besonders dann, wenn man in einer Landschaft unterwegs ist, die einem einzigen Moor gleicht. Seit über einen Monat regnet es hier in Nordnorwegen beinahe täglich - mit dem Ergebnis, dass sich Wege in Bäche gewandelt haben und Trockenwiesen zu Seenflächen geworden sind. Ein trockenes Plätzchen zum Zelten findet sich allerdings immer irgendwo, meist an Schrägen gelegen, sodass ich mittlerweile Schrägschlafspezialist geworden bin. Auch hat sich bei mir eine gewisse Regenroutine eingestellt - angefangen mit Rekordzeiten beim Zeltaufbau, über eine zentimetergenaue Einteilung von einem Nass- und einen Trockenteil im Zelt, bishin zu der Fähigkeit, dass ich am Regenprasseln erkennen kann, wann eine Wind- und damit meist verbundene Regenflaute naht. Die Natur lehrt einen schon lustige Dinge...
Ich muss bei allem Humor aber schon zugeben, dass es für einen Wanderer und Fotografen sehr deprimierend ist, wenn es tagein, tagaus nur regnet. Schlimm ist es vor allem dann, wenn man fotogene Landschaft um sich herum hat und auch Nordlichter sehen könnte, wenn da die vermaledeiten Regenwolken nicht wären! Ich glaube, dass es eine Mischung aus Trotz, Verzweiflung und akuter Langeweile war, die mich um 22Uhr Nachts auf die Idee brachte, im Schneeregen und totaler Dunkelheit den 300m hohen Hügel neben meinem Zelt zu erklimmen und auf ein Wolkenloch zu hoffen. Nachdem ich den Weg durch ein richtiges Moor gefunden hatte (bei dem der schwabbelige Boden unter mir wegbrach und ich mit einem Bein bis zum Knie im Schlamm stand), und dann mithilfe einiger Birken einen fast senkrechten Felshang erklimmen konnte, stand ich im Schneetreiben auf dem Berg und blickte auf die Ortschafts Nuvsvåg hinab. Von der Landschaft und eventuellen Nordlichtern sah man allerdings gar nichts.
Im Windschatten eines Felsens wartete ich eine gute halbe Stunde lang - dann riss der Himmel tatsächlich auf und ließ sich sogar ein sehr, sehr schwaches Nordlicht am Himmel blicken. Man, war ich froh!
Gut 20 Minuten konnte ich fotografieren - dann zog es komplett zu und begann es zu schneien. Auf dem Weg nach unten (den ich diesmal problemloser überwand, weil ich ja diesmal wusste, was mir blühte) stand ich nur noch vor der Herausforderung, mein Zelt wiederzufinden. Aber auch das war, nachdem ich endlich den richtigen Baum auf dem richtigen Felsen gefunden hatte, kein Problem.
Das war eigentlich auch die Geschichte, die ich mit Bildern ausschmücken kann - denn dann regnete und schneite es drei Tage lang ununterbrochen. Außerdem war ich zu nass und mir daher zu kalt, um noch weiter energetisch durch den Schneeregen zu stapfen. Ziemlich gefrustet brach ich am dritten Tag mein Zelt ab und trampte mit zwei Autos und einer Fähre zurück nach Parken Gård. Seitdem hat mich die Arbeit wieder - mit dem Unterschied, dass nun Winter ist. Wo vor einer Woche noch Wälder gelber Bäume standen, ragen nun kahle Äste aus einem halben Meter Schnee in die Höhe. Heute Nacht sollen die Temperaturen auf -9°C fallen. Ich bin ja einmal gespannt! Fakt ist nur: ab sofort werden die Berge acht Monate lang mit Schnee bedeckt sein und vermutlich ebenso lange Nachtfrost herrschen. Ab sofort ist Winter.
