Samstag, 13. April 2013

Antarktis - von Walen und Robben

Hallo zusammen!
Nach fast einem Monat auf Island, den ich überwiegend im Zelt verbrachte, bin ich nun in Reykjavík und finde endlich Zeit und Muße, um mich wieder diesem Blog zu widmen. Ein solcher Eintrag ist ja dann doch immer ziemlich zeitintensiv!

Von Anfang Januar bis in die zweite Märzwoche hinein war ich also mit der MS Expedition im Südpolarmeer unterwegs. Das äußerst fotogene Schiff, eine umgebaute und eisverstärkte Autofähre, gehört der kanadischen Firma G Adventures und beherbergt überwiegend Gäste der Commonwealth-Nationen: Amerikaner, Briten, Australier und Kanadier machen das Gros der Besucher aus, der Rest kommt von ziemlich überall. Das Klientel ist generell gut betucht, da diese Reisen teuer sind. Die kürzeste Fahrt von Ushuaia und zurück kostet in der günstigsten Kategorie 4500€ - das ist weniger, als auf anderen Schiffen. Genau deswegen sind hier immer wieder viele junge Leute mit dabei, die sich einen lang erarbeiteten Traum erfüllen - und den Altersdurchschnitt dadurch senken.
An Bord sind meistens 133 Gäste. Die Besatzung, also die Crew, Offiziere, das Hotel-Team und wir Expedition-Guides, zählt 65 Leute, überwiegend Filipinos (Hotel und Kombüse) sowie Osteuropäer (Offiziere und Maschinenraum): insgesamt befinden sich auf dem Schiff also knapp 200 Menschen. Jedes Mal in Ushuaia werden Containerladungen mit Lebensmitteln in den großen Laderäumen verstaut. Trinkwasser wird durch Osmose selbst hergestellt: gespart wird in diesem Luxus-Hotel an nichts. Im Hafen warten bei jeder Landung vier bis fünf Tankwagen darauf, mehrere Hunderttausend Liter Diesel in die Tanks des Schiffes zu pumpen. Klimaschädlicher geht's kaum! Ich denke nicht, dass es irgendein (Expeditions-)Kreuzfahrtschiff gibt, das wenig Ressourcen verbraucht - das liegt einfach in der Natur der Sache. Wer es mit Natur- und Klimaschutz ernst meint, der sollte definitiv nicht an solchen Reisen teilnehmen!
Eine standardmäßige Reise in die Antarktis beginnt mit einem 17stündigen Flug nach Ushuaia, der südlichsten Stadt Argentiniens auf 54°Süd. Nur zum Vergleich: die Insel Usedom liegt auf 54°Nord – dort sind wir also noch weit vom Pol entfernt. Von hier aus bringen über 20 Schiffe zahlende Touristen in die Antarktis: kleinere (20 Passagiere und mehr) bishin zu größeren (200 Passagiere Maximum). Die standardmäßige Antarktisreise dauert 10-14 Tage, wovon insgesamt mindestens fünf Tage auf hoher See verbracht werden, da die Fahrt über die Drake-Passage jeweils zweieinhalb Tage in Anspruch nimmt. Und dann ist man "erst" bei den Südlichen Shetlandinseln angekommen: auch spannend und voller Tierleben, aber eben noch nicht die antarktische Halbinsel. Um dorthin zu kommen verliert man noch einmal einen halben Tag. Es ist und bleibt eben eine Seereise!


Eben weil man auf jeder Reise so viel Zeit auf dem Meer und so wenig Zeit an Land (oder zumindest in Landnähe) verbringt, war ich heilfroh, an insgesamt sechs Reisen teilzunehmen! Eine davon dauerte insgesamt 21 Tage und führte mich neben der Antarktis auch nach Südgeorgien: davon berichtete ich ja schon. Südgeorgien ist nicht die Antarktis: es befindet sich auf dem gleichen Breitengrad wie Ushuaia, liegt aber 1400km weiter östlich total abgelegen im Südatlantik. Nur sehr wenige, meist sehr betuchte Gäste können sich die Reise dorthin leisten. Für mich war Südgeorgien, wie ich ja schon berichtete, absolut unglaublich: es ist das Galapagos oder die Serengeti der Kälte, sagt man, einfach ob der schieren Anzahl der Tiere, die dort dem Wetter trotzen, um vom Fischreichtum des umliegendes Meeres zu profitieren.
Ich selber habe soeben erst erfahren, dass ich in genau einem halben Jahr wieder dort sein darf: diesmal nicht mit der MS Expedition, sondern mit der deutsch-schwedischen Kooperation von 'Polar Kreuzfahrten' und 'PolarQuest' auf der MS Ocean Nova, einem kleinen Schiff für "nur" 75 Gäste, auf dem ich auch letzten Sommer schon gearbeitet habe. Wer von euch vom 18. Oktober bis zum 12. November 2013 noch nichts zu tun hat und über das nötige Kleingeld verfügt, der sei herzlich eingeladen, mich zu begleiten: dies ist die wohl traumhafteste Südgeorgien- und Antarktisreise, die es gibt! Ich jedenfalls freue mich wirklich unglaublich, als Guide und Lektor mit an Bord zu sein: weitere Informationen zu dieser Tour findet ihr hier!

