Sonntag, 30. Oktober 2011

Beginn der Polarnacht

In den vergangenen Wochen haben sich die Lichtverhältnisse hier im Adventfjord rasant geändert. Wurden Ende August die Bergspitzen noch um Mitternacht in rotes Licht getaucht, so erlebten wir genau 60 Tage später den Moment, an dem dies selbst zur Mittagszeit nicht mehr geschah. Am 17. Oktober machte ich das folgende Foto: nicht wissend, dass es das letzte Mal sein sollte, dass Sonnenlicht die Berge der unmittelbaren Umgebung berührte.



Es folgten sechs Tage mit Bewölkung und Schneefall. Am 24. Oktober schoss ich zur Mittagszeit das folgende, eher unspektakuläre Bild: die Berge rund um Longyearbyen blieben ohne Farbe, die Bergspitzen am Horizont fingen jedoch zum allerletzten Mal das Sonnenlicht ein. Am Tag danach begann offiziell die Polarnacht - und seitdem wird es täglich rasant dunkler. Beleuchtete Berge und direktes Sonnenlicht werden wir erst wieder ab dem 16. Februar zu Gesicht bekommen!


Die letzten Sonnenstrahlen, und selbst diese nur weit entfernt auf irgendwelchen
Bergspitzen am Horizont - das war irgendwie schon ein klammer Augenblick
.

Bei Bewölkung hat man spätestens seit dem Tag das Gefühl, dass es kaum mehr hell wird. Heute beispielsweise schneit es, bei relativ milden -2°C. Gefühlsmäßig gab es da nur eine Dämmerung, bevor es wieder Nacht wurde. Ziemlich deprimierend, muss ich zugeben...

Schenkt uns das Wetter aber einmal ein paar wolkenfreie oder nur leicht bewölkte Tage, dann sind die momentanen Lichtverhältnisse ein Traum!



Die Farbe Blau ist allgegenwärtig und teilweise unglaublich intensiv, und mit etwas Glück kann man am Süden einen Hauch von Pink erahnen. Die Temperaturen schwanken extrem zwischen geringen Plusgraden und -15° Celsius, der stetige Wind verteilt den feinen Pulverschnee ziemlich unregelmäßig über der Landschaft. Und die Straßenbeleuchtung Longyearbyens brennt nun 24 Stunden am Tag!



Das Studium ist jetzt recht theoretisch geworden, draußen sind wir nur noch in unserer Freizeit. Die einzige Ausnahme stellte ein erneutes, praktisches Schießtraining vergangene Woche dar, bei der wir unter anderem sehr realistische Übungen durchführten und ausprobierten, wie wir uns bei einer Eisbärenattacke auf ein Zeltlager verhalten. Eine sehr interessante und lehrreiche Lektion, die uns alle recht nachdenklich gestimmt hat. Ich würde mir wünschen, niemals in eine Situation zu kommen, bei der ich auf irgendetwas Lebendiges schießen muss. Schon gar nicht auf das größte Landraubtier der Welt!



Wenn Wetter und Stundenplan es zulassen, bin ich weiterhin so oft wie möglich draußen, um die Gegend zu erforschen. Momentan gefrieren etwa die Gletscherflüsse und geben am Gletscherrand den Weg in meist sehr niedrige Eis- und Geröllhöhlen frei. Fünf davon habe ich nun schon erforscht, was mir eine komplett durchgescheuerte Jacke, eine Vielzahl blauer Flecke sowie viel Spaß beschert hat! Die längste Höhle war etwa 200 Meter lang und minimal 30 Zentimeter hoch.


Ich bin froh, dass mein Begleiter seine kleine Kamera dabei hatte: meine große DSLR konnte
ich beim besten Willen nicht mitnehmen, dafür ist sie einfach zu sperrig und zu wertvoll!


Gemäß nach dem Motto: "Wo der Kopf durchpasst, da kommt auch der Körper durch!" robbten mein Klassenkamerad Sam und ich zwischen zwei Eisschichten hindurch: wir sollten für einen Geologen mehrere dort angebrachte Sensoren vor dem Winter retten. Ich hätte es nie gedacht, aber: ich fühlte mich zu keiner Zeit unwohl, auch nicht, als der Tunnel einmal so eng wurde, dass ich nur mit gedrehtem Kopf und kräftigem Ziehen und Drücken weiterkam. Höhlenforschung ist genialst spannend! :-)

Als es irgendwann tief im Gletscherinneren so warm wurde, dass der Bach komplett eisfrei war und wir nur mit dicker Schaumstoffpolsterung weitergekommen wären, machten wir uns auf den Rückweg. Immerhin zwei von vier Sensoren hatten wir finden und aus dem Eis lösen können: wir banden die Plastikröhren an unseren ANG-Hund Jenun, der sie brav zum Ausgang zog und uns damit einige Arbeit ersparte. Ihr Herrchen Sam machte mit seiner kleinen Digiknipse ein Bild, das ziemlich gut zeigt, wie eng es dort war - und dies war nicht einmal die niedrigste Stelle.


