Freitag, 24. Juli 2009

Per Anhalter durch Norwegen

So, dies ist er also, der erste Eintrag meines neuen Blogs. Ich bin ja wirklich einmal gespannt, wie mir das "bloggen" so gefallen wird... Meine Motivation ist immerhin groß: ich werde versuchen, hier regelmäßig von mir hören und sehen zu lassen, sowohl in Schrift- als auch in Bildform. Denn da ich ja seit Anfang diesen Jahres digital fotografiere, kann ich nun auch aktuelle Bilder viel einfacher ins Internet stellen.
Also: dann mal los!

Vor genau zwei Wochen stand ich vor einem relativ großen Problem: ich musste 2000km in einem der teuersten Länder der Welt zurücklegen, ohne dafür viel Geld ausgeben zu wollen bzw. zu können. Von Norwegens Hauptstadt Oslo bis hoch nach Langfjordbotn bei Alta (etwa 400km nördlich des Polarkreises) sollte die Reise gehen, die ich aus (ökologischen) Prinzipgründen nicht per Flugzeug zurücklegen wollte. Ein Auto besitze ich ja immer noch nicht, daran wird sich auch sobald nichts ändern! Bahnfahren ist hier im Norden allerdings keine Alternative, da es die teuerste Fortbewegungsart darstellt und das Schienennetz außerdem nur bis zum Polarkreis führt: danach geht es in Norwegen nur per Straße, Luft oder Boot vorwärts. Per Bus durch Norwegen oder Schweden hätte die Reise knapp 30 Stunden gedauert - und mich ebenfalls ein halbes Vermögen gekostet. Günstig ist hier oben nichts - ich bin ja aus Island einiges gewöhnt, aber Norwegen toppt sogar dies!

Also nahm ich mir zwei Wochen Zeit und beschloss, mein Glück als Anhalter zu versuchen. Warum die Art, so zu reisen, heutzutage so verpönt ist, ist mir nicht ganz klar, schließlich kann ich ausschließlich auf positive Erfahrungen zurückblicken!



Am 11. Juli ging es los. Oslo selber ist ein schlechter Ort, um zu trampen, denn meine Erfahrung zeigt: je weniger Einwohner pro Quadratkilometer, desto einfacher wird man mitgenommen. Das dichtbevölkerte Südnorwegen mit seinen vierspurig ausgebauten Autobahnen eignet sich daher leider kaum zum Anhalter fahren. Deshalb legte ich die ersten 400km mit dem Bus zurück und schlug mich abends unweit der Straße mit meinem Zelt in die Büsche. In Norwegen gilt ja praktischerweise das Jedermannsrecht, welches besagt, dass man überall in der Natur übernachten darf, vorausgesetzt man macht nichts kaputt, benimmt sich rücksichtsvoll und ist mindestens 150m vom nächsten Haus entfernt. Selbstverständlich habe ich mich an all dies gehalten!



Am nächsten Tag begann das eigentliche Trampen - bei wolkenlosem Himmel und gut 20 Grad im Schatten. Ein junger Norweger in einem weißen VW-Bus stoppte nur zwei Minuten nachdem ich den Daumen in den Wind hielt und nahm mich eineinhalb Stunden mit gen Norden. Danach lud mich der Präsident des Reiseveranstalters "Din Tur" auf ein Mittagessen ein und brachte mich ebenfalls eine gute Stunde weiter nördlich. Zwei weitere, kürzere Mitfahrten folgten bei ebenfalls sehr netten Norwegern, die sich allesamt darüber wunderten, dass eine Frau sich alleine per Anhalter auf den Weg macht.

Gegen Mittag stand ich etwas länger an der zweispurig ausgebauten E6 und sah Lastwagen und Wohnmobile an mir vorbeiziehen - und ein altes, grünes, klappriges Auto. Besagtes alte, grüne und klapprige Auto sah ich fünf Minuten später ein zweites Mal, was mich nicht wenig erstaunte - bis es an den Straßenrand fuhr und genau vor mir stoppte. Am Steuer saß eine Frau mittleren Alters, und auf der Rückbank lieferten sich zwei Kinder gerade eine Plüschtierschlacht. Auf dem Beifahrersitz stapelten mehrere Taschen, und auch der Kofferraum war bis oben hin zugeschichtet. "Macht nichts", sagte die Frau, die sich mir als Anja vorstellte, "Wenn du dich zwischen die Kinder quetschen willst, dann versuchen wir deinen Rucksack auf dem Beifahrersitz unterzubringen!"
Gesagt, getan: ich zwängte mich zwischen die beiden großen Kindersitze, deren Insassen mich etwas verunsichert beäugten. Dann ging die Fahrt los.



