Samstag, 19. Juli 2014

Leuzismus und Albinismus

Kennst du das? Du siehst etwas zum ersten Mal im Leben ganz bewusst, und plötzlich begegnet dir dieses Phänomen immer wieder. Als wäre dein Auge plötzlich geschärft für etwas, das du sonst unwillentlich ignoriert hast...

Mir geht es so mit vielen Dingen - was ich einmal entdecke, taucht plötzlich immer wieder auf. Seit ich vor drei Jahren das erste Mal bewusst ein fehlfarbenes Tier sah, sind plötzlich überall welche. Diese Woche wieder eines - also ab in den Blog damit!

Leuzismus - das ist ein Wort, mit dem viele nichts anfangen können. Darum will ich erstmal mit einem anderen Fremdwort beginnen: mit 'Albinismus'! Ich denke, ihr alles wisst, was ein Albino ist: eine Person oder ein Tier mit ungewöhnlich weißer Haut / Haaren und rosafarbenen bzw. leuchtend hellblauen Augen. In Ermangelung eigener Bilder hier folgend zwei fremde Fotos...

Mädchen mit Albinismus, Neuguinea
Urheber: Mutuwandi
In unserer Haut gibt es Zellen, die Melanin produzieren: das ist ein Farbstoff, der unseren Haaren, Haut und Augen ihre Farbe gibt. Für die Produktion von Melanin werden verschiedene Enzyme gebraucht. Wenn eines dieser Enzyme nicht da ist oder nicht funktioniert, kann körperweit kein Melanin produziert werden. Ohne Melanin gibt es keine Farbe: also ist der Mensch / das Tier ein Albino.

Man unterscheidet zwischen vollständigem und unvollständigem Albinismus. Vollständig bedeutet, dass gar keine Farbe produziert werden kann: die Haut ist dann schneeweiß und die Augen extrem hellblau bis sogar rosa. Auch Horn und Schleimhäute sind dann farblos: selbst die Schnäbel von Vögeln sind dann weiß, wie hier von einem Brillenpinguin im Zoo Briston.

Urheber: Adrian Pingstone
Albininismus kann von ganz vielen verschiedenen Genen verursacht werden und kann deshalb wenige bis ganz viele Begleitkrankheiten mit sich führen. Es kann zu starker Lichtempfindlichkeit bis Sehstörungen kommen, außerdem haben Menschen mit Albinismus oft Hautprobleme, weil ihre weiße Haut keinerlei UV-Schutz besitzt, und sie deshalb ein vielfach höheres Hautkrebsrisiko tragen. Albinos im Tierreich werden oft schneller gefressen als ihre Artgenossen, einfach weil sie so auffällig sind. ABER: Albinismus muss nicht so extrem sein. Es gibt auch abgeschwächte Formen.

Kann noch Melanin produziert werden, aber eben nur wenig davon, dann spricht man von unvollständigem Albinismus. Der ist sehr häufig und wird oft gar nicht als solcher wahrgenommen. Zum Beispiel zählen blonde, blauäugige Menschen dazu! Irgendwann gab es diese Mutation irgendwo in Nordeuropa, und seitdem hat sie sich so durchgesetzt, dass sie für uns normal geworden ist. Auch die helle Haut von Europäern und Asiaten ist eine Form des Albinismus: ursprünglich waren alle Menschen mal dunkelhäutig. Wir können also eigentlich alle von uns behaupten, Albinos zu sein! ;-)


Ja, und was ist jetzt dieser 'Leuzismus'?
Ganz generell gesagt kommt Leuzismus im Tierreich viel häufiger vor, als ein vollständiger Albinismus. Ein leuzistisches Tier kann auch schneeweiß sein, genau wie ein Albino: aber es hat immer normal gefärbte Augen. Albinos können nirgendwo im Körper Melanin ausbilden, leuzistische Tiere können nur in der Haut kein Melanin bilden, woanders aber schon: die Nase, die Schleimhäute, Horn und Regenbogenhaut der Augen sind bei ihnen immer (meistens) normal. Es ist ein Gen-Defekt, der manchmal den ganzen Körper betrifft, manchmal aber nur Teile des Körpers: manchmal hüpfen Vögel mit weißen Federn durch die Gegend, oder hat ein Hirsch eine Blesse. Weiße Katzen mit blauen Augen, die schwarz-weiße Musterung der Holstein-Rinder, ja selbst die verschiedenfarbigen Augen von Huskies oder die Scheckung von Pferden sind Leuzismus: es ist nämlich vererbbar.

Mein erstes leuzistisches Wildtier war ein Buckelwal - ach was, war DER Buckelwal, den ich vor drei Sommern in der Hinlopenstraße auf Svalbard entdeckte. Auf den ersten Blick wirkte er wie ein Albino, ich konnte ja seine Augen nicht sehen, aber als er dann seine Fluke aus dem Wasser hob und abtauchte, konnte man eine normal gefärbte Fluken-Unterseite betrachten. Das ist Leuzismus aus dem Bilderbuch!

Mein nächstes ungewöhnlich gefärbtes Tier traf ich in der Antarktis: ein heller Eselspinguin.



Dieser kleine Dreckspatz konnte definitiv kein Albino sein: Schnabel und Augen waren komplett normal gefärbt. Vergleicht das Bild einmal mit dem Albino-Penguin von weiter oben! Ein riesiger Unterschied!


In Südgeorgien gibt es Millionen von Seebären, die eigentlich dunkelbraunes Fell haben. Trotzdem sieht man immer mal wieder ein extrem helles Exemplar: ich habe auf meinen bisher zwei Reisen dorthin insgesamt sieben 'Blondies' gesehen. An ein Jungtier kam ich besonders nah heran und konnte es mit seinen normal gefärbten Artgenossen fotografieren.

Auch hier fällt sofort auf, dass die Augen und Nase schwarz sind: es kann also kein Albino sein. 



Pinguin und Seebär sind aber nicht weiß, sondern 'nur' wesentlich heller als die anderen Tiere: das Fell bzw. die Federn sind cremefarben statt weiß. Ist das dann auch Leuzismus? Oder ist es eine abgeschwächte Form von Albinismus? Sicher beantworten kann das wohl nur jemand, der sich wirklich damit auskennt. Da die Augen nicht betroffen sind, denke ich, dass es sich um Leuzismus handelt. Es gibt nämlich mehr Farbstoffe in Haaren / Federn als nur Melanin: z.B. gibt es da noch Carotinoide, die erst dann richtig sichtbar werden, wenn das Melanin wegfällt. Carotinoide sind gelblich: das könnte erklären, warum Pinguin und Seebär 'blond' sind.

Ja, und vor ein paar Tagen staunte ich dann wieder nicht schlecht: da schwamm eine schwarz-weiß gefleckte Weißwangengans auf dem See neben den Hundezwingern hier bei Longyearbyen!

Es ist ein Weibchen, das trotz ihres auffälligen Federkleides einen Partner gefunden hat - die Tiere selber stört ihr Aussehen nicht, ich habe auch nicht beobachten können, dass sie von den anderen Vögeln anders behandelt wurde. Allerdings sind helle Exemplare natürlich viel auffälliger - doof, wenn es ums Brüten geht. Ob diese Gans jemals erfolgreich Junge großziehen wird, ist fraglich: ein Polarfuchs sieht sie in der Tundra ja schon von Weitem. Mal sehen, ob ich sie vielleicht in den nächsten Jahren wiedersehen werde - ich würde mich jedenfalls sehr darüber freuen!

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