Die Person mit den gelben Flecken auf den Schuhsohlen bin übrigens ich...

Einen Tag später besuchte ich eine Höhle ganz anderer Art. Inmitten einer Gletschermoräne gelegen, war sie von Steinen gesäumt und machte den Eindruck einer "richtigen" und stabilen Felsenhöhle. Nach einem kurzen Kriechmanöver öffnete sie sich in einen großen Raum, an dessen Wänden sich die Feuchtigkeit in Form von wunderschönen, riesigen Eiskristallen niedergeschlagen hatte. Es war ein Ausflug in eine eisige Zauberwelt - seht selbst!



Die Höhlen waren das mit Abstand interessanteste Ausflugziel des vergangenen Monats. Aber auch Wanderungen und Bergbesteigungen habe ich unternommen - gezwungenermaßen, denn bald bleibt dazu kein Licht mehr. Man kann hier in der direkten Umgebung zwar zu Fuß nicht viel unternehmen, was ich ziemlich frustrierend finde, aber zum Glück ändern Wetter und Temperaturen die Landschaft so regelmäßig, das selbst die zehnte Besteigung des Gletschers Larsbreen immer wieder interessant ist! Ein paar Eindrücke von den Lichtverhältnissen und Panoramen, die ich vor zwei Tagen auf der Wanderung zum Gipfel des 850 Meter hohen Berges "Trollsteinen" erleben und fotografieren durfte.



Die Lichtstimmungen sind zur Mittagszeit trotz fehlenden Sonnenaufgangs faszinierend!
Im Norden sorgt der Schatten der Erde für intensiv grau-blaue Farbstimmungen ...


... wohingehen sich im Süden ein Hauch von Rosa erahnen lässt!
Wunderschön - ganz ohne Sonnenaufgang!


Die Kontraste der vom feinen Pulverschnee bedeckten Welt erinnerten mich
an ein komplexes abstraktes Gemälde!

Donnerstag, 20. Oktober 2011

Herbstwanderung

Ende September stand eine fünftägige Rucksackwanderung auf dem Studienplan. Einerseits war dies schon seit langem ein Grund zur Vorfreude, andererseits aber hatte ich ziemlich Sorgen um meinen Rücken und wusste eigentlich bis zum letzten Tag nicht, ob ich das Risiko dieser erhöhten Belastung eingehen sollte und konnte. Da ich diese einmalige Reise allerdings wirklich nicht verpassen wollte und sie zudem obligatorisch war, bat ich die gesamte Klasse um Hilfe und verteilte meinen Rucksackinhalt an alle, die etwas nehmen wollten. Während sich meine Mitschüler begeistert mit jeweils oft über 30 Kilogramm beluden, hatte ich im Endeffekt mitsamt meiner abgespeckten Kameraausrüstung gerade einmal 15 Kilo auf dem Buckel. Das war schon fast zu viel Gewicht für meine blöde kaputte Bandscheibe, die mir umgehend wieder ordentliche Rückenschmerzen verursachte. Auf der anderen Seite war ein so leichter Rucksack natürlich Luxus pur und konnte ich trotz ausstrahlender Schmerzen gut mit den Anderen mitzuhalten und die über 60 Kilometer lange Wanderung beenden!

Wettermäßig hatten wir wieder einmal ungeheures Glück! Fünf Tage lang wanderten wir in der direkten Umgebung Longyearbyens und erlebten an den ersten beiden Tagen Nebel und ein wenig Nieselregen. Dann aber fiel das Thermometer unter -10°C, legte sich Raureif über das Land und klarte sich der Himmel. Es war fantastisch! Statt es groß mit Worten zu beschreiben will ich hier Bilder für sich sprechen lassen: dies sind also die Eindrücke von einer Mehrtageswanderung im herbstlichen Svalbard!

Die Software meines Blog-Anbieters hält nun übrigens eine Neuerung parat: wenn ihr auf ein Foto klickt, kommt ihr in einen Dia-Show-Modus und könnt dort die Bilder nacheinander durchblättern. Unter dem angezeigten Foto führt euch der Link "Original ansehen" zur größten Version des jeweiligen Fotos! Viel Spaß beim Schauen!


Tag Eins: Wanderung Richtung Süden über den Gletscher Longyearbreen
Unser Start- und Endpunkt, die Stadt Longyearbyen, liegt im Tal unten am Fjord.



Diesmal war ein kurzbeiniger schwedischer Hütehund mit von der Partie,
der seinem Herrchen beim Tragen helfen musste...







Am Abend des zweiten Tages riss die Wolkendecke auf...


