Samstag, 5. Dezember 2020

Ein kurzes Update - aus Deutschland

Hui, ist es schon wieder über fünf Monate her, dass ich mich zum letzten Mal gemeldet habe? Tut mir leid... Aber gut, ich habe mich sehr bewusst von Internet und Computer fern gehalten und mich auf's Leben im Jetzt konzentriert. Daran könnte ich mich gewöhnen...

Im Gegensatz zu vermutlich sehr vielen Leuten kann ich behaupten, dass 2020 für mich bisher ein echt schönes Jahr war! Klar, Corona ist schon ziemlich doof, aber das Gleiche gilt etwa für eine unerwartete Kündigung von Wohnung oder Arbeit, oder eine plötzlich diagnostizierte Krankheit. Und wie das im Leben mit diesen unangenehmen Dingen ist, auf die man so schnell keinen Einfluss hat, habe ich mich schnellstmöglich mit der neuen Situation arrangiert und versucht, das Beste daraus zu machen. Mein Lebensstil kommt mir dabei sicherlich zugute: ich bin spontan, lebe extrem minimalistisch und bin finanziell komplett unabhängig, da ich nie Schulden auf mich genommen habe. Und so wurden aus geplanten sechs Wochen Island schließlich acht Monate.



Lange Rede, kurzer Sinn: ich hatte eine tolle Zeit in Island, verbunden mit dem für mich niedrigsten CO2-Fußabdruck der vergangenen Jahre. Ich habe viele Freunde besucht und neue Bekanntschaften geschlossen und (für mich) ganz neue Ecken Islands kennengelernt. Mein Isländisch ist endlich wieder brauchbar: man verliert immer so viel Wortschatz, wenn man eine Sprache mehrere Jahre nicht spricht... Aber jetzt geht’s wieder!



Ich habe zwei Monate im südisländischen Hochland verbracht, war Hüttenwart in Landmannalaugar, auf Hrafntinnusker und auf dem Fimmvörðuháls und genoss während der Zeit erstaunlich gutes Wetter. Aber in dem Moment, wo ich für mich alleine losziehen wollte und zu drei Wanderungen losstartete, schlug das Wetter um, und zog ich seitdem mit einer Regenwolke über dem Kopf durch Island.
Nun, so kann's auch gehen: wer in Island nicht auch mal auf's Wetter flucht, der war nicht in Island, sage ich gerne... ;-)



Seit drei Wochen bin ich nun aber wieder zurück in Deutschland, habe meine Quarantäne ausgesessen (Testergebnis: negativ), eine Woche im Dannenröder Forst verbracht (den Bericht reiche ich noch nach!) - und bereite mich jetzt auf die erste Online-Ausgabe der "Inseln des Nordens" vor.

Ihr wisst ja, dass die Veranstaltungsbranche extrem unter der Pandemie leidet: es sind keine Versammlungen erlaubt, und selbst wenn, dann würden wohl viele Menschen sicherheitshalber Zuhause bleiben, statt sich dem Risiko einer Ansteckung auszusetzen. Für mich, die ich eigentlich diesen Winter wieder mit meinen Live-Reportagen durchstarten wollte, bedeutet das den kompletten Einkommensverlust. Doof.

Die einzige Alternative ist das sogenannte Live-Streaming. Und ziemlich spontan wird es jetzt zu einer Online-Vorstellung der "Inseln des Nordens" kommen: gekürzt und bildtechnisch etwas erneuert, aber live, vor professionellen Kameras, fast wie im Fernsehen. Auch mal wieder eine ganz neue Situation!



Ich kann euch also herzlich einladen, am 13. Dezember um 17 Uhr dabei zu sein: der Vortrag ist live, also tatsächlich nur zu diesem Zeitpunkt zu sehen. Ich empfehle euch, schon etwas früher einzuschalten, denn unmittelbar zum Start des Vortrags kann der Andrang online so groß sein, dass man nicht hinein kommt in den Livestream, und ein paar Minuten warten muss...

