Hier in Longyearbyen gibt es nur eine einzige Stromquelle: und das ist das Kohlekraftwerk. Fällt es aus dann ist die gesamte Stadt unmittelbar betroffen. Und genau das geschieht hier im Schnitt etwa im Monat. Für mich ist das immer ein Spektakel sondergleichen: ich liebe es, wenn das gesamte Leben stillzustehen scheint, bloß weil der Strom fehlt! Unsere Zivilisation ist so dermaßen abhängig von Elektrizität dass wir gar nicht mehr wissen wie es auch ohne geht! In Deutschland ist man durch das Stromnetz ja immer an viele Kraftwerke angeschlossen und steht so gut wie nie ohne das kostbare Gut da, das meiner Meinung nach als viel zu selbstverständlich angesehen wird. Und daher jauchze und jubele ich immer, wenn plötzlich der Strom weg ist - und verlasse wenn möglich das Haus, um durch die stromlose Stadt zu gehen.
Mittendrin und hinterher: das obige Bild zeit den stadtweiten Stromausfall, als der Ersatzgenerator lief und zumindest die Gebäude des Zentrums wieder mit Licht versorgte. Bild Nummer Zwei zeigt Longyearbyen in seinem normalen Winterkleid: beachtet vor allem den Wiederschein des roten Lichtes auf den Bergen und die veränderte Himmelsfarbe!
Nach ein paar Minuten der Dunkelheit beginnt das immer wieder lustige An-und-Aus-Spiel der Techniker. Der Strom geht in einem Stadteil an - und wieder aus. Dann gehen die Straßenlampen an - und wieder aus, dann brennt in Nybyen das Licht UND funktionieren die Straßenlampen, und dann ist wieder alles schwarz. Es macht immer wieder Spaß das Spektakel zu verfolgen, besonders jetzt im dunklen Winter.
Vorgestern dauerte der Stromausfall so lange, dass ich mit meiner Kamera aktiv werden konnte. Nach einer halben Stunde hatte das Zentrum wieder Strom, da der große Ersatz-Dieselgenerator angeschmissen wurde, der lieferte aber nicht genug Energie für die gesamte Stadt. Bis der Fehler im Kohlekraftwerk behoben war verging eine weitere halbe Stunde: in der ich es genoß, die umliegende Landschaft ohne Lichtverschmutzung sehen zu können. Der Vollmond warf sein helles Licht auf die Berge, die eben nicht grell orange angestrahlt wurden, und der Himmel über der Stadt war blau, nicht lila. Plötzlich sah ich sogar Nordlichter - vielleicht sind diese ja doch häufiger, als ich es immer dachte!
Als das Licht dann zurückkam, hatte ich eine ganze Serie fotografiert: beginnend im totalen Stromausfall und endend ein paar Minuten nach Rückkehr zur Normalität, als die orangefarbenen Straßenlampen wieder mit voller Kraft strahlten.
Am 10. Dezember kam es zu einem weiteren Lichtereignis, das ich schon seit Wochen mit Spannung erwartet habe: eine totale Mondfinsternis. Svalbard war der südlichste Außenposten in Europa, von dem aus die Totalität sichtbar war, denn die konzentrierte sich auf die Pazifikstaaten inklusive USA und Australien. Ich hatte keine allzu großen Hoffnungen auf den Tag gesetzt, weil sich das Wetter als zu unstet erwiesen hatte: der Himmel ist seit Wochen fast durchgehend bewölkt. Doch das gute Wetter hielt nach dem Stromausfall noch einen Tag an: und so kam ich in den Genuß meiner ersten komplett erlebten Mondfinsternis. In einem Zeitraum von sechs Stunden durchwanderte der Mond den Schatten der Erde. Dies ist nur bei Vollmond möglich, weil nur dann die Sonne genau hinter Erde steht und diese ihren Schatten auf den Mond werfen kann.
Zuerst konnte man dem Mond dabei zusehen, wie er an einem Ende angeknabbert wurde: das Ganze schritt mit erstaunlicher Geschwindikeit voran. Und als der Vollmond zum Halbmond geworden war, da begann man die im Schatten liegende Seite zu sehen. Diese leuchtete erst bräunlich, dann kupferfarben und gegen Ende dunkelrot!
An diesem Tag begriff ich zum ersten Mal, wie groß der Erdtrabant eigentlich ist! Unser Mond hat zwar 1/81 der Erdmasse, aber dafür den Viertel des Erdumfangs. Das ist verdammt groß! Seine Außmaße wurden für mich sichtbar, als er den Erdschatten durchwanderte, in den er etwa zweimal nebeneinander hineinpasste. Bei all der Entfernung ist der Schatten der Erde dann doch "nur" so klein gewesen - erstaunlich!
Jetzt könnte man ja meinen, dass da, wo Schatten ist, kein Licht sein sollte und der Mond eigentlich so wenig sichtbar sein sollte, wie der Neumond. Das stimmt aber nicht, weil sich eben doch eine Menge Licht in der Atmosphäre zwischen uns befindet. Diese streut das Restlicht: blaue Wellenlängen werden dabei mehr gestreut, als rote. Außerdem befand sich der Mond nicht komplett auf der Nachtseite der Erde und wurde teilweise von den Gegenden der Welt angeleuchtet, an denen gerade keine Nacht mehr herrschte.
Insgesamt sechs Stunden dauerte die Finsternis, wobei die totale Phase, also der komplett rote Mond genau 60 Minuten in Apspruch nahm. Auch die gesamte Veränderung von gleißend heller Vollmondnacht zum pechschwarzen Himmel war sehr seltsam, denn normalerweise dauert dieser Prozess ja einen halben Monat, nicht zwei Stunden. Es war ein sehr ungewohnter Anblick, einen braun-rot gefärbten Mond am dunklen Himmel stehen zu sehen! Es ließen sich sogar extrem schwache Nordlichter blicken - ein schaurig-schönes Naturschauspiel!
Eine Montage, um die verschiedenen Stadien direkt vergleichen zu können:
Der Mond vorher - im Übergang - und während der Totalität
Der Mond vorher - im Übergang - und während der Totalität
Und damit will ich mich dann auch fürs Erste von euch verabschieden! Ich habe mich relativ spontan dazu entschlossen, der Langeweile und Arbeitslosigkeit der sechswöchigen Weihnachtsferien zu entfliehen und die Feiertage in Island zu verbringen. Diese letzten Zeilen tippe ich schon in Oslo: nach einem vierstündig verspäteten Flug ans norwegische Festland bestaune ich gerade die Helligkeit eines ungemütlichen Regentages. In drei Stunden geht mein Weiterflug nach Island, wo ich mich auf mindestens eine Woche Zelturlaub bei hoffentlich unter Null Grad freue! Anschließend plane ich, für weitere zwei Wochen Landmannalaugar zu arbeiten, bevor ich die zweitägige Rückreise nach Spitzbergen wieder antreten werde. Einen Weihnachtsgruß werde ich mit Sicherheit noch versenden! :-)
Viele liebe Grüße,
Eure Kerstin
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