Samstag, 24. Mai 2025

Von Palmen - und Eisbären

Auch diesen Sommer wollte ich wieder eine gewisse Zeit in der Arktis verbringen. Da ich ja seit 2019 relativ stur darauf beharre, nicht in Flugzeuge zu steigen, bin ich immer darauf angewiesen, eine Mitfahrgelegenheit mit einem Schiff zu finden. Viele Expeditions-Kreuzfahrtschiffe starten ihre Spitzbergensaison mit Gästen in Norwegen. Dieses Jahr aber wurde ich gebeten, auf einer Überführung eines relativ großen Schiffes (für bis zu 145 Passagiere) mit dabei zu sein. Ich war als einziger Guide mit an Bord, um bei der Vorbereitung für die Arktissaison zu helfen. Der Clou war dabei: die Fahrt war ohne Gäste - und begann in Spanien!

Und so machte ich eine erstaunlich unkomplizierte eineinhalbtägige Reise, von Köln nach Nordspanien. Zwei Schnellzüge, einmal Metro durch Paris, eine Übernachtung mit Strandspaziergang in Biarritz und zwei Überlandbusse sowie eine Schmalspurbahnfahrt später erreichte ich dann die Werft Astander in Nordspanien, wo besagtes Schiff (die "National Geographic Resolution") gerade zweieinhalb Wochen generalüberholt worden war.
Ende April war es hier schon so sommerlich, dass ich die ersten Walderdbeeren fand (und aß!) und darüber schmunzelte, dass ich meine Arktissaison unter Palmen beginnen würde.

Die Promenade von Biarritz

 Palacio de la Magdalena in Santander


Anschließend war ich 10 Tage unterwegs, in der das Schiff relativ gemütlich nach Norden tuckerte, und ich erstaunlich viel Arbeitszeit in Jobs investierte, zu denen man sonst nie kommt - denn wenn Gäste an Bord sind, hat man eigentlich keine Zeit für Instandhaltungsarbeiten. Ich muss sagen, dass ich die Zeit ziemlich klasse fand! Die Teilnahme an Karaokeabenden in der Crew-Messe waren obligatorisch, und wo eigentlich die Zodiac-Gummiboote gelagert werden, war diesmal Platz für einen Tischtennistisch, an dem jeden Abend regelrechte Wettkämpfe ausgetragen wurden.

Es war spannend, mal einen Blick hinter die Kulissen eines schwimmenden Hotelbetriebes zu werfen - denn nichts anderes ist ein Passagierschiff. Es waren noch ein paar extra Handwerker an Bord, die sich im Maschinenraum um irgendwas kümmerten, was mit den Dieselgeneratoren zusammenhing, aber ansonsten arbeiteten alle einfach "nur" an Dingen, die im Non-Stop-Betrieb sonst zu kurz fallen. Es ging vor allem um Tiefenreinigung, etwa der Teppiche (in so einem Schiff liegt im Passagierbereich wirklich ÜBERALL Teppichboden...), es wurden Leisten geputzt und Deckenlampen abgeschraubt und wirklich alles blitzeblank gebohnert. Ich selbst war als einzige vom sogenannten Expeditions-Team für 'unsere' Räumlichkeiten verantwortlich: ich habe eine generelle Inventur gemacht, die gesamte Guide-Ausrüstung auf Qualität bzw. Sauberkeit geprüft (und gereinigt...), habe die Kabinen der Passagiere mit "Papierkrams" bestückt, die Bibliothek einmal komplett durchsortiert - solche Sachen halt. War mal eine neue Erfahrung, und keineswegs negativ. Ist eigentlich nett, stressfrei ganz gezielt an vielen kleinen Projekten zu arbeiten!

In Longyearbyen angekommen, kamen alle anderen Guides und eine volle Ladung Gäste an Bord, und seitdem habe ich in Svalbard bzw. entlang der West- und Nordküste Spitzbergens mehrere Reisen gemacht. Wie immer kann ich sagen: ich fühle mich absolut wohl im Reich der Eisbären!
Im Mai liegt hier noch überwiegend Schnee, der nun aber sehr schnell schmilzt. Und ja, es ist hier zu warm. Der Klimawandel ist neue Realität und verändert alles. Mittlerweile lerne ich, wenn auch mehr schlecht als recht, dies als Fakt anzunehmen.

Ich habe in diesen Wochen relativ wenig fotografiert, aber dann doch genug, um mich jetzt mit ein paar fotografischen Eindrücken zu verabschieden. 

Walrosse beim Gruppenkuscheln / Schlafen / sich über den Nachbarn ärgern ...

Orcas im Packeis!
Killerwale sieht man sehr selten hier oben, von daher war diese Sichtung ein echtes Highlight.

Die Regierung Svalbards hat beschlossen, dass man Eisbären nur noch aus großer Entfernung anschauen darf. Von daher wird es von hier oben ab sofort viel weniger Eisbärenfotos geben, die dann allerdings mit großen Teleobjektiven gemacht werden. Dieses Männchen wanderte über eine sehr große Packeisscholle, die beinahe so ausschaut, wie schneebedecktes Land...

So sieht Schnee aus, der auf sehr stilles Meer fällt, dort eine Schicht bildet und dann von Wellen bewegt wird.
Natur als Kunst!

Spitzbergenrentiere auf der Suche nach Fressbarem.
Für mich scheint es jedes Jahr ein absolutes Wunder zu sein,
dass diese hoch spezialisierten Tiere hier die langen Winter überleben!


Zwei weitere Überlebenskünstler: ein Schneehuhnpaar.
Der Hahn passt auf "seine" Henne auf, die bereits das Federkleid wechselt. Auch sie verbringen den ganzen Winter hier, sind also keine Zugvögel - und zahlen die extreme Anpassung mit einem sehr kurzen Leben. Alpenschneehühner werden selten älter als zwei Jahre!

Dieses breit grinsende subarktische Exemplar eines Homo reiseleiteranicus verdankt sein temporäres Überleben einzig und allein seinem warmen Islandpulli - und einer Kabine an Bord einer schwimmenden CO2-Schleuder.

Sorry, diese Bemerkung konnte ich mir nicht verkneifen. Wenn ich den Tourismus in die Arktis (bzw. den CO2-Fußabdruck dieser Industrie) stoppen könnte, auch mit dem Preis, dass auch ich dann nie wieder hierherkommen könnte, ich würde es sofort tun. ABER: das ist ein Thema, das hier alle Zeitfenster sprengen würde.

Und da ich arbeiten muss, beende ich dieses Lebenszeichen jetzt. Bis Juli werde ich in Spitzbergen bleiben, bevor es wieder mit einem Schiff zurück nach Island geht. Wenn ich Zeit habe, melde ich mich auf diesem Wege wieder.
Bis dahin: Liebe Grüße aus dem immer noch überwiegend schneebedeckten Spitzbergen!

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