Die Internetseite, auf der man den Vortrag sehen kann, ist folgende:
https://livestream.weltundwir.de

Und nähere Infos zur Live-Reportage gibt es u.a. hier:
Inseln des Nordens - Live-Stream
Der Vortrag ist zeitlos und hat sich seit seiner Premiere kaum verändert: jetzt aber musste ich ihn etwas kürzen (die Lofoten und die Schlittenhunde mussten dran glauben, leider) und konnte auch einige Bilder erneuern.

Der Vortrag selbst ist kostenlos, allerdings bitten wir die Zuschauer, uns etwas nach eigenem Ermessen zu spenden: die Infos stehen dann auf der Seite des Live-Streams. An dieser einen Veranstaltung arbeiten erstaunlich viele Menschen, und für die meisten von uns ist dieses neue Format die so ziemlich einzige Einnahmequelle diesen Winter. Das nur als Hintergrundinformation...

So, jetzt muss ich weiter die Werbetrommel rühren, den Vortrag auf Vordermann bringen und üben, üben, üben...

Ganz liebe Grüße und auf bald!
Und ... macht gerne Werbung und verbreitet den Link! Ich habe absolut keine Ahnung, ob und wann es den Vortrag noch einmal online zu sehen geben wird.
Eure Kerstin










Samstag, 20. Juni 2020

Mittsommernachts-Impressionen

Dies ist mein letzter Blogeintrag auf unbestimmte Zeit: Ende der Woche werde ich ins isländische Hochland reisen, um dort in den nächsten zwei Monaten auf verschiedenen Wanderhütten als Hüttenwart zu arbeiten. Ich werde eine Art "Springer" sein und dort eingesetzt werden, wo ich am meisten gebraucht werde. Wo genau ich dann sein werde, weiß ich gerade nicht, aber mit größter Wahrscheinlichkeit entlang des Laugavegurs. Ich freue mich darauf, denn es ist Jahre her, dass ich für den FÍ gearbeitet habe, den isländischen Wanderverein. Und danach möchte ich selber durch Island reisen, mit Kamera, Zelt und viel, viel Zeit. Also nicht wundern, wenn ich mal wieder lange nichts von mir hören lassen werde! 
  
Die zahmste Eiderente, der ich begegnet bin: sie betrachtete uns Menschen nicht als Gefahr
und ließ sich nur sehr unwillig von ihrem Nest heben. Und kaum, dass ich die Daunen
durch Heu ausgetauscht und die Eier zurückgelegt hatte, saß sie schon wieder auf ihrem Nest.
Ein tolles Erlebnis!



 
Ich kann ehrlich sagen, dass ich die letzten zwei Monate total genossen habe. Die Arbeit mit den Eiderenten war eine spannende Erfahrung! Und ich habe auf's Neue entdeckt, warum ich das Leben auf dem Land so liebe. Auf einem Bauernhof zu arbeiten, bedeutet, seine Umgebung im Detail kennenzulernen und die natürlichen, saisonalen Veränderungen genauestens miterleben zu können. Als ich Ende April hier ankam, war das Land braun und kamen die Zugvögel gerade erst an. Ich bin ja eigentlich kein Vogelfotograf, aber dieses Jahr hat es mir Freude gemacht, Vögel zu beobachten und zu fotografieren. Es waren alte Bekannte darunter, wie die Küstenseeschwalben (die ich echt mag, auch und gerade weil sie so aggressiv sind...), aber auch einige Vogelarten die ich bisher noch nicht so gut kannte.
 
Ein Eistaucher
Ein männliches Odinshühnchen - bei dieser Vogelart sind es die Weibchen, die größer und bunter sind!
Küstenseeschwalben










  
Jetzt, Mitte Juni, ist alles ergrünt und sommerlich. Überall wimmelt es vor Leben: auf den Wiesen der Bauernhöfe tummeln sich Lämmer und Fohlen und die Luft ist voller Vogelrufe und Schafgeblöke. Und voller Mückenarten. Diese nervigen Viecher stechen zwar nicht, versuchen aber mit erstaunlicher Hartnäckigkeit, einem in Mund und Nase zu krabbeln. Ich habe noch nie verstanden, warum sie das tun. Welchen Vorteil bringt es ihnen, geschluckt und gefressen zu werden? Also echt, wenn ich den Sommer hier verbringen würde, müsste ich mir ein Mückennetz zulegen für die Tage, wenn's draußen nicht sehr windig ist...
 