... und konnten wir in den darauffolgenden zwei Nächten teils wunderbar filigrane
und farbige Nordlichter erleben! Allerdings war ich mal wieder die einzige,
die verrückt genug war, mir auch außerhalb meiner Eisbärenwache die Nacht
um die Ohren zu schlagen und auf die Aurora borealis zu warten...



Sonntag, 9. Oktober 2011

Herbst in der Arktis

Und wieder ist ein Monat wie im Fluge vergangen.
Nun bin ich schon seit bald neun Wochen auf Svalbard! Wohin verschwindet sie nur immer, die liebe Zeit...?



Der Herbst hier oben war ... überraschend. Die Monate September und Oktober sind eigentlich meine liebste Jahreszeit - allerdings habe ich bisher jeden Herbst meines Lebens in einer Umgebung verbracht, in der es Pflanzen gibt, die sich verfärben und ihre Blätter abwerfen. Nicht so hier. Das wenige, was in der Arktis gedeiht, denkt nicht an Farbänderung und behält seine Blätter außerdem als Windschutz fürs kommende Jahr. Soviel dazu. ALLERDINGS ist jetzt endlich die Zeit gekommen, an dem die Sonne wieder untergeht und es dementsprechend warme Farben gibt - welche dann doch für bunte Herbstimpressionen sorgen!



Solches Traumwetter ist aber leider relativ selten. Bewölkung, Wind und ganz leichter Niederschlag sind an der Tagesordnung - teilweise ist das ungemütlich-kalte Grau-in-Grau ziemlich frustrierend. Wir alle spüren schon die Auswirkungen der sich rasant nähernden Polarnacht: stete Müdigkeit und Gereiztheit sind an der Tagesordnung. Zum Glück lässt die Uni wenig Raum für die anklopfende Winterdepression: dafür gibt es ständig viel zu viel zu tun! So absolvierten wir beispielsweise drei weitere Tage am Schießstand, und nachdem ich ein ziemlich selbstbewusster Großkalibergewehrschütze geworden bin weiß ich nun: mehr als 30 Schuss am Tag enden garantiert in einer von blauen Flecken verzierten Schulter!

Der WWF kam nach Longyearbyen und bot einen Kurs in Ölentfernung an, bei dem ich drei Tage lang lernte, wie man Strandabschnitte nach einer Ölpest säubert. Eines steht fest: es ist eine dreckige, extrem langwierige und ziemlich deprimierende Arbeit. Wir brauchten zu viert eineinhalb Stunden, um fünf Liter Öl aus einem Planschbecken zu entfernen. Kaum vorzustellen, wieviel Arbeit es ist, nach einer Ölpest Zehntausende von Tonnen Öl einzudämmen! Doch gerade und besonders in einem Land wie Norwegen ist es nur eine Frage der Zeit, bis dies wieder der Fall sein wird. Nur eine Woche nach dem Kurs kam schon eine Anfrage vom WWF an die momentan 300 "ausgebildeten" Freiwilligen in Norwegen, ob jemand bereit wäre, bei den Aufräumarbeiten nach einer kleinen Ölpest in Schweden mitzuhelfen. Ich bin diesmal nicht mit von der Partie - aber wer weiß, meine Zeit wird schon noch kommen!


Mit sogenannten Ölsperren wird das auf dem Wasser schwimmende Öl "abgeschabt"
und konzentriert, sodass es dann abgepumpt werden kann. Wir übten das Ganze von Land aus
mit einem Sack Sägespäne, und hatten auch damit wieder genug zu tun...


Nur ein paar Tage später erhielten wir einen Crashkurs im Zusammenbauen und Fahren von Zodiak-Gummibooten. Auch hier hatten wir wieder viel Spaß, vor allem, weil es meine Gruppe schaffte, am ersten Tag ein Zodiak beim Aufblasen zum Platzen zu bringen (der Druckmesser war kaputt), und ein anderes am zweiten Tag zu versenken (Der Boden fiel während der Fahrt einfach raus). Wir ANG-Studenten haben seitdem keinen ganz so guten Ruf in der UNIS-Werkstatt mehr... ;-)


Die "Arctic Sunrise" von Greenpeace war auf Forschungsreise in Svalbard - das hat schöne Erinnerungen an meine Zeit auf der alten Rainbow Warrior geweckt!



Das oft trübe Herbstwetter sorgte jedenfalls dafür, dass ich an jedem freien und definitiv jedem sonnigen Tag die Umgebung unsicher machte. Mitte September etwa wanderte ich mit Freunden zu einer zehn Kilometer entfernten Hütte, wo ich zwei schöne Tage fernab der langweiligen Stadt verbrachte.



