Donnerstag, 13. Juni 2013

Aus dem Leben eines Eselspinguins

Eselspinguine, auf Englisch Gentoos, sind die auf der antarktischen Halbinsel häufigsten Pinguine. Mit ihrem weißen Augenfleck und ihrem orange-roten Schnabel sind sie einfach zu erkennen, zudem ist es immer wieder eine Freude, sie zu beobachten! Es sind lustige Gesellen, viel kleiner als man es sich immer vorgestellt hat, aber dafür umso hyperaktiver - und lauter! Die Geräuschkulisse einer Pinguinkolonie ist kaum zu beschreiben: ein Konzert aus Pfeifen, Krächzen, Fiepen und Gurren. Ständig kommen Tiere einander zu nahe; besonders wer auf dem Nest sitzt, duldet niemanden in Schnabelreichnähe: dann wird gestänkert, sich beschwert und hinterher laut seiner Empörung Luft gemacht. Pinguine sind einfach sehr ruffreudige Gesellen und nutzen die Stimme auch, um sich gegenseitig zu erkennen. Wie sie es schaffen, die Stimme ihres Partners, Kükens oder Elternteils in einer Kolonie von mehreren tausend Tieren herauszuhören, ist mir zwar ein absolutes Rätsel, genau das tun sie mit spielerischer Leichtigkeit. Und so pfeift und krächzt es in der Kolonie rund um die Uhr!




Wenn ich euch frage, wie Pinguine brüten, welches Bild kommt euch dann in den Sinn? Geht es euch da, wie mir, die sofort an Kaiserpinguine denkt, die ihre Eier auf den Füßen ausbrüten?

Lasst euch in dem Falle gesagt sein: nur die beiden größten Pinguine, die Kaiser- und Königspinguine (die sich auf den ersten Blick auch noch zum Verwechseln ähnlich sehen), nur diese Vögel brüten auf den Füßen.

Alle anderen Pinguine bauen Nester! Als Baumaterial kommen nur Steine in Frage - etwas anderes gibt es dort ja nicht. Kieselsteine, aufgetürmt zu kleinen Hügeln, sollen die ein bis zwei Eier trocken halten. Im Sommer schmilzt der umgebende Schnee, alles wird matschig, und nur mit Steinen gelingt es ihnen, einen ständig trockenen und sauberen Untergrund für ihre 1-2 Eier zu schaffen.
 



Und so sieht man besonders in der ersten Hälfte des Sommer ständig Pinguine auf Steinsammelmission: aber nicht jeder Stein darf es sein, oh nein, die Vögel haben da ganz spezifische Vorstellungen und wählen jeden Stein mit Bedacht!


Haben sie dann endlich ein Nest errichtet, dann wird auch schon bald das erste Ei gelegt und beginnt die Brut. Die brütenden Tiere verlieren an einer kleinen Stelle am Bauch ihr Daunengefieder: es entsteht ein sogenannter Brutfleck: eine stark durchblutete Stelle am Bauch, geschützt nur durch eine äußere, spreizbare Federschicht. Die Eier haben dort direkten Kontakt zur warmen Haut: bei regelmäßigem Drehen der Eier gelingt es den Vögeln selbst bei den (für unsere Verhältnisse) winterlichen Temperaturen, ihre Jungen auszubrüten und bis zu einer gewissen Größe zu wärmen.

Bei Temperaturen von 0-5°C (ohne Windkühlfaktor) kümmern sich beide Eltern aufopferungsvoll um Eier und Küken. Jeweils ein Elternteil ist am Nest und füttert, das andere fischt im Meer nach Krill, den sehr fetthaltigen, garnelenartigen Kleinkrebsen, von denen sich alles in der Antarktis ernährt.

Auch in der Natur gibt es Abweichungen von der Norm: dieser Eselspinguin etwa ist leuzistisch. Seine Haut kann weniger Farbpigmente herstellen, als "normal" wäre, weswegen er cremefarbene statt schwarze Federn hat. Sein roter Schnabel und die normal gefärbten Augen zeigen, dass es kein Albino sein kann.




