Die ersten Tage lassen sich am besten beschreiben mit: „Einweisungs- bzw. Vorlesungsmarathon“ sowie „biosecurity“, also Bio-Sicherheit - keine Ahnung, ob es dafür ein offizielles deutsches Wort gibt. Biosecurity beschreibt den Vorgang, dass alles, was wir auf die Insel bringen, ausgepackt und kontrolliert werden muss. Das betrifft unser persönliches Gepäck genauso wie Essen, Ausrüstungsgegenstände und beispielsweise alle Waren, welche wir im Shop verkaufen. Ziel dieser Aktion ist es, sicherzustellen, dass wir nichts Lebendiges nach Südgeorgien mitbringen: keine Kakerlaken oder Kleidermotten in unseren Taschen, keine Mäuse, Ratten, Spinnen oder Ohrenpitscher in den Kartons, keine Pflanzensamen in den Klettverschlüssen unserer Jacken und Rucksäcke, keine Erde von irgendwoanders, in der sich die Eier von Insekten verstecken könnten.
V.r.n.l.: Meine Chefin Sarah, Kuratorin Charlotte und ich im 'biosecurity room' |
Grund für diese Wahnsinnsarbeit ist die isolierte Lage Südgeorgiens und die Tatsache, dass nur wir Menschen solche neuen Lebewesen mitbringen. So wurden in der Vergangenheit schon mehrere Pflanzen eingeschleppt (darunter Löwenzahn und Hahnenfuß...), verschiedene Käfer und Spinnenarten, der gute alte Regenwurm, Mäuse und Ratten - um nur ein paar derer zu nennen, die sich hier erfolgreich angesiedelt haben. Von daher ist man hier sehr streng mit der Gepäckkontrolle - gerade und besonders bei Personen, die gerade auf den Falklandinseln waren (ähnliches Klima) oder gar aus den nördlichen Polregionen kommen (noch viel ähnlicheres Klima). Bei zwei Containerladungen Waren für unseren Shop könnt ihr euch sicher vorstellen, dass es lange dauert, jeden einzelnen Gegenstand auszupacken und anzugucken. Und außer einer toten Fruchtfliege haben wir nichts gefunden. Aber man kann uns nicht nachsagen, Bio-Sicherheit nicht ernst zu nehmen!
Meine Kollegin Vickie inmitten von Kartons bzw. Pinguinen |
In den darauffolgenden zwei Wochen bestand unsere Hauptaufgabe darin, eine Bestandsaufnahme für den Shop zu machen. Ein intensiver Tag mit Inventur dessen, was noch da war, und gut 14 Tage Auspacken der neuen Waren, einsortieren ins Lager, und langsames Bestücken des Shops. Ihr müsst euch das so vorstellen: im Museum befindet sich auch ein kleiner Shop, schätzungsweise 10x7 Meter groß, in dem wir über 100 verschiedene Artikel verkaufen. Darunter befinden sich 12 verschiedene Arten von T-Shirts, Fleece-Jacken, Socken, Postkarten, Poster, Gläser und Tassen, Whisky, Handschuhe und Mützen, Stifte, Notizbücher, richtige Bücher, Schmuck - und alle nur erdenklichen Arten von Pinguinen. Pinguine als Stofftiere, Schlüsselanhänger, Magneten, als Holz-Statuen, auf Kerzen und bereits erwähnten T-Shirts, Mützen, Tassen usw. usf...