Die Temperaturen liegen hier in Nordisland tagsüber momentan bei angenehmen 10 bis 15°C - auch wenn es nachts manchmal immer wieder arg dem Gefrierpunkt entgegensteuert... Die Tage sind jetzt endlos lang - im wahrsten Sinne des Wortes! In Südisland geht die Sonne zwar kurz unter, aber die Wolken sind die ganze Nacht über orange und rot. Und in Nordisland steht die Mitternachtssonne am Himmel, die um ein Uhr nachts so gerade eben den Horizont übersteigt. Schlafen scheint da eine Sünde zu sein: wenn ich es könnte, würde ich die Nacht zum Tag machen und mittags schlafen. Das Licht ist nachts einfach zu schön - nun, zumindest wenn das Wetter gut ist.



Wie ihr gleich sehen werdet, bin ich in den letzten Wochen zum absoluten Fan von Gegenlichtbildern geworden. Ich glaube, dass meine Liebe für die warmen Farben der Mitternachtssonne vor allem daher stammt, dass ich die vergangenen acht Sommer auf Spitzbergen verbracht habe. Dort geht von Mai bis August die Sonne nie unter und sind selbst um Mitternacht keine warmen Lichtstimmungen zu finden. Von daher möchte ich euch jetzt einfach nur ein paar Bilder zeigen, ohne große Worte: es folgen Impressionen aus den langen Mittsommernächten von Skagi in Nordisland.

Und so sage ich dann für eine längere Zeit: Tschüss, ihr Lieben! Bleibt gesund und kommt gut durch den Sommer!





















Austernfischer


Goldregenpfeifer


Alpenschneehuhn















Sonntag, 14. Juni 2020

Eiderenten in Island - Teil 2

Ich staune immer wieder, was für geniale Einfälle die Natur doch hat. Nehmt die Eiderenten als Beispiel: deren Weibchen haben extrem viele Daunenfedern im Brustbereich, viel mehr, als sie es eigentlich bräuchten. Wenn sie mit dem Legen der Eier durch sind, dann lockern sich diese Daunenfedern so, dass sie fast ausfallen. Die Enten zupfen sich im Laufe mehrerer Tage diese Daunen aus, was vermutlich völlig schmerzfrei für sie sein dürfte. Mit diesen superweichen und extrem wärmenden Federn polstern sie dann ihr Nest: einerseits kann die Ente ihre eigene Körperwärme damit einfacher auf die Eier übertragen (weil keine 'störenden' Daunen mehr im Weg sind), und andererseits wird diese Wärme durch die Daunen nun viel besser im Nest gehalten. Nach mehreren Tagen Daunen-Zupferei sieht das Nest dann so aus: luxuriöser kann man als Ei wohl kaum liegen!



Anfang Juni stehen die Küken der ersten Eiderenten unmittelbar vor dem Schlupf. Das ist der beste Zeitpunkt, um die Daunen einzusammeln, denn man will weder die Küken in Panik versetzen noch Gefahr laufen, dass ein starker Wind die verlassenen Daunennester ins Meer weht.



Zu fünft sind wir auf die Insel gereist, mit Säcken voller Heu und einer Menge sauberer, leerer Säcke für die Daunen. Zu meinem großen Erstaunen waren die Eiderentenweibchen gar nicht mehr scheu! Die Brutzeit hat sie so an ihre Nester bzw. baldigen Küken gebunden, dass sie bis zum Schluss sitzen geblieben sind; je langsamer man sich ihnen näherte, desto hartnäckiger blieben sie auf ihren Eiern sitzen. Teilweise konnte man die Enten sogar streicheln!





Die meisten flüchteten dann doch von ihrem Nest, blieben aber immer in Sichtweite und begutachteten unser Treiben argwöhnisch. Und sobald wir weit genug vom Nest fortwaren, kehrten sie schnatternd zurück und widmeten sich wieder ihrem Gelege. Das sind echt tolle Mütter!