Willkommen nördlich des Polarkreises! :-)
Es begann alles mit der Nachricht, dass ich an meinem ersten freien Tag nach Alta reisen musste, um irgendein blödes Formular persönlich abzuholen - eines von vielen Formularen, die ich ausfüllen muss, um hier in Norwegen Arbeitserlaubnis und Registrierungsnummer zu erhalten. Was Bürokratie angeht, ist Norwegen mindestens genauso penibel und kompliziert, wie Deutschland. Zwei Monate versuche ich nun schon, hier endlich offiziell anzukommen, und seit zwei Monaten ist es ein ständiges Spiel mit den Behörden. Zwei bis drei Monate brauchen sie, um mir eine simple Nummer zuzuschreiben, deren erste sechs Zahlen mein Geburtsdatum ist. Ohne diese persönliche Registrierungsnummer geht hier in Norwegen aber nichts: kein Konto kann man eröffnen, sich kein Internet-Abo zulegen, ja sich nicht einmal eine SIM-card fürs Handy holen. Und Lohn habe ich deshalb auch noch nicht ausgezahlt bekommen. Daher musste ich also am Montag ins 70km entfernte Alta fahren, eine Stadt aus hässlichen Plattenbauten, und eine vorläufige Ersatznummer beantragen - nur um vor Ort festzustellen, dass mir ein Formular fehlte und ich sozusagen umsonst hingefahren war. Dazu fällt mir wirklich nur noch eines ein: Youtube-Video Link
Besonders ärgerlich war die Tatsache, dass dieser verschwendete Tag in der Stadt der einzige Tag ohne Regen war. Auf der Rückfahrt und Weiterfahrt ins (von Langfjordbotn) 30km entfernte Øksfjord war der Busfahrer so lieb, einmal ganz kurz für mich anzuhalten, damit ich wenigstens ein einziges Sonnenuntergangsfoto machen konnte.
Und als ich dann mit der Fähre zum nächsten Fjord übergesetzt war, begann es zu regnen. Der LKW-Fahrer, von dem ich die letzten 15km nach Nuvsvåg mitgenommen wurde, setzte mich an einem kleinen Gästehaus aus, in dem ich die Nacht verbrachte. Mittlerweile ist es nämlich um 19Uhr schon stockdunkel, besonders wenn es regnet - sich dann noch in unbekannter Umgebung einen Zeltplatz zu suchen, muss nun wirklich nicht sein.
Der folgende Tag, Dienstag, war ein typischer Herbsttag. Der September war der nasseste Herbstmonat seit Jahrzehnten, es hat eigentlich nur geregnet - wieso sollte es also im Urlaub anders sein? Dabei durfte ich an dem Tag noch "gutes" Regenwetter erleben: alle zehn Minuten gab es Regenpausen, und ein paar Mal brach sogar die Sonne durch. Also versuchte ich, das beste aus der Situation zu machen, und fotografierte, was immer sich fotografieren ließ. Dank der Schlechtwetterprognose hatte ich mich gut vorbereitet: zusätzlich zu meiner normalen Winterausrüstung hatte ich zwei Paar Ersatzsocken, eine knallorange Garnitur wasserdichter (!) Seemannskleidung, mehrere Plastiktüten für die Kamera und sogar einen Regenschirm dabei. Letzteren nutzte ich nicht für mich, sondern für die Kamera, um nicht immer mit Plastiktüten hantieren zu müssen. Und unter Einsatz all dieser Utensilien gelangen mir tatsächlich ein paar Bilder - mittelmäßig gute zumindest. Wirklich zufrieden bin ich nicht. Na ja.
Die zweite Nacht verbrachte ich in meinem Zelt - zum einen, weil ich mitten im Fotogeschehen übernachten wollte (zwecks Polarlicht - die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt!) und zum anderen, weil ich einfach nicht das Geld habe, um teure Pensionen zu bezahlen. Norwegen ist ja gerade frisch zum Land mit dem höchsten Lebensstandard der Welt gekürt worden - verschwiegen wurde dabei, dass es für Nichtnorweger auch das teuerste Land der Welt sein dürfte. Ich dachte, aus Island schon einiges an Preisen gewöhnt zu sein - aber hier wird alles noch mal getrumpft. Das liegt auch daran, dass man so gut wie nirgends einfache und daher günstige Übernachtungen findet. Die Norweger wollen es luxuriös: wer keinen Luxus haben will, der zeltet. Also hat man eigentlich nur die Wahl zwischen der kostenlosen Übernachtung im Zelt oder einem Bungalow mit Sauna und Fernsehen. Die spinnen, die Norweger...