Die Scheu der Kinder währte nicht lange, denn nachdem ich mich vorstellte, plapperten die beiden neunjährigen Zwillinge Aksel und Bjørg (ø ist das norwegische ö) wie zwei kleine Wasserfälle auf Norwegisch auf mich ein. Leider sprachen sie viel zu schnell, und das auch noch im schlimmsten Trondheimer Dialekt. Nach meinem bisher achtwöchigen Norwegenaufenthalt hatte ich bis dato fast ausschließlich Englisch gesprochen und tue mich mit den regional stark unterschiedlichen Dialekten noch sehr schwer. Doch das half nichts: die Kinder sprachen kein Englisch, und in Rücksicht auf diese taten Anja und ich das auch nicht. So sollte mir diese Autofahrt als meine bisher intensivste Norwegisch-Lehrstunde in Erinnerung bleiben - und als erstaunliches Beispiel, wie schnell wildfremde Menschen sich auch sprachlich aufeinander einstellen können. Nach fünf Minuten verstand ich die Kinder und diese mich - ich sah zwar im Rückspiegel, dass Anja sich regelmäßig ins Fäustchen grinste, aber das tat nichts zur Sache. So schlecht mein Norwegisch auch ist: wir verstanden uns. Sehr gut sogar!

Wie sich herausstellte, war Anja in ihrer Jugend ebenfalls oft per Anhalter unterwegs gewesen, hatte in den letzten Jahren aber niemals jemanden mitgenommen, auch weil man kaum noch Anhalter sieht - das ist in Norwegen nicht anders als in Deutschland. Nachdem sie an mir vorbeigefahren waren, hatten sie und ihre Kinder eine gut zweiminütige Diskussion darüber, ob im Auto Platz für "das nett lachende Mädel" sei. Die Kinder hatten wohl einstimmig beschlossen, dass ihre Plüschtiere ihren Platz gerne für mich freimachen würden, und so wurde gewendet und ich eingeladen. Und da war ich nun.



Die kleine Familie befand sich auf den Weg zu Anjas Eltern in der Troms-Gegend: und die lag gut 800km weiter nördlich. So kam es, dass ich an diesem Tag bis 23 Uhr im Auto saß, bereits den Polarkreis überquerte und mit den Dreien auch am nächsten Tag noch eine Weile mitfuhr. Als wir uns herzlich verabschiedeten, Emails ausgetauscht und gegenseitige Besuche angedroht hatten, war mein norwegisches Eis gebrochen: seit diesem Tag spreche ich nur noch Norwegisch. Komplett falsch, mit unmöglicher Aussprache (sie sagen ich hätte einen isländischen Akzent) und keinerlei Grammatikkenntnissen, aber egal: ich werde verstanden und nur das zählt! Die Norweger sind aufgrund der vielen Dialekte innerhalb ihrer Sprache ohnehin an seltsame Aussprache gewöhnt und verstehen mich in der Regel gut, egal wie falsch ich Dinge auch ausspreche. Norwegisch ist ein interessanter Mix aus Deutsch und Isländisch, wobei die Verwandtschaft zum Deutschen wirklich gravierend ist! Ich hatte erwartet, dass ich viel mehr isländische Anlehnungen antreffen würde, aber weit gefehlt: meine Deutschkenntnisse helfen mir hier weit mehr, als mein Isländisch. Eine für mich überraschende Feststellung!

Da ich in nur zwei Tagen mehr als zwei Drittel der Distanz zurückgelegt hatte, legte ich zwei Tage Pause ein und erkundete Norwegens Nationalberg. Diesen Titel hat der Berg Stetind im Tysfjord aufgrund seiner markanten Form erhalten: 1392m hoch hebt er sich fast senkrecht aus einem Fjord heraus und ist nur bis etwa 800m Höhe ohne Kletterhilfe zu besteigen.



Bei dem anhaltend guten Wetter ließ ich mir die steile Wanderung aber nicht nehmen und stand so im Schein der hochstehenden Mitternachtssonne am "falschen Gipfel", welcher für schwindelfreie Nichtkletterer der letzte gefahrlos erreichbare Punkt ist, bevor die senkrechte Felswand beginnt.





Und mit diesen ersten Bildern aus Norwegen will ich diesen ersten Blogeintrag dann auch beenden!

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