Auch Pinguine haben Feinde, vor allem im Wasser werden sie bejagt. Lange Zeit dachte man, dass Orcas (welche in der Antarktis aktiv große Beute fangen, wie Robben und andere Wale) Pinguine nicht verfolgen würden. Heute aber weiß man: sie tun es, vielleicht nicht intensiv, doch sie tun es.
Diesbezüglich will ich euch gerne ein Youtube-Video zeigen, das ein sehr privilegierter Antarktisreisender gedreht hat: eine Orca-Familie jagt einen Eselspinguin.


Der größte Feind der antarktischen Pinguine ist aber der Seeleopard. Diese riesige, extrem schnelle und wendige Robbe ernährt sich zwar hauptsächlich von Krill, verschmäht aber auch Pinguine nicht! 


Im Wasser sind Pinguine deshalb sehr scheu: an Land aber fürchten sie niemanden. Es gibt in der Antarktis keine Landraubtiere, und folglich auch keinen Grund, sich dort vor irgendetwas zu fürchten. Der einzige andere Feind kommt aus der Luft: Skuas, große Raubmöwen, sind zwar kleiner als ein ausgewachsener Pinguin, aber alles andere als zurückhaltend. Diese Räuber wissen, dass sie ein Pinguinküken ohne Probleme in die Luft heben können, und versuchen genau das immer wieder. Die Eltern müssen auf der Hut sein und ihre Küken verteidigen!





Die kleinen, fiependen Flauschbälle wachsen so schnell, dass ihr Hunger bald nicht mehr von einem Elternteil gestillt werden kann. Da ihnen in der Zwischenzeit ein dichtes Daunengefieder gewachsen ist, lassen die Eltern die dann schon großen Jungvögel an Land zurück und fischen parallel: anders ist der Hunger dieser Nimmersätte nicht mehr zu stillen.
Die unternehmungslustigen Teenager bleiben dabei natürlich nicht mehr im Nest, nein: sie laufen herum und / oder sammeln sich in "Kindergärten".
Wie aber sollen die Eltern ihre Küken jetzt finden? Der Altvogel läuft zunächst einmal dorthin, wo er das Küken vermutet, und dann ruft er. Die Kleinen kennen die Stimme ihrer Eltern und laufen zu ihnen: jedes andere Küken, das Hunger hat, kommt aber auch! Den immerhungrigen Teenagern ist es völlig egal, wer sie füttert: sie haben nur Hunger, und davon viel!

Für den Altvogel beginnt jetzt ein Spießrutenlauf: er muss dem Ansturm entkommen, gleichzeitig aber seine eigenen Küken finden. Also wird 20 Meter gerannt, dann wieder gestoppt und gerufen, und wenn die Küken kommen, wird weitergerannt: so lange, bis es der fordernden Meute zu viel wird. Nur die eigenen Küken bleiben hartnäckig und laufen, beständig fiepend und bettelnd, dem Altvogel nach. Und dann, nach mehreren hundert Metern Verfolgungsjagd, wird die Ausdauer der Nimmersätte belohnt: mit mehreren großen Portionen frischgefangenen Krills!

















Der Sommer in der Antarktis ist kurz - und wird, zumindest für die Pinguine, durch den Klimawandel immer kürzer. Das mag auf den ersten Blick seltsam klingen, aber die Zusammenhänge sind kompliziert. Wie ich ja schon einmal erwähnt habe, ist die antarktische Halbinsel eine der Gegenden der Welt, die sich am schnellsten erwärmt. Das äußert sich einerseits in immer geringer werdendem Meereis, andererseits auch darin, dass sich die Niederschlagsmengen verschieben. Im Bereich der antarktischen Halbinsel schneit es mehr, als früher, und das meist sehr spät im Winter / Frühjahr / Frühsommer. Das ist insofern schlecht, als dass die Langschwanzpinguine (also die ganzen kleinen antarktischen Pinguine) mit dem Schnee nicht klarkommen. Sie kommen nur an Land, um zu brüten, und sie brüten nur auf Steinen, nicht auf Schnee.

Schneit es jetzt also im Frühling viel, dann bleibt der Schnee länger liegen und dauert es länger, bis Steine und Fels zum Vorschein kommen. Die Pinguine kommen wie gewohnt im Oktober an Land, das ist Frühsommer in der Antarktis, finden aber keinen freien Felsen um ihr Nest zu bauen. Also warten sie. Sie balzen, paaren sich – aber die Weibchen verzögern das Legen der Eier. Ohne Nest gibt es keine Eiablage, da lassen die Weibchen nicht mit sich reden!