Viggi, mein Bauer, zeigte uns, was zu tun ist. Vorsichtig hebt man die Eier aus dem Nest, und zwar so, dass oben immer oben bleibt: die Enten drehen ihre Eier mehrfach am Tag um ein paar Grad, damit sie immer gleichmäßig bebrütet werden, und das wollten bzw. sollten wir nicht durcheinander bringen.







Wenn die 3-6 Eier dann neben dem Nest lagen (manchmal war's auch nur ein Ei, manchmal bis zu 9 Stück...), konnten wir die Daunen entnehmen: und das war teilweise richtig viel! Als Entschädigung bekamen sie von uns ein Nest aus duftendem, trockenen Heu, in das wir die Eier dann wieder vorsichtig hineinlegten.

Es ist ganz klar, dass Heu kein so gut wärmendes Nistmaterial darstellt, wie Daunen: aber da die Küken unmittelbar vor dem Schlupf standen, war die Hauptaufgabe der Daunen ohnehin schon getan. Und dazu kommt, das Heu trotz allem gut wärmt und bei Nässe sogar wesentlich besser ist. Die Daunen waren oft "matschig", durchgeweicht von der Bodennässe. Es gibt Forschungen, die belegen, dass die Überlebensrate der Küken in verregneten Jahren mit Heu sogar höher sein soll. Also: soooo eine schlechte Alternative kann das Heu nicht gewesen sein!

Die Küken standen wirklich unmittelbar vor dem Schlüpfen; manche Eier zappelten und piepsten, wenn ich sie hochnahm, und wieder andere hatten schon Löcher, durch die man winzige Entenschnäbel sehen konnte. Einige wenige Nester waren bereits verlassen, und in ebenso wenigen fanden wir auch Küken. Diese Flauschbälle waren echt zu niedlich!




Die Mini-Enten duckten sich instinktiv in ihr Nest, ganz still und unscheinbar. Mit größter Vorsicht zogen wir die Daunen unter ihnen fort und hoben sie kurz hoch, um das Nest mit Heu füllen zu können. Und damit sie nicht auskühlten, bedeckten wir sie auch noch mit etwas Heu. Ihre Mütter waren die ganze Zeit in direkter Nähe, watschelten schnatternd um uns herum, und sie flitzten sofort zurück zum Nest und zu ihren Küken, als wir uns ein paar Meter entfert hatten. Dass wir Eier oder Küken angefasst hatten, schien sie in keiner Weise zu stören: der Geruch scheint bei ihnen folglich keine große Rolle zu spielen.

Ein frisch geschlüpftes Eiderentenküken!


 
Apropos Geruch: Was man auf den Bildern nicht sehen kann, ist der Gestank der Nester - bzw. der Entenscheiße. Die Weibchen sitzen während der 25 bis 26-tägigen Brutzeit ohne Unterlass auf den Eiern und werden von den Männchen nicht gefüttert, das heißt, sie fasten wochenlang. Und wenn sie gestört werden, was ja nun eindeutig der Fall war, haben sie oft ihren alten, flüssigen Kot über Nest und Eier gespritzt - und der stinkt, wie Pinguinguano. Die Eier waren oft kotverschmiert und glitschig - nichts für feine Nasen oder Menschen mit Ekel vor Entenscheiße, soviel kann ich sagen...



Drei Tage hat es gedauert, bis wir die ganze Insel abgesammelt hatten; einen Tag lang waren wir zu fünft, die anderen Tage nur zu zweit. Es ist eine Arbeit, bei der man sich nicht stressen will, aber auch nicht zu viel Zeit lassen möchte, damit die Entenmütter schnell zu ihrem Nest zurückkehren und die Eier wieder wärmen können.

Die Ausbeute eines Vormittags


 
Und dann hatten wir Säcke voller Daunen mit an Land gebracht: bzw. Säcke mit einer Mischung aus Daunen, Entenscheiße, Heu, Sand, Steine und Eierschalen. Das erste, was damit gemacht wurde, war, es an der frischen Luft etwas trocknen zu lassen.