Es war eine Belastungsprobe für meinen Rücken, die mir gezeigt hat, was ich kann und was ich noch nicht wieder tun sollte: alles über zwölf Kilo für mehr als drei Stunden bekommt meiner Bandscheibe nicht gut. Aber dass ich überhaupt wieder solche Touren machen kann, habe ich meinem neuen Rucksack zu verdanken, den ich mir aus Neuseeland habe zukommen lassen.
"Aarn Packs" produzieren sogenannte "Bodypacks", welche einen ganz neuen Rucksacktyp darstellen. Das ungewöhnliche daran ist, dass ein Drittel des Gewichtes in zwei Taschen vor der Brust transportiert wird. Das macht das An- und Abschnallen etwas umständlich, aber es erfüllt seinen Zweck: ich kann komplett gerade laufen und habe nicht alles Gewicht auf meiner kaputten Bandscheibe liegen, wie es bei einem normalen Rucksack unweigerlich der Fall ist. Zudem kann ich fast 99% des Gewichtes auf den Hüftgurt verlagern und habe keinerlei Druck auf den Schultern - auch das ideal für Leute mit Rückenproblemen. Dass mich ob der seltsamen Taschen vor der Brust jeder anschaut, als sei ich ein Marsmensch, stört mich nicht weiter - das ist ja schließich nichts Neues... ;-)



Ziemlich genau seit der letzten Septemberwoche wird es endlich dunkel genug, um Nordlichter zu sehen. Sobald das Wetter es zulässt (und das ist im Schnitt einmal die Woche) bin ich draußen, um das Spiel der Aurora zu bestaunen. Die Saison hat extrem gut begonnen: die Sonne ist wirklich sehr aktiv und sorgt für alle möglichen Farben und Strukturen am blauen Nachthimmel. Ich bin mittlerweile so dermaßen Nordlicht-verrückt, dass ich mir einen Winter ohne Aurora beim besten Willen nicht mehr vorstellen kann!


Dienstag, 4. Oktober 2011

"Highlights Island"

Liebe Welt, es ist soweit: mein erstes Buch ist im Handel erschienen! "Highlights Island", vom Bruckmann Verlag, ist ein Projekt, in das ich viel Zeit, Wissen und Schweiß investiert habe - allerdings auch viel Kritik! In 50 Geschichten und Kapiteln habe ich versucht, viele Facetten Islands abzudecken und viele Geschmäcker zufrieden zu stellen: ob mir das gelungen ist, müsst ihr selber entscheiden! Ich allerdings bin stolz wie Oskar und ziemlich gespannt, wie der Band ankommen wird!



Mein guter Freund Olaf Krüger ist der Fotograf, ich der Autor, wobei allerdings 30% der Bilder von mir stammen. Auch wenn mich das Umschlag-Design überhaupt nicht begeistert (ROSA! AAAARGH!) so bin ich doch sehr zufrieden mit dem Buch: der Verlag hat sich sehr auf meine / unsere Wünsche eingelassen und mir als Autor erstaunliche Freiheiten gewährt!

Das Besondere an diesem Band ist, dass er sehr kritisch geworden ist. Es handelt sich um eine Mischung aus Reiseführer und Bildband: ein Buch zum Schmökern für all jene, die Interesse an Island haben. Entgegen der ersten Erwartungen, welche die Farbe des Einbandes wecken könnte, will ich dieses Land nicht rosa beweihräuchern und habe Themen wie Walfang, fehlendes Umweltbewusstsein der Isländer, Großindustrie, die Schattenseiten der eneuerbaren Energien, Klimawandel, Offroad-Fahren, das Sterben der Papageitaucher und die negativen Auswirkungen des Massentourismus erwähnt und teilweise ausführlich beschrieben.

Highlights Island - Shop des Bruckmann Verlags

Der obrige Link führt zur Internetseite des Bruckmann Verlags. Unter dem Bild des Buchcovers führt ein weiterer Link zur Online-Vorschau des Buches: hier könnt ihr euch Hineinlesen in eine begrenzte Anzahl frei wählbarer Buchseiten.

Ans Herz legen kann ich euch folgende Kapitel:

(40) Winternacht in Grundarfjörður, Seite 124 (Nordlichter)
(10) Eyjafjallajökull, Seite 46 (Vulkanausbruch)
(50) Das Gebirgsmassiv Kverkfjöll, Seite 158 (Offroad-Fahren)
(2) Þingvellir, Seite 24 (Wikinger und Kontinentaldrift)
(8) Die Westmännerinseln, Seite 40 (Das Sterben der Papageitaucher)
(46) Die Laki-Krater, Seite 142 (Der schlimmste Vulkanausbruch der modernen Islandgeschichte)
(30) Kraftvoller Skálfandafljót, Seite 100 (Pläne der Großindustrie)
(47) Naturschutzgebiet Fjallabak, Seite 146 (Massentourismus)

Auf bald!
Eure Kerstin