Mittlerweile beginnen sie mit der Brut 2-4 Wochen später als noch vor ein paar Jahren. Grundsätzlich wäre das nicht problematisch: wettertechnisch würden sie die Küken flügge bekommen, und Krill gibt es auch bis in den Herbst hinein. Aber, und jetzt kommt das große Aber: ihre biologische Uhr tickt. Pinguine müssen, wie alle Vögel, mindestens einmal im Jahr ihr Federkleid erneuern. Und wie bei den anderen antarktischen Tieren, so können sie sich kein Loch im Tauchanzug erlauben. Also mausern sie alle Federn zur gleichen Zeit. Sie können es herauszögern, ich denke es hängt vom Stresspegel ab, aber: bei den Eselspinguinen beginnt die Mauser spätestens Mitte März. Bei den anderen Langschwanzpinguinen sogar noch früher. Und wenn sie bis dahin ihre Küken nicht flügge bekommen haben, ist es zu spät: selbst wenn sie wollten, dann könnten sie nicht mehr zum Fischen ins Wasser. Sie stecken an Land fest.

Nach allem, was ich gesehen habe, muss es ziemlich elendig sein, in die Mauser zu kommen. Für einen kurzen Zeitraum, bei den Pinguinen etwa drei Wochen, kann man nichts, aber auch gar nichts machen, muss an Land herumstehen und sich ständig nur kratzen. Obwohl man Hunger hat kann man nicht fischen gehen, muss Energie sparen, und dämmert in einem Halbschlaf vor sich hin: und steht dabei oft tagelang am selben Ort. Bewegen tut man sich eigentlich nur, wenn man mal wieder von fliehenden Eltern oder randalierenden Teenagern über den Haufen gerannt wird. Oder auch wenn man von den (aus Pinguinsicht) absolut unnötigen Skuas und Riesensturmvögeln bedroht wird bzw. wenn einem der Kragen platzt und man diese Störenfriede verscheucht.

Nein, ich bin mir ziemlich sicher: hätten Pinguine die Wahl, dann würden sie die Mauser abschaffen! Die tolle Aussicht, die man an sonnigen Tagen genießen kann, fällt wahrscheinlich nur uns Menschen auf, für die Pinguine ist das ja ein völlig alltäglicher Anblick...





Was passiert mit den Küken, wenn sie ihr Daunengefieder verloren haben? Nun: die Eltern lassen sie einfach im Stich. Schon während den dann schon ziemlich großen, meist sehr dicken Kleinen ihr Erwachsenen-Gefieder wächst, beginnen sie, sich für Wasser zu interessieren. Sie folgen ihren Eltern bei schwacher Brandung ein paar Zentimeter tief ins Meer hinein oder planschen begeistert in Tümpeln herum. Schwimmen lernen sie aber erst, wenn die Eltern aufhören zu füttern, und sie hungrig den anderen Vögeln folgen. Alles andere bringen sie sich selbst bei.


Ja und dann: kommt der Herbst mit seinen Stürmen und den ersten heftigen Schneeschauern. Die erfahrenen Brüter sind da schon lange im Meer! Es sind oft die jungen, unerfahrenen Eltern, die es nicht oder nur mit Verzögerung schaffen, ihre Jungen flügge zu bekommen: deren Küken landen dann in den ersten Stürmen des nahenden Winters.

Zusammen mit den mausernden Altvögeln harren die Küken geduldig dem, was kommt. Manche haben noch Eltern, die sich füttern, manche nicht mehr: wer so spät noch an Land ist, muss sich sputen, bald ins Wasser zu kommen. Wenn der Winter kommt, dann kommt er mit Macht: ab Ende März will kein Pinguin mehr an Land sein.














Mit diesem Bild will ich mich dann verabschieden: es ist wieder Zeit für meine alljährliche Sommerpause! Ich werde nun wieder drei Monate auf und um Spitzbergen unterwegs sein: der nächste Blog wird sich also wieder mit nordischen Themen beschäftigen.
Ich wünsche euch einen schönen Sommer: auf bald!

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