Meine Bauern gehören zu den wenigen Menschen, die sich auch auf das Reinigen von Daunen spezialisiert haben. Es gibt auf Island nur 5 Betriebe, die genau das tun: denn das ist verdammt viel Arbeit. Viele Daunensammler schicken ihre dreckigen Daunen hierher, um sie manchmal erst nach ein paar Monaten gereinigt zurückzubekommen - so lang ist die Warteschlange.



Als erstes werden die Daunen vier Tage lang bei 120°C in einem riesigen Umluftofen getrocknet: einerseits, um sicherzustellen, dass wirklich das letzte bisschen Feuchtigkeit verschwunden ist, und andererseits, um die Verbindung zu all dem Fremdmaterial zu lockern. Die danach super gut riechenden Daunen (der Geruch erinnerte mich an gebackenes Sauerteigbrot...) werden nur kurz in eine Maschine gesteckt, welche fast alle Fremdkörper aus den Daunen herausschlägt: innendrin ist eine Rolle mit Schlägeln, und ein stetiger Luftzug saugt alles von den Daunen fort. Ich war wirklich erstaunt, wie viel Dreck damit entfernt werden kann!

Es folgen noch zwei Verarbeitungsschritte, die ich aber noch nicht beobachten konnte: eine weitere Dreh-Schüttelmaschine, welche Federn aus den Daunen sortiert (die Enten zupfen sich nicht nur Daunen aus, sondern auch Deckfedern), und danach folgt Handarbeit: alles, was dann noch drin ist, muss per Hand heraussortiert werden. Und erst dann ist die Eiderdaune marktfertig und wird vor allem nach Deutschland und Japan exportiert, um dort in Bettdecken geblasen zu werden.

Alles in allem kann ich sagen: diese Art des Eiderdaunen-Sammelns halte ich für eine echt gelungene Kooperation von Mensch und Natur. Klar, die Enten finden es nicht toll, für ein paar Minuten von ihren Nestern verscheucht zu werden, um dann noch ein paar Tage ohne Daunen weiterzubrüten. Aber dafür gibt der Mensch ihnen Schutz: was manche Bauern tun, um Raubtiere von den Kolonien fernzuhalten, ist echt irre! Es gibt Bauern, die halten ein ganzen Monat lang Nachtwache, um die nachtaktiven Füchse, aber auch Möwen, Falken, Raben und Adler mit (Warn-)Schüssen von den Kolonien fernzuhalten. Sie stecken tagelange Arbeit in die Vorbereitung der Kolonien, bauen Häuschen und liefern tollstes Nistmaterial: ich kenne keinen Wildvogel, der so viel Unterstützung bei seiner Jungenaufzucht erhält, wie jene Eiderenten, die in einer von Menschen betreuten Kolonien brüten. Und während die Eidererpel in einigen polaren Ländern sogar geschossen werden (um sie zu essen), stehen die Vögel hier in Island komplett unter Schutz: es ist verboten, brütende Tiere zu stören, ihre Eier zu sammeln oder sie gar zu töten. Und all das, wegen ein paar Daunen... Eine erstaunliche und wirklich schöne Geschichte!



Ja - und hiermit ist mein kleiner Exkurs zum Thema Eiderenten und Eiderdaunen dann beendet.
Ich melde mich bald wieder - dann wohl eher mit vielen Bildern und weniger Text...
Alles Gute wünsche ich Dir / euch!
:-)

Dienstag, 9. Juni 2020

Eiderenten in Island - Teil 1

Wisst ihr, was Eiderenten sind? Habt ihr gar schon einmal von Eiderdaunen gehört? Wenn nicht, dann bleibt dran. Und wenn doch, dann bleibt auch dran! :-)

A
ls ich mich im Frühjahr dazu entschloss, den Coronavirus in Island "auszusitzen", musste ich mir relativ schnell einen Job suchen. Im Tourismus war nichts zu holen, in Reykjavík bzw. einer Stadt wollte ich nicht arbeiten - also gab's nur noch eine Branche: die Landwirtschaft. Ich habe ja bereits erwähnt, dass ich in meinem Leben schon auf vielen Bauernhöfen gearbeitet habe: vor allem mit Milchkühen, aber auch mit Schafen und Islandpferden. Weil ich gerne etwas Neues kennenlernen wollte, schrieb ich eine Email an den 'Eiderentenzuchtverband Islands'. Und kam so nach Skagi in Nordisland, auf eine Farm, die eine Eiderentenkolonie betreut.

