Samstag, 6. Februar 2016

Herbst in Island

Es hat sich in den letzten Jahren so eingebürgert, dass ich die Zeit zwischen meinen polaren Sommerjobs (Nordsommer in der Arktis und Südsommer in der Antarktis) in Island verbringe. Auch im vergangenen Herbst kehrte ich nach einer ereignisreichen Saison auf Svalbard für ein paar Wochen nach Island zurück - und musste (ganz isländisch) erst einmal alle geplanten Aktionen vertagen. Grund war der Trubel um mein Eisbärenbild, der mich mal eben zu drei Wochen Computerarbeit „verdonnerte“. Pressearbeit ist viel zeitintensiver, als man sich das vorstellt... Und da ich kurze Zeit später schon in die Antarktis reiste, komme ich erst jetzt dazu, über meinen sehr nassen Herbsturlaub zu berichten.

'Geirfugl' von Olöf Nordal - die Statue eines Riesenalken im Skerjafjörður, Reykjavík,
unter sogenannten Mamatus-Wolken, die oft zusammen mit Cumulonimbuswolken auftreten (Gewitterwolken)

                
Als ich endlich wieder Zeit zum Reisen hatte, war es Anfang Oktober. Zwar war die Herbstfärbung wunderbar, allerdings regnete es fast ohne Unterlass: so einen nassen Herbst habe ich in Island selten erlebt. Blauer Himmel war Mangelware, und ich war teilweise regelrecht euphorisch, wenn mal "nur" dichte Bewölkung herrschte, es also NICHT regnete, und ich zumindest die wunderbare Laubfärbung der Birken fotografieren konnte!



Seit Jahren will ich im Herbst eine mehrtägige Wanderung im isländischen Hochland unternehmen, und seit Jahren komme ich nicht dazu. Einer der Hauptgründe ist, dass ich unüberbrückte Flüsse furten muss, welche durch die ständigen Regenfälle ziemlich gefährlich sein können: besonders, wenn man (wie ich) immer nur zu Fuß und dann auch noch alleine unterwegs ist. Und außerdem kann ich mir auch einfach Schöneres vorstellen, als im Regen zu fotografieren: das ist ja in Ordnung, solange man einen Ort besitzt, an dem man seine Kleidung, Schuhe und Kameraausrüstung immer mal wieder halbwegs trocken bekommt. Aber zelten bei Dauerregen? Och nö - da gibt es dann doch genügend Alternativen. Und ich bin mir sicher, dass ich meine Tour irgendwann durchführen können werde!                                                                     

Also plante ich mal wieder um und ergriff die Chance, im Oktober nach Landmannalaugar zu reisen. Es lag dort wohl noch kein Neuschnee - das klang superspannend! Und da eine Gruppe des isländischen Wandervereins auf Wochenend-Tour dorthin unterwegs war und noch einen Platz im (hochgelegten) Minibus frei hatte, sprang ich spontan auf: so etwas lasse ich mir doch nicht entgehen! Der Freitag war wettertechnisch in Ordnung; Samstag aber sollte es den ganzen Tag über regnen. Also wanderte ich einfach in der Nacht los und genoss die herrlich-mystische Stimmung dieser vom Vollmond erleuchteten Vulkanlandschaft.


Die Wettervorhersage behielt Recht: tiefhängende Wolken und stürmischer Regen prägten den gesamten Samstag. Was ein Segen, in der warmen Hütte übernachten zu können und zu wissen, dass man alles im Laufe von wenigen Stunden wieder trocknen können würde! Also packte ich die Kamera in zwei Plastiktüten und zog trotzdem los: wissend, dass die Bilder viel weniger nass aussehen würden, als es sich anfühlte. Irgendwie ist es verdammt schwer, Regen so zu fotografieren, dass es auch nach Regen aussieht!