Hand auf's Herz: wir verkaufen ganz schön viel Schrott, und das zu ziemlich überteuerten Preisen. Aber das Zeug verkauft sich wie warme Semmeln, und der Erlös kommt komplett dem SGHT (South Georgia Heritage Trust) zugute - jener kleinen NGO, für die ich arbeite (na ja, sagen wir's mal so: ich bekomme ein Taschengeld für meinen Einsatz...). Der SGHT (www.sght.org sowie www.museum.gs) kümmert sich als einzige Institution ihrer Art um den Erhalt des Natur- und Kulturerbes Südgeorgiens. Mit jedem verkauften Pinguin-Stehrümmchen werden also die Naturschutzprojekte hier unterstützt, von denen ich später bestimmt mal berichten werde. Und in dem Fall bin selbst ich gut darin, diesen unnützen Kitsch überzeugend an meist wohlhabende Touristen zu verkaufen... ;-)
Und so habe ich im vergangenen Monat Dinge gelernt, um die ich mich mein Leben lang nie gekümmert habe. Ich kann jetzt T-Shirts so falten, dass es nicht mehr so aussieht, als habe ich sie einfach in die Ecke geschmissen. Ich glaube, ich kann endlich am Ärmel erkennen, ob ich ein Unisex-T-Shirt vor mir habe oder eins mit Frauen-Schnitt (und bin immer noch der Meinung, dass letzteres Hauptverantwortlich ist für unterkühlte Nieren und Erkältungen...). Ich weiß, welche Münzen und Scheine des britischen Sterling-Pfundes gültig bzw. ungültig sind (die spinnen, die Briten!) und habe herausgefunden, dass Asiaten ihre Dollarscheine liebend gerne mit ihren Initialien bestempeln (Warum nur? Warum???). Euro-Scheine sehen dagegen alle total neu aus: ob die europäischen Banken alte Scheine schneller aus dem Umlauf nehmen, als die Amerikaner oder Briten? Ihr seht: solche Gedanken macht sich eine Kerstin, die stundenlang in einem Shop arbeitet. :-)
Wenn keine Kreuzfahrtschiffe da sind, die uns so lange auf Trab halten, bis sie wieder abgereist sind, sind unsere Arbeitstage ziemlich geregelt: normalerweise von morgens neun bis nachmittags fünf Uhr. Da die Sonne momentan um 4:15 Uhr aufgeht und um 20 Uhr untergeht, habe ich vor und nach der Arbeit noch Zeit, um zu fotografieren - und besonders an unseren freien Tagen. Sarahs erklärtes Ziel ist es, uns pro Woche zwei Freitage freizuschaufeln - bisher klappte das relativ gut, aber auch nur, weil die Saison der Kreuzfahrtschiffe gerade erst beginnt - und wir als Museums-Team ziemlich effizient arbeiten.
V.l.n.r: Charlotte, ich, Pat, Sarah, Vickie |
Lange Rede, kurzer Sinn: ich war trotz vieler Arbeit oft draußen zum Fotografieren. Das Wetter war sehr abwechslungsreich aber generell viel besser, als gedacht: heute ist der erste richtige Regentag, und weil er auf einen freien Tag fällt, habe ich deswegen das erste Mal die Chance, ein neuen Blogbeitrag zu verfassen - denn ohne Regen wäre ich jetzt entweder daußen zum Fotografieren, oder würde nach einer durchwachten Nacht tagsüber den Schlaf nachholen. Nichts gegen euch, aber habe ich die Wahl zwischen einem Ausflug in die Natur oder Computerarbeit, dann wird Natur immer den Zuschuss bekommen! :)
King Edward Cove: links Grytviken, rechts am Buchtausgang die BAS-Station KEP |
Das Museum wird zwar vom SGHT betrieben, kann aber nur in Kooperation mit dem BAS (dem British Antarctic Survey) am Laufen gehalten werden. So holen wir unsere Essensvorräte aus den Lagerräumen des BAS auf KEP (King Edward Point - die britische Forschungsstation in einem Kilometer Entfernung). Zudem leben wir nach ihren Sicherheits-Regeln. Die besagen beispielsweise, dass man sich nur innerhalb der Ein-Personen-Reisegrenze frei bewegen kann. Praktisch bedeutet das: nur ein genau definiertes (und für mich relativ kleines) Gebiet darf alleine bereist werden - will man woanders hin, muss man mindestens zu zweit sein und ein Funkgerät und Erste-Hilfe-Tasche dabei haben.
Leider gibt es hier keinen anderen ambitionierten Fotografen der bereit wäre, ohne große Vorankündigung eine Nacht durchzumachen, oder nach nur drei Stunden Schlaf zu einer Nachtwanderung aufzubrechen, um rechtzeitig vor Sonnenaufgang an einem fotogenen Ort zu sein. Also habe ich im vergangenen Monat die Einpersonengrenze ziemlich genau kennengelernt. Es ist zwar verdammt doof, nur wegen irgendwelcher Bürokratenregeln NICHT zur Eselspinguinkolonie gehen zu können, und auch nicht zu mehreren direkt außerhalb des Gebietes liegenden Tümpeln, aber: verglichen mit allen anderen antarktischen Stationen habe ich verdammt viele Fotomotive in direkter Reichweite. Innerhalb meines Freigang-Gebietes befinden sich immerhin ein 314 Meter hoher Berg, vier Seen/Tümpel, zwei Bäche, sechs See-Elefantenkolonien und eine kleine Gruppe sich mausernder Königspinguine. Und Bilder davon werde ich euch im nächsten Blogpost zeigen!
Also ich wäre immer zum Fotografieren mitgegangen :-)
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