Eiderenten sind wilde Enten der Polarregion. Sie brüten vor allem in den Küstengegenden des Polarkreises und sind in Skandinavien die häufigste Entenart - aber nicht wirklich die attraktivste. Eiderenten sind groß und wirken schwerfällig und plump. Die Weibchen sehen auf den ersten Blick aus, wie dicke Stockenten: braun meliert und unscheinbar. Die Männchen legen sich zur Balzzeit allerdings ein prächtiges, weißes Prachtkleid zu. Sie sind dann schwarz-weiß, mit einem Hauch von Rosa auf der Brust und einem moosgrünen Nackenfleck. Zudem haben sie eine spannende Kopfform, die einer Gans ähnlicher sieht, als einer Ente. Und sie stoßen total lustige Laute aus:
Eiderentenrufe
 


Die meisten Entenarten brüten im Süßwasser, an Seen oder Flüssen: nicht so die Eiderenten. Es sind echte Meeresvögel, die in Europa zwar manchmal im Inland anzutreffen sind, meistens aber an den Küsten leben. Während viele andere Entenarten 'ne Menge Pflanzen fressen, ernähren sich Eiderenten von Krebstieren, Muscheln und sogar von Fischen (was für Enten echt ziemlich speziell ist). Cool ist auch die Tatsache, dass sie die Muscheln mit Schale fressen, die dann von ihrem Magen aufgebrochen werden: die Schalen-Bruchstücke werden dann wieder ausgewürgt...
 


In Island gibt es verhältnismäßig viele Eiderenten, und daher ist es vielleicht nicht verwunderlich, dass die Isländer diese Vögel seit Jahrhunderten sehr schätzen: als Daunenlieferant. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts stellten Eiderdaunen eines der wichtigsten Exportgüter Islands dar, und auch heute noch kommt der Eiderente eine größere wirtschaftliche Bedeutung zu. Etwa 80 % der Eiderdaunen des Weltmarktes stammen aus Island!

Eiderdaunen sind in jeglicher Hinsicht die besten Daunen, die es im Tierreich gibt: extrem warm, extrem leicht und extrem haltbar. Es ist die teuerste Daune, die man kaufen kann:
eine 'simple' Bettdecke aus Eiderdaunen kostet mal eben schlappe 1500 - 2500 € ...
 

Herkömmliche Daunen, meist von Gänsen oder Zuchtenten, stammen von getöteten oder sogar lebendig gerupften Vögeln. Denkt dran, wenn ihr das nächste Mal eine Daunen-Bettdecke oder modische Daunenjacke kaufen wollt: es mussten Tiere dafür leiden und / oder sterben!

Bei den Eiderenten ist es so, dass sich die Weibchen freiwillig und eigenständig einen Teil ihres Daunengefieders auszupfen und
ihr Nest damit polstern. Wenn sie ihr Nest dann mit den Küken verlassen, kann der Mensch diese fluffigen, braunen Daunen einfach einsammeln - ganz ohne Tierquälerei!  

Weil die Eiderdaunen im Verkauf so viel Geld bringen, gibt es in Island viele Farmen, die Eiderentenkolonien "betreuen". Von züchten kann man hier nicht sprechen: diese wilden Enten kommen und gehen, wann und wie es ihnen beliebt, und sie werden auch nicht gefüttert oder eingefangen. Im Laufe der Jahrhunderte hat sich allerdings eine Art Partnerschaft zwischen Mensch und Tier entwickelt: der Mensch schafft den Enten einen geschützen Brutplatz und sorgt dafür, dass sie es während des Frühsommers dort gut haben und nicht von Feinden gefressen werden. Und im Gegenzug dazu liefert die Ente die Daunen. Das ist die kurze Version dieser Zusammenarbeit.
Die ausführliche, die kommt jetzt.