Den Rest des Tages verbrachte ich entweder in der trockenen, warmen und touristenfreien Hütte, oder aber auch im nassen, warmen und touristenfreien Bach, welcher die Gegend (neben der bunten Landschaft) berühmt gemacht hat. Die Nacht über schlief ich kaum, denn ich hoffte auf Wetterbesserung. Und tatsächlich: um 2:30 Uhr nachts riss der Himmel auf. Und so startete ich nur eine halbe Stunde später zu einer Wanderung. Den Berg Háalda wollte ich erklimmen (auf den angrenzenden Bildern oben links, der Kamelrückenberg), denn auf diesem höchsten Gipfel der Umgebung war ich noch nie gewesen. Fotografiert habe ich bis zum Morgengrauen übrigens nicht: das angrenzende Bild ist vom Vortrag...


Als ich mich besagtem Gipfel genähert hatte, begann er, sich in dichte Wolken zu hüllen. Folglich schlug ich eine andere Richtung ein und wanderte über den Bergrücken Suðurnámur zurück zur Hütte. Die Wolken holten mich zeitweise ein, hoben sich dann aber wieder - und gewährten mir die Sicht auf einen absolut spektakulären Sonnenaufgang!


Weil es so kurz zuvor noch geregnet hatte, war die gesamte Umgebung nass. Die Kombination aus feuchtem Gestein und warmem Morgenlicht sorgte für einen wahren Farbenrausch. Nasser Stein ist viel farbiger, als trockenes Gestein, die Tatsache kennen wir ja von Kieseln, die wir an Flußufern und Stränden finden, und die dann Zuhause (da trocken) einfach nicht mehr toll aussehen. Dies ist ein Grund, weshalb man genau nach Regenschauern spektakuläre Landschaftsbilder machen kann: die Farben sind dann so stark, wie sonst selten. Im Falle der bunten Rhyolitberge Landmannalaugars sah das aus, als hätte jemand reinste Farben über die Berge gekippt. Was für ein Anblick!


Das Wochenende ging viel zu schnell vorbei, und bald war ich zurück in Reykjavík, wo ich mich der Vorbereitung meiner Antarktissaison widmete. Und als der Regen einfach nicht auffhören wollte, startete ich wieder los: diesmal in die Þórsmörk. Dies ist wahrscheinlich der Ort in Island, den ich in den letzten Jahren am häufigsten besucht habe. Grund daran ist einerseits die Nähe zu Reykjavik und die gute Erreichbarkeit durch Linienbusse auch außerhalb der Hochsaison, und andererseits natürlich die vielseitige Landschaft in diesem von Gletschern umgebenen Tal. Womit ich allerdings nicht gerechnet hatte, war die Farbenpracht, die mich empfing: solch einen spektakulären „Indian summer“ hatte ich in Island noch nicht erlebt!


Genau wie Landmannalaugar, so war auch die Þórsmörk aufgrund des chronischen Regenwetters menschenleer. Ich übernachtete in der Hütte des FÍ, in der ich selber ja schon mehrmals als Hüttenwart gearbeitet hatte, und unternahm in den folgenden Tagen viele verschiedene Wanderungen. Ständig wechselte die Lichtstimmung, ständig rangen Regen und Sonne miteinander. Selten hat Wandern im Regen so Spaß gemacht!


Meistens kehrte ich nach Sonnenuntergang zur Hütte zurück, dankbar, dass ich mich und meine Fotoausrüstung über Nacht trocknen können würde. Eines Nachmittags aber wanderte ich zum Myrdalsjökull hinüber, in den Regen hinein, und durfte abends spektakuläre Lichtstimmungen erleben. Wenn man bloß nicht so nass werden würde... Denn vom fotografischen Gesichtspunkt aus lohnt sich wirklich immer wieder, diesen ständigen Streit zwischen Wolken und Sonne zu erleben!