Die Antarktis ist jedoch mindestens ebenso faszinierend: völlig egal ob bei strahlendem Sonnenschein (eher selten) oder dichter Bewölkung. Es ist ein Kontinent ohne Menschen, eine riesige Wildnis, bei der man den Launen der Natur und da besonders des Wetters völlig ausgeliefert ist. Sowohl als Guide als auch als Fotograf ist die Antarktis eine einzige Herausforderung: man weiß nie, was einen erwartet, muss immer auf alles gefasst sein. Und das bedeutet vor allem eines: dass man unglaublich spontan sein muss. Wenn sich das Wetter von jetzt auf gleich ändert, dann müssen alle Pläne umgeworfen werden. Tierleben kann man nicht einmal ansatzweise planen: Pinguine sind zwar an ihren Kolonien anzutreffen, Wale aber kommen und gehen, wann es ihnen beliebt. Auch das Wetter muss stimmen, um sie beobachten zu können: alles in allem ist es wirklich und wahrhaftig eine Expedition: immer offen für das Unbekannte, immer bereit, alle Pläne komplett ins Gegenteil zu verkehren.

Sieht man beispielsweise Orcas, was nun wirklich nicht oft vorkommt, dann gibt es gar keine andere Wahl: egal was auf dem Programm stand, nun wird erstmal eine Runde "Whale watching" betrieben!
Orcas sind sehr schnell unterwegs, und meist kann man sich ihnen nicht so nah annähern, wie den oft trägeren und toleranteren Buckelwalen. Zweimal nur sahen wir diesen Sommer Schwertwale (ich mag den Namen "Killerwal" nicht), aber beide Male waren es faszinierende Begegnungen: aus der Ferne, aber wunderbar!

Buckelwale kommen, wie die meisten Tiere, nur im Sommer in die Antarktis, um Krill zu fressen, den es hier dann wie gesagt in Massen gibt. Es sind Langstrecken-schwimmer, die im Winter gen Äquator ziehen, um in warmen Gewässern ihre Jungen zu gebären. Die arktischen Wale machen das genauso, aber ein halbes Jahr versetzt im nördlichen Winter: daher vermischen sich die Populationen der Arktis und Antarktis (vermutlich) nicht.


Genau wie ihre arktischen Verwandten sind diese bis zu 15 Meter langen Riesen meist wenig scheu und lassen sie sich oft beim Fressen beobachten. Dabei kommen sie, wenn wir etwas Abstand halten und die Motoren ausstellen, teilweise sehr nahe an die kleinen Zodiacboote heran. Es ist immer wieder ein überwältigendes Erlebnis, diesen Riesen so nahe zu sein!
Von den kleineren Zwergwalen, rechts im Bild, hatte ich bisher keine hohe Meinung. In der Arktis sind sie generell eher scheu: was ihnen aber kaum zu verübeln ist, werden sie dort schließlich im großen Stil gejagt. In der Antarktis aber waren sie unglaublich aktiv: sie sprangen hoch aus dem Wasser und suchten oft Kontakt. Einmal tauchte eine Dreiergruppe langsam direkt unter meinem Zodiac entlang: ein Auge zu uns gerichtet, neugierig, aufmerksam. Diese Tiere blicken einem direkt in die Seele!

Faszinierende Begegnungen gab es auch mit den verschiedenen Robben der Antarktis: vor allen aber mit den Seeleoparden. Diese bis zu vier Meter langen Räuber sind meist sehr neugierig und wenig scheu, da sie ganz oben in der Nahrungskette stehen: einzig und allein die Orcas müssen sie fürchten, ansonsten aber sind sie die Jäger der Südmeere.
Sie fliegen mit ihren riesigen Vorderflossen durch das
Meer und jagen mit ihrem beeindruckenden Gebiss in ihrem reptilienartigen Schädel andere Robben und Pinguine. Trotz alledem fressen sie aber auch Krill, winzige Garnelen, von denen sich, direkt oder indirekt, alle Tiere in der Antarktis ernähren: eben auch diese geschickten Jäger, denen wir immer wieder begegnen durften!