      

Ganz im Norden von Skagi, unmittelbar vor der Küste meiner Farm, liegt eine kleine Insel. Seit vielen Menschengenerationen kommen hierher Enten zum Brüten, und passen Menschen auf diese Enten auf.

Was bedeutet das im Klartext?

Mein Bauer kümmert sich darum, dass unmittelbar vor der Brutsaison, also im April-Mai, die Polarfüchse der Umgebung "verschwinden". Das macht er mit Hilfe eines Schrotgewehres, und ja, das ist vom isländischen Staat abgesegnet, mehr noch: es gibt sogar Geld für jeden geschossenen Fuchs. So leid mir das für die Füchse tut, so verstehe ich es doch, denn ich habe auf Spitzbergen erlebt, was diese katzengroßen Räuber in den Kolonien anrichten. Sie laufen regelrecht Amok und töten, so viel sie können: viel mehr, als sie oder ihre Jungtiere fressen können.
 
Ein Bild von Svalbard



  
Ein weiterer Feind der Enten ist der Nerz: ein vom Menschen eingeschleppter Marder, der Fische, Vogeleier und auch Vögel frisst. Im Winter war zweimal schon ein Nerzjäger mit Spürhund hier, der die ganze Küste abgegangen ist und dafür gesorgt hat, dass diese gefräßigen Räuber momentan nicht mehr da sind.
Auch die Population der Großmöwen wird niedrig gehalten: mein Bauer sammelt Möweneier (um sie zu essen) und hatte mehrere Tage Jäger auf seinem Land, die Dutzende von ihnen geschossen haben - auch das vom isländischen Staat finanziert. Im Gegensatz zu den Füchsen und Nerzen (beide momentan nicht mehr vorhanden) hatte ich allerdings nicht das Gefühl, dass das irgendeinen Unterschied gemacht hat: Großmöwen gibt es hier echt genug. Und von Spitzbergen weiß ich: sie sind immer hungrig und extrem furchtlose Jäger!
  

Noch ein Bild von Svalbard: eine Eismöwe mit einem Eiderentenei im Schnabel
  
Die Enten und ihre Brut vor Fressfeinden zu schützen ist aber nicht die einzige Aufgabe, die so ein Eiderenten-Farmer hat. An vielen Orten werden den Vögeln perfekte Nistgelegenheiten eingerichtet: aber ich glaube, dass sich selten jemand eine solche Mühe macht, wie "meine" Farmer - beziehungsweise dieses Jahr ich. Anfang Mai war ich 12 volle Arbeitstage lang auf der Insel, um diese für die Enten vorzubereiten. Bei Flut hat mich mein Bauer mit dem Boot hingefahren, und bei Ebbe bin ich zu Fuß über glitschige Steine bis zur Insel balanciert, denn dann gibt es kurzzeitig eine Art Landbrücke.
 


Hier auf dieser Insel gibt es ein richtiges Eiderentendorf: die Bauern hier haben den Vögeln Häuschen gebaut! Es sieht zu süß aus, wie ein Dorf aus Elfenhäuschen: es ist einfach nur nett, was die Menschen hier tun, um es diesen Ort so attraktiv wie möglich für die Enten zu gestalten! Denn die mögen ein Dach über'm Kopf und Wände als Windschutz - ohne Zweifel, das finden sie voll gut! Und wenn's dann noch flattert und klimpert und glänzt, sind sie total begeistert...
 



Enten sind, wie viele Tiere, sehr standorttreu. Eine Eiderente wird zum Brüten an jenen Ort zurückkehren, an dem sie selbst geschlüpft ist. Um die Rückkehr der Vögel brauchen sich die Eiderbauern keine Sorge zu machen, sehr wohl aber um deren Anzahl. Gute Brutbedingungen (Schutz vor Wind und Wetter und natürlich vor Räubern) erhöht die Anzahl der überlebenden Küken, und je mehr Vögel nach ein paar Jahren zurückkehren, desto mehr Daune werden sie hinterlassen.

