Sonntag, 9. Oktober 2011

Herbst in der Arktis

Und wieder ist ein Monat wie im Fluge vergangen.
Nun bin ich schon seit bald neun Wochen auf Svalbard! Wohin verschwindet sie nur immer, die liebe Zeit...?



Der Herbst hier oben war ... überraschend. Die Monate September und Oktober sind eigentlich meine liebste Jahreszeit - allerdings habe ich bisher jeden Herbst meines Lebens in einer Umgebung verbracht, in der es Pflanzen gibt, die sich verfärben und ihre Blätter abwerfen. Nicht so hier. Das wenige, was in der Arktis gedeiht, denkt nicht an Farbänderung und behält seine Blätter außerdem als Windschutz fürs kommende Jahr. Soviel dazu. ALLERDINGS ist jetzt endlich die Zeit gekommen, an dem die Sonne wieder untergeht und es dementsprechend warme Farben gibt - welche dann doch für bunte Herbstimpressionen sorgen!



Solches Traumwetter ist aber leider relativ selten. Bewölkung, Wind und ganz leichter Niederschlag sind an der Tagesordnung - teilweise ist das ungemütlich-kalte Grau-in-Grau ziemlich frustrierend. Wir alle spüren schon die Auswirkungen der sich rasant nähernden Polarnacht: stete Müdigkeit und Gereiztheit sind an der Tagesordnung. Zum Glück lässt die Uni wenig Raum für die anklopfende Winterdepression: dafür gibt es ständig viel zu viel zu tun! So absolvierten wir beispielsweise drei weitere Tage am Schießstand, und nachdem ich ein ziemlich selbstbewusster Großkalibergewehrschütze geworden bin weiß ich nun: mehr als 30 Schuss am Tag enden garantiert in einer von blauen Flecken verzierten Schulter!

Der WWF kam nach Longyearbyen und bot einen Kurs in Ölentfernung an, bei dem ich drei Tage lang lernte, wie man Strandabschnitte nach einer Ölpest säubert. Eines steht fest: es ist eine dreckige, extrem langwierige und ziemlich deprimierende Arbeit. Wir brauchten zu viert eineinhalb Stunden, um fünf Liter Öl aus einem Planschbecken zu entfernen. Kaum vorzustellen, wieviel Arbeit es ist, nach einer Ölpest Zehntausende von Tonnen Öl einzudämmen! Doch gerade und besonders in einem Land wie Norwegen ist es nur eine Frage der Zeit, bis dies wieder der Fall sein wird. Nur eine Woche nach dem Kurs kam schon eine Anfrage vom WWF an die momentan 300 "ausgebildeten" Freiwilligen in Norwegen, ob jemand bereit wäre, bei den Aufräumarbeiten nach einer kleinen Ölpest in Schweden mitzuhelfen. Ich bin diesmal nicht mit von der Partie - aber wer weiß, meine Zeit wird schon noch kommen!


Mit sogenannten Ölsperren wird das auf dem Wasser schwimmende Öl "abgeschabt"
und konzentriert, sodass es dann abgepumpt werden kann. Wir übten das Ganze von Land aus
mit einem Sack Sägespäne, und hatten auch damit wieder genug zu tun...


Nur ein paar Tage später erhielten wir einen Crashkurs im Zusammenbauen und Fahren von Zodiak-Gummibooten. Auch hier hatten wir wieder viel Spaß, vor allem, weil es meine Gruppe schaffte, am ersten Tag ein Zodiak beim Aufblasen zum Platzen zu bringen (der Druckmesser war kaputt), und ein anderes am zweiten Tag zu versenken (Der Boden fiel während der Fahrt einfach raus). Wir ANG-Studenten haben seitdem keinen ganz so guten Ruf in der UNIS-Werkstatt mehr... ;-)


Die "Arctic Sunrise" von Greenpeace war auf Forschungsreise in Svalbard - das hat schöne Erinnerungen an meine Zeit auf der alten Rainbow Warrior geweckt!



Das oft trübe Herbstwetter sorgte jedenfalls dafür, dass ich an jedem freien und definitiv jedem sonnigen Tag die Umgebung unsicher machte. Mitte September etwa wanderte ich mit Freunden zu einer zehn Kilometer entfernten Hütte, wo ich zwei schöne Tage fernab der langweiligen Stadt verbrachte.



Es war eine Belastungsprobe für meinen Rücken, die mir gezeigt hat, was ich kann und was ich noch nicht wieder tun sollte: alles über zwölf Kilo für mehr als drei Stunden bekommt meiner Bandscheibe nicht gut. Aber dass ich überhaupt wieder solche Touren machen kann, habe ich meinem neuen Rucksack zu verdanken, den ich mir aus Neuseeland habe zukommen lassen.
"Aarn Packs" produzieren sogenannte "Bodypacks", welche einen ganz neuen Rucksacktyp darstellen. Das ungewöhnliche daran ist, dass ein Drittel des Gewichtes in zwei Taschen vor der Brust transportiert wird. Das macht das An- und Abschnallen etwas umständlich, aber es erfüllt seinen Zweck: ich kann komplett gerade laufen und habe nicht alles Gewicht auf meiner kaputten Bandscheibe liegen, wie es bei einem normalen Rucksack unweigerlich der Fall ist. Zudem kann ich fast 99% des Gewichtes auf den Hüftgurt verlagern und habe keinerlei Druck auf den Schultern - auch das ideal für Leute mit Rückenproblemen. Dass mich ob der seltsamen Taschen vor der Brust jeder anschaut, als sei ich ein Marsmensch, stört mich nicht weiter - das ist ja schließich nichts Neues... ;-)



Ziemlich genau seit der letzten Septemberwoche wird es endlich dunkel genug, um Nordlichter zu sehen. Sobald das Wetter es zulässt (und das ist im Schnitt einmal die Woche) bin ich draußen, um das Spiel der Aurora zu bestaunen. Die Saison hat extrem gut begonnen: die Sonne ist wirklich sehr aktiv und sorgt für alle möglichen Farben und Strukturen am blauen Nachthimmel. Ich bin mittlerweile so dermaßen Nordlicht-verrückt, dass ich mir einen Winter ohne Aurora beim besten Willen nicht mehr vorstellen kann!


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