Es gibt dort unten noch andere Robben: die Weddellrobbe beispielsweise, welches das einzige Tier ist, das auch den Winter in der Antarktis verbringt. Man begegnet ihr immer wieder: sie ist weniger aktiv als der Seeleopard, einfach ein gemütlicherer Zeitgenosse, der sich ausschließlich von Krill ernährt - und das nicht schlecht! Weddellrobben sind meistens recht gut im Futter...
Die Weddellrobbe hat ein richtig niedliches Gesicht und sieht damit den uns bekannten Seehunden am ähnlichsten: von der Leibesfülle einmal abgesehen. Es gibt noch eine andere häufige Robbenart: die Krabbenfresser. Die fressen zwar keine Krabben, sondern ausschließlich Krill, aber sind dafür die häufigste Robbenart der Welt: man vermutet, dass es von dieser rein antarktischen Robbenart mehr Tiere gibt, als alle anderen Robben zusammengenommen!
Anfangs fiel es mir schwer, die Robben auseinander zu halten, aber eigentlich ist es ganz einfach. Der Seeleopard ist der größte von allen und hat einen schlangenähnlichen Kopf. Die Weddellrobbe ist die dickste und hat einen katzenähnlichen Kopf. Und der Krabbenfresser ist der einfarbigste und hat einen hundeähnlichen Kopf. Außerdem tendieren Krabbenfresser dazu, sehr scheu zu sein: dementsprechend selten habe ich sie gesehen!

Jede Antarktisreise beginnt und endet mit einem oder zwei Stopps auf den Südshetlandinseln, die als subantarktische Inseln gelten. Dort gibt es noch zwei weitere Robben, die ihr schon kennt: die Pelzrobben, auch Ohrenrobben, Seebären oder Motztrolle genannt, die kleinsten und einzigen, die keine "Echten Robben" sind. Noch gibt es hier keine Kolonien von ihnen, gegen Ende der Saison kommen aber vermehrt Tiere hier an Land, um sich auszuruhen und Scheinangriffe auf Menschen zu veranstalten!
Und dann trifft man auf den Südshetlandinseln auch die größten (und dicksten) aller Robben an: die See-Elefanten! Diese lustigen Wesen haben, wie viele antarktische Tiere, ein kleines Problem: sie können sich kein Loch in ihrem Tauchanzug erlauben. Ihre Haut aber muss sich erneuern, wie bei allen Tieren. Normalerweise verlieren alle Säugetiere ihre Haut das ganze Jahr hindurch in winzigen Stückchen: wir ja auch, wir nennen das "Schuppen" und ärgern uns darüber. Würden die antarktischen Tiere ihre Haut auch ständig erneuern, dann wäre ihr Tauchanzug nie dicht: und deshalb häuten sich die See-Elefanten innerhalb weniger Wochen, und stoßen in der Zeit ihre gesamte alte Haut ab. Während dieser Zeit sind sie nicht wasserdicht (bzw. nicht kälteresistent) - und verlassen das Land nicht. Für die ausgewachsenen Männchen ist im Spätsommer der Zeitpunkt zum Hautwechsel gekommen: und so liegen sie in Gruppen an Land und warten darauf, dass ihnen endlich die juckende Haut abfällt.

Wenn man sieht, wie sie dort liegen, sich ständig kratzen und offensichtlich ziemlich gelangweilt sind, erscheinen einem Schuppen plötzlich als ein Segen - man, bin ich froh, dass ich nicht einen Monat lang Hausarrest habe und darauf warten muss, dass meine Haut sich pellt! *grusel*

So, das waren sie: die Säugetiere der Antarktis, denen ich im vergangenen Winter / Sommer begegnet bin. Nur ein Bild fehlt noch: das wurde aber nicht in der Antarktis aufgenommen, sondern im Beagle Channel unmittelbar vor der Ankunft in Ushuaia, Südamerika. Es zeigt Schwarzdelphine (Dusky Dolphins), eine sehr kleine, menschengroße Delphinart, die total verspielt ist, viel springt und sehr gerne Schiffe begleitet. Es ist eine Freude, ihnen zuzusehen, wie sie durchs Wasser pflügen und ab und an Salti schlagen!
Delphine gibt es in der Antarktis übrigens nicht: aus dem einfachen Grund, dass sie zu dünn sind. Um im kalten Wasser des Südpolarmeeres zu überleben, braucht man eine dicke Fettschicht: und die haben Delphine nicht. Also sind sie auf wärmere Gewässer angewiesen, oder zumindest nicht auf komplett eisige Ozeane!

Ja und damit will ich diesen Eintrag dann auch beenden.
Auf bald!

1 Kommentar:

  1. Als Geographin und Fotografin bin ich so begeistert von deinem Text und deinen Fotos. Leider bin ich so gar nicht schifftauglich, sodass ich wohl diese Art der Reise nie machen werden kann.
    Ich bin heute auf deinen Blog über einen FB-Empfehlung gestoßen, ich komme gerne wieder. VG Jana

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