Und genau deswegen war es eine arbeitsintensive, aber wichtige (und schöne!) Arbeit, diese Häuschen für die Brut vorzubereiten. Erstmal waren nach dem stürmischen Winter viele Wohnungen beschädigt oder locker und mussten repariert und mit Stöcken im Boden befestigt werden. Dazu kommt, dass sich auf dieser Insel auch eine größere Anzahl an Papageitauchern befindet.
 


Erst habe ich gejubelt, dann aber geflucht. Papageitaucher graben sich Gänge in die oberste Erdschicht und brüten ihr einziges Küken in einer Höhle aus. An sich ist das kein Problem, aber: Papageitaucher finden die Entenhäuschen auch SEHR attraktiv, und sie lieben es, ihre Bruthöhle in einem Häuschen beginnen zu lassen: irgendwie nachvollziehbar, so eine Veranda mit Dach, die würde mir auch gefallen! Allerdings nehmen sie damit einer Ente den Nistplatz weg. Also habe ich kurzen Prozess gemacht und den kleinen Clowns ihr Vordach weggenommen. Das bedeutete: einen neuen Platz für das Häuschen suchen, eine fußballgroßes Kuhle ausstechen, Häuschen drübersetzen, einen Stock tief in den Boden rammen und das Häuschen daran festnageln. Viel Arbeit - und ich bin mir fast sicher, dass nächstes Jahr dann doch wieder ein Papageitaucher einziehen wird... *grummel*


So sieht das aus, wenn ein Papageitaucher eingezogen ist:
unter der Veranda geht's rein in den 1-3 Meter langen Gang zur Bruthöhle...
 
Und dann musste ich aus allen Entennestern das alte Nistmaterial entfernen (altes, nasses Heu voller Eierschalenreste) und durch neues, frisches Heu ersetzen. Es kam mir ein bisschen so vor, als würde ich hunderte von Osternestern vorbereiten.

Letztendlich habe ich schätzungsweise 2500 Nester repariert, gesäubert und mit frischem Heu bestückt. Ich habe ja im Leben schon einige ungewöhnliche Dinge getan, aber das hier war definitiv einer der verrücktesten Jobs, die ich je hatte!
 

Als dann Mitte Mai die Brutsaison begann und die Enten in Massen auf die Insel strömten, hatten sie die totale Luxuswahl an Übernachtungsmöglichkeiten. Vom einzelnstehenden Bungalow zum Reihenhaus, über Schutzwände (ohne Dach über'm Kopf), bishin zu 'natürlichen' Nistplätzen (Schutz durch Steine oder Treibholz). Und wenn ihnen davon nichts gefällt, können sie sich immer noch selber eine Kuhle scharren und Gras zusammensuchen...


Die zweite Maihälfte lang gehörte die Insel den Eiderenten; wir haben sie währenddessen nicht betreten. Die Enten sind trotz allem sehr scheu und flüchten, sobald sie einen Menschen nur sehen. Es war echt nicht leicht, gute Fotos von ihnen zu machen, und das, obwohl die Weibchen schon mit dem Legen der Eier begonnen hatten.
 


Eiderenten sind Nestflüchter: sie wollen, dass ihre Küken alle an einem Tag ausschlüpfen. Sobald die Kleinen dann trocken sind, nimmt die Mutter sie mit ins Meer und ist dabei ständig auf der Hut vor Räubern. Die Eiderente braucht aber mindestens einen Tag, um ein Ei zu produzieren, meistens länger. Und deshalb beginnt sie erst mit dem Brüten, wenn sie das letzte Ei gelegt hat (im Schnitt haben sie 3-6 Eier pro Nest). Bis es soweit ist, kommt das Weibchen nur zum Nest, um das nächste Ei zu legen, das sie dann sorgsam unter Heu und Gras so versteckt, dass es unsichtbar ist. Die Eier liegen also teilweise tagelang eiskalt in der Gegend herum: wenn man sich während dieser Zeit durch eine Eiderentenkolonie bewegt, muss man extrem vorsichtig sein, wohin man tritt!
 
Ein "natürliches" Nest: In der Mitte des Bildes befinden sich versteckte Eier...