Sonntag, 27. März 2011

Vom Schreiben meines Buches

Als ich mich vor einem Monat in mein kleines Garagenzimmer in Grundarfjörður einmietete, dann tat ich das in dem Bestreben, Ruhe zu haben und mich ganz ohne Stress dem Schreiben meines Buches widmen zu können.
Fünf Wochen später habe ich genau drei von insgesamt 50 Kapiteln geschrieben und sollte mich eigentlich so langsam mal ranhalten - denn wenn das so weitergeht, wird der Band 2012 noch nicht fertig sein!

Das Hauptproblem am Schreiben ist, wie sollte es anders sein, die Ablenkung. Ich war durch die Ausbildung zum Ranger im vergangenen Monat insgesamt 9 Tage in Skaftafell und Reykjavík und darf mich nun 'landvörður' nennen. Als Ranger kann ich von nun an in allen Nationalparks und Schutzgebieten Islands arbeiten - ich freue mich! Eine spannende Arbeitsmöglichkeit mehr! :-)

Ein weiteres Problem ist meine Nachtaktivität. Seit Monaten bin ich begeisterter Dumpsterdiver / Mülltaucher bzw. ich gehe 'containern' wenn ich Lust und Zeit dazu habe. Das heißt schlichtweg, dass ich nicht mehr tagsüber in den Supermärkten einkaufe, sondern ich nachts in deren Müllcontainern herumkrabbele und mich munter an einem sehr ausgiebigen Sortiment bediene. Dies tue ich aus Protest und zur Konsumverminderung: was in unserer Konsumgesellschaft weggeschmissen wird, ist schlichtweg pervers! Von daher habe ich keinerlei schlechtes Gewissen oder Ekel: seht her, so schlimm wie man sich das vorstellt ist es nämlich gar nicht! 90% der von den Supermärkten weggeworfenen Lebensmittel sind kompromislos genießbar! Eine Schande wäre es hingegen, das alles der Müllverbrennung zuzuführen!



Damit schlage ich mir also meine Nächte um die Ohren - es sei denn, es ist gutes Wetter und sind Nordlichter am Himmel zu sehen. Dann verlege ich das Schlafen auf den Folgetag und warte warm eingemummelt an einem fotogenen Ort auf die grünlichen Lichter.

Vor zwei Wochen gab es einen Nordlichtsturm, nur war leider schlechtes Wetter für Snæfellsnes vorhergesagt. Also stand ich um die Mittagszeit and der Straße und hielt den Daumen in den Wind. Drei Stunden, drei Autos und 200km später war ich in Þingvellir (viel früher als gedacht!) und durfte dort eine wundervolle Nacht mit teilweise sehr starker Aurora erleben. Es war wirklich einfach nur genial!



Dass ich bei -15°C keinen Schlaf fand war nebensächlich - schließlich konnte ich am nächsten Abend in meinem Bett in Grundarfjörður durchschlafen. Am Tag danach wollte ich, wie immer, endlich richtig mit dem Schreiben beginnen - aber da meldete sich ein mir bis dato unbekannter iranischer Fotograf übers Internet und bat mich um Rat zu seiner spontan geplanten Fotoreise in Island. Das ganze endete darin, dass ich vier Tage lang mit ihm und seinem irischen Freund mitreiste. Bei durchgehender Bewölkung, Regen und Schneefall besuchten wir Vík, Skaftafell und Jökulsárlón und konnten einige sehr schöne Bilder machen! Besonders faszinierten mich die hohen Wellen, die der Südwind die Küste hinauf peitschte und denen ich stundenlang zusehen konnte.


Heute dann war es endlich soweit: ich hatte mir fest vorgenommen, nun richtig mit dem Schreiben beginnen und mindestens zwei Kapitel verfassen.

Nur war es leider so, dass ich beim verspäteten Zubereiten meines Mittagessens (Spaghetti mit Restesoße) aus dem Fenster schaute und ständig seltsame Reflektionen auf dem Meer sah. Die Kamera als Fernglas nutzend offenbarte sich mir ein völlig unerwartetes Bild: im Fjord drängelten sich Wale! Also ließ ich mein Mittagessen sausen, schnappte mir meinen Kamerarucksack und ging so schnell ich konnte hinunter zum Hafen. Zwei Boote befanden sich schon auf dem Fjord und guckten sich das Spektakel an - ich war etwa eine halbe Stunde zu spät gekommen. Im kleinen Privathafen fand ich nur noch einen Fischer, der gerade seinen kleinen Kutter betankte und erst gar nicht verstand, warum um alles in der Welt ich so dringend diese Wale sehen wollte. Dann aber lachte er nur und meinte, ich solle aufspringen, wir würden uns das mal angucken gehen.


Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und kletterte über die Reling des kleinen Bootes namens Birta, dessen Besitzer Kristinn hieß. Kristinn ist übrigens ein gängiger isländischer Männername: die Frauenversion wird Kristín geschrieben.

Nur fünf Minuten dauerte die Fahrt, dann befanden wir uns mitten in einer großen Familiengruppe von Schwertwalen / Orcas, die das Wasser durchflügten. Kristinn zeigte mir auf seinem Radar, dass sie einen riesigen Heringsschwarm zusammengetrieben hatten und sich zügig daran satt futterten. Mindestens 20 Tiere verteilten sich über die ganze Breite des Fjordes, egal wohin man guckte sah man die Finnen der majestätischen Tiere auf- und untertauchen. Einige sehr große Männchen waren darunter, deren Rückenflossen über einen Meter lang waren. Sie interessierten sich herzlich wenig für uns, dafür aber umso mehr für die Millionen von Heringen im Wasser unter uns. Das große Fressen spielte sich zwar in einigen Metern Tiefe ab, aber die Wale kamen immer zum Atmen an die Oberfläche. Über ihnen kreisten Tausende von Möwen und Eissturmvögeln, die sich an der Wasseroberfläche um tote Heringe stritten.


Kristinn blieb dort für 15 Minuten, die mir einerseits wie eine Ewigkeit vorkamen, andererseits viel zu schnell vorbei waren. Ich hätte ihnen ewig zuschauen können, diesen größten Delphinen der Welt! Aber Kristinn musste seine Netze einholen und so fuhr er mich zurück zum Hafen. Geld wollte er keines von mir haben, aber über Bilder täte er sich freuen, sagte er, und fuhr dann aufs offene Meer hinaus, um Heilbutt zu fangen.

Ja, und so sitze ich nun hier und freue mich unbändig über diese 15 Minuten bei den Orcas. Trotz allem Geschaukel entstanden dabei sogar brauchbare Bilder: was für ein Tag! Von diesem Erlebnis werde ich noch lange zehren! Um morgen dann, endlich und ganz bestimmt, so richtig mit dem Schreiben des Buches zu beginnen! ;-)


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