In den vergangenen Wochen haben sich die Lichtverhältnisse hier im Adventfjord rasant geändert. Wurden Ende August die Bergspitzen noch um Mitternacht in rotes Licht getaucht, so erlebten wir genau 60 Tage später den Moment, an dem dies selbst zur Mittagszeit nicht mehr geschah. Am 17. Oktober machte ich das folgende Foto: nicht wissend, dass es das letzte Mal sein sollte, dass Sonnenlicht die Berge der unmittelbaren Umgebung berührte.
Es folgten sechs Tage mit Bewölkung und Schneefall. Am 24. Oktober schoss ich zur Mittagszeit das folgende, eher unspektakuläre Bild: die Berge rund um Longyearbyen blieben ohne Farbe, die Bergspitzen am Horizont fingen jedoch zum allerletzten Mal das Sonnenlicht ein. Am Tag danach begann offiziell die Polarnacht - und seitdem wird es täglich rasant dunkler. Beleuchtete Berge und direktes Sonnenlicht werden wir erst wieder ab dem 16. Februar zu Gesicht bekommen!
Die letzten Sonnenstrahlen, und selbst diese nur weit entfernt auf irgendwelchen
Bergspitzen am Horizont - das war irgendwie schon ein klammer Augenblick.
Bei Bewölkung hat man spätestens seit dem Tag das Gefühl, dass es kaum mehr hell wird. Heute beispielsweise schneit es, bei relativ milden -2°C. Gefühlsmäßig gab es da nur eine Dämmerung, bevor es wieder Nacht wurde. Ziemlich deprimierend, muss ich zugeben...
Schenkt uns das Wetter aber einmal ein paar wolkenfreie oder nur leicht bewölkte Tage, dann sind die momentanen Lichtverhältnisse ein Traum!
Die Farbe Blau ist allgegenwärtig und teilweise unglaublich intensiv, und mit etwas Glück kann man am Süden einen Hauch von Pink erahnen. Die Temperaturen schwanken extrem zwischen geringen Plusgraden und -15° Celsius, der stetige Wind verteilt den feinen Pulverschnee ziemlich unregelmäßig über der Landschaft. Und die Straßenbeleuchtung Longyearbyens brennt nun 24 Stunden am Tag!
Das Studium ist jetzt recht theoretisch geworden, draußen sind wir nur noch in unserer Freizeit. Die einzige Ausnahme stellte ein erneutes, praktisches Schießtraining vergangene Woche dar, bei der wir unter anderem sehr realistische Übungen durchführten und ausprobierten, wie wir uns bei einer Eisbärenattacke auf ein Zeltlager verhalten. Eine sehr interessante und lehrreiche Lektion, die uns alle recht nachdenklich gestimmt hat. Ich würde mir wünschen, niemals in eine Situation zu kommen, bei der ich auf irgendetwas Lebendiges schießen muss. Schon gar nicht auf das größte Landraubtier der Welt!
Wenn Wetter und Stundenplan es zulassen, bin ich weiterhin so oft wie möglich draußen, um die Gegend zu erforschen. Momentan gefrieren etwa die Gletscherflüsse und geben am Gletscherrand den Weg in meist sehr niedrige Eis- und Geröllhöhlen frei. Fünf davon habe ich nun schon erforscht, was mir eine komplett durchgescheuerte Jacke, eine Vielzahl blauer Flecke sowie viel Spaß beschert hat! Die längste Höhle war etwa 200 Meter lang und minimal 30 Zentimeter hoch.
Ich bin froh, dass mein Begleiter seine kleine Kamera dabei hatte: meine große DSLR konnte
ich beim besten Willen nicht mitnehmen, dafür ist sie einfach zu sperrig und zu wertvoll!
Gemäß nach dem Motto: "Wo der Kopf durchpasst, da kommt auch der Körper durch!" robbten mein Klassenkamerad Sam und ich zwischen zwei Eisschichten hindurch: wir sollten für einen Geologen mehrere dort angebrachte Sensoren vor dem Winter retten. Ich hätte es nie gedacht, aber: ich fühlte mich zu keiner Zeit unwohl, auch nicht, als der Tunnel einmal so eng wurde, dass ich nur mit gedrehtem Kopf und kräftigem Ziehen und Drücken weiterkam. Höhlenforschung ist genialst spannend! :-)
Als es irgendwann tief im Gletscherinneren so warm wurde, dass der Bach komplett eisfrei war und wir nur mit dicker Schaumstoffpolsterung weitergekommen wären, machten wir uns auf den Rückweg. Immerhin zwei von vier Sensoren hatten wir finden und aus dem Eis lösen können: wir banden die Plastikröhren an unseren ANG-Hund Jenun, der sie brav zum Ausgang zog und uns damit einige Arbeit ersparte. Ihr Herrchen Sam machte mit seiner kleinen Digiknipse ein Bild, das ziemlich gut zeigt, wie eng es dort war - und dies war nicht einmal die niedrigste Stelle.
Die Person mit den gelben Flecken auf den Schuhsohlen bin übrigens ich...
Einen Tag später besuchte ich eine Höhle ganz anderer Art. Inmitten einer Gletschermoräne gelegen, war sie von Steinen gesäumt und machte den Eindruck einer "richtigen" und stabilen Felsenhöhle. Nach einem kurzen Kriechmanöver öffnete sie sich in einen großen Raum, an dessen Wänden sich die Feuchtigkeit in Form von wunderschönen, riesigen Eiskristallen niedergeschlagen hatte. Es war ein Ausflug in eine eisige Zauberwelt - seht selbst!
Die Höhlen waren das mit Abstand interessanteste Ausflugziel des vergangenen Monats. Aber auch Wanderungen und Bergbesteigungen habe ich unternommen - gezwungenermaßen, denn bald bleibt dazu kein Licht mehr. Man kann hier in der direkten Umgebung zwar zu Fuß nicht viel unternehmen, was ich ziemlich frustrierend finde, aber zum Glück ändern Wetter und Temperaturen die Landschaft so regelmäßig, das selbst die zehnte Besteigung des Gletschers Larsbreen immer wieder interessant ist! Ein paar Eindrücke von den Lichtverhältnissen und Panoramen, die ich vor zwei Tagen auf der Wanderung zum Gipfel des 850 Meter hohen Berges "Trollsteinen" erleben und fotografieren durfte.
Die Lichtstimmungen sind zur Mittagszeit trotz fehlenden Sonnenaufgangs faszinierend!
Im Norden sorgt der Schatten der Erde für intensiv grau-blaue Farbstimmungen ...
... wohingehen sich im Süden ein Hauch von Rosa erahnen lässt!
Wunderschön - ganz ohne Sonnenaufgang!
Im Norden sorgt der Schatten der Erde für intensiv grau-blaue Farbstimmungen ...
... wohingehen sich im Süden ein Hauch von Rosa erahnen lässt!
Wunderschön - ganz ohne Sonnenaufgang!
Die Kontraste der vom feinen Pulverschnee bedeckten Welt erinnerten mich
an ein komplexes abstraktes Gemälde!