Nie zuvor habe ich so weit im Norden einen so sommerlichen Sommer erlebt, wie in diesem Jahr. Kaum eine Wolke verdeckte die Sonne, die 24 Stunden lang vom hohen Himmel brannte und den Schnee ziemlich rasant verschwinden ließ. Das ermöglichte uns ziemlich bald lange
Wanderungen, auf denen man die faszinierende Landschaft entdecken
konnte. An sich ist Spitzbergen ziemlich karg: es gibt hier keine große Masse an Pflanzen. Die wenigen Spezialisten aber, die den langen, harten Winter überdauern können, blühen oft in erstaunlicher Farbenpracht. Was ich dieses Jahr erleben durfte, stellt alles zuvor Gesehene in den Schatten: eine Explosion von Farben, welche die eigentlich so karge Tundra in ein duftendes Blütenmeer verwandelte...
Über die Nachrichten erreichen uns ja allerhand Hiobsbotschaften, und davon nicht zu knapp: Kriege hier, Umweltkatastrophen da, aussterbende Tierarten, und so weiter und so fort. Wie schön ist es, dass es selbst in der sich momentan so stark verändernden Arktis auch mal schöne Nachrichten gibt: so zum Beispiel die Rückkehr der Blauwale. Die größten Tiere aller Zeiten wurden im 19ten und 20ten Jahrhundert durch den industriellen Walfang bis an den Rand der Ausrottung getrieben. Seit ein paar Jahren aber erleben sie ein Comeback, zumindest auf der nördlichen Hemisphäre. Mittlerweile sehen wir auf fast jeder Reise einen Blauwal - eine beeindruckende Begegnung! :-)
Walrosse wurden seit der Entdeckung Spitzbergens ebenso stark und rücksichtslos gejagt, wie die Wale. Auch sie waren hier schon ausgerottet - und auch sie kommen momentan stark zurück! Diese herrlichen Tiere breiten sich Jahr für Jahr weiter aus, denn ihr Futter, die Sandklaffmuschel, wird sonst von keinem anderen Tier gefressen und ist im Überfluss vorhanden. Und weil die größten Robben der Arktis unter strengem Schutz stehen, sind sie kaum scheu. Im Gegenteil sie können sehr neugierig sein! Und sie bringen mich immer wieder zum Lachen. Es sind einfach nur drollige Viecher, diese Walrosse!
Der kurze Sommer ist natürlich auch die Hochsaison für Zugvögel. Es ist nicht das Land, das sie lockt, sondern das sehr produktive Meer an der Packeisgrenze. Die amselgroßen Krabbentaucher beispielsweise, die sonst echte Seevögel sind und viel besser tauchen können als fliegen, brüten in unzugänglichen Geröllhalden. Es sind neben Pinguinen und Papageitauchern die drolligsten Vögel, die ich kenne - einfach nur niedlich anzuschauen, die kleinen Kerlchen!
Brütende Krabbentaucher entwickeln einen Kropf, in dem sie winzige Ruderfußkrebse zu ihren Nestern bringen |
Da der Sommer so warm war, gab es dieses Jahr ziemlich viel Nebel: warme Luft und kaltes Eis vertragen sich einfach nicht. Bei richtig dichtem Nebel kann man wenig tun oder sehen, aber wenn die Sonne durchkommt, erlebt man faszinierende Nebelbögen. Es ist das gleiche Prinzip wie bei einem Regenbogen, nur sind die Tropfen, in denen sich das Licht bricht, viel feiner und der enstehende Ring aus Licht ist diffuser. Man sieht die Farben zwar nicht so gut, dafür aber kann man ein anderes Phänomen beobachten. Der eigene Schatten wird als sogenanntes Brockengespenst sichtbar, und um den Kopf herum bildet sich eine Glorie!
Genauso faszinierend wie der Nebel mit seinen optischen Phänomenen sind die Momente, an denen sich der Nebel lichtet. Dann entstehen beinahe mystische Anblicke, die jedes Fotografenherz höher schlagen lassen. Eines meiner liebsten Landschaftsbilder dieses Sommers ist deshalb ein Nebelfoto. Ganz besonders toll fand ich, dass sich sogar mein Copyright im klaren Wasser der Mushamna-Bucht gespiegelt hat! ;-)
Natürlich sah ich diesen Sommer auch Eisbären, wenn ich auch nicht verschweigen will, dass ich auch meine erste Schiffsreise ohne Eisbärensichtung erlebte. Aber oft haben wir Glück und treffen auf Tiere, die uns entweder gar nicht beachten oder gar neugierig sind und näher ans Schiff heran kommen. Das sind die Momente, die sich die meisten meiner Gäste inniglich herbeigeseht haben. Eisbären in freier Wildbahn erleben zu dürfen ist einfach ein riesengroßes Privileg und daher immer wieder eine atemberaubende Erfahrung!
Spitzbergen hat mich vermehrt zum Tierfotografen werden lassen - das ist ja nicht zu übersehen. Einerseits drängen sich die Tiere einem hier regelrecht auf, schließlich sind sie der Hauptgrund, weshalb die meisten Touristen hierher kommen. Andererseits ist Landschaftsfotografie einfach wenig reizvoll, wenn die Sonne vier Monate lang nicht einmal annähernd in Horizontnähe kommt. Dennoch schlägt mein Herz weiterhin für die großartigen Landschaften des Nordens. Ganz besonders habe ich mich daher diesen Sommer über zwei Lebewesen gefreut, die sich kaum fotogener hätten platzieren können. Da war einmal ein prächtige Rentierbulle vor der beeindruckenden Kulisse des Kongsbreen, und dann die in voller Blüte stehende "Nördliche Himmelsleiter" vor dem Berg Skansen.
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