Die erste Hälfte der Nacht verbrachte ich unter einem Felsvorsprung, denn leider trat die angekündigte Wetterbesserung nicht ein. Ich hatte auf einen (zumindest einigermaßen) sternklaren Himmel spekuliert, an dem ich Nordlichter fotografieren wollte, erlebte stattdessen aber böigen Nieselregen. Glücklicherweise klarte es in der Morgendämmerung auf und folgte ein Tag voller Sonne, Wärme und ausgedehnter Wanderungen.


Den Sonnenuntergang hielt ich nicht mehr durch, denn ich brauchte Schlaf, weshalb ich am späten Nachmittag zur Hütte zurückkehrte. In der fortgeschrittenen Abenddämmerung aber klingelte der Wecker wieder und stieg ich zum Valahnúkur auf. Dort oben erfüllte sich mir endlich der Wunsch, nach langer Abstinenz mal wieder Nordlichter beobachten zu können. Sie erschienen wie bestellt, aktiv und intensiv, und tanzten still über das Firmament. Es war magisch - und beinahe zu schön (und kitschig!) um wahr zu sein...

Der kommende Tag war verregnet, was mich aber nicht weiter störte, denn ich musste eh Schlaf nachholen und genoß es, in der Hütte zu bleiben und Tagebuch zu schreiben. Wach und mit völlig verdrehtem Tagesrhythmus stieg ich nach Sonnenuntergang dann wieder zum Gipfel des Valahnúkur auf - im leichten Nieselregen eines komplett bewölkten Abends. Es klingt vielleicht bescheuert, aber mich reizte der Gedanke, Nordlichter über Regenwolken ablichten zu können: alles, was ich brauchte, war ein Wolkenloch. Und das zeigte sich erstaunlich bald: ich hockte maximal eine Stunde gut vermummt unterhalb des Gipfels und wartete. Zwei Jacken hielten mich trocken und warm, und meine Kamera selbst war ebenfalls doppelt gegen die Nässe eingepackt. Das Problem war leider, dass es trotz eines großen Wolkenloches über mir immer noch regnete - aber noch hatte ich einige trockene Taschentücher, um die Linse immer wieder zu putzen. Und so flitzte ich in den kommenden 15 Minuten auf dem Gipfel umher, suchte Standpunkte und fotografierte mit den Regentropfen um die Wette. Die Nordlichter, die sich zeigten, waren nicht stark, aber herrlich mystisch über der von Wolken vermummten Landschaft. Die Stunden dort oben hatten sich total gelohnt!


Dass ich in den einzigen beiden (zumindest teilweise) klaren Nächten auch tolle Nordlichter sehen durfte, war nicht selbstverständlich, im Gegenteil. Ich weiß nicht, wie oft ich schon vergeblich auf der Erscheinen dieses faszinierenden Lichtphänomens gewartet habe, oder wie oft sie niemals dort auftauchten, wo ich sie haben wollte. Manchmal aber kommt alles zusammen. Es sind wahre Glücksgefühle, die einen erfüllen, wenn man nicht nur vor Ort die Natur erleben darf, sondern dann auch noch Fotos mitbringt, die genau dieses Erlebnis dokumentieren.
Danke, Island! :-)

2 Kommentare:

  1. Liebe Kerstin,
    Das sind ja wieder Islandbilder zum niederknien! Schön, dass du für deine strapaziösen Ausflüge wenigstens belohnt wirst.
    Liebe Grüße Ulla

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  2. Tolle Bilder! Ich bin ganz fasziniert, hier auf meinem Sofa sitzend in eine andere Welt abtauchend. Tauchend, weil die Unterwasserbilder noch wirken.
    Ich bin gespannt, was Du machen wirst, wenn Du uns Touris nicht mehr auf den Schiffen betreut. Ich hoffe Du wirst weiterhin etwas machen, was Dich begeistert. Natürlich hoffe ich das weiterhin so tolle Bilder und Texte für uns abfallen werden. Ich wünsche Dir jedenfalls alles Gute für die nächste Zeit.
    Lieben Gruß Claudia

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