An der Stelle muss ich allerdings noch schnell einwerfen, dass Islands dritter Platz in der UN-Liste der "höchsten Lebensstandarte der Welt" nicht mehr aktuell sein kann. Die Daten des Berichtes stammen von 2007 - also von vor der Krise. Die Isländer haben in den vergangenen zwei Jahren einiges an Lebensqualität einbußen müssen - jetzt hat nicht mehr jeder seinen eigenen Superjeep und kann auch nicht mehr jede Familie zweimal im Jahr nach Spanien fliegen. Gut so, sage ich - aber auf Platz drei der Liste der höchsten Lebensstandarte der Welt kann die Insel daher nicht mehr liegen!
Aber zurück nach Nuvsvåg - zurück in den Regen!
Zelten bei Schmuddelwetter gestaltet sich immer komplizierter, als bei Schönwetter - ganz besonders dann, wenn man in einer Landschaft unterwegs ist, die einem einzigen Moor gleicht. Seit über einen Monat regnet es hier in Nordnorwegen beinahe täglich - mit dem Ergebnis, dass sich Wege in Bäche gewandelt haben und Trockenwiesen zu Seenflächen geworden sind. Ein trockenes Plätzchen zum Zelten findet sich allerdings immer irgendwo, meist an Schrägen gelegen, sodass ich mittlerweile Schrägschlafspezialist geworden bin. Auch hat sich bei mir eine gewisse Regenroutine eingestellt - angefangen mit Rekordzeiten beim Zeltaufbau, über eine zentimetergenaue Einteilung von einem Nass- und einen Trockenteil im Zelt, bishin zu der Fähigkeit, dass ich am Regenprasseln erkennen kann, wann eine Wind- und damit meist verbundene Regenflaute naht. Die Natur lehrt einen schon lustige Dinge...
Ich muss bei allem Humor aber schon zugeben, dass es für einen Wanderer und Fotografen sehr deprimierend ist, wenn es tagein, tagaus nur regnet. Schlimm ist es vor allem dann, wenn man fotogene Landschaft um sich herum hat und auch Nordlichter sehen könnte, wenn da die vermaledeiten Regenwolken nicht wären! Ich glaube, dass es eine Mischung aus Trotz, Verzweiflung und akuter Langeweile war, die mich um 22Uhr Nachts auf die Idee brachte, im Schneeregen und totaler Dunkelheit den 300m hohen Hügel neben meinem Zelt zu erklimmen und auf ein Wolkenloch zu hoffen. Nachdem ich den Weg durch ein richtiges Moor gefunden hatte (bei dem der schwabbelige Boden unter mir wegbrach und ich mit einem Bein bis zum Knie im Schlamm stand), und dann mithilfe einiger Birken einen fast senkrechten Felshang erklimmen konnte, stand ich im Schneetreiben auf dem Berg und blickte auf die Ortschafts Nuvsvåg hinab. Von der Landschaft und eventuellen Nordlichtern sah man allerdings gar nichts.
Im Windschatten eines Felsens wartete ich eine gute halbe Stunde lang - dann riss der Himmel tatsächlich auf und ließ sich sogar ein sehr, sehr schwaches Nordlicht am Himmel blicken. Man, war ich froh!
Gut 20 Minuten konnte ich fotografieren - dann zog es komplett zu und begann es zu schneien. Auf dem Weg nach unten (den ich diesmal problemloser überwand, weil ich ja diesmal wusste, was mir blühte) stand ich nur noch vor der Herausforderung, mein Zelt wiederzufinden. Aber auch das war, nachdem ich endlich den richtigen Baum auf dem richtigen Felsen gefunden hatte, kein Problem.
Das war eigentlich auch die Geschichte, die ich mit Bildern ausschmücken kann - denn dann regnete und schneite es drei Tage lang ununterbrochen. Außerdem war ich zu nass und mir daher zu kalt, um noch weiter energetisch durch den Schneeregen zu stapfen. Ziemlich gefrustet brach ich am dritten Tag mein Zelt ab und trampte mit zwei Autos und einer Fähre zurück nach Parken Gård. Seitdem hat mich die Arbeit wieder - mit dem Unterschied, dass nun Winter ist. Wo vor einer Woche noch Wälder gelber Bäume standen, ragen nun kahle Äste aus einem halben Meter Schnee in die Höhe. Heute Nacht sollen die Temperaturen auf -9°C fallen. Ich bin ja einmal gespannt! Fakt ist nur: ab sofort werden die Berge acht Monate lang mit Schnee bedeckt sein und vermutlich ebenso lange Nachtfrost herrschen. Ab sofort ist Winter.
Willkommen nördlich des Polarkreises! :-)
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