Wenn man sich die Landkarte einmal anschaut (ohne Wolken und Packeis), sieht man schon den wesentlichen Unterschied. Die Antarktis ist ein Kontinent umgeben von Meer, die Arktis ist ein Meer umgeben von Kontinenten. Ein Kontinent wird kälter als ein Meer, viel kälter, und auch deswegen ist die Antarktis fast ausschließlich von Eis bedeckt, das bis zu 4500 (!!!) Meter dick ist. In der Arktis dagegen schmelzen warme Meeresströme das Meereis jedes Jahr aufs neue, und Gletscher bilden sich nur dort, wo es Berge gibt. So ist zu erklären, dass 90% des Weltgletschereises in der Antarktis zu finden sind, 9% in Grönland - und das restliche Prozent Gletschereis verteilt sich auf die alpinen und arktischen Gebiete der Welt. Diese Dimensionen kann man sich gar nicht vorstellen!
Dämmerungsstimmung im Errera Channel, mit Blick auf Cuverville Island, Antarktis |
Für uns Menschen bedeutet diese Eisverteilung, dass wir uns in der Antarktis kaum an Land bewegen können: etwas übertrieben ausgedrückt ist es ein riesiger Gletscher, aus dem hier und da ein paar Bergspitzen schauen. Die Arktis ist das Gegenteil davon. Das Land rund um das Nordpolarmeer ist zwar von einigen Gletschern bedeckt, aber diese sind winzig im Vergleich zur Antarktis. Man kann in der Arktis also ausgiebige Wanderungen unternehmen und viel mehr Orte besuchen, als in der Antarktis. Und das ist ein Grund, warum ich die Arktis so mag: für Aktivitäten bietet der Norden die vielfältigere Wahl.
Faksevågen, Lomfjord, Svalbard |
Die Antarktis ist der in jeder Hinsicht extremere Ort. Es beginnt mit dem Wetter. Mindestens ein Tag pro Reise fällt aus, manchmal sogar bis zu drei Tage, weil extreme Winde uns Hausarrest erteilen: in diesen katabatischen Winden und den entstehenden, hohen Wellen, kann man keine sichere Landung mehr durchführen. Die Gefahr ist einfach zu groß, dass das Zodiak von einer plötzlichen, extremen Sturmböe umgeschmissen wird oder sich Guides und Gäste verletzen, weil das Boot von den Elementen umhergestoßen wird.
Sturm in Bransfield Strait, Antarktis |
Ist man dann aber an Land und erlebt man einen windstillen Tag, ist die Antarktis der beeindruckendere Ort. Was für Eismassen, was für Berge! Es gibt keinerlei Spuren menschlicher Zivilisation: nicht einmal unser Müll hat es hierher geschafft, der in der Arktis ja mittlerweile leider allgegenwärtig geworden ist.
Angeschwemmter Müll am Strand - ein gängiger Anblick auch auf den Lofoten |
Eselspinguine bei George's Point, Ronge Island |
Die Tiere der Antarktis sind kaum scheu, vor allem deshalb, weil es an Land keine Raubtiere gibt. Für die Pinguine und Robben kommt die Gefahr entweder aus dem Wasser (See-Leoparden und Orcas) oder aus der Luft (Skuas oder Riesensturmvögel). Dementsprechend wenig Furcht zeigen sie uns Menschen gegenüber.
Eselspinguinküken, Jougla Point, Antarktis |
In der Arktis ist es genau umgedreht: dort kommt die Gefahr von Land (Eisbären und Polarfüchse), weshalb die meisten Tiere genau dort ziemlich scheu sind. Dafür gibt es in der Arktis aber viel mehr verschiedene große Tiere zu betrachten: Eisbären, Walrosse und vier weitere Robbenarten, verschiedenste Wale (u.a. Blauwale, die in der Antarktis fast ausgerottet wurden und sich bisher nicht erholten), viele verschiedene Vögel und natürlich Rentiere und Polarfüchse. Die Bandbreite an spannenden Lebewesen ist dort also größer.
Wasser trennte Eisbär von Walrossen - ansonsten hätte dieses jungrige Männchen die Herde längst ins Wasser gescheucht |
Ein weiterer Unterschied ist die Tatsache, dass wir in der Arktis keinerlei Ahnung haben, wo wir Tierleben antreffen werden. In der Antarktis brüten die Pinguine in immer denselben Kolonien: wir wissen also ganz genau, wohin wir reisen müssen, um verschiedene Pinguinarten zu finden. In der Arktis gilt das genaue Gegenteil: keines der Tiere ist stationär. Wir können nicht einmal den Höhepunkt einer Arktisreise garantieren, also die Sichtung von Eisbären. Es kann theoretisch sein, dass eine Reise in einem Desaster endet: weil keine Eisbären gesichtet wurden. Passiert ist mir das bisher zum Glück nur einmal: aber das war dementsprechend heftig. Man sollte glauben, dass die Leute wissen, dass man wilde Tiere nicht auf dem Servierteller präsentieren kann - und dass man eine Reise dennoch für toll halten kann, wenn man drei verschiedene Walarten (unter anderem Blauwale), alle Robben (also auch Walrosse), viele Vögel, Füchse und Rentiere sichtet. Aber nein, es gab beinahe eine Meuterei: weil der Eisbär fehlte. Ich hätte beinahe gesagt: "Da habt ihr euren Blick in die Zukunft!" Aber das tröstet oder beruhigt die Gäste natürlich nicht. Für sie war die Reise ein Debakel - obwohl das Wetter, Lichtstimmungen, Ausflüge und Tierbegegnungen fantasisch gewesen waren.
Menschen - ich werde sie nie verstehen ...
Arktische Küstenseeschwalbe füttert ihr fast flügges Jungtier, Nordaustlandet, Svalbard |
Mein Herz schlägt für beide Polregionen: für die Arktis, weil ich mich in ihr immer mehr Zuhause fühle, und auch für die Antarktis, weil sie für mich immer noch ein riesiges Abenteuer ist und ich noch sehr viel zu lernen und entdecken habe. Genau deswegen bin ich jetzt gerade auch wieder im Südpolarmeer unterwegs: noch bis Mitte Januar werde ich die Antarktische Halbinsel und den Bereich des Weddellmeeres erkunden, als Guide, Fotograf und generelles Mädel für alles.
Mit im Gepäck ist nämlich ein neues Spielzeug: ein Unterwassergehäuse für meine Kamera. Tauchen liegt leider nicht im Rahmen meiner Möglichkeiten - sehr wohl aber kann ich die obersten 30 Zentimeter der Wassersäule unsicher machen. Dabei kommen die tollsten Dinge zutage: die ersten Fotos begeistern mich total. Unter Wasser liegt eine ganz andere Welt verborgen - und eröffnen sich ganz neue Blickwinkel. Hier ein paar erste Bilder: weitere folgen dann im Januar.
Eine neugierige Weddellrobbe Nniemals hätte ich gedacht, dass ich einem wilden Meeressäuger in seinem Element einmal so nahe kommen würde. Die ganze Geschichte erzähle ich beim nächsten Mal! :-) |
Mit diesen Eindrücken möchte ich euch ein frohes Weihnachtsfest wünschen: und einen guten Rutsch ins neue Jahr!
Liebe Grüße aus dem tiefen Süden,
Kerstin